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Personalvertretungsrecht; Dienstvereinbarung, Wirksamkeit einer -, Zulässigkeit einer -, Bekanntmachung einer -; Umkleidezeiten; Charité; Tarifsperre; Bestehen eines Tarifvertrages (verneint); Tarifüblichkeit (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 60. Senat Entscheidungsdatum 16.09.2010
Aktenzeichen OVG 60 PV 6.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 74 Abs 1 PersVG BE, § 75 S 1 PersVG BE, § 85 Abs 1 S 1 PersVG BE, § 15 Abs 7 BAT

Leitsatz

1. Eine Dienstvereinbarung ist auch ohne Bekanntmachung i.S.v. § 74 Abs. 1 Satz 2 PersVG Berlin wirksam; sie tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft.

2. Die tarifvertragliche Regelung einer Arbeitsbedingung sperrt eine Dienstvereinbarung nach § 75 Satz 1, 1. Fall PersVG Berlin nur, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist; die Tarifüblichkeit einer nachwirkenden Tarifvertragsregelung endet mit der Vereinbarung eines Eckpunktepapiers der Tarifvertragsparteien, nach der die Arbeitsbedingung nicht mehr im Tarifvertrag geregelt werden soll.

3. Zur Zulässigkeit einer Dienstvereinbarung zu Umkleidezeiten bei der Charité nach § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O und TV-Charité (TVöD).

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. November 2008 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Im Streit ist die Wirksamkeit der von den Verfahrensbeteiligten am 11. Oktober 2007 geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Regulierung der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Notwendigkeit des Anlegens von Dienst- bzw. Schutzkleidung“. Sie gilt nach § 1 für alle Beschäftigten der Charité-Universitätsmedizin Berlin, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit Dienst- oder Schutzkleidung anlegen bzw. im Anschluss ablegen müssen. Gemäß § 2 beginnt und endet die Arbeitszeit dort, wo die Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben. Das Anlegen von Dienst- und Schutzkleidung ist als Arbeitsleistung anzusehen und gehört zu den arbeitsvertraglichen Pflichten. Unter Berücksichtigung der dadurch anfallenden Zeiten ist eine durchschnittliche Umkleidezeit von jeweils sechs Minuten nach Dienstbeginn und vor Dienstende (täglich insgesamt 12 Minuten) vereinbart.

Mit an den Antragsteller gerichtetem Schreiben vom 27. November 2007 bestritt der Beteiligte die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung: Der Antragsteller sei für den Abschluss nicht zuständig gewesen, auch seien nicht alle Formalien eingehalten. Vor allem aber sei der Regelungsgegenstand nicht dienstvereinbarungsfähig, weil es an einem Mitbestimmungstatbestand fehle. Die Vereinbarung regle nicht die Arbeitszeit, sondern den mitbestimmungsfreien Gegenstand der Arbeitspflicht.

Am 28. Mai 2008 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren zur Feststellung der Wirksamkeit der Dienstvereinbarung eingeleitet und vorgetragen, bei der durch sie geregelten Materie handele es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Dienststellen der Charité betreffe. Denn sowohl in der Medizinischen Fakultät als auch im Universitätsklinikum der Charité seien Beschäftigte tätig, die Dienst- bzw. Schutzkleidung anzulegen hätten. Formale Wirksamkeitsbedenken bestünden nicht. Die Materie sei ohne Rücksicht auf ein etwaiges Beteiligungsrecht dienstvereinbarungsfähig, insbesondere sei sie weder durch Tarifvertrag geregelt noch werde sie üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt. § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O, der Beginn und Ende der Arbeitszeit an der Arbeitsstelle bzw. am Arbeitsplatz festlege, habe im Zeitpunkt der Dienstvereinbarung bei der Charité nicht mehr gegolten. Dort sei mit Wirkung zum 1. Januar 2007 der Tarifvertrag für die Charité-Universitätsmedizin Berlin (TV-Charité) eingeführt worden, der entsprechend dem TVöD keine Regelungen zu Beginn und Ende der Arbeitszeit mehr enthalte. Auf eine Tarifüblichkeit komme es im Hinblick auf diesen neuen Tarifvertrag nicht an. Dass der TV-Charité erst im Dezember 2007, also nach Abschluss der Dienstvereinbarung unterzeichnet worden sei, ändere nichts. Denn zum einen stünden tarifliche Ansprüche stets unter dem immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit, zum anderen hätten die Tarifvertragsparteien bereits am 18. Oktober 2006 ein Eckpunktepapier unterzeichnet, das die Regelungen der Arbeitszeit des TVöD ohne eine dem § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O vergleichbare Regelung übernommen habe. Das Eckpunktepapier habe die Tarifvertragsparteien gebunden, womit jedenfalls eine etwa bestehende Tarifüblichkeit beseitigt worden sei. BAT und BAT-O hätten lediglich nachgewirkt, was aber für eine Sperrwirkung nicht ausreiche. Angesichts der langen Dauer des tariflosen Zustandes von mehr als drei Jahren könne ohnehin nicht mehr von einer Tarifüblichkeit gesprochen werden. Im Übrigen hätten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes bereits im Jahre 2003 beschlossen, den BAT durch den TVöD zu ersetzen. Letzterer sei zum 1. Oktober 2005 in Kraft getreten und für die Frage der Tarifüblichkeit maßgebend, weil es dafür nicht nur auf die Rechtslage im Land Berlin bzw. bei der Charité ankomme, sondern auf die bundesweiten Regelungen im jeweiligen Fachbereich.

Der Beteiligte hat zur Begründung seines Zurückweisungsantrags ausgeführt: Im Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung habe sich die Arbeitszeit der Beschäftigten vornehmlich nach § 15 BAT/BAT-O in der am 31. Dezember 2002 für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung bestimmt. Die Rechtsvorgängerinnen der Charité, die Freie Universität Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin seien bis Januar 2003 Mitglied in den Arbeitgeberverbänden des öffentlichen Dienstes gewesen mit der Folge, dass für die Arbeitsverhältnisse der BAT bzw. BAT-O gegolten habe. Nach Errichtung der Charité als Gliedkörperschaft der beiden Universitäten zum 1. Juni 2003 seien die Beschäftigten von der Charité auf dieser Grundlage übernommen worden. Auch in neuen Arbeitsverträgen habe die Charité den BAT/BAT-O jeweils in Bezug genommen. Diese Tarifvertragsregelung habe dem Abschluss der Dienstvereinbarung entgegengestanden. Die infolge Gesetzesverstoßes von Anfang an bestehende Nichtigkeit habe durch den späteren Abschluss des TV-Charité nicht mehr geheilt werden können. Der TV-Charité sei erst am 18. Dezember 2007 vereinbart worden. Das von dem Antragsteller angeführte Eckpunktepapier erfülle nicht die Voraussetzungen eines Tarifvertrages. Die Dienstvereinbarung sei außerdem formal unwirksam, weil sie durch den Dienststellenleiter nicht bekannt gemacht worden sei.

Mit Beschluss vom 6. November 2008 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung festgestellt und dies wie folgt begründet: Die Dienstvereinbarung regele weder die Arbeitszeit noch sonst einen beteiligungspflichtigen Gegenstand. Jedoch erlaube das Berliner Personalvertretungsgesetz den Abschluss von Dienstvereinbarungen auch zu nichtbeteiligungspflichtigen Materien. Ein Tarifvertrag oder eine Tarifüblichkeit habe der Vereinbarung nicht entgegengestanden. Im Zeitpunkt ihres Abschlusses sei die Charité nicht tarifgebunden gewesen. Der bis Anfang 2003 geltende BAT/BAT-O habe nach dem Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband allenfalls nachwirken können. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages stehe aber einer Dienstvereinbarung nicht entgegen; denn es gehe beim Tarifvorrang nur um die Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Der Verweis auf den BAT/BAT-O in den einzelnen Arbeitsverträgen vermöge betriebliche Vereinbarungen ebenfalls nicht auszuschließen. Ebenso wenig seien Eckpunktepapiere einem Tarifvertrag gleichzusetzen. Seitdem der TVöD überwiegend die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Arbeitsbereich regele, könne auch nicht mehr davon gesprochen werden, dass Beginn und Ende der tariflich entlohnten Arbeitszeit üblicherweise in Tarifverträgen geregelt würden. Formale Bedenken gegen die Gültigkeit der Dienstvereinbarung bestünden nicht. Da die Vereinbarung für beide Dienststellen der Charité abgeschlossen worden seien, sei der Antragsteller zuständig gewesen. Abgesehen davon, dass die Bekanntmachung der Dienstvereinbarung keine Wirksamkeitsvoraussetzung sei, habe die Personalvertretung sie übernehmen können.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, die er unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen weiter wie folgt begründet: Im maßgeblichen Zeitpunkt habe in § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O eine die Dienstvereinbarung ausschließende tarifliche Regelung der Wegezeiten bestanden. Eine solche liege bereits dann vor, wenn der Verwaltungsbereich, für den die Dienstvereinbarung abgeschlossen werden solle, in den räumlichen oder fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages falle; nicht notwendig sei, dass der Tarifvertrag kraft Tarifbindung in der Dienststelle gelte. Selbst wenn die Tatsache des Ausstiegs der Charité aus dem Arbeitgeberverband relevant wäre, wäre die Wegezeitregelung jedenfalls tarifüblich gewesen. Tarifüblich sei eine Regelung bereits dann, wenn zuvor ein Gegenstand tarifvertraglich geregelt gewesen sei und über einen neuen Tarifvertrag verhandelt werde. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem künftig zu erwartenden Tarifvertrag hinderten die Sperrwirkung nicht.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. November 2008 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und führt ergänzend aus: Die Charité sei bei Abschluss der Dienstvereinbarung nicht tarifgebunden gewesen. Das Land Berlin und die Hochschulen seien lange zuvor aus dem Arbeitgeberverband ausgeschieden, und erst danach sei am 15. Dezember 2005 das Gründungsgesetz der Charité verabschiedet worden Für die Annahme einer Tarifüblichkeit müsse die Dienststelle räumlich und fachlich in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fallen. Das sei hier nicht der Fall. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt sei der BAT/BAT-O in anderen vergleichbaren Einrichtungen bereits durch den TVöD ersetzt gewesen, der die eine Dienstvereinbarung sperrende Regelung gerade nicht mehr enthalte. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht eine ordnungsgemäße Bekanntmachung festgestellt. Die Personalvertretung habe die Dienstvereinbarung ins Intranet gestellt. Selbst wenn aber der Beteiligte allein zur Bekanntmachung befugt gewesen wäre, könne er hieraus für sich nichts herleiten, weil er dann zur Bekanntmachung verpflichtet gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung vom 11. Oktober 2007 festgestellt.

Bedenken gegen die Wirksamkeit in formeller Hinsicht bestehen nicht.

Die Zuständigkeit des Antragstellers kann nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden. Die in Rede stehende Dienstvereinbarung erfasst nach § 1 alle Beschäftigten der Charité-Universitätsmedizin Berlin, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit Dienst- oder Schutzkleidung anlegen bzw. im Anschluss ablegen müssen. Solche gibt es unstreitig in beiden personalvertretungsrechtlichen Dienststellen im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Berliner Universitätsmedizingesetz vom 5. Dezember 2005 - UniMedG - (GVBl. S. 739), sowohl in der Medizinischen Fakultät als auch im Universitätsklinikum der Charité. Demzufolge handelt es sich bei dem Abschluss der Dienstvereinbarung um eine Angelegenheit, die mehrere Dienststellen des Geschäftsbereichs des Gesamtpersonalrats betrifft (vgl. §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 74 Abs. 3 Satz 1 PersVG Berlin).

Der Umstand, dass der Beteiligte die Dienstvereinbarung bisher nicht bekannt gemacht hat, steht ihrer Wirksamkeit ebenfalls nicht entgegen. Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 werden Dienstvereinbarungen von der Dienststelle und dem Personalrat geschlossen, sind schriftlich niederzulegen, von beiden Seiten zu unterzeichnen und in geeigneter Weise bekannt zu machen. Die Bekanntmachung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, vielmehr tritt die Dienstvereinbarung mit der Unterzeichnung in Kraft. Bei der Anordnung der Bekanntmachung in § 74 Abs. 1 Satz 2, letzter Satzteil PersVG Berlin handelt sich um eine bloße Ordnungsvorschrift (vgl. Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, 2. Aufl., § 74 Rn. 28; für die gleichlautende Vorschrift in § 73 Abs. 1 Satz 2 BPersVG vgl. Fischer/Goeres in Fürst GKÖD V K § 73 Rn. 14; Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 6. Aufl., § 73 Rn. 9; Richardi/Dörner/Weber, BPersVG, 3. Aufl., § 73 Rn. 15; Lorenzen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 73 Rn. 8; a.A. Ilbertz/Widmaier, PersVG, 11. Aufl., § 73 Rn. 12). Deuten der Wortlaut der Bestimmung und ihre Stellung im Gesetz neben der Schriftform als einer Wirksamkeitsvoraussetzung auf eine zwingende Formvorschrift hin, spricht doch maßgeblich gegen ein solches Normverständnis, dass das Gesetz keine näheren Regelungen über die Art und Weise der Bekanntmachung trifft. Ohne eine solche Festlegung wären Dienstvereinbarungen jedoch stets mit der Unsicherheit einer unzureichenden Bekanntmachung belastet. Es widerspräche aber dem Normcharakter der Dienstvereinbarung, wenn der Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht anhand gesetzlicher Vorgaben zweifelsfrei bestimmbar wäre. Hinzu kommt, dass es der Dienststellenleiter, den die Pflicht zur Bekanntmachung als Ausfluss seiner Zuständigkeit für die Durchführung gemeinsamer Entscheidungen trifft (vgl. § 78 Abs. 1 PersVG Berlin), anderenfalls in der Hand hätte, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Dienstvereinbarung zu verzögern oder gänzlich zu verhindern.

Die Dienstvereinbarung weist auch keine materiell-rechtlichen Fehler auf.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin sind Dienstvereinbarungen zulässig, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Das Gesetz erlaubt damit ihren Abschluss zur Regelung von dienstliche Belange der Beschäftigten betreffenden Gegenständen auch außerhalb von Beteiligungstatbeständen (vgl. Beschluss des Senats vom 15. April 2010 - OVG 60 PV 8.08 -, juris Rn. 29 [bestätigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2010 - BVerwG 6 PB 11.10] und Beschluss des 60. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 13. Februar 1998 - OVG 60 PV 11.96 -, PersR 1998, 476, 477 f.). Dies ist in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1) und u.a. der Länder Niedersachsen (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 in der im Jahre 1989 geltenden Fassung) und Baden-Württemberg (vgl. § 73 Abs. 1) anders geregelt, weshalb die vom Beteiligten herangezogenen Entscheidungen des OVG Lüneburg vom 18. Dezember 1996 (- 18 L 2761/95 -, juris Rn. 23) und des VGH Mannheim vom 29. Juni 1993 (- PL 15 S 2157/92 -, juris Rn. 38 ff.) für die Frage der Notwendigkeit eines Mitbestimmungstatbestandes für den Abschluss einer Dienstvereinbarung unergiebig sind.

Der Dienstvereinbarung entgegenstehende Rechtsvorschriften sind nicht ersichtlich. Insbesondere schließt § 75 Satz 1 PersVG Berlin eine Dienstvereinbarung zu Umkleidezeiten nicht aus. Danach können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

Die in Rede stehende Dienstvereinbarung regelt eine Arbeitsbedingung im Sinne des Gesetzes, weil sie vorsieht, dass das Anlegen von Dienst- bzw. Schutzkleidung bereits als Arbeitsleistung anzusehen ist und zu den arbeitsvertraglichen Pflichten gehört mit der Folge, dass die Umkleidezeiten von täglich insgesamt 12 Minuten auf die Arbeitszeit angerechnet werden (§ 2 Satz 1 und 2 der Vereinbarung). Diese Arbeitsbedingung war aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vereinbarung weder durch Tarifvertrag geregelt (1) noch wurde sie üblicherweise durch einen solchen geregelt (2).

1. Eine Tarifvertragssperre setzt außer einer abschließenden Regelung der betreffenden Arbeitsbedingung voraus, dass der Tarifvertrag für die Dienststelle und ihre Beschäftigten gilt, weil diese zum Geltungsbereich des Tarifvertrages gehören und der Arbeitgeber tarifgebunden ist.

Im Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung am 11. Oktober 2007 bestand keine tarifvertragliche Regelung über Umkleidezeiten bei der Charité. Zwar enthält § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O in der am 31. Dezember 2002 für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung eine solche unabdingbare Regelung: Nach § 15 Abs. 7 BAT beginnt und endet die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle, während sie nach § 15 Abs. 7 BAT-O am Arbeitsplatz beginnt und endet. Diese Tarifverträge galten jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt in der Charité nicht mehr, weil ihre beiden Rechtsvorgängerinnen, die Freie Universität Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin (nach Art. I § 2 Abs. 1 und 2, Art. IV des Vorschaltgesetzes zum Gesetz über die Umstrukturierung der Hochschulmedizin im Land Berlin vom 27. Mai 2003 - Vorschaltgesetz - [GVBl. S. 185] trat die Rechtsnachfolge mit Gründung der Charité-Universitätsmedizin Berlin am 1. Juni 2003 ein) bereits am 10. Januar 2003 aus den Tarifgemeinschaften der Arbeitgeber KAV und VAdöD ausgetreten waren, die Tarifverträge mit ihrer ersten nachfolgenden Änderung zum 31. Januar 2003 (78. Tarifvertrag zur Änderung des BAT und 13. Tarifvertrag zur Änderung des BAT-O) endeten und die Charité (anders als die Humboldt-Universität zu Berlin und die Freie Universität Berlin am 23. April bzw. 30. Juni 2004) keinen Anschluss- oder Anwendungstarifvertrag geschlossen hat. Erst am 18. Dezember 2007, also nach dem Abschluss der Dienstvereinbarung am 11. Oktober 2007, ist - wenn auch rückwirkend zum 1. Januar 2007, aber doch eine etwaige Unwirksamkeit einer Dienstvereinbarung nicht heilend - der Haustarifvertrag für die Charité (TV-Charité) abgeschlossen worden.

Die vom Beteiligten vorgetragenen Argumente für das Bestehen einer tarifvertraglichen Regelung der Umkleidezeiten greifen nicht durch.

Entgegen seiner Auffassung erfordert das Merkmal der tarifvertraglichen Regelung, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist (vgl. Lorenzen u.a., a.a.O., Rnrn. 110b und 198 zu § 75 BPersVG; Altvater u.a., a.a.O., Rn. 278 zu § 75 BPersVG und wohl auch Fischer/Goeres, a.a.O., § 75 Rn. 116; a.A. Richardi u.a., a.a.O., Rn. 220 zu § 75 und Germelmann/Binkert, a.a.O., Rn. 5 zu § 75; vgl. auch Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 -, juris Rn. 42 und 46 ff. zur vergleichbaren Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG).

Es mag zutreffen, dass die Vorschrift die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten soll und sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen einräumt. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird aber nicht in jedem Fall gestört, wenn ein nach Austritt aus der Tarifgemeinschaft der Arbeitgeber tarifungebundener öffentlicher Arbeitgeber mit der Personalvertretung kollektivrechtliche Konkurrenzregelungen in Form von Betriebsvereinbarungen trifft. Dies zeigt der vorliegende Fall, in dem die Dienststelle in den räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich von mehreren Tarifverträgen fällt, nämlich in den Geltungsbereich des alten BAT/BAT-O mit seiner Sperrvorschrift in § 15 Abs. 7 einerseits und in den Geltungsbereich des neuen TVöD/TV-L, der eine solche Regelung nicht mehr enthält, andererseits. Anhand des Merkmals der Tarifüblichkeit lassen sich diese Fälle sachgerecht lösen, ohne dass die „ausgeübte und aktualisierte Tarifautonomie“ beeinträchtigt würde. Dies gilt erst recht, wenn die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen - wie hier - bereits mit wechselseitiger Bindungswirkung in einem „Eckpunktepapier“ für die eine oder die andere Tarifvertragslösung als „Haustarifvertrag“ entschieden haben (so im Ergebnis auch Richardi u.a., a.a.O., Rn. 221 zu § 75 BPersVG).

Gegen die Ansicht des Beteiligten spricht noch der Zusammenhang der beiden Tarifvorbehalte in § 75 Satz 1 PersVG Berlin einerseits und in § 85 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin andererseits: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Tarifvorrang nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Einleitungssatz PersVG Berlin voraus, dass der Arbeitgeber der Tarifbindung unterliegt (vgl. Beschlüsse vom 20. November 2008 - BVerwG 6 P 17.07 -, juris Rn. 21, und vom 9. Dezember 1998 - BVerwG 6 P 6.97 -, juris Rn. 28; ebenso Germelmann/Binkert, a.a.O., Rn. 26 zu § 85). § 85 Abs. 1 Satz 1 Einleitungssatz und § 75 Satz 1, 1. Fall PersVG unterscheiden sich im Wortlaut nur unwesentlich („Regelung durch Tarifvertrag“ bzw. „durch Tarifvertrag geregelt“) und dienen demselben Zweck, nämlich dem Schutz der Tarifautonomie. Für den speziellen Fall der Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen geht die Tarifsperre für Dienstvereinbarungen in § 75 Satz 1 PersVG Berlin über diejenige des § 85 Abs. 1 Satz 1 Einleitungssatz PersVG Berlin noch insoweit hinaus, als sie bereits bei Tarifüblichkeit greift. Es besteht in Anbetracht des weitreichenden Schutzes der Tarifautonomie im Rahmen des Tarifüblichen kein Bedürfnis dafür, das Merkmal der bestehenden Tarifregelung in § 75 Satz 1, 1. Fall PersVG Berlin ausdehnend auszulegen.

Die Hilfserwägungen des Beteiligten vermögen ebenfalls nicht zu überzeugen: In Abgrenzung zur Tarifüblichkeit in § 75 Satz 1, 2. Fall PersVG Berlin setzt das Merkmal eines bestehenden Tarifvertrages im Sinne von § 75 Satz 1, 1. Fall PersVG Berlin voraus, dass die Dienststelle zum räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages gehört. Dafür reicht es nach all-gemeiner Ansicht nicht aus, dass ein Tarifvertrag nachwirkt (vgl. z.B. Germel-mann/Binkert, a.a.O., Rn. 6 zu § 75; Altvater u.a., a.a.O., Rn. 115, m.w.N.; a.A. soweit ersichtlich nur Fischer/Goeres, a.a.O., § 75 Rn. 71 mit dem schlichten Hinweis auf § 4 Abs. 5 TVG) oder dass ein Arbeitgeber lediglich einzelvertraglich auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt (vgl. Richardi u.a., a.a.O., Rn. 220 zu § 75 BPersVG, m.w.N.). Auch ein sogenanntes Eckpunktepapier erfüllt wegen seiner eingeschränkten Bindungswirkung nicht das Merkmal einer tarifvertraglichen Regelung. Dies alles hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung im angefochtenen Beschluss (S. 4 und 5 des Abdrucks) Bezug.

2. Die Umkleidezeiten wurden bei Abschluss der Dienstvereinbarung auch nicht (mehr) üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt.

Ein gekündigter und gem. § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz - TVG - nachwirkender Tarifvertrag - der BAT/BAT-O - gilt allerdings in seinen Geltungsbereich regelmäßig als „üblich“ und übt seine Sperrwirkung für Dienstvereinbarungen so lange aus, bis die Tarifvertragsparteien einen neuen Tarifvertrag geschlossen haben (vgl. Lorenzen u.a., a.a.O., Rn. 199a; Richardi u.a., a.a.O., Rn. 221; Ilbertz/Wid-maier, § 75 Rn. 231 und Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 -, juris Rn. 11). Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - die sperrenden Tarifvertragsregelungen regelmäßig im Einzelarbeitsvertrag in Bezug genommen werden, auch wenn im konkreten Fall ein tarifvertragsloser Zustand besteht (vgl. Lorenzen u.a., a.a.O., Rn. 198).

Jedoch ist im zur Entscheidung gestellten Fall die Tarifüblichkeit, wenn schon nicht aufgrund des langen, vier Jahre und neun Monate währenden tarifvertragslosen Zeitraums seit dem 10. Januar 2003 (vgl. dazu Richardi u.a., a.a.O., Rn. 221 a.E., und Germelmann/ Binkert, a.a.O., Rn. 8 zu § 75), so doch jedenfalls im Hinblick darauf entfallen, dass die Tarifvertragsparteien im Zeitpunkt der Dienstvereinbarung am 11. Oktober 2007 bereits zu erkennen gegeben hatten, dass sie die Umkleidezeiten in Zukunft nicht mehr tariflich regeln wollen (vgl. hierzu Altvater u.a., a.a.O., Rn. 278 zu § 75; Richardi, a.a.O., Rn. 194, Germelmann/Binkert, a.a.O., Rn. 8 zu § 75).

Auszugehen ist dabei wiederum vom Schutzzweck des § 75 PersVG Berlin. Bei tariflosem Zustand kann Autonomie der Tarifvertragsparteien nur die Freiheit zu einem künftigen Abschluss eines Tarifvertrages bedeuten. Diese Freiheit bleibt aber von der Dienstvereinbarung unberührt. Bei der Charité waren vor Abschluss der Dienstvereinbarung schon seit längerer Zeit Tarifvertragsverhandlungen geführt worden, die am 18. Oktober 2006 in die bereits angesprochenen Eckpunkte einer Tarifeinigung für nichtärztliche Angestellte der Charité einmündeten. Danach sollten die Regelungen der Arbeitszeit des TVöD-Bund für die Charité übernommen werden. Dieser Tarifvertrag enthält keine dem § 15 Abs. 7 BAT vergleichbare Regelung mehr. Mit dieser die Vertragspartner wechselseitig bindenden Eckpunktevereinbarung hatten die Tarifvertragsparteien bei der Charité klargestellt, dass sie die nachwirkende Tarifvertragsregelung in § 15 Abs. 7 BAT/BAT-O nicht mehr übernehmen wollten. Somit endete die Tarifüblichkeit spätestens am 18. Oktober 2006.

Es kommt hinzu, dass im Land Berlin zwar ungeachtet der Eckpunktevereinbarung vom 12. März 2010 zur Übernahme des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) immer noch der Anwendungs-Tarifvertrag Land Berlin vom 31. Juli 2003 mit Inbezugnahme des BAT/BAT-O einschließlich dessen § 15 Abs. 7 gilt, jedoch im Bund, den Kommunen und den Ländern - mit Ausnahme von Berlin und Hessen - seit 1. Oktober 2005 der TVöD bzw. seit 1. November 2006 der TV-L Anwendung findet. Angesichts dieser „Insellage“ Berlins war das Ende der alten Tarifregelungen und die Angleichung an die neuen Tarifverträge im Land Berlin und bei der Charité - jedenfalls mittelfristig - absehbar.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen der Bekanntmachung einer Dienstvereinbarung als Wirksamkeitsvoraussetzung nach § 74 Abs. 1 Satz 2 PersVG Berlin sowie der näheren Begriffsbestimmung der Tarifsperre in § 75 Satz 1 PersVG Berlin zugelassen.