Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Zulassungsbegehren; Aufwendungsersatz; Erstversorgung einer Leiche; Bestattungskosten;...

Zulassungsbegehren; Aufwendungsersatz; Erstversorgung einer Leiche; Bestattungskosten; ungeklärte Todesursache; Sicherstellung; Beauftragung eines Bestatters durch die Polizei; Freigabe; Genehmigung der Bestattung; Bestattungspflicht; bestattungspflichtige Person; Geschäftsführung ohne Auftrag; fremdes Geschäft; eigenes Geschäft; Fremdgeschäftsführungswillen; Bereicherung; Rechtsnatur des Anspruchs


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 23.05.2014
Aktenzeichen OVG 12 N 12.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 40 Abs 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124a Abs 4 VwGO, § 159 StPO, § 17a GVG, § 677 BGB, § 683 BGB, § 812 BGB, § 818 Abs 2 BGB, § 19 Abs 1 BestattG BB, § 20 Abs 1 BestattG BB

Leitsatz

Zur Frage der Erstattung von Kosten für die Erstversorgung einer Leiche bei nicht natürlicher Todesursache (Bergung, Abtransport durch ein Bestattungsunternehmen) durch die bestattungspflichtige Person nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 193 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das den alleinigen Prüfungsgegenstand bildende Zulassungsvorbringen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf Verurteilung des Beklagten zur Erstattung der für den Abtransport der Leiche (sog. Erstversorgung) seiner verstorbenen Mutter durch einen Bestattungsunternehmer angefallenen Kosten gerichtete, vom zunächst angerufenen Amtsgericht dorthin verwiesene Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag sei nicht gegeben. Der Transport habe dem Zweck gedient, die Leiche für die Klärung der Todesursache zu sichern; damit habe das klagende Land ein objektiv eigenes Geschäft auf dem Gebiet der Strafrechtspflege wahrgenommen. Ein auch fremdes Geschäft des bestattungspflichtigen Beklagten liege nicht vor. Die Beauftragung des Leichentransports lasse keinen Fremdgeschäftsführungswillen erkennen und habe auch nicht dem Willen des Beklagten entsprochen. Dieser habe vor Freigabe der Leiche durch die Staatsanwaltschaft die Bestattung nicht veranlassen können; noch am Tage der Freigabe habe er einen – anderen – Bestattungsunternehmer beauftragt, der den Transport der Toten aus den Räumlichkeiten des polizeilich beauftragten Bestatters in die des eigenen Unternehmens in Rechnung gestellt habe. Er sei daher auch nicht um die zunächst angefallenen Transportkosten bereichert; im Übrigen habe – nach Ausschlagung des Erbes durch den Beklagten – das Sozialamt die Bestattungskosten getragen. Gegen das Urteil beruft sich der Kläger auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO. Mit der Antragsbegründung sind jedoch weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargelegt (dazu 1.), noch besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (dazu 2.) oder deren grundsätzliche Bedeutung erläutert (dazu 3.).

1. Der Kläger trägt für den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor, die Begründung des Urteils lasse nicht erkennen, ob es den geltend gemachten Anspruch des Klägers als öffentlich-rechtlich oder als privatrechtlich ansehe. Auch lägen die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag vor, denn der Abtransport der Leiche vom Sterbeort sei unabhängig von der Frage, ob ein natürlicher Tod vorliege oder nicht, stets Sache des Bestattungspflichtigen. Mit der Beauftragung eines Bestattungsunternehmers werde nur bei Gelegenheit der Wahrnehmung der den Strafverfolgungsbehörden obliegenden Aufgaben der Sicherstellung der Leiche zum Zwecke der Klärung der Todesursache ein Geschäft des Bestattungspflichtigen besorgt. Dass der Bestattungspflichtige vor der Freigabe der Leiche nicht mit der Bestattung fortfahren könne, hindere die Zurechnung zu seinem Pflichtenkreis nicht.

Mit diesem Vorbringen ist die Unrichtigkeit des Urteils nicht dargetan. Die Zuordnung des geltend gemachten Anspruchs zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht ist für das Entscheidungsergebnis unerheblich. Denn ob die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nach den §§ 677 ff. BGB oder in entsprechender Anwendung anhand dieser Vorschriften als auch im öffentlichen Recht geltende Rechtsgrundsätze zu beurteilen sind, ändert am Prüfungsrahmen nichts. Jedenfalls erläutert der Kläger nicht, inwiefern eine Zuordnung zum öffentlichen Recht etwas daran ändern würde. Die landesrechtliche Bestimmung der bestattungspflichtigen Person (§ 20 Abs. 1 Brandenburgisches Bestattungsgesetz – BbgBestG – ) deutet allerdings darauf hin, dass die Bestattungspflicht im Land Brandenburg öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist, worauf Amts- und Landgericht gestützt haben, dass die Natur des besorgten Geschäfts dann öffentlich-rechtlich ist, wenn eine zivilrechtliche Grundlage für die Kostentragung ausscheidet. Auch der Kläger nimmt an, dass die Pflicht zur Bestattung eine Pflicht kraft öffentlichen Rechts ist (S. 10 f. der Begründungsschrift). Fraglich mag allenfalls sein, inwiefern das besorgte Geschäft – der Vertrag mit dem Bestattungsunternehmer – auch wenn er der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht dient, die Rechtsnatur der damit erfüllten Pflicht teilt.

Ein schlüssiger Vortrag liegt auch nicht hinsichtlich der Abgrenzung des eigenen Aufgabenkreises von dem des bestattungspflichtigen Beklagten vor. Die vom Kläger offenbar für richtig gehaltene Zuordnung der sog. Erstversorgung der Leiche (Bergung, Abtransport, Verbringung an einen geeigneten Verwahrungsort) zum Pflichtenkreis des Bestattungspflichtigen übersieht, dass der Untersuchungserfolg der primär im öffentlichen Interesse erfolgenden Klärung der Todesursache ohne diese Maßnahmen gefährdet ist, wenn diese Klärung am Auffinde- oder Sterbeort nicht möglich ist. Deshalb umfasst die Sicherstellung oder Beschlagnahme der Leiche alle Maßnahmen, die im Sinne der Gewährleistung des Untersuchungserfolges notwendig sind. Es ist deshalb zutreffend, wenn die erstinstanzliche Entscheidung grundsätzlich annimmt, dass die Beauftragung eines Bestattungsunternehmers durch die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben dient und deshalb objektiv ein eigenes Geschäft des Klägers ist, weil die Sicherstellung einer Leiche wegen deren natürlicher Beschaffenheit ohne besondere Vorkehrungen, die auch den Transport betreffen, nicht zu bewerkstelligen ist.

Substantiierte Anhaltspunkte, dass es sich bei der Erstversorgung einer Leiche, deren natürlicher Tod nicht feststeht, auch um ein Geschäft aus dem Pflichtenkreis der bestattungspflichtigen Person handelt, zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf. Insbesondere setzt sie sich nicht hinreichend mit der Vorschrift des § 159 Abs. 2 StPO auseinander, nach der die Bestattung von der Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft abhängt und der Bestattungspflichtige vorher selbst nicht tätig werden kann. Es stellt insoweit keine tragfähige Gegenargumentation dar, wenn eine Verdrängung der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Auswirkungen dieser Vorschrift – nicht wie der Kläger offenbar meint und vom Verwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen, durch § 20 Abs. 2 BbgBestG – als „abwegig“ beschrieben und letztlich – im Wege eines Zirkelschlusses – beklagt wird, dass es in der Folge keine Grundlage für eine Kostenerstattung gebe.

Ebenso wenig ist schlüssig dargetan, dass der Wille der handelnden Ermittlungspersonen nicht nur auf die Erfüllung der ihnen obliegenden Amtspflichten gerichtet ist, sondern zugleich den Willen umfasst, Pflichten der bestattungspflichtigen Personen zu erfüllen (vgl. zum Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens in den verschiedenen Konstellationen des auch fremden Geschäfts: BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - VIII ZR 302/07 – BGHZ 181,188, juris Rn.18). Das Zulassungsvorbringen führt hierzu aus, es sei hinreichend äußerlich erkennbar, dass das klagende Land nicht etwa Bestattungspflichten des Beklagten wahrnehmen wollte, sondern lediglich seine Aufgaben aus § 159 ZPO (Anm. d. Senats: Gemeint ist offensichtlich „StPO“) zu erfüllen gedachte, bei deren Erfüllung die bewussten Pflichten des Beklagten zu einem Teil miterledigt wurden (S. 9, dritter Absatz der Begründungschrift). Damit ist nicht dargelegt, dass jedenfalls auch ein Wille vorlag, für „einen anderen“ - die bestattungspflichtige Person - im fremden Pflichtenkreis tätig zu werden. Die im folgenden Satz der Begründungsschrift aufgestellte Rechtsbehauptung, dass „damit“ auch die Fremdbezogenheit des Geschäfts und der Fremdgeschäftsführungswille „äußerlich erkennbar“ würden, weil „offenkundig sei, dass die Erledigung der Amtspflichten der Ermittlungsbehörden nicht dazu dienten, Bestattungspflichten des Beklagten zu erfüllen“, vermag die fehlende Darlegung nicht zu ersetzen. Die Feststellung des Fremdgeschäftsführungswillens bei einem aus der Sicht des Geschäftsführers auch fremden Geschäft setzt voraus, dass aus den Umständen erkennbar wird, dass er nicht nur im eigenen Pflichtenkreis, sondern auch in dem des Geschäftsherrn tätig ist und sein will. Danach müsste hier gerade über den Willen zur eigenen Aufgabenwahrnehmung hinaus auch der Wille äußerlich erkennbar geworden sein, eine zum Vorgang der Bestattung gehörende Handlung vorzunehmen. Dass allein in dem Abtransport der Leiche zur Klärung der Todesursache ein diesbezüglicher Wille erkennbar würde, behauptet selbst der Kläger nicht. Ein entsprechender Wille ergibt sich im Übrigen auch nicht aus dem eingereichten Verwaltungsvorgang; vielmehr ist daraus noch nicht einmal ersichtlich, dass ein Polizeibediensteter als Ermittlungsperson den Bestatter mit der Erstversorgung beauftragt hat, denn das Bestatterprotokoll ist insoweit nicht gegengezeichnet.

Fehlt es hiernach an einer Herleitung des Fremdgeschäftsführungswillens als einer Voraussetzung der Geschäftsführung ohne Auftrag, kommt es für die Abweisung der Klage nicht entscheidungserheblich darauf an, dass das Verwaltungsgericht zusätzlich angenommen hat, es fehle auch am wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Beklagten, weil dieser seiner Bestattungspflicht erst nach der Genehmigung der Bestattung durch die Staatsanwaltschaft habe genügen können und in diesem Zeitpunkt – mit der Beauftragung eines Bestattungsunternehmens – das Notwendige veranlasst habe. Wenn ein Pflichtiger nicht selbst handeln kann, dürfte das allerdings meist dazu führen, dass das Handeln eines Dritten seinem (mutmaßlichen) Willen entspricht.

Das Vorbringen zur Bereicherung des Beklagten durch die Ersparnis der vom Kläger getragenen Kosten setzt sich nicht mit der Begründung des Urteils (S. 8, zweiter Absatz des Urteilsabdrucks) auseinander, wonach dem Beklagten auch Kosten für den weiteren – nach der Erstversorgung erforderlichen – Transport der Verstorbenen durch das von ihm mit der Bestattung beauftragte Unternehmen entstanden sind. Im Übrigen hatte der Beklagte zwar für die Bestattung zu sorgen, aber zivilrechtlich nicht die Bestattungskosten zu tragen. Sie sind vielmehr – jedenfalls bislang – vom Sozialamt bezahlt worden. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Beklagte Aufwendungen erspart hätte, die sonst bei ihm angefallen wären.

2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen nach Meinung des Klägers deshalb vor, weil die Zivilgerichtsbarkeit einheitlich davon ausgehe, es handele sich um einen zivilrechtlichen Erstattungsanspruch, während das Verwaltungsgericht – ohne Begründung – von einem öffentlich-rechtlichen Anspruch ausgehe. Mit diesen Ausführungen ist der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan. Er dient – wie derjenige nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – der Einzelfallgerechtigkeit, zielt also auf die Sicherung des richtigen Entscheidungsergebnisses im Einzelfall. Dem Vorbringen kann unter Heranziehung der Ausführungen zu den ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils nicht entnommen werden, inwiefern es das Entscheidungsergebnis beeinflusst hätte, wenn das Verwaltungsgericht der Anspruchsnatur näher nachgegangen wäre, insbesondere welcher Unterschied darin liegt, wenn der Anspruch statt dem öffentlichen Recht dem Privatrecht unterfiele. Soweit der Kläger meint, dass dann die Praxis der Zivilgerichte den Ausschlag zu seinen Gunsten geben müsse, so ist das unzutreffend. Maßgeblich wäre auch in einem Berufungsverfahren einzig, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

3. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO lässt sich nicht damit begründen, dass das Landgericht Potsdam wegen grundsätzlicher Bedeutung die weitere Beschwerde hinsichtlich der Rechtswegentscheidung zugelassen hat. Über den Rechtsweg wird nach § 17a GVG unter den dort genannten Voraussetzungen vorab entschieden und die insoweit – gegebenenfalls nach Ausschöpfung des eröffneten Beschwerdeweges – ergehende Entscheidung ist bindend (vgl. § 17a Abs. 5 GVG). Insofern ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtswegfrage nicht gleichzusetzen mit einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des hier zu prüfenden Zulassungsgrundes. Im Übrigen zeigt die Zulassungsbegründung auch insoweit nicht auf, weshalb die richtige Qualifizierung der Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs in einem Berufungsverfahren entscheidungserheblich wäre. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Entscheidung, weil für das Land eine „ganz erhebliche Kostenlast im Raum stehe“, entbindet nicht davon, die ungeklärte Rechts- oder Tatsachenfrage darzustellen, die im Berufungsverfahren fallübergreifend zu klären ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).