Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, ist begründet.
Die Antragsgegnerin war im Wege der einstweiligen Verfügung zur Weiterbeschäftigung der Antragstellerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 BetrVG zu verurteilen; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des gesetzlich angeordneten Weiterbeschäftigungsanspruchs waren erfüllt.
1. Der Verfügungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG; denn es liegt eine ordentliche Kündigung der Antragsgegnerin vor (1.1), der der Betriebsrat form- und fristgerecht widersprochen hat (1.2) und gegenüber der die Antragstellerin form- und fristgerecht Klage nach § 4 KSchG erhoben hat (1.3). Schließlich hat die Antragstellerin ihr Weiterbeschäftigungsbegehren rechtzeitig gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht (1.4) und die Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs ist der Antragsgegnerin nicht unmöglich (1.5).
1.1 Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 26. Juni 2009 eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung gegenüber der Antragstellerin mit Wirkung zum 31. Januar 2010 ausgesprochen.
1.2 Dieser ordentlichen Kündigung hatte der Betriebsrat form- und fristgerecht widersprochen.
Der binnen Wochenfrist erfolgte Widerspruch des Betriebsrats weist in seiner Begründung auf eine Auswahlrichtlinie zum Sozialplan und einer dort geregelten „Vergleichsgruppenbildung“ für die Sozialauswahl hin. Danach richtet sich die Vergleichbarkeit/Austauschbarkeit nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und liegt dann vor, wenn dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfallen soll, auf derselben Ebene der Betriebshierarchie die Funktion eines anderen vergleichbaren Arbeitnehmers kraft Direktionsrechts zugewiesen werden könne. Vor diesem Hintergrund sei die Vergleichsgruppe der Teamassistenten so gestaltet, dass die Antragstellerin mit 110 Punkten als sozial Schwächste die verbleibende Assistentenstelle habe erhalten müssen.
Der Widerspruch des Betriebsrats bezieht sich demgemäß auf § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG und ist – substantiell – begründet worden (BAG vom 09.07.2003 – 5 AZR 305/02 – NZA 2003, 1191). Er ist damit ordnungsgemäß im Sinne von § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG.
Das Berufungsgericht ist auch davon ausgegangen, dass dieser so dokumentierte Widerspruch auf einem ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrates beruht hat, so dass das diesbezügliche Bestreiten der Antragsgegnerin mit Nichtwissen der getroffenen Feststellung nicht entgegensteht.
Allerdings muss in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, in welchem der Arbeitnehmer seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG geltend macht, dieser auch vortragen, dass und inwieweit ein ordnungsgemäß getroffener Betriebsratsbeschluss vorliegt (LAG Berlin vom 16.09.2004 – 10 Sa 1763/04 – LAGE Nr. 3 zu § 102 BetrVG 2001 Beschäftigungspflicht). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem klagenden bzw. antragstellenden Arbeitnehmer die Darlegung der diesbezüglichen Einzelumstände, etwa die ordnungsgemäße Einladung, die ordnungsgemäße Beschlussfassung, nicht aus eigener Wahrnehmung möglich ist, sie sind ihm in der Regel nicht bekannt. Das Maß der Darlegung und Glaubhaftmachung des Arbeitnehmers muss demgemäß daran gemessen werden, was er aufgrund seiner individuellen Situation wissen und zunächst darlegen kann. Dies gilt insbesondere im einstweiligen Verfügungsverfahren, in welchem die Glaubhaftmachung ausreichen muss und ohnehin nur präsente zeugen vernommen werden könnten, also solche, die den Antragsteller – freiwillig – begleiten würden.
Nach den dargestellten Grundsätzen war angesichts dieser Situation zunächst festzustellen, dass die Antragstellerin das – im Übrigen nicht streitige – Mitteilungsschreiben des Betriebsrats, in welchem dieser seinen Widerspruch gegenüber der Antragsgegnerin kundgetan hat, vorgelegt hat. Dieses Mitteilungsschreiben ist von der Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben, es weist in Aufbau und Inhalt ein hohes Maß an Präzision auf. Beispielsweise ist der Eingang des Anhörungsschreibens der Antragsgegnerin exakt vermerkt. Nach Auffassung der Kammer hatte die Antragstellerin mit der Vorlage dieses Schreibens ausreichend glaubhaft gemacht, dass ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss vorliegt. Mehr konnte sie aus eigener Wahrnehmung nicht wissen, im gesamten Verfahren sind keine Umstände bekannt geworden, die Zweifel daran erweckt hätten, dass das Widerspruchsschreiben auf einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss beruhte. Die Antragsgegnerin hat ihrerseits ebenfalls keine konkreten Umstände genannt, die Anlass zu Zweifeln an der Ordnungsgemäßheit des Beschlusses hätten wecken können. Nur am Rande ist festzustellen, dass die Kündigung der Antragstellerin in einem größeren Zusammenhang einer umfangreichen Betriebsänderung gestanden hat, hinsichtlich derer Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Vielzahl von Fällen ihre jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten auszuüben hatten.
1.3 Die Antragstellerin hat form- und fristgerecht Klage im Sinne von § 4 KSchG gegen die Kündigung vom 26. Juni 2009 erhoben; dies ist nicht streitig.
1.4 Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin ihre Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsrechtsstreits im Sinne von § 102 Abs. 5 BetrVG „verlangt“.
Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer sein Weiterbeschäftigungsverlangen gegenüber dem Arbeitgeber rechtzeitig und ausdrücklich geltend machen muss. Das Weiterbeschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG, das am ersten Arbeitstag nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt, ist dabei als rechtzeitig anzusehen (BAG vom 11.05.2000 – 2 AZR 54/99 – NZA 2000, 1055).
Unter Beachtung und in Anwendung dieser Grundsätze war davon auszugehen, dass das mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 geltend gemachte Weiterbeschäftigungsbegehren der Antragstellerin noch „rechtzeitig“ im Sinne des § 102 Abs. 5 BetrVG erfolgt ist. Die Kündigungsfrist lief (erst) am 31. Januar 2010 aus, so dass sich die Antragstellerin mit der Geltendmachung an diesem Tage noch (weit) vor Ablauf der Kündigungsfrist befunden hat.
1.5 Die Weiterbeschäftigung der Antragstellerin ist der Antragsgegnerin weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich.
Allerdings ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber nicht zu einer Beschäftigung verurteilt werden darf, die ihm tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist; der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt, wenn dem Arbeitgeber die tatsächliche Entgegennahme der Arbeitsleistung nicht möglich ist (BAG vom 27.02.2002 – 9 AZR 562/00 – NZA 2002, 1099 m. w. N.).
Diese Voraussetzung liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Zwar ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass die zuvor organisatorisch abgegrenzte konkrete Stelle der Antragstellerin als solche nicht mehr vorhanden ist. Jedoch ist ebenso unstreitig, dass im Berliner Betrieb der Beklagten weiterhin die Stelle der Assistentin des Niederlassungsleiters vorhanden ist. Der Widerspruch des Betriebsrats gegenüber der dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegenden Kündigung der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2009 bezieht sich gerade darauf, dass nach der von ihm eingenommenen Rechtsauffassung aufgrund geltender Kollektivregelungen diese Stelle der Antragstellerin hätte angeboten werden müssen. Der Betriebsrat geht mithin davon aus, dass die Antragstellerin grundsätzlich „vergleichbar“ mit der dortigen Stelleninhaberin gewesen ist, und dass der Antragstellerin im Hinblick auf ihre Sozialpunkte die Stelle habe angeboten werden müssen.
Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren auf Weiterbeschäftigung kann nicht die Richtigkeit dieser Auffassung des Betriebsrats bejaht oder verneint werden. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist in dieser Situation davon auszugehen, dass sich die Antragsgegnerin nicht auf eine „Unmöglichkeit“ der Weiterbeschäftigung der Antragstellerin berufen kann, weil deren ursprünglich innegehabte Stelle entfallen sei. Denn die kündigungsrechtlich relevante Vorschrift des § 1 Abs. 3 KSchG verweist gerade darauf, dass dann, wenn aufgrund unternehmerischer Entscheidung eine Stelle oder mehrere Stellen entfallen, die verbleibenden Stellen an die sozial Schwächsten vergeben werden müssen. Wenn aber der Antragstellerin – die Richtigkeit der Auffassung des Betriebsrats einmal unterstellt – die verbliebene Stelle hätte übertragen werden müssen, kann im Rahmen des Weiterbeschäftigungsverlangens nach § 102 Abs. 5 BetrVG nicht unterstellt werden, die Weiterbeschäftigung der Betroffenen sei „unmöglich“. Mindestens jedoch stünde dieser Annahme der Rechtsgedanke des § 162 BGB entgegen.
Eine andere Entscheidung würde zu dem Ergebnis führen, dass Sozialauswahlfehler im Grundsatz nicht zu einem hierauf gestützten Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG führen würden, weil die verbliebenen Stellen – wenn auch nicht mit den sozial schwächsten Arbeitnehmern – besetzt wären. Dies wäre aber mit dem Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG nicht vereinbar.
2. Der Darlegung eines Verfügungsgrundes bedurfte es nicht. Der Verfügungsgrund ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG schon in der gesetzlichen Wertung zu sehen, dass das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers im Regelfall überwiegen soll. Im Hinblick auf den drohenden (endgültigen) Rechtsverlust bei der Weiterbeschäftigung bedarf es einer gesonderten Glaubhaftmachung von Tatsachen zum Verfügungsgrund nicht (LAG Berlin vom 16.09.2004 – 10 Sa 1763/04 – LAGE Nr. 3 zu § 102 BetrVG 2001 Beschäftigungspflicht).
Dem Vorliegen des Verfügungsgrundes stand nicht entgegen, dass die Antragstellerin ihren Anspruch nicht im Kündigungsschutzverfahrens selbst oder anderweitig im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens anhängig gemacht hatte. Denn im Hinblick auf die obigen Grundsätze zu 1.4 ist sie materiellrechtlich berechtigt, den Anspruch später als erstmöglich geltend zu machen; dem darf das Prozessrecht nicht entgegenstehen.