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Arbeitslosengeld - Bemessungsentgelt - fiktive Bemessung - Krankengeld


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 14. Senat Entscheidungsdatum 26.09.2014
Aktenzeichen L 14 AL 4/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 129 Nr 2 aF SGB 3, § 130 aF SGB 3, § 132 aF SGB 3, § 133 Abs 1 aF SGB 3, § 133 Abs 2 S 1 aF SGB 3

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) ab dem 2. Juni 2010.

Der 1951 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1994 bis zum 30. April 2008 als Serviceleiter bei der Firma A und ab 1. Mai 2008 als Serviceleiter bei der L GmbH beschäftigt. Dem Kläger wurde von seiner früheren Arbeitgeberin mit Schreiben vom 26. September 2008 zum 31. Oktober 2008 gekündigt und ab dem 29. September 2008 von der Arbeit freigestellt. Im Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008 erzielte der Kläger ein durchschnittliches Bruttoentgelt in Höhe von monatlich 4.240,17 Euro.

Der Kläger meldete sich am 26. September 2008 bei der Beklagten arbeitslos. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. November 2008 Alg für 540 Tage. Unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgeltes von 151,89 Euro, der Lohnsteuerklasse III und eines erhöhtes Leistungssatzes von 67 % wegen eines berücksichtigungsfähigen Kindes errechnete sie für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 30. April 2010 einen täglichen Leistungssatz von 64,24 Euro (monatlich 1.927,20 Euro).

Seit dem 22. Oktober 2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Hiervon erhielt die Beklagte am 24. Oktober 2008 Kenntnis und hob mit Bescheid vom 24. Oktober 2008 die Bewilligung des Alg ab dem 1. November 2008 aufgrund § 119 Abs. 5 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch alte Fassung (SGB III a.F.) auf. Einen Widerspruch legte der Kläger hiergegen nicht ein. Der Kläger bezog in der Zeit vom 1. November 2008 bis zum 12. April 2010 Krankengeld.

Am 18. März 2010 meldete der Kläger sich erneut bei der Beklagten arbeitslos unter Hinweis auf eine bevorstehende Rehabilitationsmaßnahme (Reha) seitens der Deutschen Rentenversicherung. Diese zunächst für die Dauer vom 13. April 2010 bis 25. Mai 2010 vorgesehene Maßnahme wurde aufgrund ärztlichen Rates um eine Woche bis zum 1. Juni 2010 verlängert. In der Zeit vom 13. April 2010 bis zum 1. Juni 2010 bezog der Kläger Übergangsgeld.

Mit Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag und seiner Arbeitslosmeldung ab 2. Juni 2010 Alg für 720 Tage. Unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgeltes von 85,17 Euro, der Lohnsteuerklasse III und eines erhöhten Leistungssatzes von 67 % wegen eines berücksichtigungsfähigen Kindes errechnete sie für den Zeitraum vom 2. Juni 2010 bis zum 1. Juni 2012 einen täglichen Leistungssatz von 41,85 Euro (monatlich 1 255,50 Euro). Zur Festlegung des täglichen Leistungssatzes bestimmte die Beklagte das Arbeitsentgelt des Klägers fiktiv nach der Qualifizierungsgruppe 2, Qualifizierungsstufe Fachschule/Meister (§ 132 Abs. 2 SGB a.F.).

Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er bei entsprechender Beratung eine Verlängerung der Reha-Maßnahme abgelehnt hätte, um das Alg nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 151,89 Euro erhalten zu können. Er habe sich in einem am 7. April 2010 mit der Beklagten geführten Gespräch ausdrücklich nach der Höhe des Alg erkundigt und die Auskunft erhalten, das Alg liege bei zirka 1.900,00 Euro im Monat, er könne beruhigt zur Kur fahren. Wäre ihm das Problem der fiktiven Bemessung bekannt gewesen, hätte er sich so zeitig arbeitslos gemeldet, dass er die günstigere Bemessung nach den zuletzt erzielten Arbeitsentgelten hätte beanspruchen können.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2010 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 6. Juli 2010 Klage zum Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren ergänzend ausgeführt, dass er über ein Jahr auf die Reha habe warten müssen, dies könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2011 abgewiesen und ausgeführt, dass der Kläger nicht so gestellt werden könne, als hätte er die Reha nur bis zum 25. Mai 2010 absolviert, kein Übergangsgeld erhalten und sei ab dem 26. Mai 2010 verfügbar gewesen. Die fehlende Verfügbarkeit lasse sich nicht auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzen, da die objektive und subjektive Verfügbarkeit nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden könnten. Dass der Kläger sehr lange auf die Reha habe warten müssen, gehe nicht zu Lasten der Beklagten. Ebenso wenig errechne sich ein höherer Anspruch des Klägers nach § 131 Abs. 4 SGB III, da er im September 2008 noch keinen Alg-Anspruch habe realisieren können. Er habe bis zum 31. Oktober 2008 in einem Arbeitsverhältnis gestanden, das zwar wegen einer Freistellung ruhte, wegen der Fortzahlung der Vergütung hätte jedoch nur ein ruhender Anspruch entstehen können, wohingegen § 131 Abs. 4 SGB III auf einen „Bezug“ von Leistungen abstelle. Ein derartiger Bezug habe nicht vorgelegen. Leistungen hätten auch nicht bewilligt werden können, da der Anspruch auf Krankengeld (bemessen nach dem Arbeitsentgelt) dem Alg-Krankengeld nach § 126 SGB III vorginge.

Gegen das am 13. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Januar 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Der Kläger bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und weist darauf hin, dass der Reha-Antrag am 2. März 2009 gestellt worden sei. Eine Ablehnung des Antrages sei am 4. Juni 2009 erfolgt. Hiergegen habe er Widerspruch eingelegt und ein Klageverfahren angestrengt. Die Reha-Maßnahme sei dann am 13. April 2010 für die Dauer von sechs Wochen mit einer Verlängerungsoption gewährt worden. Bei den Vorsprachen bei der Beklagten habe der Kläger konkret nach der Berechnung des Alg gefragt. Ihm sei versichert worden, dass er durch die Reha-Maßnahme keine finanziellen Einbußen erleide. Auch gebe es gesetzlich vorgesehene Fälle, wie z.B. § 126 SGB III, § 125 SGB III, in denen Arbeitslosengeld auch ohne Verfügbarkeit gezahlt werde.

Der Kläger beantragt seinem schriftsätzlichen Vorbringen zufolge,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 7. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, das Arbeitslosengeld des Klägers neu zu berechnen unter Zugrundelegung einer Antragstellung zum 26. Mai 2010.

Die Beklagte beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen zufolge,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei bereits unzulässig. Es fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Selbst bei einer - unterstellten - Antragstellung am 26. Mai 2010 hätte der Kläger keinen Anspruch auf höheres Alg, da auch insoweit das Alg fiktiv zu bemessen wäre. Selbst bei einer hypothetischen Antragstellung am 26. Mai 2010 sei der erweiterte Bemessungsrahmen von zwei Jahren nicht mit mindestens 150 Tagen mit abgerechnetem Arbeitsentgelt gefüllt, so dass nach § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III ebenfalls ein fiktives Arbeitsentgelt und nicht das zuletzt tatsächliche erzielte Arbeitsentgelt bei der Alg-Bemessung zugrunde zu legen gewesen wäre. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Eine Antragstellung am 26. Mai 2010 könne auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden. Arbeitslosmeldung und objektive wie subjektive Verfügbarkeit des Klägers seien tatsächliche Umstände, die durch die Beklagte nicht ersetzt werden können. Soweit der Kläger vortrage, es gebe durchaus Fälle, in denen Alg auch ohne Verfügbarkeit gezahlt werde, wie z. B. nach §§ 125, 126 SGB III, sei dieser Einwand nicht überzeugend. Der Kläger verkenne, dass die Verfügbarkeit bereits Kraft Gesetzes und nicht im Wege eines richterrechtlich entwickelten Instituts fingiert werde.

Der Senat hat die Rentenakten des Klägers beigezogen und Kopien hierzu zur Gerichtsakte genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Verwaltungsakten. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 SGG).

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend nicht abzusprechen. Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist. Soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichtes zur Verfügung zu stellen. Deswegen besteht der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte unnütz oder gar unlauter in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen darf. Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Es ist auf die Frage abzustellen, ob angesichts der besonderen Umstände des Falles die Klageerhebung nicht erforderlich ist, weil der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur dann, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde bzw. das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, vor § 51 Rdnrn. 16 und 16 a). Derartige Umstände sind vorliegend nicht gegeben, so dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Berufung nicht bereits unzulässig ist.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg ab dem 2. Juni 2010. Der insofern angefochtene Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

§ 129 Nr. 2 SGB III a.F. bestimmt, dass das Alg 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt (allgemeiner Leistungssatz). Der erhöhte Leistungssatz von 67 % wird gewährt, wenn der Arbeitslose oder sein nicht dauernd getrennt lebender und ebenfalls unbeschränkt einkommenssteuerpflichtiger Ehegatte oder Lebenspartner ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) hat (Nr. 2 der Vorschrift).

Leistungsentgelt ist gemäß § 133 Abs. 1 SGB III a. F. das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind:

1.eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des Bemessungsentgelts,
2.die Lohnsteuer, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen aufgrund des § 51 Abs. 4 Nr. 1 a EStG bekanntgegebenen Programm-ablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10 Abs. 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und
3.der Solidaritätszuschlag ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen.

Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F.).

Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 130 SGB III a. F. die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.

Der Bemessungsrahmen umfasst somit die Zeit vom 2. Juni 2009 bis zum 1. Juni 2010. In dieser Zeit hat der Kläger kein Arbeitsentgelt erzielt. Er war ab 22. Oktober 2008 arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld bis 12. April 2010.

Der Bemessungsrahmen wird gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a. F. auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Auch im erweiterten Bemessungsrahmen vom 2. Juni 2008 bis zum 1. Juni 2010 sind keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 8. Juni 2009, B 11 AL 14/08 R) sind hierbei nur vollständig im Bemessungsrahmen liegende Entgeltabrechnungszeiträume zu berücksichtigen. Innerhalb dieses Zeitraumes hat der Kläger nur 121 Tage Arbeitsentgelt im Zeitraum von Juni bis September 2008 (29 Tage im Juni, jeweils 31 Tage im Juli und August sowie 30 Tage im September 2008) tatsächlich erzielt. Der Monat Oktober 2008 kann nicht zur Anrechnung gelangen, da der Kläger ab dem 29. September 2008 von der Arbeit freigestellt war und kein Arbeitsentgelt mehr für den Oktober 2008 abgerechnet worden ist; Arbeitsentgelt wurde für den vollen Monat September 2008 in der Arbeitsbescheinigung noch erklärt.

Kann somit ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist gemäß § 132 SGB III a. F. als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.

Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgeltes ist der Arbeitslose der Qualitätsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualitätsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/360 der Bezugsgröße. Die Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) a. F. beträgt jährlich 30 660,00 Euro. Für die Qualifikationsgruppe 2 ergibt sich danach ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 85,17 Euro, somit ein tägliches Leistungsentgelt von 41,85 Euro. Dieser tägliche Leistungssatz wurde der Alg-Bewilligung ab 2. Juni 2010 zu Grunde gelegt im Bescheid vom 7. Juni 2010.

Der Kläger ist nicht von der fiktiven Bemessung seines Arbeitsentgelts wegen der Regelung des § 131 Abs. 4 SGB a.F. auszunehmen. Danach ist bestimmt gewesen: Hat der Arbeitslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruches Alg bezogen, ist Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist. Die Privilegierung des § 131 Abs. 4 SGB III a. F. ist nur gerechtfertigt, als ein Bezug von Arbeitslosengeld innerhalb der festgelegten Zweijahresfrist, die ab dem Tag der Entstehung des neuen Anspruches rückzurechnen ist, vorgelegen hat. Ein „Bezug von Arbeitslosengeld“ ist aber nicht gegeben, wenn die Leistungsbewilligung, und zwar gleich aus welchem Grund, rückwirkend und bindend aufgehoben bzw. zurückgenommen worden ist. Das ist der Fall. Die ursprüngliche Bewilligung von Alg ab 1. November 2008 durch den Bescheid vom 22. Oktober 2008 wurde von der Beklagten bereits am 24. Oktober 2008 aufgehoben, nachdem der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit ab 22. Oktober 2008 angezeigt hatte. Dieser Bescheid ist auch nicht mit einem Widerspruch angegriffen worden; er ist bestandskräftig gemäß § 77 SGG geworden. Damit bezog er zu keinem Zeitpunkt Alg ab 1. November 2008.

Der - von dem Kläger geltend gemachte - materiell-rechtliche Anspruch des Versicherten auf Alg im streitigen Zeitraum besteht demnach nicht. Deshalb kommt auch keine Leistungsgewährung nach §§ 126, 125 SGB III a. F. in Betracht.

Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches höhere Leistungen zu bewilligen sind. Die Verfügbarkeit des Klägers ab dem 26. Mai 2010 – der Tag erscheint ebenfalls im Antragsformular vom 21. März 2010, wenn auch von der oder dem Antragsaufnehmer/-in mit grüner Schrift gestrichen – lässt sich auch nicht auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dadurch ersetzen, dass eine subjektive und objektive Verfügbarkeit sowie eine persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers für diesen Zeitpunkt fingiert werden muss mit der Folge, dass die Höhe des Alg sich an seinem letzten erzieltem Arbeitsentgelt hätte orientieren müssen. Dabei bedarf es keiner Beurteilung, ob die Beklagte eine ihr aufgrund Gesetzes oder eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (vgl. §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil - SGB I), verletzt und ihm dadurch einen Nachteil zugefügt hat (vgl. BSG SozR 3-4100 § 249 e Nr. 4; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2; BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 3; BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 - B 11 a AL 15/05 R - juris).

Denn selbst bei einem unterstellten objektiven Fehlverhalten der Beklagten kommt eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruches jedenfalls deshalb nicht infrage, weil ein entsprechender Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Verhalten der Beklagten hinauslaufen würde (vgl. BSG SozR 4-4300 § 137 Nr. 1). Die in den §§ 118, 119 SGB III a. F. geregelten tatsächlichen Anforderungen an die Arbeitslosigkeit, nämlich die objektive und subjektive Verfügbarkeit, können in gesetzeskonformer Weise ebenso wenig fingiert werden wie die - hier ebenfalls fehlende - persönliche Arbeitslosmeldung bereits am 26. Mai 2010 (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 - B 11 a AL 15/05 R -; BSG, Beschluss vom 7. Mai 2009 - B 11 AL 72/08 B - juris - m. w. N.; für die Arbeitslosmeldung vgl. BSG SozR 3-4100 § 134 Nr. 14; BSG SozR 4100 § 103 Nr. 36; BSG SozR 2200 § 381 Nr. 44; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2). Eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen gestaltende Entscheidungen des Klägers zugrunde liegen, ist im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht möglich.

Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass bei einer unterstellten Arbeitslosmeldung zum 26. Mai 2010, die Streichung mit grüner Schrift ist nicht noch einmal vom Kläger auf seine Richtigkeit am Ende des Alg-Antrages gegengezeichnet worden, auch für den Zeitraum vom 26. Mai 2008 bis 25. Mai 2010 nicht mindestens 150 Tage mit Arbeitsentgelt festzustellen gewesen wären: 6 Tage im Mai, jeweils 30 im Juni und September und jeweils 31 im Juli und August 2008 = 128 Tage. Etwas anderes würde sich für die Frage, ob mindestens für 150 Tage Arbeitsentgelt erzielt worden ist, nur ergeben, wenn von dem ebenfalls im Antragsformular erscheinenden 18. März 2010 (Arbeitslosmeldung) auszugehen wäre. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger einen Alg-Anspruch jedoch nicht begründen, denn er war zu diesem Zeitpunkt noch arbeitsunfähig erkrankt und stand im Krankengeldbezug (bis 12. April 2010) und danach im Bezug von Übergangsgeld bis 1. Juni 2010. Aufgrund dessen war er nicht verfügbar (s.o.) bis zum Ablauf des 1. Juni 2010.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG sind nicht gegeben.