I.
Die Antragstellerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden aufgrund eines Glatteisunfalls, der sich am 24.01.2009 um 5.10 Uhr vor dem Gebäude des Hauptbahnhofs in R… ereignete. Die Klägerin erlitt aufgrund des Sturzes einen Mehrfachbruch des rechten Sprunggelenks.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass zum Zeitpunkt des Sturzes um 5.00 Uhr eine Räum- und Streupflicht grundsätzlich nicht bestanden habe. Zudem habe an diesem Tag keine allgemeine Straßenglätte geherrscht. Schließlich sei die Klägerin auf einem öffentlichen Parkplatz gestürzt, auf welchem kein Winterdienst zu leisten sei. Ihre Haftung scheide ferner bereits deshalb aus, weil sie den Winterdienst auf die Deutsche Bahn AG übertragen habe.
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, nicht die gesamte Fläche um den Hauptbahnhof herum sei von einer Räum- und Streupflicht erfasst; der Parkplatz sei auch über den von der Streupflicht umfassten Gehweg zu erreichen gewesen. Der Parkplatz selbst habe wegen der begrenzten Anzahl von Stellplätzen keine gesteigerte Verkehrsbedeutung, die es gebieten würde, zwischen Bahnhofsgebäude und Parkplatz zusätzliche Wege von Eisglätte freizuhalten. Schließlich habe die Beklagte die Verkehrssicherungspflicht mit § 2 Abs. 1 ihrer Satzung auf die Deutsche Bahn AG als Eigentümerin des durch den D…platz erschlossenen Grundstücks übertragen. Eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht durch die Beklagte habe die Klägerin nicht vorgetragen.
Gegen den ihr am 17. November 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Dezember 2009 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu deren Begründung sie anführt, der von ihr genutzte Weg vom Bahnhofsgebäude zum Parkplatz stelle einen üblichen Weg dar, der regelmäßig von Bürgern genutzt werde. Dass die Beklagte ihre Überwachungs- und Kontrollpflicht verletzt habe, ergebe sich schon daraus, dass sie eine Streupflicht in dem streitgegenständlichen Bereich generell in Abrede stelle.
II.
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Dafür, dass an der Unfallstelle grundsätzlich eine Räum- und Streupflicht bestand, die Antragstellerin aufgrund unzureichender Winterdienstmaßnahmen gestürzt ist und sich hierbei die behaupteten Verletzungen zugezogen hat, spricht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, die den Anforderungen an die im Prozesskostenhilfeverfahren erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 ZPO Genüge tut.
1.
Der Senat geht davon aus, dass an der Unfallstelle - wie sie auf dem Lichtbild der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 13.10.2009 gekennzeichnet ist - grundsätzlich eine Räum- und Streupflicht bestand. Diese folgt indes nicht daraus, dass der gesamte Bahnhofsvorplatz von der Räum- und Streupflicht umfasst war. Zu Inhalt und Umfang der Streupflicht hat das Landgericht zutreffend auf die Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sowie auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen abgestellt. Wenn es hierbei zu dem Ergebnis kommt, dass nicht die gesamte Fläche um den Hauptbahnhof herum jederzeit weiträumig von einer Räum- und Streupflicht umfasst ist, ist dies nicht zu beanstanden. Im Ergebnis ebenfalls vertretbar ist die Auffassung des Landgerichts, dass wegen der begrenzten Anzahl von Stellplätzen auf dem Parkplatz die teilweise Räumung des D…platzes zur Schaffung eines abgekürzten Weges nicht erforderlich war.
Auch wenn man aber zu Gunsten der Beklagten annimmt, dass eine direkte Zuwegung zu dem Parkplatz über die seitliche Rampe nicht geschaffen werden musste, so war jedenfalls eine andere Möglichkeit, den Parkplatz gefahrlos zu erreichen, sicherzustellen. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf beruft, die Klägerin habe den vor dem Bahnhof gelegenen Gehweg benutzen müssen, ist dessen winterdienstliche Behandlung zwischen den Parteien gerade streitig. Im Übrigen führt auch der Gehweg nicht direkt zu dem Parkplatz. Die Klägerin hätte sich - auch wenn sie den Gehweg benutzt hätte - nach Verlassen des Gehweges ihrem Fahrzeug auf dem gleichem Wege nähern müssen, auf dem sie auch zu Fall gekommen ist. Eine andere Möglichkeit, auf einem gestreuten Weg an ihr Fahrzeug zu gelangen, ist von der Beklagten nicht dargelegt worden.
Ob am Unfalltag allgemeine Straßenglätte vorlag und winterdienstliche Maßnahmen daher erforderlich waren, bedarf der Beweiserhebung durch die von der Klägerin angebotenen Zeugen. Dass der Unfall sich vor Beginn der Streuzeit ereignete, steht einer Haftung der Beklagten nicht entgegen. Ein Unfall außerhalb der Streuzeiten fällt unter den Schutzzweck der Streupflicht, sofern bei Einhaltung der Streupflicht zu den Streuzeiten der spätere Unfall vermieden worden wäre, wobei die Beweislast für die Kausalität bei der Klägerin liegt. Nachdem die Klägerin aber vorgetragen hat, dass die Beklagte ihre Streupflicht bereits am Vorabend verletzt habe und es in der Nacht nicht zu weiteren Niederschlägen gekommen sei, besteht für die erforderliche Kausalität eine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
2.
Eine Haftung der Beklagten kommt jedoch nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Kontroll- und Überwachungspflicht in Betracht. Zu Recht ist das Landgericht nämlich davon ausgegangen, dass die Beklagte die ihr obliegende Räum- und Streupflicht gem. § 2 Abs. 1 ihrer Satzung auf die Deutsche Bahn AG als Anliegerin übertragen hat. An der hinreichenden Bestimmtheit der Übertragung bestehen keine Bedenken. Die Satzung enthält sowohl in Bezug auf den räumlichen als auch den zeitlichen Umfang der übertragenen Streupflicht hinreichend klare Regelungen. Mit ihrer Behauptung, es sei im gesamten Bahnhofsbereich wochenlang nicht gestreut worden sei, hat die Klägerin eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht durch die Beklagte hinreichend dargelegt. Es obliegt daher der Beklagten, ihrerseits substantiiert darzulegen, in welcher Form sie die Einhaltung der übertragenen Winterdienstpflicht kontrolliert und überwacht hat. Ihr Vortrag in dem Schriftsatz vom 11. Mai 2010 ist hierfür nicht ausreichend; er lässt allenfalls auf stichprobenartige Kontrollen schließen, die bei der Übertragung des Winterdienstes auf einen Anlieger im Regelfall nicht ausreichend sind (vgl. Urteil des Senats vom 05.08.2008; Az.: 2 U 15/07).
3.
Nach der im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erachtet der Senat für möglich, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren auch der Höhe nach durchdringen wird. Nach vorläufiger Würdigung des Senats erscheint das geforderte Schmerzensgeld zwar recht hoch angesetzt, stellt sich in Hinblick auf die von der Antragstellerin behaupteten dauerhaften Bewegungseinschränkungen und Schmerzen aber auch nicht als von vornherein völlig unwahrscheinlich dar. Aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Heilungsprozesses hat auch der Feststellungsantrag auf Ersatz künftiger Schäden hinreichende Aussicht auf Erfolg.
4.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenfolge aus dem Gesetz ergibt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, KV Nr. 1812) und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 3 ZPO).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 und 3 ZPO liegen nicht vor.