Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Befangenheit eines Richters beim Beschwerdegericht aufgrund Vorbefassung...

Befangenheit eines Richters beim Beschwerdegericht aufgrund Vorbefassung desselben mit der Angelegenheit in I. Instanz im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 11.01.2010
Aktenzeichen OVG 3 B 5.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 54 VwGO, § 41 Nr 6 ZPO, § 42 ZPO

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen Richter am Oberverwaltungsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

Gründe

Der Richter am Oberverwaltungsgericht hat in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 5. November 2009 gem. § 54 Abs. 1 VwGO, § 48 ZPO darauf hingewiesen, dass er in der vorliegenden Streitsache, für die er am 3. August 2009 die Berichterstattung übernommen habe, an dem den Beteiligten bekannten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2005 mitgewirkt habe, mit dem der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Verfahren erster Instanz abgelehnt worden ist. Das daraufhin gestellte Ablehnungsgesuch der Klägerin ist nicht begründet.

Nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist ein Richter u.a. in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO). Wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen Sachverhalt handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Würdigung Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der hier allenfalls in Betracht kommende Ausschließungsgrund des § 41 Nr. 6 ZPO ist nicht gegeben, weil er auf die Mitwirkung gerade bei der angefochtenen Entscheidung abstellt, an der abgelehnte Richter nicht beteiligt war. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Fälle der vorliegenden Art scheidet aus. Das deutsche Verfahrensrecht wird von der Auffassung getragen, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herangeht, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat; § 41 Nr. 6 ZPO will lediglich verhindern, dass ein Richter im Rechtsmittelzug seine eigene Entscheidung überprüft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1997 - 11 B 30/97 -, NVwZ-RR 1998, 268, m.w.N.). Erst Recht liegt der von der Klägerin angeführte Ausschließungsgrund nach § 54 Abs. 2 VwGO nicht vor, weil dieser eine Mitwirkung im (dem Verwaltungsprozess vorangegangenen) Verwaltungsverfahren voraussetzt.

Es wäre mit der gesetzlichen Wertung des abschließenden Charakters des Ausschlussgrundes nach § 41 Nr. 6 ZPO nicht vereinbar, würde - über diesen Ausschlusstatbestand hinaus - der bloße Umstand, dass sich der zuständige Richter bereits in der Vorinstanz mit der Sache befasst und dazu geäußert hat - etwa im Rahmen eines Beweisbeschlusses, einer Entscheidung über Prozesskostenhilfe oder über vorläufigen Rechtsschutz -, als hinreichender Grund angesehen, um Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Das gilt unabhängig davon, ob und inwieweit sich das angefochtene Urteil die in den früheren Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung zu Eigen macht. Vielmehr müssen besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um in Fällen der "Vorbefassung" die Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO) zu begründen (vgl. BVerwG, a.a.O.; Beschluss vom 28. Mai 2009 - 5 PKH 6/09, 5 PKH 6/09 (5 PKH 1/09) -, NVwZ-RR 2009, 662, m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Mit seiner dienstlichen Stellungnahme vom 5. November 2009 hat der abgelehnte Richter unter Bezugnahme auf § 54 Abs. 1 VwGO, § 48 ZPO lediglich auf seine Mitwirkung im erstinstanzlichen Prozesskostenhilfeverfahren hingewiesen und damit vorsorglich einen Umstand angezeigt, der seine Ablehnung rechtfertigen „könnte“. Irgendeine Form innerer Festlegung ist der dienstlichen Stellungnahme vom 5. November 2009 ebenso wenig zu entnehmen wie derjenigen vom 17. November 2009, mit der der abgelehnte Richter Zweck und Inhalt seiner ersten dienstlichen Stellungnahme erläutert hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 146 Abs. 2, 152 Abs. 1 VwGO).