Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 15.08.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 S 18.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, Art 3 Abs 2 GG, § 18 Abs 1 BBesG, § 33 Abs 1 BLV, § 52 Abs 2 GKG |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. März 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 21.355,82 Euro festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin ist Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) beim Bundesministerium für F... und als Referatsleiterin eingesetzt. Die Beigeladene ist dort Tarifbeschäftigte (Entgeltgruppe 15) und ebenfalls als Referatsleiterin eingesetzt.
Das vorliegende Verfahren betrifft die Auswahlentscheidung für eine Beförderungsstelle von A 15 nach A 16 bzw. die entsprechende Höhergruppierung von Tarifbeschäftigten zur Entgeltgruppe B 1 at. Zu diesem Zweck wurden für 20 der insoweit in Betracht kommenden 21 Beschäftigten die jeweils aktuellen dienstlichen Beurteilungen herangezogen. In dem weiteren Fall erfolgte eine Fortschreibung des Werdegangs anhand der jeweils letzten dienstlichen Beurteilung.
Die ausgewählte Bewerberin, die Beigeladene, wurde mit der nach der Beurteilungsrichtlinie höchsten Notenstufe „A“ beurteilt, die Antragstellerin erhielt in ihrer Beurteilung die dritthöchste Notenstufe „C“. Da die Beigeladene als einzige die höchste Notenstufe erhalten hatte, wurde sie von der Antragsgegnerin bei der Auswahlentscheidung vorrangig berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die Beigeladene für die streitige Beförderung ausgewählt worden sei. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2012 Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden ist.
Den Antrag der Antragstellerin nach § 123 Abs. 1 VwGO, der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu untersagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, hilfsweise vor Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung über ihren Widerspruch, die Beigeladene in ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 16 zu befördern bzw. ihre Höhergruppierung nach der Entgeltgruppe B 1 at vorzunehmen, wies das Verwaltungsgericht zurück.
II.
Die Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der obergerichtlichen Nachprüfung ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht glaubhaft gemacht hat, weil die Auswahlentscheidung die Antragstellerin nicht in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.
Die an dem in Artikel 33 Abs. 2 GG verankerten Grundsatz der Bestenauslese zu orientierende Auswahlentscheidung gewährt jedem Bewerber einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung beurteilungsfehlerfrei entscheidet. Wird die Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs festgestellt, muss die Ernennung des ausgewählten Bewerbers bereits dann durch einstweilige Anordnung untersagt werden, wenn die Auswahl des Antragstellers bei fehlerfreier Auswahl jedenfalls möglich erscheint (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16/09 -, BVerwGE 138, 102 ff., Rn. 32 bei juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erkennbar oder dargetan.
Zwar erscheint das Auswahlverfahren insbesondere im Hinblick darauf nicht unproblematisch, dass die Antragsgegnerin das Beförderungsverfahren auf der Grundlage einer Dienstpostenbündelung, also der sog. Topfwirtschaft durchführt (dazu: BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 2 C 19.10 -, BVerwGE 140, 83 ff., Rn. 26 ff. bei juris). Ob das Auswahlverfahren insoweit fehlerhaft erfolgt ist, bedarf vorliegend allerdings ebenso wenig einer Entscheidung wie die - vom Verwaltungsgericht verneinte - Frage, ob ein unterlegener Bewerber einen solchen Verstoß als Verletzung eigener Rechte geltend machen kann. Weiter muss nicht entschieden werden, ob das Auswahlverfahren - wie die Antragstellerin meint - auch im Hinblick darauf fehlerhaft erfolgt ist, dass es an einem konkreten Anforderungsprofil für das zu besetzende Beförderungsamt fehlt. Denn selbst wenn man diese Verfahrensfehler unterstellt, kommt eine Auswahl der Antragstellerin für das Beförderungsamt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil diese auch bei rechtsfehlerfreiem Verfahren nicht möglich erschiene, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch dann nicht für das Beförderungsamt ausgewählt worden wäre, wenn die Antragsgegnerin das Auswahlverfahren unter Berücksichtigung der vorgenannten Kritikpunkte durchgeführt hätte (vgl. insoweit schon den Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2012 - OVG 6 S 28.12 -, S. 4 des Entscheidungsabdrucks).
Das Verwaltungsgericht stellt insoweit zu Recht darauf ab, dass die Antragstellerin in der für die Auswahlentscheidung primär herangezogenen Gesamtnote der aktuellen dienstlichen Beurteilung deutlich schlechter beurteilt ist als die Beigeladene. Während diese die höchste Bewertungsstufe „A“ (übertrifft die Anforderungen erheblich) erreicht, sind die Leistungen der Antragstellerin lediglich mit der dritthöchsten Stufe „C“ (erfüllt die Anforderungen in jeder Hinsicht) bewertet worden. Hinzu kommt, dass vier weitere Konkurrenten die Gesamtnote „B“ (übertrifft die Anforderungen) erhalten haben und dementsprechend ebenfalls noch vor der Antragstellerin zu berücksichtigen gewesen wären. Es kann als ausgeschlossen gelten, dass eine den Anforderungen des § 18 Satz 1 BBesG entsprechende Bewertung des in Rede stehenden Beförderungsamtes der Besoldungsgruppe A 16 und das Vorliegen eines spezifischen Anforderungsprofils bei dieser Sachlage zu einer Auswahl der Antragstellerin anstelle der Beigeladenen geführt hätten, zumal die Antragstellerin auch in sämtlichen Einzelbeurteilungsmerkmalen weniger gut bewertet worden ist als die Beigeladene.
Das Verwaltungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass die Antragsgegnerin bei der Auswahlentscheidung allein auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und der weiteren in das Verfahren einbezogenen Konkurrenten abgestellt hat. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der auch der erkennende Senat folgt und die es erst jüngst mit Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - bekräftigt hat. Darin heißt es: „Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. […] Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist“ (Rn. 21 des Entscheidungsabdrucks m.w.N.).
Soweit die Antragstellerin sich auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5.12 - (NVwZ-RR 2013, S. 267 ff., Rn. 37 bei juris) bezieht, ergibt sich daraus nichts anderes. In der von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung zitierten Passage bemängelt das Bundesverwaltungsgericht, dass die dortige Antragsgegnerin den Leistungsvergleich allein auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen gestützt und sodann bei gleicher Gesamtnote der aktuellen dienstlichen Beurteilung sogleich als Hilfskriterium auf die Dauer der Wahrnehmung der Aufgaben des höherwertigen Dienstpostens abgestellt hat, ohne zuvor frühere dienstliche Beurteilungen einzubeziehen. Die von der Antragstellerin behauptete Aussage, nämlich dass es unzulässig sei, allein auf aktuelle dienstliche Beurteilungen abzustellen, lässt sich diesen Ausführungen nicht entnehmen.
Auch aus der Formulierung in § 33 Abs. 1 der Bundeslaufbahnverordnung folgt nichts anderes. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in der Regel auf der Grundlage aktueller dienstlicher Beurteilungen zu treffen. Satz 2 lautet: Frühere Beurteilungen sind zusätzlich zu berücksichtigen und vor Hilfskriterien heranzuziehen. Die Formulierung in Satz 2 lässt sich zwar durchaus in dem Sinne interpretieren, dass stets auch frühere dienstliche Beurteilungen für eine Auswahlentscheidung heranzuziehen sind. Eine solche Auslegung wird ihrem Zweck jedoch nicht gerecht. Die Vorschrift stellt vor allem klar, dass frühere Beurteilungen noch vor Hilfskriterien heranzuziehen sind (Pechstein, Laufbahnrecht in Bund und Ländern, 2. Auflage 2011, Seite 98). Zwingend heranzuziehen sind frühere dienstliche Beurteilungen nur dann, wenn mehrere Bewerber um einen Beförderungsdienstposten oder ein Beförderungsamt in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen gleich beurteilt sind (vgl. Lemhöfer in: Lemhöfer/Leppek, BLV 2009, § 33, Rn. 11).
Unbeschadet dessen würde ein Leistungsvergleich, der die früheren Beurteilungen berücksichtigt, ohnehin nicht zu Gunsten der Antragstellerin ausgehen, denn auch in den früheren Beurteilungen ist sie regelmäßig schlechter bewertet worden als die Beigeladene. Diese hat in der Anlassbeurteilung vom 9./10. November 2011 die Höchstnote „A“ erhalten, in der Anlassbeurteilung vom 5./7. Juni 2010 die zweithöchste Note und in der Regelbeurteilung vom 10./11. April 2009 die Note „sehr gut“. Demgegenüber wurden die Leistungen der Antragstellerin in den Anlassbeurteilungen vom 25. Mai 2010, 9. Mai 2009, 30. November 2007 und 8. Juli 2003 jeweils mit der dritthöchsten Note bewertet. Lediglich in der Anlassbeurteilung vom 23. November 2005 erhielt sie die zweithöchste Note.
Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, sie habe gegen ihre dienstliche Beurteilung Widerspruch eingelegt. Zwar können Einwendungen gegen die Beurteilung, die als solche kein Verwaltungsakt und deshalb nicht der Bestandskraft fähig ist, prinzipiell auch unmittelbar im Bewerbungsverfahren wie auch in einem gegebenenfalls anschließenden verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenstreit geltend gemacht werden. Erweist sich eine dienstliche Beurteilung als fehlerhaft, so fehlt es an einer tragfähigen, dem Gebot der Bestenauslese entsprechenden Grundlage für die Auswahl (OVG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2004 - OVG 4 S 77.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 627 ff., Rn. 15 bei juris m.w.N.). Die Antragstellerin verkennt jedoch, dass ein ohne jede Begründung eingelegter Widerspruch gegen die dienstliche Beurteilung für sich genommen die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung nicht hinreichend in Frage stellt. Die ihr erteilte dienstliche Beurteilung, die Grundlage der Auswahlentscheidung gewesen ist, erscheint aus sich heraus plausibel und lässt keine Beurteilungsfehler erkennen.
Eine andere Einschätzung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass die Antragstellerin geltend macht, in ihrem Widerspruch gegen die Beurteilung um Plausibilisierung der Notengebung gebeten zu haben, weil ihr anderenfalls die Möglichkeit verwehrt sei, substanzielle Einwände zu erheben. Das Vorbringen ist schon nicht nachvollziehbar, denn die Beurteilung ist mit der Antragstellerin ausweislich eines entsprechenden Vermerks auf dem Beurteilungsbogen am 23. Juli 2012 erörtert worden, wie die Antragsgegnerin zu Recht vorträgt. Im Übrigen ist der Widerspruch der Antragstellerin gegen ihre dienstliche Beurteilung mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 beschieden worden. Den darin getroffenen Feststellungen ist die Antragstellerin im hiesigen Verfahren nicht entgegengetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt diese selbst, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG. Der Senat hält an seiner bisherigen Auffassung, wonach der Streitwert in Konkurrentenstreitigkeiten nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festzusetzen ist, nicht mehr fest und folgt insoweit der Begründung des Verwaltungsgerichts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).