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Asyl, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung Afghanistan


Metadaten

Gericht VG Potsdam 7. Kammer Entscheidungsdatum 07.10.2019
Aktenzeichen 7 K 3890/16.A ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2019:1007.7K3890.16.A.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3 AsylVfG 1992, § 4 AsylVfG 1992, § 60 Abs 5 AufenthG, § 60 Abs 7 AufenthG

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger, ein am ... Mai 19… in der Provinz Paktia, Afghanistan geborener verheirateter afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG), hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG und weiter hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltsG) vorliegen.

Nach eigenen Angaben verließ er Afghanistan, wo er zuletzt in C... neben der Großen Moschee lebte, im Februar oder März 2015 und reiste, ohne dort Asylanträge zu stellen, über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland und einige Balkanländer, die er nicht mehr im Einzelnen bezeichnen kann, am 26. Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. In Ungarn waren ihm Fingerabdrücke genommen worden. Am 21. Juli 2015 stellte er einen Asylantrag.

In seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 7. Juli 2016 gab er an, für die Reise in die Bundesrepublik Deutschland 11.000 US-$, die er aus seinen Ersparnissen habe aufbringen können, aufgewendet zu haben. Er habe die Schule bis einschließlich zur siebten Klasse besucht und später zusammen mit seinem Bruder als Holzhändler gearbeitet. Für den Holzhandel haben sie zwei Lastwagen gehabt. Der monatliche Verdienst aus dem Holzhandel habe sich auf 100.000 Kaldar (eine in Afghanistan verwendete Bezeichnung für pakistanische Rupien) belaufen. Seine wirtschaftliche Situation sei sehr gut gewesen. Er habe ein großes Haus mit großem Garten im Distrikt J... K... gehabt, in dem heute noch seine Mutter und sein älterer Bruder leben. Dieser sei 65 Jahre alt und habe nie „für die Kommunisten“ gearbeitet, weshalb ihn die Taliban in Ruhe ließen; sein älterer Bruder habe in der „vorkommunistischen“ Zeit bei den afghanischen Streitkräften gedient. Seine Ehefrau, zwei Söhne und drei Töchter leben in Pakistan. Vom 15. November 1989 bis zum 3. August 1992 habe er im 49. Regiment der 2. Infanteriedivision in K... gedient. Darüber hinaus habe er - wie auch sein getöteter Bruder - nicht „für die Kommunisten“ gearbeitet. Der Kläger hat in der Anhörung eine Urkunde vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er den afghanischen Streitkräften in der Zeit vom 15. November 1989 bis zum 3. August 1992 angehörte. Anfang 2000 seien Taliban an ihn herangetreten, haben ihm vorgehalten, dass er früher „für die Kommunisten“ (bei den afghanischen Streitkräften) gearbeitet habe, und monatlich 40.000 bis 50.000 Kaldar von ihm und seinem Bruder erpresst, weil sie sich geweigert hatten, mit den Taliban gegen die NATO und die afghanische Regierung zu kämpfen. Er sei mehrfach von Taliban, zuletzt im Januar 2015, aufgesucht und bedroht worden. Von einem seiner Brüder haben die Taliban verlangt, einen Selbstmordanschlag zu verüben, was dieser aber abgelehnt habe, woraufhin er von den Taliban im März 2015 ermordet worden sei. Zu jener Zeit sei er, der Kläger, in C... gewesen und von seinem anderen Bruder über den Tod des Bruders unterrichtet und aufgefordert worden, nicht nach Hause zurück zu kommen. Seine Familie sei dann auch nach C... gekommen, von wo aus sie 20 Tage nach dem Tod seines Bruders zu seiner Schwester nach H... in Pakistan geflüchtet seien. Zu Verwandten nach K... habe er nicht gehen können, weil diese ihn für einen Taliban gehalten haben, da er aus einem weitgehend von den Taliban kontrollierten Gebiet komme. In andere afghanische Gebiete, insbesondere in den Norden, habe er nicht gehen können, weil er Paschtune sei. An die Polizei in C... habe er sich nicht gewendet, da diese von Taliban durchseucht sei. Er kenne M... M..., einen Kommandeur des Haqqani-Netzwerks, sehr gut; er gehöre demselben Stamm wie dieser an, sei weitläufig mit ihm verwandt und es habe innerfamiliäre Probleme gegeben. Er sei in Afghanistan nie vor einem Gericht gewesen und sei dort nie bestraft oder verurteilt worden, auch habe er nie Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt. Er habe sich in seiner Heimat politisch nicht betätigt und sei nie Mitglied einer Partei gewesen. In Pakistan sei es ihm gut gegangen, er habe aber auch von dort flüchten müssen, weil die Taliban herausgefunden hatten, dass er nunmehr dort lebe. Er sei von den Taliban gesucht worden. Sein Bruder habe ihn darüber informiert. Seine Frau und seine Kinder, deren Ältestes 13 Jahre alt sei, seien von den Taliban hingegen in Ruhe gelassen worden. Über deren weiteres Schicksal wisse er allerdings nichts. Er befürchtet, bei einer Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban aufgespürt und getötet zu werden; in anderen Landesteilen Afghanistans außerhalb seiner Heimatprovinz habe er Angst vor dem Rassismus, der dort herrsche und dem er als Paschtune ausgesetzt sei.

Mit Bescheid vom 17. August 2016 lehnte das Bundesamt die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab, erkannte ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu und stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthaltsG vorliegen. Gleichzeitig forderte das Bundesamt den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Afghanistan an.

Aus einem Aktenvermerk gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz ergibt sich, dass der Bescheid als Einschreiben am 27. September 2016 zur Post gegeben wurde.

Mit seiner am 7. Oktober 2016 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst auch die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt, diesen Antrag aber in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Er beantragt nunmehr noch,

den Bescheid vom 17. August 2016 teilweise aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren und weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

 Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides den Antrag angekündigt,

 die Klage abzuweisen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. September 2017 nach § 76 Abs. 1 AsylG auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

 Im Termin der mündlichen Verhandlung ist der Kläger informatorisch befragt worden. Diesbezüglich wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Die vom Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung konnte abschließend über die Klage entschieden werden, da die Beklagte in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und das persönliche Erscheinen nicht angeordnet worden war (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter entscheidet dieser anstelle der Kammer (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

 Die Klage ist, soweit noch über sie zu entscheiden ist, zwar zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Frist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2, § 36 AsylG erhoben. Die Klage ist aber unbegründet.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist gemäß § 77 Abs. 1, 2. Halbsatz AsylG der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und damit das Asylgesetz und das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der letzten Änderung durch Art. 5 des Gesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I, S. 1131). Das Asylgesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. Asylverfahrensgesetz - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um.
Der Bescheid des Bundesamtes vom 17. August 2016 ist einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Der klägerische Vortrag zu seiner Vorverfolgung im Heimatland ist nach Überzeugung des Gerichts insgesamt nicht glaubhaft. Der Vortrag des Klägers weist sowohl in seiner Anhörung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vor Gericht eine Reihe von Widersprüchen und Ungereimtheiten auf, die nicht haben aufgeklärt und ausgeräumt werden können. Insoweit obliegt es dem Kläger, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, sein Begehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 1984 - 9 C 141/83 -, juris). Vor dem Bundesamt hat der Kläger erklärt, dass der maßgebliche Vorfall, der unmittelbarer Fluchtauslöser (aus Afghanistan) die Ermordung seines Bruders im März 2015 durch die Taliban gewesen sei, nachdem sich dieser geweigert habe, für die Taliban einen Selbstmordanschlag zu begehen. Ob allerdings diese Weigerung seines ermordeten Bruders auch Grund für dessen Ermordung war, oder ob es andere Gründe gab, die nur den Bruder und nicht den Kläger betreffen, bleibt offen. Die Flucht (aus Pakistan) auslösender Umstand sei gewesen, dass er von seinem älteren Bruder erfahren habe, dass die Taliban wissen, dass er, der Kläger, in Pakistan sei und nach ihm suchen. Er selbst sei auch - zuletzt im Januar 2015 - aufgefordert worden, sich „am heiligen Krieg zu beteiligen“. Unklar bleibt insoweit allerdings, ob von ihm ebenfalls Selbstmordattentate oder Ähnliches verlangt wurden, oder ob er sich wie bereits in den Jahren zuvor durch Zahlungen an die Taliban am „heiligen Krieg“ beteiligen sollte. Den Widerspruch, ob es für die Taliban nicht lukrativer gewesen wäre, weiterhin von ihm Geld zu erpressen als ihn zu Kampfhandlungen zu „rekrutieren“, hat er nicht zufriedenstellend aufzuklären vermocht. Hinzu kommt, dass sämtliche Informationen des Klägers auf vagem Hörensagen beruhen, die Gründe, warum auch er ermordet werden sollte, weitgehend im Dunkeln bleiben, und seine in Pakistan lebende Frau und seine Kinder unbehelligt geblieben sind. Schließlich lassen sich die vom Kläger vorgetragenen Umstände, die letztlich zur Flucht vor einer Zwangsrekrutierung wegen über 23 Jahre zurückliegender Vorkommnisse (Armeezeit des Klägers) geführt haben sollen, nur schwer in Einklang mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bringen.
Die Erkenntnismittellage zu Zwangsrekrutierungen durch die Taliban stellt sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt hierzu aus, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden nicht auszuschließen seien. Konkrete Fälle kämen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (Lagebericht vom 19 Oktober 2016, S. 12).
Der UNHCR erläutert im fraglichen Zusammenhang, dass in Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen die Kontrolle über die Bevölkerung ausübten, eine Vielzahl von Mechanismen bestehe, um Kämpfer zu rekrutieren, einschließlich durch Zwangsmaßnahmen. Es gebe Berichte, dass regierungsfeindliche Gruppen weiterhin auch Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, für ihre Zwecke rekrutierten. Daher könnten Männer im kampffähigen Alter oder Kinder, die sich einer zwangsweisen Rekrutierung widersetzt hätten, des internationalen Flüchtlingsschutzes aufgrund deren (unterstellter) politischer Meinung oder aus anderen relevanten Gründen bedürfen (UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, S. 44 ff.).
Das European Asylum Support Office (EASO) stellt in seinem Herkunftsländer-Report zu Afghanistan „Taliban Strategies - Recruitment“ vom Juli 2012 u.a. dar, die Basis für die Rekrutierung durch die Taliban stelle die lokale Zelle dar. Dies könne eine Koran-Schule, ein M..., ein örtlicher Kommandant oder ein Stammesältester sein. Berichte über Ängste vor Vergeltung wegen verweigerter Rekrutierung gebe es aus K..., K... und Gebieten in Pakistan. Zwei Quellen erwähnten den Gebrauch von Zwang und Einschüchterung zum Zwecke der Rekrutierung in der Provinz U.... Andere Quellen berichteten explizit, dass Gewalt und Zwang in ihren Provinzen nicht für Rekrutierungsmaßnahmen angewendet worden seien, nämlich in G..., H... und L.... Quellen, die die generelle Situation in Afghanistan diskutierten, würden feststellen, dass Zwang beim Rekrutierungsprozess selten sei. Vorkommen könne dies in Flüchtlingscamps und Gebieten unter dem starken Einfluss der Taliban. Einige Quellen erwähnten Argumente, die gegen Zwangsrekrutierungen sprächen. So würde diese die Bevölkerung verstimmen, zum anderen bestehe hierfür auch keine Notwendigkeit, da die Taliban auf ausreichend Freiwillige zurückgreifen könnten. Zusammenfassend wird festgestellt, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban als außergewöhnlich anzusehen seien. Eine Vielzahl glaubwürdiger Quellen stelle dies explizit heraus und gebe plausible Argumente für diese Einschätzung.
Auch im EASO-Bericht vom September 2016 (EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan: Recruitment by armed groups, September 2016, S. 22) wird bestätigt, dass Fälle von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan als außergewöhnlich zu bezeichnen sind.
Dr. M... D... führt in seinem Gutachten vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zu der Frage, ob in den letzten Jahren in Afghanistan Fälle von Rückkehrern aus dem Ausland oder von Binnenflüchtlingen bekannt geworden seien, die in der Stadt K... von den Taliban aufgespürt und getötet oder bestraft worden seien, weil sie sich durch Flucht einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, und wenn ja, wie häufig dies vorkomme, aus, ihm seien drei Personen bekannt geworden, die hätten zwangsrekrutiert werden sollen und nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan erneut von den Taliban behelligt worden und daraufhin ein weiteres Mal geflohen seien. Des Weiteren berichtet er über zwei weitere Fälle von Binnenflüchtlingen, die aus ihrer Heimatregion geflohen und in der Hauptstadt Kabul von den Taliban wiederum bedroht worden seien. Es gebe keine Statistik über solche Fälle, aber Informanten berichteten, dass es häufig zu Fällen komme, in denen junge Männer getötet würden und Gerüchte wollten wissen, dass es sich um Racheakte der Taliban handele. Konkret könne er die Frage nach der Häufigkeit solcher Racheaktionen nicht beantworten. Zur weiteren Frage, ob die Taliban in K... über Netzwerke verfügten, mittels derer sie gezielt Nachforschungen anstellten, ob sich unter Rückkehrern und Binnenflüchtlingen Personen befinden, die sich in ihrer Heimatregion einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, erklärt Herr Dr. D..., konkret könne er diese Frage nicht beantworten, seine Informanten hätten bei ihren Recherchen nicht feststellen können, ob innerhalb der Informationszentren der Taliban Strukturen existierten, die dazu dienten, nach solchen Personen zu suchen. Seine Kollegen seien jedoch der Überzeugung, dass die Taliban selbst in der Hauptstadt zwangsrekrutierten. Ob die Taliban in den genannten Fällen, in denen sie abgeschobene Personen ein zweites Mal zu rekrutieren versuchten, gezielt nach ihnen gesucht hätten, könne er nicht beantworten. Er müsse davon ausgehen, dass die Taliban mindestens in der Lage seien, viele der Personen, die eine Zwangsrekrutierung abgelehnt hätten, zu finden. Auf die weitere Frage, ob Rückkehrer und Binnenflüchtlinge, die sich einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, einer erhöhten Gefahr ausgesetzt seien, in Kabul von den Taliban entdeckt zu werden, wenn sie aus einer Region im näheren Umkreis von Kabul stammten, führt Dr. D... aus, dass es vor allem darauf ankomme, ob sie einem paschtunischen Stamm angehörten, aus dem viele Taliban kämen. Dann sei eine solche Person in K... leichter zu identifizieren als jemand, der aus einem nicht-paschtunischen Volk stamme.
Nach alledem hat der Kläger sein Heimatland nicht vorverfolgt verlassen und es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihm im Falle einer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine derartige Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG droht. Dies gilt insbesondere auch für eine Zwangsrekrutierung durch aufständische Kräfte in Afghanistan.
Unabhängig von vorstehenden Ausführungen bestünde jedoch für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit internen Schutzes nach § 3e AsylG in Kabul, wenn man - entgegen obiger Ausführungen - davon ausginge, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3e AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL zu berücksichtigen.
Das Gericht geht - auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 der QRL - davon aus, dass der Kläger in der afghanischen Hauptstadt Kabul internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Es sprechen nämlich stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer Verfolgung bedroht würde, wie er sie in seinem Asylverfahren vorgetragen hat.
Nach einer Auskunft des EASO aus Dezember 2017 (Country Of Origin Information Report - Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, S. 63 f. 1.4.3) verfügen die Taliban zwar in den Städten über ein Informationsnetzwerk und es finden gezielte Angriffe statt. Die wenigen gezielten Angriffe in K... durch Schützen auf Motorrädern beträfen jedoch nur Parlamentsangehörige oder ehemalige hochrangige Angehörige der Taliban. Bei dem Polizeichef der Provinz U..., der im Jahr 2015 durch einen Selbstmordattentäter getötet worden sei, habe es sich um den Hauptgegner der Taliban gehandelt. Die Liste der Personen, auf die die Taliban Ressourcen aufwendeten und die sie in großen Städten verfolgten, beschränke sich auf wenige Dutzend bis maximal 100 Personen. Personen und deren Angehörige, die für die Taliban weniger von Interesse seien, würden nach einem Umzug in eine große Stadt nicht von den Taliban verfolgt. Ausnahmen gebe es nur in Bezug auf persönliche Feindschaften, Rivalitäten oder Konflikte. Die Möglichkeiten der Taliban, Personen nach einem Umzug in einer großen Stadt ausfindig zu machen, seien besonders erfolgreich, wenn es darum ginge, sehr bekannte und gut aufgestellte Gegner aufzufinden. Eine Rolle spiele dabei jedoch das Verhältnis von Kosten und Nutzen, so dass eine Person, die von wenig Interesse für die Taliban sei, nicht der Gefahr ausgesetzt sei, nach einem Umzug weiterhin verfolgt zu werden.
Der Umstand, dass eine Liste von Personen existiert, die durch die Taliban landesweit und auch in großen Städten verfolgt werden, lässt zwar darauf schließen, dass Personen, bei denen das Risiko vorhanden ist, Ziel von Angriffen Aufständischer zu werden, grundsätzlich landesweit - und damit auch in Kabul - verfolgt werden können. Ob aber eine Person im Sinne der Auskunft „weniger von Interesse“ ist (“lower profile individuals“; „a profile of low importance to the Taliban“), kann nur im Einzelfall beantwortet werden. Im Übrigen heißt es in der Auskunft nicht, dass diese Personen „nicht von den Taliban verfolgt“ oder „nicht der Gefahr ausgesetzt“ seien, nach einem Umzug weiterhin verfolgt zu werden. Die Auskunft geht vielmehr davon aus, dass diese Personen nach einem Umzug in eine große Stadt wahrscheinlich („probably”) nicht von den Taliban verfolgt würden oder in einem Gebiet, das für die Taliban leicht zu erreichen sei, eher („sooner“) verfolgt würden als Personen mit einem hohen Risikoprofil in einem Gebiet, das durch Regierungstruppen gut gesichert sei. Damit kann auf Basis dieser Auskunft gerade nicht ausgeschlossen werden, dass auch Personen mit einem niedrigen Risikoprofil landesweit verfolgt werden. Ob im Übrigen von „persönlichen Feindschaften, Rivalitäten oder Konflikten“ und damit ausweislich der Auskunft von einem überörtlichen Interesse der Taliban, einer bestimmten Person habhaft zu werden, auszugehen ist, lässt sich ebenfalls nur im Einzelfall klären.
Im vorliegenden Fall bestehen indes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine aus Sicht der Taliban im vorbezeichneten Sinne „verfolgungswürdige Person“ („high profile individual“) sein könnte. Sein „Fehlverhalten“ (Dienst in der afghanischen Armee zu „kommunistischen Zeiten“) lag im Jahr 2015 etwa 23 Jahre zurück; im Übrigen war er nicht „für die Kommunisten“ tätig. Darüber hinausgehende Gründe, die Anlass für eine Fehde („torbor“) sein könnten, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht nachvollziehbar vorgetragen.
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal nach Kabul reisen. Schließlich kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich zur Not in K... niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zweiweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 -, juris).
Die relevanten Lebensverhältnisse in Afghanistan und die Situation von Rückkehrern gestalten sich wie folgt:
Afghanistan hat etwa 27 bis 34 Millionen Einwohner. Über 40 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre, zwei Drittel unter 25 Jahre alt. Geprägt wird das Leben der Menschen im Land von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und Versorgungslage, außerdem von prekären humanitären Gegebenheiten sowie von einer anhaltend schlechten Sicherheitslage. Rückkehrer aus dem westlichen Ausland - freiwillig Zurückgekehrte, aber auch Abgeschobene - sind zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Sie sehen sich dem generellen Verdacht gegenüber, ihr Land und ihre religiöse Pflicht verraten zu haben. Die Unterstützung durch Angehörige und Familie - soweit vorhanden - ist darüber hinaus des Öfteren eingeschränkt, weil die Rückkehr nach Afghanistan als Ausdruck des Versagens trotz des vermeintlich leichten Lebens im Westen verstanden wird. Des Weiteren wird als Gefahr beschrieben, dass die Taliban die Flucht als ein Verhalten werten, mit dem man sich ihrem Machtanspruch entziehen will. Nachvollziehbar erscheint angesichts dessen, dass von Seiten der Taliban das Interesse bestehen soll, zur allgemeinen Abschreckung diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die sich ihnen entzogen haben. Entsprechend wird die ohnehin allgemein übliche Überprüfung der Biographie der Rückkehrer durch das neue soziale Umfeld noch sorgfältiger als üblich vorgenommen, da sie wegen ihrer Flucht grundsätzlich verdächtigt werden, sich persönlicher Verfolgung entzogen zu haben - sei es durch militante Gruppierungen oder Privatpersonen. Zudem wird angesichts des - grob verzerrt und übersteigert wahrgenommenen - Reichtums in Europa in Afghanistan oft davon ausgegangen, dass Rückkehrer während ihrer Zeit im Westen zu Wohlstand gekommen sind. Sowohl sie selbst als auch ihre Familien laufen daher Gefahr, Opfer von Entführungen zu werden, die lebensbedrohlich sein können. Das gleiche gilt für bekanntgewordenen Kontakt mit Ausländern. Schließlich berichten Rückkehrer von Problemen mit Behörden oder Sicherheitskräften, insbesondere, weil sie als anders aussehend wahrgenommen werden, weil sie keine Tazkira haben, aber auch, weil sie als Sicherheitsrisiko empfunden werden, da sie mangels Ausbildung und mangels Chancen auf Arbeit als potentielle Drogenhändler oder durch bewaffnete regierungsfeindliche Kräfte leicht zu rekrutierende Personen gesehen werden. Andererseits können Rückkehrer - anders als die übrige Bevölkerung - von Unterstützungsmaßnahmen profitieren. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Unterstützung in Gestalt von Geldzahlungen können afghanische Rückkehrer, die sich freiwillig in ihr Heimatland zurückbegeben, über zwei Programme des IOM erlangen. Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützungsprogramme für Rückkehrer aus Europa. Schließlich gibt es lokale nichtstaatliche Organisationen, die freiwillige und abgeschobene Rückkehrer unterstützen, etwa IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation). Eine weitere Unterstützungsleistung können Rückkehrer zudem in Form einer kurzfristigen Unterbringung erlangen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2019 - A 11 S 2108/18 -, juris, Rn. 63 ff. m.w.N.).
Für K... als Ankunfts- und Endort der Abschiebung lassen sich teilweise Unterschiede und Besonderheiten im Vergleich zu den allgemeinen Feststellungen zu den Lebensverhältnissen in Afghanistan erkennen. Zwar ist die Lage auch in K... prekär. Sowohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die humanitären Umstände und die Sicherheitslage sind schlecht. Zudem sind Afghanistan und insbesondere K... gerade auch in jüngster Zeit mit der Rückkehr einer Vielzahl von Menschen aus dem benachbarten und westlichen Ausland konfrontiert. Obwohl die Situation für Rückkehrer nach alledem schwierig ist, stellt sie sich nicht für alle Betroffenen gleichermaßen problematisch dar. Bestimmte, vulnerable Gruppen wie etwa Familien mit jüngeren Kindern, alleinstehende Frauen, Kranke oder ältere Menschen sind in besonderem Maße gefährdet. Gleiches gilt für Menschen, die als Rückkehrer häufig in den informellen Siedlungen K... untergekommen und dort nach jüngeren Erhebungen in großer Zahl von gravierender Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sind (VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 112 ff. m.w.N.).
Die insoweit erhobenen Daten lassen sich auf den hier zu entscheidenden Fall allerdings nur eingeschränkt übertragen. Der Kläger befindet sich - auch wenn er eine nach Pakistan geflüchtete und nunmehr dort lebende Familie (Ehefrau mit minderjährigen Kindern) hat - de facto in der Situation eines alleinstehenden männlichen Rückkehrers, weil er sich in Afghanistan - anders als im Familienverbund aus Afghanistan Geflüchtete und später dorthin Zurückkehrende - zunächst nur um sich selbst und nicht um eine ganze Familie kümmern müsste. Hierzu führt der Verwaltungsgerichtshof (a.a.O., Rn. 123) weiter aus:

 „Obwohl diese Rückkehrer sich - wie dargestellt - in Afghanistan vielen Belastungen gegenübersehen und die Situation im Land äußerst schwierig ist, sind den umfangreichen Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort stehe einer Existenzsicherung in Afghanistan bzw. in Kabul (auch nur auf niedriger Stufe) entgegen. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrerberichte, die die oben geschilderte Bandbreite von Problemen betreffen. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahin, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor“.

 2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 AufenthG.
Subsidiärer Schutz setzt voraus, dass stichhaltige Gründe dafür vorliegen, dass dem Ausländer ernsthafter Schaden droht in Form der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG kann gemäß § 4 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor drohendem ernsthaften Schaden zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Schutz vor einem ernsthaften Schaden gemäß § 4 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 3c AsylG kann nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz zu gewähren (§ 3d Abs. 2 Satz 1 AsylG). Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG). Für die Frage, ob stichhaltige Gründe für die Annahme einer Gefahr der in § 4 Abs. 1 AsylG genannten ernsthaften Schäden vorliegen, ist die Qualifikationsrichtlinie, insbesondere Art. 4 Abs. 4 QRL, ergänzend anzuwenden (§ 1Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 4Abs. 3 Satz 1 und § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG sowie § 2 Abs. 13 Nr. 2 AufenthG). Wie sich aus Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 QRL ergibt, kann dabei entsprechend der überkommenen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 22. März 1983 - 9 C 68/81 -, juris, Rn. 5 m.w.N.) von dem schutzsuchenden Ausländer erwartet werden, dass er sich nach Möglichkeit bemüht, die geltend gemachte Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr nachzuweisen oder jedenfalls substantiiert glaubhaft zu machen.
Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG. Es fehlt insoweit bereits an einem glaubhaften Vortrag, zumindest aber besteht für den Kläger die Möglichkeit internen Schutzes in Kabul nach § 4 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 3e AsylG. Auf die vorstehenden (zu 1. gemachten) Ausführungen zu § 3 AsylG wird verwiesen.
Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz P..., oder auch in Kabul als Ort des internen Schutzes entsprechend vorstehenden Ausführungen.
In der Südostregion, zu der die Provinz P... gehört, wurden im Jahre 2016 insgesamt 903 Zivilpersonen getötet oder verletzt und in der Zentralregion, zu der die Provinz Kabul zählt, 2.348 Zivilpersonen (UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11 f.). Die Anschlagswahrscheinlichkeit sowohl für die Südostregion als auch für die Zentralregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (BVerwG, Urteil vom 17 November 2011 - 10 C 13/13 -, juris). Im Jahr 2017 haben sich diese Zahlen (unter Verdoppelung der vorliegenden Halbjahreszahlen) sowohl in der Südost- als auch in der Zentralregion erhöht. In der Südostregion wurden im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 517 Zivilpersonen getötet oder verletzt, während dies in der Zentralregion bei 1.254 Zivilpersonen der Fall war (vgl. UNAMA, Midyear Report 2017, Juli 2017, S. 10). Im Jahr 2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag durch zwei Attentäter auf die schiitische Khawaja-Moschee der Hazara 33 Menschen getötet und 94 verletzt (UNAMA, Annual Report 2018 Afghanistan, Februar 2019, S. 24); 2018 kam es zu insgesamt vier Zwischenfällen mit der „Khost Protection Force“ (einer regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppe), die ihre Aktivitäten von der Provinz Chost auf die Provinzen Paktia und Paktika ausdehnte (UNAMA, a.a.O., S. 36). Zur Lage in Kabul heißt es in dem UNAMA-Bericht (S. 2), dass sich die Anzahl ziviler Opfer durch Taliban-Anschläge von 916 im Jahr 2017 auf 1.751 im Jahr 2018 erhöhte, wobei dies im Wesentlichen darauf beruhte, dass der Selbstmordanschlag mit einem Krankenwagen am 27. Januar 2018 der Anschlag mit den meisten Opfern (114 Todesopfern, 229 Verletzte) war, den UNAMA je registrierte, und es am 20. Oktober 2018 (dem Wahltag) zu landesweiten Anschlägen kam, bei denen die höchste Anzahl von Opfern an einem Tag zu beklagen waren.
Auch damit ist derzeit jedoch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre.
3. Es bestehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris). Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (BVerwG, Beschluss vom 23. August 2018 - 1 B 42.18 -, juris, Rn. 9). Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, Beschluss vom 23. August 2018 - 1 B 42.18 -, juris, Rn. 13). Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris, Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 26).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel geht die Kammer davon aus, dass für einen erwerbsfähigen und gesunden Mann - wie den Kläger - auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäres Unterstützungsnetzwerk bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK grundsätzlich nicht gegeben sind. Eine beachtlich wahrscheinliche, im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehende Behandlung ist insoweit nämlich nicht zu erwarten.

Dies gilt zunächst mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Zwar ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass sich die Situation seit Abzug der internationalen Truppen 2014/15 grundsätzlich verschlechtert hat. Die Aufständischen haben größere Bewegungsfreiheit. Die Taliban versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägte ländliche Gebiete, vornehmlich in den Provinzen H..., K..., U... und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie K... und F... im Norden - zu konsolidieren und auszuweiten, auch wenn es ihnen bislang nicht gelungen ist, eine Provinzhauptstadt dauerhaft zu erobern. Nach Einschätzungen zum Jahresende 2017 übten die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. Im Juli 2019 übten die Taliban in 65 Distrikten Afghanistans die alleinige Kontrolle aus; in 140 Distrikten üben sie trotz fortdauernder Präsenz von staatlichen Sicherheitskräften und Verwaltungsstrukturen Einfluss aus (Auswärtiges Amt, Lageberichte Afghanistan vom 31. Mai 2018, S. 21 und vom 2. September 2019, S. 23). Regierungsfeindliche Elemente führen zudem eine steigende Zahl von gezielten Angriffen auf Zivilisten aus, selbst in bestgesicherten Bereichen der Hauptstadt Kabul (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, S. 21 f.). Die UN beschrieben die Lage in Afghanistan insgesamt weiterhin als „in hohem Maße instabil“ bzw. „volatil“; Zivilisten haben weiter die Hauptlast des Konflikts zu tragen (UNHCR, a.a.O., S. 21 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation - Update, 1. Mai 2018, S. 20).

Trotz dieser Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan aber grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Zwar weist auch der UNAMA-Bericht vom Februar 2019 darauf hin, dass der bewaffnete Konflikt in Afghanistan auch in 2018 weiterhin Zivilisten auf einem unerträglich hohen Niveau Schaden zufügt (UNAMA, Annual Report 2018 Afghanistan, Februar 2019, S. 1.). UNAMA dokumentierte 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote, 7.189 Verletzte). Bei einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von etwa 27 Millionen Menschen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 2. September 2019, S. 20) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von etwa 1:2500. Dieser Wert ist jedoch weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann.

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, Urteil vom 11. Juli 2017 - S.M.A. / Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53; Urteil vom 11.7.2017 - Soleimankheel and others / Netherlands, Nr. 41509/12 - Rn. 51; Urteil vom 11. Juli 2017 G.R.S. / Netherlands, Nr. 77691/11 - Rn. 39; Urteil vom 11. Juli 2017 - E.K. / Netherlands, Nr. 72586/11 - Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R. / Netherlands, Nr. 63104/11 - Rn. 80; Urteil vom 16. Mai 2017 . M.M. / Netherlands, Nr. 15993/09 - Rn. 120; Urteil vom 12. Januar 2016 - A.G.R. / Netherlands, Nr. 13442/08 -). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B. / United Kingdom, Nr. 70073/10 - Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten.

Auch aus der aktuellen humanitären und wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK. Ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist nämlich weiter nicht gegeben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 391 ff.).

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2. September 2019 (S. 27 ff..) ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt ist (Human Development Index 2018: Platz 168 von 189 Staaten). Die Armutsrate hat sich laut Weltbank von 38 % (2011) auf 55 % (2016) verschlechtert. Das Wirtschaftswachstum ist zuletzt von 2,7 % (2017) auf 1 % (2018) zurückgegangen. Für 2019 geht die Weltbank von einer leichten Erholung aus. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt eine zentrale Herausforderung für Afghanistan. Nach Angaben der Weltbank ist die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau. Laut International Labour Organization lag sie 2017 bei 11,2 %. Die Grundversorgung ist für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 6,3 Millionen Menschen humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen (Dürre 2018 mit erheblichen Ernteeinbußen, Kälteeinbrüche und schwere Überschwemmungen und Erdrutsche in der ersten Jahreshälfte 2019 im Süden, Westen und Norden). Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen haben dazu geführt, dass dort etwa zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren als akut unterernährt gelten. Jedoch hat die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Von 2012 bis Ende 2018 sind laut IOM 3,2 Millionen Afghanen aus dem Ausland nach Afghanistan zurückgekehrt. Von 2002 bis 2018 hat UNHCR über 5,26 Millionen Menschen bei der Rückkehr nach Afghanistan assistiert. Das Fehlen lokaler Netzwerke kann Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhängt.

 Laut Bericht des EASO vom Juni 2019 (Country Guidance: Afghanistan, S. 132 ff.) stehen in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet ist. Zugang zu angemessener Unterkunft ist jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte ist als Slum einzustufen. Flüchtlinge leben in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte bieten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken – etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab.
Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2019 (Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, S. 20 ff.) bieten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte sind meist behelfsmäßig gebaut und können nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern liegen unter den normalen Standards. Ob es Rückkehrer schaffen, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hängt nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (am dichtesten bevölkerte Stadt des Landes und weltweit eine der am schnellsten wachsenden Städten mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 3,5 bis 5 Millionen) hat der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitzt sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort intern Vertriebene und Rückkehrer konzentrieren, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchen.
Zusammenfassend lassen sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Dabei wird nicht verkannt, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem gibt es keine Erkenntnisse dazu, dass trotz hoher Rückkehrzahlen gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit oder Ähnlichem betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 407).
Im Einzelfall des Klägers sind auch keine besonderen individuellen Umstände gegeben, die ausnahmsweise zum Vorliegen der Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans führen. Soweit es die Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so gilt, dass in der Person des Klägers keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände gegeben sind. Ein individueller gefahrerhöhender Umstand ergibt sich insbesondere nicht aus der bloßen Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Paschtunen (OVG Niedersachsen, Urteil vom 19. September 2016 - 9 LB 100/15 -, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 13a ZB 13.30336 -, juris). Soweit es die humanitäre und wirtschaftliche Lage in Afghanistan betrifft, wäre der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, für sich als Einzelperson das Existenzminimum zu bestreiten. Der Kläger ist gesund und erwerbsfähig; er spricht eine der afghanischen Landessprachen (Paschtu), kann lesen und schreiben und könnte in Afghanistan arbeiten.
Auch die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im Fall des Klägers hinsichtlich Afghanistans nicht vor.
Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 23.10 -, juris, Rn. 21 f. und Beschluss vom 14. November 2007 - 10 B 47.07 -, juris, Rn. 3).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (BVerwG, Beschluss vom 23. August 2018 - 1 B 42.18 -, juris, Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung hier nicht gegeben sind (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2018 - A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 453).
Gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 6 des Bescheids vom 17. August 2016 bestehen keine Bedenken; insoweit erhebt auch der Kläger keine Einwendungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 20 ZPO.