Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat | Entscheidungsdatum | 22.11.2012 | |
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Aktenzeichen | L 22 R 43/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 SGB 6 |
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1969 geborene Klägerin beantragte im Juni 2008 wegen eines Leidens des rechten Hüftgelenkes, eines Wirbelsäulenleidens und einer Gaumenspalte Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung verschiedener ärztlicher Unterlagen und Einholung der Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 10. November 2008 und 16. Februar 2010 sowie des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 23. Februar 2009 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2011 ab: Mit den festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Zustand nach zementierter Hüft-TEP rechts im Januar 2008, chronisches Lumbalsyndrom, residueller Morbus Scheuermann, leichte Wirbelsäulenseitverkrümmung, Meniskusverschleiß, Kreuzbandschaden linkes Kniegelenk, Knick- und Plattfuß, Coxarthrose links, Sehminderung beiderseits ohne Leistungsminderung und Transsexualismus mit Zustand nach Geschlechtsumwandlung 1992) könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.
Mit der dagegen am 11. Februar 2011 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und auf das Vorliegen eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 hingewiesen.
Das Sozialgericht hat den Befundbericht des Facharztes für Orthopädie B vom 13. April 2011 eingeholt, verschiedene ärztliche Unterlagen aus der Schwerbehindertenakte beigezogen und Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Anästhesiologie, Spezielle Schmerzmedizin und Sportmedizin Dr. B vom 29. August 2011.
Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, dieses Gutachten weise verschiedene Unrichtigkeiten auf und liefere keine überzeugende Begründung.
Mit Gerichtsbescheid vom 09. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B, der unter Einbeziehung der von der Klägerin angegebenen Beschwerden nach umfangreicher Untersuchung und Befundung nachvollziehbar die vorliegenden Gesundheitsstörungen und die hieraus resultierenden qualitativen Leistungseinschränkungen festgestellt habe, sei das Leistungsvermögen quantitativ nicht vermindert. In Übereinstimmung mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten könnten die angegebene Schmerz- und Beschwerdesymptomatik sowie die beklagten Beeinträchtigungen im Alltag nur zu einem geringen Umfang auf tatsächlich zu erhebende körperliche Befunde zurückgeführt werden. Unter Berücksichtigung der Angaben im Schmerzfragebogen und der Testpsychologie, der Verhaltensbeobachtung sowie der bei der Begutachtung erhobenen körperlichen Befunde ergäben sich vielmehr etliche Hinweise auf eine fehlende Plausibilität und Konsistenz. Das geschilderte und subjektiv wahrgenommene Insuffizienzerleben unterliege der willentlichen Steuerung und sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch therapeutische Intervention und physiotherapeutische Behandlung veränderbar. Die benannten motivationalen Einschränkungen besäßen keinerlei Krankheitswertigkeit. Die Klägerin sei daher in der Lage, ihre Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden. Die Ausführungen der Klägerin gegen dieses Gutachten vermochten dies nicht zu widerlegen.
Gegen den ihr am 23. Dezember 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17. Januar 2012 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie trägt vor, sie habe mit Sicherheit keine altersnormgerechten leichten Bewegungseinschränkungen im Hüft- und Kreuzdarmbein-Gelenk-Bereich bei einer Beugung von nur bis zu zirka 80 bis 90 Grad beidseits. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B lehne sie wegen unzureichender Untersuchungsmethode, Unrichtigkeiten in der Wiedergabe und Unzulänglichkeiten seiner Beurteilung ab. Sie habe keinerlei Depressionen oder ähnlich gelagerte Zustände. Sie habe vielmehr permanent Sitzschwierigkeiten mit starkem Anstieg der Konzentrationsschwäche bis hin zu inkohärentem Sprechen. Sie weise entwicklungsbedingt eine Form emotional-seelischer Beeinträchtigung auf. Seit ihrem 12. Lebensjahr habe sie beidseits stark von der Norm abweichende Hüftbewegungseinschränkungen, weswegen mehrfach Hüft-Umstellungsoperationen zwischen 1981 und 1984 mit bleibenden deutlichen Hüftkontrakturen erfolgt seien. Es liege auch eine Neigung vor allem des rechten Arms zu Taubheitsgefühlen in einigen Fingern und Schmerzen im Ellenbogenbereich vor. Den Rentenantrag habe sie auf Geheiß des JobCenters gestellt, da sie auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sei. Der Sachverständige Dr. B habe u. a. keine präzisen Überprüfungen ihrer nicht altersnormgerechten Bewegungsfähigkeit unternommen. Aggravieren, histrionische Veranlagung und katastrophierende Wahrnehmung lägen nicht auf der Hand. Es sei ihr die Möglichkeit einzuräumen, vor Gericht darzustellen, dass sie rechts nicht normal den Strumpf anziehen und schlecht die Zehennägel schneiden, auch keinen Schneidersitz machen könne und sich die Lendenwirbelsäule beim Beugungsverhalten steif verhalte. Es werde eine orthopädische Untersuchung der Hüft- und Bewegungsproblematik angeregt. Die Klägerin hat das Attest des Facharztes für Orthopädie B vom 31. Oktober 2012 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. Dezember 2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2011 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung zu gewähren und die höhere Rente zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u. a. auf Blatt 53 bis 113 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 10. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2011 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung, denn ihr Leistungsvermögen ist nicht in rentenrechtlich erheblicher Weise herabgesunken. Die Klägerin ist nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und weitere - beitragsbezogene - Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und weitere - beitragsbezogene - Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbtätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VI).
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die Klägerin ist in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten. Dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B.
Nach dem Sachverständigen Dr. B bestehen eine leicht schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks, eine eingezogene, ansonsten reizlose Narbe am rechten seitlichen und körpernahen Oberschenkel nach mehrfachen operativen Interventionen und dem Einbau eines künstlichen Hüftgelenks im Jahre 2008, eine histrionische Persönlichkeitsstörung, eine operativ erfolgreich durchgeführte Geschlechtsanpassung bei Transsexualismus, reizlose Narbenverhältnisse und geringfügige vermehrte Bandinstabilität am linken Kniegelenk nach Durchführung einer Kreuzbandplastik, einer Innenmeniskussanierung und Entfernung eines Knochensplitters im Jahre 1980, eine Sprachstörung nach mehrfach operativer Korrektur einer angeborenen inneren Gaumenspalte, ein grauer Star beidseits, ein Knick- und Plattfuß beidseits und eine leichtgradige Wirbelsäulenseitverkrümmung.
Wenn dieser Sachverständige infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen zur Beurteilung gelangt ist, die Klägerin könne noch körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten, geistig schwierige Arbeiten, in geschlossenen Räumen und im Freien, im Gehen, Stehen und Sitzen mit der Möglichkeit zu gelegentlichen Haltungswechseln, jedoch ohne Arbeiten mit einseitiger körperlicher Belastung wie häufigem Hocken, Knien und Kauern, unter Zeitdruck (z. B. Akkord- oder Fließbandarbeit), mit mehr als zeitweiligem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, in Nachtschicht sowie auf Leitern und Gerüsten verrichten, ist dies unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde, aber auch der Befunde der sonstigen vorliegenden ärztlichen Unterlagen nachvollziehbar.
Die bei der Begutachtung angegebene Schmerz- und Beschwerdesymptomatik sowie vor allem die von der Klägerin geklagten Beeinträchtigungen im Alltag hat der Sachverständige nur zu einem geringen Umfang auf tatsächlich zu erhebende körperliche Befunde zurückführen können. Außer einer diskret schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks bei einer anlagebedingten Hüftgelenkserkrankung und einer reizlosen Narbe am rechten Oberschenkel haben sich keine klinisch bedeutsamen Ursachen für die geltend gemachte Schmerz- und Beschwerdesymptomatik gefunden. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Sachverständige Dr. B präzise Überprüfungen der Bewegungsfähigkeit unternommen, wie die von ihm erhobenen Befunde belegen.
Das rechte Hüftgelenk ist aktiv endgradig schmerzhaft in Streckung/Beugung mit 0/0/95 (Norm: 0/0/130 - 140, vgl. dazu die Messblätter für die oberen und unteren Extremitäten nach der Neutral-Null-Methode, wiedergegeben im Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 10. November 2008) eingeschränkt gewesen. Es hat sich endgradig ein schmerzhafter Anschlag beim Abspreizen gefunden. Die aktive Innen-/Außenrotaton hat mit endgradiger Schmerzhaftigkeit vor allem bei der Innen-, weniger bei der Außenrotation 35/0/20 (Norm: 40 - 50/0/30 - 45) betragen.
Das linke Hüftgelenk ist aktiv nicht schmerzhaft bewegungseingeschränkt in Streckung/Beugung mit 0/0/105 gewesen. Am linken Kniegelenk hat eine diskret vermehrte anteromediale Instabilität im Sinne einer vermehrten vorderen Schublade und einer etwas verringerten Stabilität des inneren Seitenbandes vorgelegen. Ansonsten hat sich eine ausgeprägte Knick-Plattfußfehlstellung beidseits gezeigt.
Im Bereich der oberen Extremitäten sind lediglich umschriebene Druckschmerzhaftigkeiten am streckseitigen und körpernahen Ansatz der Unterarmmuskulatur im Sinne eines leichtgradigen „Tennisellbogens“ linksseitig zu befunden gewesen.
Im Bereich der Wirbelsäule hat sich ein überwiegend durch Willkürmotorik dargestellter Hohlrücken bei angedeuteter Wirbelsäulen-Seitverbiegung mit einem Schultertiefstand links von 0,5 cm und einem Beckentiefstand links von 1 cm sowie eine Linksabweichung der Wirbelsäule aus dem Lot von etwa 1 cm neben einer leichten Fehleinstellung der Halswirbelsäule gezeigt. Die Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule sind diffus, jedoch leichtgradig druck- und klopfschmerzhaft gewesen. Eine flächige, schlecht abgrenzbare, jedoch nur leichtgradige Berührungsempfindlichkeit und Druckschmerzhaftigkeit, von der Klägerin als Kitzligkeit bezeichnet, ist in der gesamten paravertebralen Brust- und Lendenwirbelsäulenmuskulatur unter Einbeziehung der beiden hinteren oberen Beckenkämme zu erheben gewesen.
Der Bewegungsapparat hat klinisch keine Hinweise für einen weit ausgebreiteten Schmerz erkennen lassen. So hat die Klägerin sowohl im Sitzen wie auch im Stehen durch ruckartiges Anziehen, Abspreizen und Innenrotieren des jeweiligen Beines eine überraschend gute Beweglichkeit beider Hüftgelenke demonstriert. Bei einer tatsächlich schmerzhaften oder gar hochschmerzhaften Einschränkung der Beweglichkeit beider Hüftgelenke ist ein solches Verhalten nicht zu erwarten, denn alle drei Komponenten dieser Bewegung stellen üblicherweise einen deutlichen Auslöser für eine Schmerzsymptomatik dar. Dazu passt die Angabe der Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung: „Ich habe diesen Antrag nicht wegen meiner rechten Hüftarthrose gestellt. Meiner rechten Hüfte geht es jetzt wunderbar!“. Die von der Klägerin beklagte Einschränkung infolge einer an der Lendenwirbelsäule empfundenen Schmerzsymptomatik vor allem beim Sitzen mit der demonstrierten, ausgeprägten motorischen Unruhe mit einem dauernden Wechsel der Sitzposition ist vom Sachverständige gleichfalls nicht mit den zu erhebenden Befunden in Deckung zu bringen gewesen. Insbesondere hat sich keine Muskelverkürzung im Becken-Oberschenkel-Bereich, die die Klägerin in ihrem Widerspruch für ihre Sitzbeschwerden verantwortlich machte, weder bei der Untersuchung noch bei den sehr rasch und praktisch ohne Beeinträchtigung durchgeführten Lagewechseln der Klägerin beim Aufstehen aus dem Stuhl oder beim Demonstrieren übereinandergeschlagener Beine im aufrechten Stehen feststellen lassen.
In körperlicher Hinsicht hat sich ansonsten auch im Bereich des gesamten Abdomens eine flächige, schlecht abgrenzbare Berührungsempfindlichkeit und Druckschmerzhaftigkeit, von der Klägerin als Kitzligkeit bezeichnet, dargestellt.
Den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ist dazu im Wesentlichen nichts anderes zu entnehmen.
Nach dem Entlassungsbericht der V GmbH vom 11. März 2008 über eine vom 24. Januar bis 18. Februar 2008 durchgeführte ganztägige ambulante Rehabilitation zeigte die Abschlussuntersuchung eine Beweglichkeit des rechten Hüftgelenkes für Extension/Flexion von 0/5/90 bei noch bestandener Oberschenkelumfangdifferenz rechts im Vergleich zu links von 1,5 cm.
Im Befundbericht des Facharztes für Orthopädie B vom 02. Oktober 2008 ist eine Flexion des rechten Hüftgelenks von 70 Grad angegeben, die nach seinem Attest vom 13. März 2003 seinerzeit, also vor der Implantation einer Hüftgelenks-Endoprothese rechts im Januar 2008, im selben Umfang bestand, wobei davon abweichend in seinem gegenüber dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin erstatteten Befundbericht vom 21. September 2006 eine Flexion von 80 Grad angegeben wurde. Im Übrigen sind ohne konkrete Angaben eine deutliche Rotations- und Belastungseinschränkung des rechten Hüftgelenks und eine mittelgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule bescheinigt.
Im Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 10. November 2008 wird ein bewegungseingeschränktes rechtes Hüftgelenk (für Beugung/Streckung mit 80/0/0) bei unauffälligem linken Hüftgelenk (Beugung/Streckung: 110/0/0) bei im Übrigen altersentsprechend ausreichend vorhandener Beweglichkeit der Wirbelsäule und der großen Gelenke dargelegt. Röntgenologisch ist danach weder die rechte Hüfte (A-Klinikum vom 16. Januar 2008) noch die linke Hüfte (B vom 03. Juli 2008) auffällig gewesen. Die Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule (B vom 03. Juli 2008) hat neben Zeichen eines residuellen Morbus Scheuermann und einer leichten Skoliose nichts Weiteres aufgedeckt.
Nach dem Bericht des Radiologen Dr. H vom 14. November 2008 deckte eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule degenerative Veränderungen bei L3 - 5 mit diskreter Einengung der Neuroforamina beidseits auf.
Im Attest des Facharztes für Orthopädie B vom 13. Mai 2009 wird auf diese Foramenstenose bei L4/5, die zu erheblichen belastungsbeschränkenden Schmerzzuständen führe, hingewiesen.
In dessen Befundbericht vom 25. November 2009 wird erneut eine nicht konkretisierte starke Belastungs- und Bewegungsminderung des Achsorgans genannt und angegeben, dass die Beweglichkeit bezüglich Flexion des rechten Hüftgelenks bis 60 Grad und des linken Hüftgelenks bis 70 Grad eingeschränkt sei.
Nach dem weiteren Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 16. Februar 2010 war das rechte Hüftgelenk bezüglich Beugung/Streckung mit 80/0/0 und das linke Hüftgelenk mit 90/0/0 eingeschränkt. Im Übrigen war die Beweglichkeit der Wirbelsäule und der großen Gelenke altersentsprechend ausreichend vorhanden.
Nach der Epikrise der Orthopädischen Klinik H gGmbH vom 19. Juli 2010 über eine stationäre Behandlung vom 07. bis 17. Juli 2010 berichtete die Klägerin über eine Hüftbeugekontraktur von etwa 70 Grad beidseits, die schon seit 30 Jahren bestehen würde. Eine erfolgte Konsiliaruntersuchung wegen einer (zunächst) befundeten Hüftbeugekontraktur von etwa 70 Grad erbrachte jedoch lediglich eine Einschränkung hinsichtlich Extension/Flexion des rechten Hüftgelenks von 0/0/90 und des linken Hüftgelenks von 0/0/100. Die Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke offenbarte links eine beginnende Coxarthrose. Die Röntgenuntersuchung und die Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule zeigte eine inkomplette Sakralisierung bei L5 und Schmorlsche Knoten (als Ausdruck des residuellen Morbus Scheuermann) bei normalem Spinalkanal und Neuroforamina. Dem Befundbericht dieser Orthopädischen Klinik vom 01. November 2010 ist dazu nichts anderes zu entnehmen.
Der Befundbericht des Facharztes für Orthopädie B vom 13. April 2011 wiederholt ohne konkrete Befundangabe das Bestehen einer ausgeprägten Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke und einer starken Bewegungseinschränkung des Achsorgans. Nichts anderes ergibt sich aus dem Attest dieses Arztes vom 31. Oktober 2012, in dem erneut ohne Angabe von Bewegungsmaßen eine kräftige Funktionseinschränkung des rechten Hüftgelenks und eine deutliche, jedoch nicht so ausgeprägte Funktionseinschränkung des linken Hüftgelenks bezeichnet werden, die neben der Erkrankung der Wirbelsäule bestehen.
Diese ärztlichen Berichte bestätigen die vom Sachverständigen Dr. B erhobenen Befunde bezüglich der Beweglichkeit des rechten und des linken Hüftgelenks. Die mit der Berufung vorgetragene Beweglichkeit mit 80 bis 90 Grad beidseits weicht davon lediglich linksseitig ab, was sich jedoch nicht als Besonderheit darstellt, denn auch in der Vergangenheit gab es dazu unterschiedliche Messwerte (Befundbericht des Facharztes für Orthopädie B vom 21. September 2006: 90 Grad; Entlassungsbericht der V GmbH vom 11. März 2008: 0/5/95; Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 10. November 2008: 0/0/110; Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 16. Februar 2010: 0/0/90; Epikrise der Orthopädischen Klinik H gGmbH vom 19. Juli 2010: 0/0/100). Diese Berichte belegen ebenfalls das Fehlen einer Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bzw. des Vorhandenseins wesentlicher degenerativer Veränderungen, die eine solche Funktionseinschränkung hervorrufen könnten. Dem stehen nicht die Angaben des Facharztes für Orthopädie B entgegen, denn diese sind nicht befundunterlegt. Soweit dieser Arzt im oben genannten Attest vom 13. Mai 2009 „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom 12. November 2008 mit dem Hinweis auf die kernspintomografisch nachgewiesene Formenstenose bei L 4/L 5 erhob, sind daraus keine entsprechenden Funktionseinschränkungen zu verifizieren, die das Leistungsvermögen der Klägerin über das vom Sachverständigen Dr. B genannte Maß einschränken könnten.
Trotz der nicht geringfügigen Behinderung der Klägerin durch ihre angeborene, innere Gaumenspalte ist nach dem Sachverständigen Dr. B zwar die phonetische Verständlichkeit stellenweise etwas eingeschränkt. Dies hindert die Klägerin jedoch nicht daran, sich hinreichend zu äußern, denn sie hat gegenüber dem Sachverständigen die von ihr empfundene Schmerz- und Beschwerdesymptomatik und die von ihr gefühlten verschiedenen Beeinträchtigungen im Alltag ausgesprochen pointiert und eloquent vortragen können. Nach dem Gutachten des Sachverständigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen dieser Behinderung nicht zu verstehen ist. Auch im Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch vom 23. Februar 2009 wurde die Sprache lediglich als verwaschen angegeben.
Nach dem Sachverständigen Dr. B weist die während der gesamten Untersuchung gezeigte Darstellung von Symptomen und Befunden in Richtung einer histrionischen Persönlichkeitsstörung, einer Minderbelastbarkeit mit Neurasthenie und einer Somatisation psychosozialer bzw. biographischer Belastungssituationen. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin in der Algesi- und Psychometrie des Schmerzfragebogens und der erweiterten Testpsychologie gemachten Angaben, der Verhaltensbeobachtung sowie der bei der Begutachtung erhobenen körperlichen Befunde ergeben sich etliche Hinweise auf eine fehlende Plausibilität und Konsistenz, so dass der Sachverständige sich nicht hat davon überzeugen können, dass die geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen in der geklagten Form bestehen und wesentliche Beeinträchtigungen im Alltag bedingen, insbesondere durch Schmerzen.
Der Sachverständige hat dies entgegen der Ansicht der Klägerin überzeugend dargestellt und begründet.
Der typische Tagesablauf stellt sich nach Angaben der Klägerin wie folgt dar: Gegen 7.30 Uhr würde sie regelmäßig aufstehen, sich dann Kaffee kochen und ein Frühstück einnehmen. Danach würde sie das Bett zur Körperpflege und zum Anziehen aufsuchen. Im weiteren Verlauf des Vormittags würde sie Schreibtischarbeiten durchführen, wobei sie am PC E-Mails checkt und ihrem Hobby, der Komposition von „Wortkunst“ nachgeht. Falls notwendig kümmere sie sich um den Haushalt und den Garten. Regelmäßig vormittags würde sie über einen Zeitraum von einer Stunde Musik hören. Ihr selbst zubereitetes Mittagessen nähme sie um 15.00 Uhr ein. Nach einem „kurzen Nickerchen“ lese sie noch längere Zeit und gehe anschließend etwa zwei- bis dreimal pro Woche üblicherweise einkaufen. Nach dem Abendessen um 20.30 Uhr arbeite sie bis zum Schlafengehen um 23.45 Uhr an ihrem Laptop, lese oder schreibe Artikel für Journalisten. Außerdem würde sie regelmäßig schwimmen gehen.
Während der gesamten Untersuchung, besonders stark ausgeprägt zu Beginn und im weiteren Verlauf etwas abnehmend, hat sich die Klägerin in einer psychomotorisch ausgeprägt aufgekratzt, unruhig und auch affektiert wirkenden Verfassung präsentiert, was im fortgesetzten Hin- und Herrücken des Stuhls, im Umhergehen und im Knien und Verharren vor dem Schreibtisch des Sachverständigen ohne Unterbrechung ihrer Ausführungen bezüglich ihrer Schmerz- und Beschwerdesymptomatik und ihrer Einschränkungen im Alltag seinen Ausdruck gefunden hat. Mit einem ausgesprochen hohen Redebedürfnis, über weite Strecken auch sprunghaft und weitschweifig erzählend, oft auch unklar bis kryptisch umschreibend hat die Klägerin insgesamt nur wenig authentisch wirkend ihre vorhandenen Bewegungseinschränkungen an den Hüftgelenken und am Rücken dargestellt. In der Gesamtbeurteilung der Algesi- und psychometrischen Daten in der standardisierten Schmerzdokumentation haben sich eine leichtgradige bis im Schmerzanfall bzw. unter Belastung deutlich ansteigende Schmerzempfindung mit guter Modulierbarkeit im Tagesverlauf und formal Hinweise für eine Somatisierung gezeigt, wobei sich im Vergleich zur Angabe der Schmerzempfindung in den NRS-Skalen wenig plausibel hierzu eine völlig fehlende Beeinträchtigung von Lebensqualität und Wohlbefinden sowie in der schmerzbedingten Beeinträchtigung gefunden haben. Analog dazu sowie auch in der erweiterten Testpsychologie haben sich auch bei der Schmerzanamnese und der psychosomatischen Exploration keine Hinweise auf eine im Alltag relevante depressive Verstimmung ergeben. Ganz im Gegenteil dazu haben sich sehr breite Alltagsaktivitäten, Hobbys und auch Freizeitbeschäftigungen ermitteln lassen, so dass sich die Klägerin nach dem Sachverständigen weit entfernt von einer depressiven Verstimmung befindet. Es haben sich vielfältige Hinweise auf negative Antwortverzerrungen und überzeichnet wirkende Befunddarbietungen ergeben, die primär eher bewusstseinsnah, im weiteren Verlauf der Untersuchung jedoch dann zunehmend bewusstseinsfern erschienen sind.
Der Sachverständige Dr. B hat dies im Einzelnen wie folgt begründet: Die in den Körperschemata des Schmerzfragebogens eingezeichnete Schmerzlokalisation besitzt weder einen Bezug zur Lendenwirbelsäule und zum Kreuzbein noch zum linken Hüftgelenk, so dass diese sich diskrepant zur aktuellen Schmerzsymptomatik mit Iliosakralgie, Iliosakralgelenkblockade, untere Lendenwirbelsäule und Steißbein zeigt. Zu den im Schmerzfragebogen angegebenen Dauerschmerzen und Schmerzattacken hat die Klägerin nicht deutlich machen können, zu welchen Tageszeiten bzw. bei welchen Gelegenheiten sie einzelne Schmerzattacken verspürt. Die Beeinträchtigung von Alltag, Freizeitaktivitäten und Arbeitsfähigkeit jeweils in den letzten drei Monaten ist mit Beeinträchtigung des Alltags von 0 v. H., der Freizeitaktivitäten von 80 v. H. und der Arbeitsfähigkeit von 100 v. H. nicht plausibel und nicht konsistent angegeben worden. Auch im Schmerzfragebogen zum derzeitigen allgemeinen Wohlbefinden haben sich Inkonsistenzen gefunden. Die Angabe, dass die Klägerin ein uneingeschränktes Wohlbefinden so lange habe, solange sie sich richtig verhalte, belegt nach dem Sachverständigen eine willentliche Steuerbarkeit der geklagten Beschwerden und spricht für die Überwindbarkeit sowohl einer Schmerz- und Beschwerdesymptomatik wie auch einer möglicherweise im Alltag vorhandenen Beeinträchtigung durch Schmerzen. Diskrepanzen in den Bewertungen der Beeinträchtigungen verschiedener Lebensbereiche, wie im Schmerzfragebogen angegeben (Beeinträchtigung des Alltags von 0 v. H., der häuslichen und familiären Aktivitäten von 60 v. H., der sozialen Unternehmungen von 70 v. H., der Haus- und Berufsarbeit von 80 v. H. und der Selbständigkeit in Körperpflege und Alltagsverrichtungen von 0 v. H.), ist gleichfalls nicht plausibel und nicht konsistent. Dem widerspricht die Angabe im Schmerzfragebogen zu dem allgemeinen Wohlbefinden mit einem Wert von + 50 (auf einer Skala von - 100 für sehr schlecht und + 100 für sehr gut). Dieselben Inkonsistenzen finden sich im PHQ-D-Fragebogen zur Beeinträchtigung verschiedenster Lebensbereiche, wenn dort Sorgen über die Gesundheit nur wenig beeinträchtigend im Alltag angeben werden. Nicht passend zu einem relevant schmerzgeplagten Menschen sind eine ausgeglichene Stimmung und ein nicht beeinträchtigter Affekt.
Eine lediglich durchschnittlich dreimal pro Monat eingenommene Ibuprofen-Medikation spricht, so der Sachverständige, ungeachtet des verständlichen Wunsches der Klägerin nach einer möglichst niedrigschwelligen Medikamenteneinnahme, für einen nur gering ausgeprägten Leidensdruck. Dies gilt insbesondere deswegen, weil bereits durch eine niedrigschwellige, multimodale Schmerztherapie mit einer regelmäßigen NSAR-Einnahme und der Anwendung von Krankengymnastik und physikalischer Therapie eine annähernde Beschwerdefreiheit zu erreichen ist. Der Sachverständige hat sich dazu zum einen auf den Entlassungsbericht der V GmbH vom 11. März 2008 bezogen, wonach unter einer regelmäßigen Einnahme von dreimal täglich Ibuprofen ein klinischer Zustand erreicht wurde, so dass die medikamentöse Schmerztherapie während der Rehabilitation beendet werden konnte. Zum anderen hat er auf die Epikrise der Orthopädischen Klinik H gGmbH vom 19. Juli 2010 verwiesen, wonach durch eine regelmäßige Einnahme von dreimal 600 mg Ibuprofen eine deutliche Beschwerdelinderung erreicht werden konnte, so dass zum Zeitpunkt der Entlassung eine Schmerzempfindung nach NRS (auf einer Skala von 0 bis 10) mit 1 für Lumbalgie, mit 0 für Ischialgie und mit 1 für Sakroilialgie erhoben werden konnte.
Auch in der Schilderung der jeweiligen Beeinträchtigungen im Alltag finden sich Hinweise für fehlende Plausibilität bzw. Inkonsistenz. So passt die Angabe der maximal tolerierbaren Stehzeit mit fünf Minuten nicht zur Angabe, sich beim Zurücklegen größerer Wegstrecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln erst nach einer Zeitdauer von zwei bis drei Stunden hinzusetzen. Das völlig ungestört geschilderte Ein- und Durchschlafverhalten ist bei seit Jahren empfundener Schmerz- und Beschwerdesymptomatik wenig plausibel, weil bei langjährig chronifizierten Schmerzpatienten üblicherweise sehr rasch Schlafstörungen auftreten.
Diskrepanzen haben sich auch bei der Verhaltensbeobachtung und der körperlichen Untersuchung gezeigt. Darauf ist bereits oben im Zusammenhang mit der Beweglichkeit und Schmerzhaftigkeit der Hüftgelenke eingegangen worden. Gleiches gilt für die von der Klägerin demonstrierte Beeinträchtigung beim Anziehen eines Strumpfes, weswegen sie den mitgebrachten Strumpfanzieher benutze. Nicht konsistent zur Notwendigkeit dieses Strumpfanziehers ist die bereits angesprochene ruckartige Anbeug-Bewegung im rechten Hüftgelenk; auch die vorgeführte Beweglichkeit im rechten Hüftgelenk ist weit ausreichend gewesen, einen Strumpf selbständig anzuziehen. Trotz Angabe, die Beine nicht mehr übereinanderschlagen zu können, hat die Klägerin im Rahmen der Schmerzanamnese mehrfach nach einem Aufstehen aus dem Stuhl und zum Teil auch im Stuhl sitzend ein Übereinanderschlagen der Beine zumindest in einem gewissen Grad noch vollzogen.
Zusammenfassend hat der Sachverständige Dr. B die feststellbare Diskrepanz zwischen körperlichen Untersuchungsbefunden und der beklagten Beeinträchtigung als Ausdruck eines erheblich verstärkten, körperlichen Beschwerde- und Belastungserlebens eingeschätzt, das durch die histrionischen Persönlichkeitsmerkmale im Sinne von dysfunktionalen Denkgewohnheiten ausgestaltet wird und damit primär den Eindruck einer bewusst intentionalen Übertreibung verursacht. Die Überzeugung der Klägerin, dass die von ihr empfundene Schmerz- und Beschwerdesymptomatik nicht durch ein wie immer geartetes Konzept, sondern ausschließlich durch eine quantitative Reduzierung ihrer beruflichen Tätigkeit angegangen werden soll, unterliegt jedoch der willentlichen Steuerung und ist veränderbar, wie die oben aufgezeigten stationären Behandlungen belegen. Die von der Klägerin benannten, motivationalen Einschränkungen, nämlich vornehmlich der weitgehende Verzicht auf eine Schmerzmedikation, hat jedoch nach dem Sachverständigen keinerlei Krankheitswertigkeit.
Bestätigt wird dies durch das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 23. Februar 2009. Danach ergab die Untersuchung eine unruhige, teilweise agitierte und weitschweifige Klägerin ohne Hinweise auf das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung von derartigem Krankheitswert, welche eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit bedingen würde. Bis auf die genannten Merkmale war der psychiatrische Status unauffällig. Den weiteren vorliegenden ärztlichen Unterlagen sind Hinweise für psychopathologische Befunde nicht zu entnehmen.
Der Sachverständige Dr. B hat sich angesichts dessen bezüglich des Ergebnisses seiner Untersuchung zutreffend in Übereinstimmung mit den vorliegenden ärztlichen Berichten, insbesondere den von der Beklagten eingeholten Gutachten, gesehen, so dass es eines weiteren Sachverständigengutachtens, wie von ihm beurteilt, nachvollziehbar nicht bedarf. Dies gilt auch für die von der Klägerin angeregte Augenscheinseinnahme. Ob die Klägerin zu bestimmten Bewegungen in der Lage ist, vermag der Senat aus eigener Anschauung nicht zu beurteilen, denn hierfür bedarf es medizinischen Sachverstandes.
Für die von der Klägerin geltend gemachten Taubheitsgefühle in einigen Fingern des rechten Armes gibt es keine objektiven Befunde.
Die von dem Sachverständigen Dr. B und den anderen Ärzten erhobenen Befunde machen deutlich, dass allenfalls eine besondere Beanspruchung im Sinne sowohl stärkerer als auch dauerhaft einseitiger Haltungen sowie eine besondere psychische Belastung nicht mehr in Betracht kommen. Die von dem Sachverständigen genannten Leistungseinschränkungen tragen somit dem Gesundheitszustand der Klägerin ausreichend Rechnung.
Wenn eine Tätigkeit den dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen gerecht wird, ist ohne dass zusätzliche Befunde oder Gesichtspunkte hinzutreten, aber zugleich ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich, wie dies der Sachverständige in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht der V GmbH vom 11. März 2008, der arbeitsagenturärztlichen Äußerung der Ärztin für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin F vom 15. April 2008 sowie den Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 10. November 2008 und 16. Februar 2010 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S vom 23. Februar 2009 angenommen hat, folgerichtig.
Ob die Klägerin einen Arbeitgeber findet, der sie für eine entsprechende Tätigkeit einstellt, ist für den Rentenanspruch nicht von Bedeutung. Diese Frage betrifft allein die Vermittelbarkeit. Das Risiko eines Versicherten, der eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, einen entsprechenden Arbeitsplatz auch zu erhalten, fällt grundsätzlich in den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Dies folgt aus § 43 Abs. 3 2. Halbsatz SGB VI, der ausdrücklich bestimmt, dass bei einem Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Der GdB ist nicht maßgebend. Die Festsetzung des GdB nach dem SGB IX bzw. dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) erfolgt nach anderen Maßstäben als denen in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der GdB ist dort das Maß für behinderungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen, die von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und sich in verschiedenen Lebensbereichen, also nicht nur im Erwerbsleben, auswirken. In Ziffer 20 Abs. 3 der insoweit maßgebenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 bzw. 2005“ wird dem gemäß ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erwerbsunfähigkeit (und damit auch die Berufsunfähigkeit) bzw. die Erwerbsminderung (teilweise oder voll) in der gesetzlichen Rentenversicherung vom GdB unabhängig ist. Dies schließt Rückschlüsse aus einem bestimmten GdB auf eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung aus.
Rente wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung stehen der Klägerin somit nicht zu.
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.