Gericht | VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.11.2011 | |
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Aktenzeichen | 2 K 629/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin, die als Beamtin in den Diensten der Beklagten steht, erlitt am ... 2007 gegen ... Uhr in der Teeküche des Dienstgebäudes beim Aufnehmen des Metalldeckels eines Schraubglases von der Ablauffläche des Spülbeckens einen starken Stromschlag. Nach ihren eigenen Angaben, schüttelte es sie am ganzen Körper durch, so dass sie zurücksprang. Danach habe sie Mühe gehabt, sich auf den Beinen zu halten.
Die Klägerin wurde unmittelbar nach dem Unfall in das Klinikum M. verbracht. Die dortige Untersuchung ergab ausweislich des Ambulanzberichtes vom selben Tage keinen Befund. Eine stationäre Überwachung lehnte die Klägerin ab.
Am ... 2007 begab sich die Klägerin erneut in ärztliche Behandlung - dieses Mal in der Charité. Ausweislich des dortigen um 13.29 Uhr gefertigten Berichtes des Arztes ... gab die Klägerin zum zuvor dargestellten an, dass sie am Vortag, dem ..., mit Ausnahme eines einstündigen Flimmerns auf einem Auge beschwerdefrei gewesen sei. Nunmehr leide sie unter einem Taubheitsgefühl und Kribbeln in der linken Körperhälfte; eine Hyperventilation verneinte die Klägerin. Ferner gab sie an, gelegentlich unter Migräne mit Seheinschränkungen und seit 2004 unter Depressionen zu leiden. Die körperliche Untersuchung ergab auch hier keinen Befund.
In einem weiteren am selben Tage in der Charité um ... Uhr durch die Ärztin Dr. ... gefertigten Bericht wird zudem ausgeführt, dass die Klägerin neben dem Kribbeln auch unter leichtem Angstgefühl und Hyperventilation leide. Die Symptomatik bessere sich prompt unter Beruhigung. Auch nach diesem Bericht ergab sich kein körperlicher Befund; es wurde eine ambulante nervenärztliche Behandlung empfohlen.
In der Zeit vom ... bis zum ... 2007 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.
Aus einer sich in den Verwaltungsvorgängen findenden e-mail ergibt sich, dass am ... 2007 der Elektriker der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur Prüfung der Küchenzeile hinzugezogen wurde und dass am ... 2007 die Anlage in der Teeküche durch eine Elektrofirma überprüft wurde. Dabei ergab sich, dass bei der Installation ein Kabel versehentlich angebohrt wurde, wodurch es zu den aufgetretenen Stromschlägen gekommen sei.
Unter dem ... 2007 meldete die Klägerin den Hergang bei der Beklagten als Unfall und stellte in der Folgezeit mehrere Anträge auf Kostenerstattung. Die Klägerin reichte bei der Beklagten ferner eine ärztliche Bescheinigung der Nervenärztin ... ein, wonach sie bei dieser wegen einer depressiven Störung behandelt werde. Der Behandlungsverlauf habe sich als schwierig und langwidrig gestaltet, jedoch habe sich insgesamt eine deutliche Symptombesserung gezeigt. Nach dem Unfallgeschehen sei erstmals eine Panikattacke aufgetreten. Ferner bestünden seitdem linksseitige Schmerzen. Die zuvor bereits abgesetzte Medikation habe wieder aufgenommen werden müssen.
Mit Bescheid vom ... 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom ... 2007 als Dienstunfall ab. Die Behandlungskosten der Erstbehandlung würden aus Mitteln der Unfallfürsorge erstattet, darüber hinaus bestehe kein Anspruch auf die Erstattung von Heilbehandlungskosten. Sie begründete dies damit, dass die Reinigung von Essgeschirr eine Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen und somit keine Tätigkeit sei, die in Ausübung oder infolge des Dienstes erfolge. In Räumen wie Teeküchen bestehe kein Dienstunfallschutz. Es werde angeregt, die weiteren Behandlungskosten bei der Beihilfestelle und der privaten Unfallversicherung einzureichen.
Hiergegen legte die Klägerin unter dem ... 2007 Widerspruch ein und führte aus, dass der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht prinzipiell für sämtliche baulichen Mängel seiner Dienstgebäude hafte. Auch ein weiterer Kollege habe am ... 2007 in der Teeküche einen Stromschlag erlitten. Die Klägerin übermittelte der Beklagten ein weiteres Attest der Nervenärztin ... vom ... 2008, wonach im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen eine einmalige Panikattacke aufgetreten sei. Trotz Medikation sei die Klägerin noch nicht wieder zu ihrer ursprünglichen psychischen Verfassung gelangt. Es sei insgesamt einzuschätzen, dass die derzeitige depressive Episode im Zusammenhang mit dem Unfall ausgelöst worden sei. Weitere Ausführungen zum Krankheitsverlauf der Klägerin machte die Ärztin mit Schreiben vom ... 2008. Auch darin bestätigt sie, dass die Klägerin bereits zuvor wegen einer psychosozialen Überforderungssituation in Behandlung gewesen sei und das Unfallereignis nach einer gelungenen Stabilisierung wieder einen Rückfall verursacht habe. Sie fühle sich durch den Dienstherrn nicht ausreichend ernst genommen, da dieser erst nach dem weiteren Unfall eines Kollegen eine Reparatur veranlasst habe.
Unter dem ... 2008 wurde über die Klägerin im Auftrag der Beklagten ein fachärztliches und psychologisches Gutachten gefertigt. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass durch den Stromschlag ein konkreter, anhaltend wirksamer Schaden weder neurologisch noch psychiatrisch psychologisch entstanden sei. Für die Anfangszeit könne eine gewisse Reaktionsbildung akzeptiert werden. Derzeit bestehe keine Behandlungsbedürftigkeit, die ereigniskorreliert begründet werden könne. Die Fortsetzung der Behandlung sei aus vorbestehenden Problemen heraus begründet.
Mit Schreiben vom ... 2008 wies die Beklage darauf hin, dass sie beabsichtige, den Widerspruch zurückzuweisen und gab der Klägerin hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie räumte ein, dass die von der Klägerin ausgeführte Tätigkeit des Geschirrabwaschens noch zur Dienstdurchführung gerechnet werden könne, meint aber, dass durch den Stromschlag kein Körperschaden im dienstunfallrechtlichen Sinne verursacht worden sei.
Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom ... 2008, dass bei ihr Unfallfolgen in Form eines Taubheitsgefühls der Haut der linken Hand, der Hyperventilation und ängstlicher Depression vorliege. Diese seien zumindest auch durch den Stromschlag verursacht worden, was für die Anerkennung eines Dienstunfalls ausreiche.
In einer ergänzenden fachlichen Stellungnahme der begutachtenden Ärzte hielten diese an ihren gutachtlichen Feststellungen fest und führten aus, dass durch die vorbestehende Erkrankung der Vollbeweis dafür vorhanden sei, dass bereits vor dem Stromschlag entsprechende psychische Veränderungen bestanden hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies unter Bezugnahme auf das Gutachten im Wesentlichen damit, dass der Stromschlag zwar ein plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis sei, dass in Ausübung des Dienstes erfolgte. Indes habe er keinen Körperschaden im Sinne des Dienstunfallrechts verursacht. Er habe zu keinen elektromedizinisch wesentlichen Beeinträchtigungen geführt. Der Stromschlag sei lediglich eine Gelegenheitsursache für die psychischen Reaktionen der Klägerin gewesen.
Hiergegen richtet sich die Klägerin im Klagewege. Sie meint, dass durch den Stromschlag ein Körperschaden entstanden sei. Eine dauerhafte Veränderung des Gesundheitszustandes sei für die Anerkennung eines Dienstunfalls nicht erforderlich. Auf die Schwere des Körperschadens komme es nicht an.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2009 zu verpflichten, das Schadensereignis der Klägerin vom ... 2007 (Stromschlag in der Teeküche des Dienstgebäudes ...) als Dienstunfall mit den Unfallfolgen Taubheitsgefühl der Haut links, Hyperventilation und ängstliche Depression anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, dass der Stromschlag nicht mit der im Dienstunfallrecht erforderlichen Wahrscheinlichkeit die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden verursacht habe. Am Unfalltag selbst sei ärztlicherseits kein Körperschaden festgestellt worden. Auch in der Charité sei festgestellt worden, dass ein für einen Elektrounfall typischer direkter Körperschaden nicht verursacht worden sei. Bei dem Taubheitsgefühl der Haut der linken Hand handele es sich um eine unbewiesene subjektive Schilderung der Klägerin; Lähmungen und Ausfallerscheinungen, die als Ursache für ein solches Gefühl infrage kämen und auch objektiv nachweisbar seien, hätten nicht vorgelegen. Die festgehaltenen Verdachtsdiagnosen Hyperventilation und ängstliche Depression seien weder nachgewiesen, noch könnten sie unter dienstunfallrechtlichen Gesichtspunkten als Körperschaden anerkannt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung ihres am ... 2007 erlittenen Unfalls als Dienstunfall gemäß § 31 BeamtVG. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom ... 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußere Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist. Äußere Einwirkungen im Sinne dieser Norm liegen bei solchen Ereignissen nicht vor, die auf der Veranlagung oder auf inneren Vorgängen in dem Beamten selbst beruhen. Daher ist die Annahme einer „äußeren“ Einwirkung ausgeschlossen, wenn die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Verletzten oder dessen willentliches, d. h. hier vorsätzliches Verhalten, die wesentliche Ursache gewesen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24 Oktober 1963 – II C 10.62 - sowie Urteil vom 9. April 1970 – II C 49.68 -, beides zitiert nach juris). Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demgemäß sogenannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Gelegenheitsursachen in diesem Sinne sind gegeben, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung eines akuten Erscheinens nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1988 – 2 C 77.86 – sowie Urteil vom 18. April 2002 – 2 C 22.01 -, beide zitiert nach juris).
Der im Dienstunfallrecht maßgebende Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2002, a. a. O.).
Unzweifelhaft handelt es sich bei dem Stromschlag um ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis. Es fragt sich indes bereits, ob durch dieses selbst ein Körperschaden bei der Klägerin verursacht wurde. Insbesondere an Depressionen war die Klägerin bereits ca. 3 Jahre zuvor erkrankt, so dass man davon ausgehen könnte, dass durch den Stromschlag nicht mehr die Krankheit selbst, sondern lediglich eine Verstärkung ihrer Symptome verursacht wurde. Jedenfalls aber handelt es sich bei dem Ereignis vom ... 2007 um eine so genannte Gelegenheitsursache, da die ängstlichen Depressionen aufgrund einer - durch die Hausärztin der Klägerin mehrfach bestätigten - krankhaften Veranlagung beruhten, die offenbar ausgesprochen leicht ansprechbar war. Das ein Stromschlag, der nicht die Stärke erreichte, dass es zu physischen Körperschäden kam, eine ängstliche Depression sowie eine Hyperventilation verursacht, deutet darauf hin, dass die Veranlagung zu Depressionen bei der Klägerin so stark ausgeprägt war, dass es zur Auslösung nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg hätte herbeigeführt haben können. Dies findet seine Bestätigung auch in dem über die Klägerin angefertigten fachärztlichen und psychologischen Gutachten, wonach die Reaktionsbildung eine wesentliche Ursache in der ereignisunabhängigen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und dem subjektiv erlebten Umgang mit ihr hatte. Die Leiden der Klägerin seien nicht ereigniskorreliert. Das Risiko, die Folgen weiterer ausgelöster Symptome der bereits vorhandenen Depression zu tragen, liegt daher entsprechend dem Schutzgedanken des Dienstunfallrechts bei der Klägerin.
Nichts anderes kann im Hinblick auf das von ihr geschilderte Taubheitsgefühl der Haut der linken Hand gelten. Es spricht nicht zuletzt aufgrund dessen, dass die Klägerin selbst ein solches Kribbeln bzw. Taubheitsgefühl erst 2 Tage nach dem Stromschlag feststellte, einiges dafür, dass auch dieses im Zusammenhang mit der Neigung der Klägerin zu psychischen Reaktionen steht. Es konnte gutachtlich keine physisch begründbare Erklärung für das von der Klägerin empfundene Taubheitsgefühl gefunden werden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Dies gilt auch für den erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis im Dienst und dem Eintritt des Körperschadens, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss. Wenn sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht klären lassen, trägt der Beamte die materielle Beweislast (stellvertretend BVerwG, Beschluss vom 11. März 1997 – 2 B 127/96 - zitiert nach juris). Diesen Beweis hat die Klägerin im Ergebnis nicht angetreten.
Da mithin bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 BeamtVG nicht vorliegen, konnte es zu einer Ermessensausübung des Beklagten nicht kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO. Gründe, die Berufung nach §§ 124, 124 a VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).