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Entscheidung 34 C 119/09


Metadaten

Gericht AG Brandenburg Entscheidungsdatum 12.04.2010
Aktenzeichen 34 C 119/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 286 ZPO, § 17 StromGVV

Leitsatz

Wenn unstreitig ein Brief des Versorgungsunternehmens mit dem Abrechnungsschreiben dem Kunden zugegangen ist und wenn zudem in diesem Abrechnungsschreiben auch noch ausdrücklich auf die beigefügte "Einzelaufstellung" Bezug genommen wird, so spricht bereits die Vermutung dafür, dass dieses Anschreiben des Versorgungsunternehmens dann auch die in diesem Anschreiben mit angesprochene Anlage "Einzelaufstellung" mit beinhaltet hat.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.074,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.03.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.550,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Zwischen der Beklagten und der Klägerin bestand für den hier streitigen Zeitraum hinsichtlich der Verbrauchsstelle ….straße … in … Brandenburg an der Havel unstreitig ein Stromliefervertrag, aufgrund dessen die Klägerin der Beklagten jeweils ebenso unstreitig elektrischen Strom geliefert hat. Mit Schreiben vom 12.02.2009 - Anlage K1 (Blatt 10 bis 12 der Akte) - hat die Klägerin diesen Stromverbrauch für den Zeitraum vom 27.03.2001 bis zum 14.03.2008 gegenüber der Beklagten abgerechnet. Diese Rechnung ging der Beklagten unstreitig im Februar 2009 zu.

Die Klägerin trägt vor, dass die Beklagte auf den am 03.03.2009 fällig gewesenen Rechnungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.707,53 Euro bislang lediglich einen Betrag in Höhe von 632,89 Euro für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 14.03.2008 ausgeglichen habe, so dass für den restlichen Verbrauchszeitraum vom 27.03.2001 bis 31.12.2005 noch eine Restforderung in Höhe von insgesamt 1.074,64 Euro bestehen würde, welche sie nunmehr mit der Klage gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend macht.

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf eine vorherige Rechnung vom 19.04.2002 - Anlage K2 (Blatt 38 der Akte) - eine Teilerfüllung einwenden würde, habe die Beklagte jedoch unerwähnt gelassen, dass sich diese Stromabrechnung lediglich auf den Zeitraum vom 31.01.2001 bis 26.03.2001 bezieht, was sich ohne weiteres aus der beigefügten Einzelaufstellung (Blatt 39 der Akte) zu dieser Rechnung ergeben würde. Diese Einzelaufstellung sei der Beklagten - entgegen ihrer Behauptung - auch zusammen mit der Rechnung vom 19. April 2002 zugegangen, da sämtliche Rechnungen, die sie versenden würde, mit einer solchen Einzelaufstellung übersandt werden. Auch sei in dem Schreiben vom 19. April 2002 ausdrücklich auf diese Einzelaufstellung verwiesen worden. Diese Abrechnung mit Einzelaufstellung würde aber insofern mit dem Zählerstand: „16.233“ enden. Genau dieser Zählerstand des Stromzählers von „16.233“ sei aber auch bei der hier nunmehr geltend gemachten Rechnung vom 12.02.2009 zu Beginn des hier nunmehr streitigen Abrechnungszeitraumes vom 27.03.2001 bis 31.12.2005 von ihr auch nur zugrunde gelegt worden.

Der von der Beklagten gezahlte Gesamtbetrag in Höhe von 920,47 Euro sei zwar im Übrigen bei ihr eingegangen, jedoch würde sich dieser Geldbetrag aus den in der Anspruchsbegründung bereits erwähnten 632,89 Euro hinsichtlich des Verbrauchszeitraums vom 01.01.2006 bis 14.03.2008 beziehen sowie aus einer weiteren Zahlung in Höhe von 287,58 Euro für den Verbrauchszeitraum vom 15.03.2008 bis 11.03.2009. Dieser Verbrauchszeitraum vom 15.03.2008 bis 11.03.2009 betreffe jedoch nicht den hiesigen, mit der Verbrauchabrechnung vom 17.04.2009 geltend gemachten Anspruch und sei nicht Gegenstand dieser Klage.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ihre Forderung auch weder verjährt noch verwirkt und stelle die unterlassene bzw. verzögerte Stromabrechnung auch nicht einen Berechnungsfehler im Sinne des § 18 StromGVV dar.

Der Zinsanspruch würde sich im Übrigen aus Verzug ergeben. Bei der in der Rechnung enthaltenen Bestimmung würde es sich nämlich um eine Fälligkeitsbestimmung gemäß § 286 Abs. 2 BGB handeln.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.074,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.03.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zunächst ist sie der Auffassung, dass hinsichtlich des Zeitraums vom 13.01.2001 bis 25.03.2002 bereits Verjährung eingetreten sei, da die Klägerin bereits mit Rechnung vom 19.04.2002 für den Zeitraum vom 31.01.2001 bis 25.03.2002 abgerechnet habe. Vor diesem Hintergrund sei die nunmehr streitgegenständliche Rechnung der Klägerin vom 12.02.2009 ihrer Meinung nach auch nicht prüffähig, da nunmehr ein Verbrauchszeitraum ab dem 27.03.2001 von der Klägerseite für den Stromverbrauch geltend gemacht wird. Da insoweit ihrer Meinung nach ggf. auch eine andere Mengenberechnung erfolgt sei, würden auf ihrer Seite auch erhebliche Zweifel an der vollständigen Richtigkeit der gegenständlichen Rechnung bestehen.

Im Übrigen habe sie auf die gegenständliche Rechnung der Klägerin vom 12.02.2009 unter dem 26.03.2009 eine Zahlung von 920,47 Euro und nicht nur in Höhe von 632,89 Euro geleistet.

Wenn die Klägerin nunmehr hinsichtlich ihrer Rechnung vom 19.04.2002 die entsprechende Einzelaufstellung zufügen würde, so habe diese Einzelaufstellung ihr aber zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aus diesem Grunde würde sich hier ihrer Meinung nach nur der Schluss ziehen lassen, dass diese Einzelaufstellung einzig und allein zum Zwecke der näheren Darlegung im Rechtsstreit von der Klägerin angefertigt sein müsse.

Auf Grund des Umstandes, dass hier ihrer Ansicht nach die Jahresverbrauchsabrechnung für den Zeitraum vom 31.01.2001 bis 25.03.2002 bereits mit der Abrechnung vom 19.04.2002 erfolgt sei, sei insoweit nicht nur eine Teilerfüllung, sondern überdies auch einzuwenden, dass dies ein Berechnungsfehler im Sinne des § 18 StromGVV darstellen würde.

Im Übrigen würde sie den Verjährungseinwand für den Leistungszeitraum vom 31.01.2001 bis 25.03.2001 erheben und zugleich Verwirkung einwenden.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf die unter Angabe der Blattzahl der Akte angeführten Schriftstücke ergänzend Bezug genommen. Zudem wird auf die zwischen den Prozessparteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus auch auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte schuldet der Klägerin für den Zeitraum vom 27.03.2001 bis 14.03.2008 das insoweit von der Klägerseite hier noch gerichtlich geltend gemachte restliche Entgelt in Höhe von 1.074,64 Euro gemäß den Rechnung vom 12. Februar 2009, da die Beklagte auf den Rechnungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.707,53 Euro vorprozessual bisher unstreitig lediglich 632,89 Euro bezahlt hat. Dieser restliche Zahlungsanspruch der Klägerin ist hier nämlich weder durch die weitere Zahlung der Beklagten in Höhe von 287,58 Euro teilweise erloschen noch ist er im Übrigen verjährt und/oder verwirkt.

Hinsichtlich der Stromlieferung ergibt sich die Forderung aus § 433 BGB. Auf einen Stromversorgungsvertrag finden nämlich die Vorschriften des Kaufrechts entsprechend Anwendung (BGH, BGHZ 59, Seite 303; LG Berlin, Das Grundeigentum 2004, Seiten 1298 f.).

Zwischen den Prozessparteien ist im Übrigen auch unstreitig ein Vertrag über die Lieferung von elektrischen Strom zustande gekommen, zumal in einem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens - wie hier der Klägerin - regelmäßig auch ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags zu sehen, das von denjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz der Klägerin elektrischen Strom entnimmt (BGH, NJW 2003, Seiten 3131 f.; BGH, NJW 1992, Seite 171; BGH, NJW 1983, Seite 1777; Reichsgericht, RGZ Band 111, Seiten 310 ff.; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, Seite 436). Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 StromGVV lediglich wiederholt ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklich schriftlich oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden; dabei soll ein vertragsloser Zustand bei Stromlieferungen vermieden, nicht aber dem Versorgungsunternehmen ein weiterer Vertragspartner verschafft werden (BGH, NZM 2004, Seiten 425 f.; OLG Hamm, ZIP 1983, Seite 329; OLG Brandenburg, OLG-NL 2000, Seite 170 = RdE 2000, Seiten 72 f.; OLG Brandenburg, OLG-NL 2001, Seite 88 = RdE 2002, Seiten 20 f. ; OLG Karlsruhe, RdE 1984, Seiten 25 ff.; OLG Dresden, NZM 2000, Seite 158; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, Seiten 436 f.; OLG Düsseldorf, RdE 1993, Seiten 240 ff.), so dass hier zwischen den Prozessparteien unstreitig eine vertragliche Grundlage besteht, gleichgültig ob nun auf schriftliche, mündliche oder schlüssige/konkludente Weise zustande gekommen.

Die Beklagte kann die Abrechnungen der Klägerin im Übrigen auch nicht pauschal der Höhe und dem Inhalt nach bestreiten. Dies ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nicht zulässig. Als Vertragspartner der Klägerin hätte sie die entsprechenden Unterlagen einsehen und sich damit die erforderlichen Kenntnisse für einen substantiierten Vortrag verschaffen müssen (LG Berlin, Das Grundeigentum 2004, Seiten 1298 f.). Bei der Abrechnung der von der Klägerin in dem streitbefangenen Zeitraum gelieferten elektrischen Energie ist der durch die Klägerin der Beklagten in Rechnung gestellte Verbrauch somit hier zugrunde zu legen; denn mit ihren Einwänden zur Menge des elektrischen Stromverbrauchs ist die Beklagte auch gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV hier ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift berechtigen Einwände gegen Rechnungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nämlich nur dann, soweit sich aus den Umständen ergibt, dass die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder sofern der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und der Kunde zudem eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Die Beklagte hat hierzu aber nicht einmal hinreichend genug überhaupt etwas dargelegt (OLG Hamm, MDR 2008, Seiten 1382 f. = OLG-Report 2008, Seiten 789 f. = RdE 2009, Seiten 71 f. = GWF/Recht und Steuern 2009, Seiten 20 f.; OLG Düsseldorf, RdE 1987, Seite 245; LG Berlin, ZMR 2003, Seiten 678 f. = RdE 2003, Seiten 285 f.). Ein offensichtlicher Fehler liegt zudem dann gerade nicht vor, wenn erst vertiefte rechtliche Erwägungen über die Berechtigung der Forderung angestellt oder aber sogar Beweis erhoben werden müsste (LG Düsseldorf, RdE 1992, Seite 193; LG Berlin, RdE 2003, Seiten 285 f. = ZMR 2003, Seiten 678 f.).

Auch hat die weitere Zahlung der Beklagten in Höhe von 287,58 Euro den hier geltend gemachten Zahlungsanspruch der Klägerin nicht in dieser Höhe zum erlöschen gebracht, da sich diese Zahlung auf den hier nicht streitigen Verbrauchszeitraum vom 15.03.2008 bis 11.03.2009 bezog.

Zwar ist im Übrigen in der Rechnung der Klägerin vom 19.04.2002 - Anlage B1 und K2 (Blatt 32 bzw. 38 der Akte) - schon ein Zeitraum vom 31.01.2001 bis zum 25.03.2002 angeführt worden, jedoch ergibt sich aus der dazugehörigen „Einzelaufstellung“ - Anlage K2 (Blatt 39 der Akte) -, dass der Stromverbrauch hier von der Klägerseite nur bis zum 26.03.2001 und lediglich der Gasverbrauch bis zum 25.03.2002 abgerechnet wurde. Dies ergibt sich auch aus den jeweils in den beiden Einzelaufstellungen (Blatt 12 und 39 der Akte) angegebenen Zählerständen („16.233“ als „neuer“ Zählerstand in der alten Abrechnung vom 19.04.2002 und als „alter“ Zählerstand in der neuen Abrechnung vom 12.02.2009). Die Einzelaufstellung - Anlage K2 (Blatt 39 der Akte) - ist der Beklagten nach Überzeugung des Gerichts im Übrigen auch zusammen mit dem Abrechnungsschreiben vom 19.04.2002 - entgegen der Behauptung der Beklagten - zugegangen. Gerichtbekannt - und hier bezüglich der Abrechnung vom 12.02.2009 sogar unstreitig - werden derartige „Einzelaufstellungen“ durch die Klägerin nämlich immer zusammen mit dem jeweiligen Abrechnungsschreiben als Anlage an den Kunden mit übersandt. Steht aber insofern - wie hier - der Zugang (§ 130 Abs. 1 BGB) des Abrechnungsschreibens der Klägerin vom 19.04.2002 - Anlage B1/K2 (Blatt 32 bzw. 38 der Akte) - an die Beklagte als solcher unstreitig fest und wird in diesem Schreiben zudem auch noch ausdrücklich auf eine beigefügte „Einzelaufstellung“ Bezug genommen, kann im Wege des Anzeichen- (Indizien-) Beweises (§ 286 Abs. 1 ZPO) auch vom Inhalt des Anschreibens bei Absendung auf den Inhalt bei Erhalt durch die Beklagte als Empfängerin durch das Gericht rückgeschlossen werden. Wenn nämlich - wie hier - unstreitig ist, dass ein Brief des klägerischen Versorgungsunternehmens mit der Abrechnung auch der Beklagten als Kundin tatsächlich zugegangen ist und wenn zudem in diesem Rechnungsschreiben auch noch ausdrücklich auf die beigefügte „Einzelaufstellung“ Bezug genommen, so spricht bereits die Vermutung dafür, dass dieses Anschreiben des klägerischen Versorgungsunternehmens dann die in diesem Anschreiben mit angesprochene Anlage „Einzelaufstellung“ auch mit beinhaltet hat und dass der nunmehrige Vortrag der Beklagten (über 7 Jahre nach Erhalt dieses Rechnungsschreiben) dann auch nur als eine reine Schutzbehauptung zu werten ist (vgl. hierzu: OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.1990, Az.: 6 U 212/89, u. a. in: „juris“; OLG Hamm, NJW-RR 1987, Seiten 342 f. = r + s 1987, Seite 60 = VersR 1987, Seiten 480 f. = NJW-RR 1988, Seite 192; BGH, GRUR 1984, Seiten 652 f.; LAG Hamm, RDG 2010, Seiten 20 ff. = PflR 2010, Seiten 72 ff.). Das Abrechnungsschreiben der Klägerin vom 19.04.2002 trägt somit nach Überzeugung des Gerichts die Vermutung für sich, dass der Beklagten mit diesem Brief der Klägerin auch die „Einzelaufstellung“ als Anlage mit übersandt worden ist (vgl. analog auch: BGH, WM 2008, Seiten 1590 ff. = NJW 2008, Seiten 2852 ff. = MDR 2008, Seiten 1296 f.).

Schließlich ist die Nachforderung der Klägerin auch nicht auf die Zeit von 3 Jahren beschränkt, denn auf Nachforderungen findet die 3-Jahresfrist des § 18 Abs. 2 StromGVV keine Anwendung. Der § 18 Abs. 2 StromGVV erfasst nämlich nur solche Fehler, die im Macht- und Rechtsbereich des Versorgungsunternehmens entstanden sind, d. h. Vorgänge, zu denen die Beklagte nicht das geringste beiträgt, sondern die allein in dem Verantwortungsbereich des Versorgungsunternehmens liegen. Vorliegend sind Fehler im Verantwortungsbereich der Klägerin jedoch dem Gericht gerade nicht ersichtlich; denn die Klägerin hat hier den Verbrauch des Beklagten berechtigter Weise auch zum Teil geschätzt. Die Beklagte hat diese Schätzungen nämlich durch ihr eigenes Verhalten erst veranlasst. Derartige Schätzungen der Klägerin hätte die Beklagte nämlich durch eine entsprechend Mitteilung des tatsächlichen Zählerstandes gegenüber der Klägerin oder durch Veranlassung einer Ablesung durch Mitarbeiter der Klägerin ohne weiteres verhindern können (vgl. hierzu u. a.: BGH, MDR 2004, Seite 1105 = NJW-RR 2004, Seiten 1352 f. = RdE 2004, Seiten 261 ff. = ZNER 2004, Seiten 275 f. = WM 2004, Seiten 2456 f.; OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2007, Seiten 537 f. = NJW-RR 2007, Seiten 1650 f. = GWF/Recht und Steuern 2008, Seiten 2 f.; OLG Karlsruhe, RdE 1984, Seiten 25 f.; OLG Karlsruhe, RdE 1992, Seiten 32 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, Seiten 490 ff.; KG Berlin, NJW-RR 1988, Seite 1524; OLG Frankfurt/Main, RdE 1986, Seite 93; OLG Köln, RdE 1986, Seite 201; LG Berlin, ZMR 2003, Seiten 678 f. = RdE 2003, Seiten 285 f. = GWF/Recht und Steuern 2004, Seiten 9 f. = MM 2003, Seiten 430 f.; LG München, RdE 1998, Seiten 124 f.; LG Darmstadt, RdE 1989, Seite 6; LG Köln, RdE 1985, Seiten 107 f.; AG Aschaffenburg, VKU-ND 569, 7; AG Brandenburg an der Havel, Beschluss vom 24.09.2009, Az.: 35 C 102/09). Die Beschränkung gemäß § 18 StromGVV auf 3 Jahre gilt somit nur für Berechnungsfehler, die auf fehlerhafte Messeinrichtungen, auf Ablesefehler oder auf eine falsche kaufmännische Berechnung des Strompreises zurückzuführen sind (BGH, MDR 2004, Seite 1105 = NJW-RR 2004, Seiten 1352 f. = RdE 2004, Seiten 261 ff. = ZNER 2004, Seiten 275 f. = WM 2004, Seiten 2456 f.; OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2007, Seiten 537 f. = NJW-RR 2007, Seiten 1650 f. = GWF/Recht und Steuern 2008, Seiten 2 f.). All dies war hier aber nicht der Fall; die Abrechnung der Klägerin beruht somit auch nicht auf solchen Fehlern.

Die Klägerin hat hier vielmehr - ob zu Recht oder zu Unrecht, ist letztlich nicht von Belang - ihre Abrechnung (teilweise) auf eine Schätzung gestützt. Wird die Berechnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 StromGVV zum Teil auf eine Schätzung gestützt, so ist dies aber eine zulässige Berechnungsmethode, die gleichwohl die konkrete Berechnung aufgrund Ablesens zu einem nachfolgenden Zeitraum nicht ausschließt (OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.). Sollten die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vorgelegen haben, kehrt sich dieser Vorgang aber auch nicht in einen Berechnungsfehler um, sondern berechtigt den Kunden nur dazu, die Unzulässigkeit der (teilweisen) Schätzung geltend zu machen. Ein eventueller Verstoß der Klägerin hat daher keine Sanktionswirkung zur Folge. Die nachteiligen Rechtsfolgen erschöpfen sich in den Fällen, in denen nicht konkret abgelesen werden kann nämlich nur darin, dass der Energieversorger im Nachhinein auf andere Art und Weise den tatsächlichen Verbrauch darlegen muss (OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2007, Seiten 537 f. = NJW-RR 2007, Seiten 1650 f. = GWF/Recht und Steuern 2008, Seiten 2 f.). Dies wird hier aber nicht relevant. Denn mit ihrer Rechtsverteidigung greift die Beklagte die Höhe des Verbrauchs nicht an.

Die Beklagte kann sich auch nicht in entsprechender/analoger Anwendung des § 18 StromGVV auf die darin verankerte zeitliche Beschränkung für Nachforderungen berufen. Denn Fälle der unterbliebenen Abrechnung fallen gerade nicht unter § 18 StromGVV (BGH, BB 1987, Seiten 508 f. = MDR 1987, Seiten 312 f. = RdE 1987, Seiten 69 ff. = GWF/Recht und Steuern 1987, Seiten 10 ff. = WM 1987, Seiten 267 ff. = NJW-RR 1987, Seiten 237 ff.; OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2007, Seiten 537 f. = NJW-RR 2007, Seiten 1650 f. = GWF/Recht und Steuern 2008, Seiten 2 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, Seite 945; LG Frankfurt/Main, GWF/Recht und Steuern 1992, Seiten 21 f. = RdE 1993, Seite 122). Die Beschränkung des Nachberechnungs- und Nachforderungsrechts auf einen Zeitraum von 3 Jahren basiert nämlich auf dem Gedanken des Schutzes des Vertrauens des Kunden darin, dass die ihm auf Grund einer vorangegangenen Ablesung erteilte Rechnung vollständig und richtig ist. Ein solches Vertrauen kann aber Derjenige nicht gewonnen haben, der über einen langen Zeitraum hinweg Energie bezieht, ohne jemals eine Rechnung von dem Energieversorger erhalten zu haben. Dass dieser nicht kostenlos liefert, versteht sich von selbst (OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.).

Dem vergleichbar ist die Situation, dass die Abrechnung für den Kunden erkennbar auf einer Schätzung beruht. Ein Vertrauenstatbestand kann hier auch nicht entstehen, weil seitens des Energieversorgers offen gelegt wird, dass die Abrechnung (zum Teil) nicht nach dem tatsächlichen Verbrauch, sondern auf Grund einer Verbrauchsschätzung erfolgt ist (OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2007, Seiten 537 f. = NJW-RR 2007, Seiten 1650 f. = GWF/Recht und Steuern 2008, Seiten 2 f.). Die Schätzung ist zwar unter den Voraussetzungen des § 11 StromGVV eine zulässige Art der Berechnung. Der Schätzung ist aber eigen, dass sie immer nur einen mehr oder weniger genauen Annäherungswert bringt, quasi die Veranlagung eines Irrtums in sich trägt und daher nicht die Qualität des Ablesens als Maßnahme einer konkreten Verbrauchserfassung haben kann. Da jedweder Energieverbrauch zur Vermeidung einer Übervorteilung der einen oder anderen Seite aber nicht auf Grund einer pauschalen Schätzung, vielmehr nach tatsächlichem Verbrauch nach kw/h berechnet wird, weiß der Kunde, dass die ihm erteilte und auf einer Verbrauchsschätzung beruhende Abrechnung nur eine vorläufige sein kann, mit deren Ersetzung durch eine Abrechnung entsprechend dem durch Ablesung ermittelten tatsächlichen Verbrauch er jederzeit - vorbehaltlich eines begründeten Verjährungs- oder Verwirkungseinwands - rechnen muss (OLG Düsseldorf, RdE 2009, Seiten 227 ff. = ZNER 2009, Seiten 158 f. = VersorgW 2009, Seiten 205 f.; OLG Hamm, OLG-Report 2007, Seiten 537 f. = NJW-RR 2007, Seiten 1650 f. = GWF/Recht und Steuern 2008, Seiten 2 f.). Die Regelung des § 18 StromGVV ist daher hier auch nicht entsprechend/analog anwendbar, wenn ein Stromzähler nicht abgelesen oder aus anderen Gründen überhaupt keine Abrechnung erteilt wird - auch bei einer langjährigen Nichtabrechnung -, selbst bei einem Fehler im technisch-organisatorischen Bereich des Versorgungsunternehmens.

Der hier in 3 Jahren verjährende Anspruch der Klägerin ist zudem für den hier geltend gemachten Abrechnungszeitraum ab dem Jahre 2001 auch noch nicht als verjährt anzusehen. Die Verjährung der Ansprüche für die Stromlieferungen der Jahres 2001 bis 2008 begann hier nämlich erst mit dem Schluss des Jahres 2009 zu laufen, denn der Anspruch wurde gemäß § 17 Abs. 1 StromGVV in Verbindung mit § 199 Abs. 1 BGB frühestens zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung/Rechnung vom 12. Februar 2009 bei der Beklagten fällig, mithin hier unstreitig erst am 03. März 2009. Auch Nachforderungen eines Versorgungsunternehmens werden gemäß § 17 Abs. 1 StromGVV nämlich erst mit dem Zugang der die Nachforderung enthaltenden Rechnung bei dem Kunden fällig (BGH, MDR 1987, Seiten 312 f. = RdE 1987, Seiten 69 f. = NJW-RR 1987, Seiten 237 f.; BGH, NJW 1982, Seiten 930 ff. = MDR 1982, Seite 222; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, Seiten 490 ff.; OLG Frankfurt/Main, RdE 1986, Seiten 93 f.; OLG Hamburg, WM 1986, Seiten 1097 f.; LG Berlin, GWF/Recht und Steuern 2007, Seiten 36 f.; LG Berlin, GWF/Recht und Steuern 2005, Seiten 33 f. = RdE 2005, Seiten 278 ff.; LG Berlin, ZMR 2003, Seiten 678 f.; LG Frankfurt/Main, GWF/Recht und Steuern 1992, Seiten 21 f. = RdE 1993, Seite 122).

Durch die Zustellung des Mahnbescheids am 06. Mai 2009 und die nunmehr im streitigen Zivilprozessverfahren erfolgte Anspruchsbegründung wurde zudem dann die Verjährungsfrist insofern aber für diese Rechnung seit dem 06. Mai 2009 noch gehemmt (§§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB; BGH, MDR 1987, Seiten 312 f. = RdE 1987, Seiten 69 f. = NJW-RR 1987, Seiten 237 f.; OLG Düsseldorf, RdE 1993, Seiten 240 ff.).

Die mittelbare Verlängerung der Verjährung durch das Hinausschieben des Fälligkeitszeitpunktes ist nach der herrschenden Rechtssprechung auch grundsätzlich zulässig (BGH, NJW 1984, Seiten 289 f.; BGH, NJW 1986, Seiten 1608 f.; LG Berlin, Das Grundeigentum 2004, Seiten 1298 f.; AG Villingen-Schwenningen, GWF/Recht und Steuern 2001, Seiten 7 f.). Eine einseitige Berücksichtigung der Interessen der Klägerin ist zudem nicht erkennbar. Das von der Beklagten dargestellte Interesse an einer zeitnahen und umfassenden Abrechnung der Leistungen ist zwar nachvollziehbar und berechtigt. Es ist dann aber auch gleichfalls ein Interesse des Kunden zu unterstellen, die von der Klägerin erbrachten Leistungen in den jeweiligen Abrechnungszeiträumen zu vergüten, um einen Beitrag zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge im Bereich der Stromversorgung zu leisten. Die Beklagte hätte dementsprechend ihre Rechte als Vertragspartner der Klägerin wahrnehmen müssen und auf eine frühere Abrechnung bzw. auf eine freiwillige Zahlung hinwirken können und müssen (LG Berlin, Das Grundeigentum 2004, Seiten 1298 f.).

Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist der Anspruch der Klägerin hier auch nicht verwirkt. Ob nach ca. 7 Jahre das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment evtl. schon gegeben ist - wie hier von der Beklagten geltend macht - oder nicht, kann dabei offen bleiben. Denn es fehlt jedenfalls an dem sog. Umstandsmoment, somit der weiteren Voraussetzung für eine Verwirkung Ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten darin, dass die Klägerin den von ihr verbrauchten elektrischen Strom nicht abrechnen werde, hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Eine Verwirkung des Anspruchs des Versorgungsunternehmens auf die Bezahlung in Anspruch genommener Lieferungen kommt aber selbst bei lange unterlassener Rechnungsstellung nicht in Betracht. Denn der Bezieher von Energie hat bei jahrelang nicht erfasstem Verbrauch im Regelfall nach einiger Zeit Kenntnis davon, dass ggf. ein Organisationsfehler des Unternehmens vorliegt, wenn ihm keine Rechnungen zugehen (OLG Brandenburg, Urteil vom 15.05.2007, Az.: 11 U 148/06, u. a. in: „juris“; OLG Düsseldorf, RdE 1991, Seite 214; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, Seite 945; LG Berlin, GWF/Recht und Steuern 2005, Seiten 33 f. = RdE 2005, Seiten 278 ff.; LG Frankfurt/Main, GWF/Recht und Steuern 1992, Seiten 21 f. = RdE 1993, Seite 122). Zumindest muss sich dem Kunden in einem solchen Fall das Vorliegen eines Organisationsfehlers aufdrängen. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin jederzeit Gelegenheit hatte, den tatsächlichen Verbrauch durch zeitnahes Ablesen zu erfassen, davon aber keinen Gebrauch machte. Das Recht, später dennoch abzulesen, hat sie damit ganz sicher nicht „verwirkt“, geschweige denn das Recht, verbrauchten elektrischen Strom ihrer Kundin, der Beklagten, in Rechnung zu stellen (OLG Brandenburg, Urteil vom 15.05.2007, Az.: 11 U 148/06, u. a. in: „juris“). Ein Kunde kann somit nicht annehmen, dass er über Jahre hinweg unentgeltlich beliefert wird (LG Frankfurt/Main, GWF/Recht und Steuern 1992, Seiten 21 f. = RdE 1993, Seite 122).

Insofern sind die hier von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Bezahlung der Stromlieferungen für die Jahre 2001 bis 2008 noch in vollem Umfang begründet, so dass der Klägerin gegenüber der Beklagten hier nach wie vor noch ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.074,64 Euro zusteht.

Der Verurteilung hinsichtlich der Zinsen hat in den §§ 247, 286, 288 und daneben auch in § 291 BGB ihre Grundlage.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits stützt sich auf § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.