Gericht | VG Potsdam 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.10.2019 | |
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Aktenzeichen | 7 K 3890/16.A | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2019:1007.7K3890.16.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 3 AsylVfG 1992, § 4 AsylVfG 1992, § 60 Abs 5 AufenthG, § 60 Abs 7 AufenthG |
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger, ein am ... Mai 19… in der Provinz Paktia, Afghanistan geborener verheirateter afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Asylgesetz (AsylG), hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG und weiter hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltsG) vorliegen.
Nach eigenen Angaben verließ er Afghanistan, wo er zuletzt in C... neben der Großen Moschee lebte, im Februar oder März 2015 und reiste, ohne dort Asylanträge zu stellen, über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland und einige Balkanländer, die er nicht mehr im Einzelnen bezeichnen kann, am 26. Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. In Ungarn waren ihm Fingerabdrücke genommen worden. Am 21. Juli 2015 stellte er einen Asylantrag.
In seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 7. Juli 2016 gab er an, für die Reise in die Bundesrepublik Deutschland 11.000 US-$, die er aus seinen Ersparnissen habe aufbringen können, aufgewendet zu haben. Er habe die Schule bis einschließlich zur siebten Klasse besucht und später zusammen mit seinem Bruder als Holzhändler gearbeitet. Für den Holzhandel haben sie zwei Lastwagen gehabt. Der monatliche Verdienst aus dem Holzhandel habe sich auf 100.000 Kaldar (eine in Afghanistan verwendete Bezeichnung für pakistanische Rupien) belaufen. Seine wirtschaftliche Situation sei sehr gut gewesen. Er habe ein großes Haus mit großem Garten im Distrikt J... K... gehabt, in dem heute noch seine Mutter und sein älterer Bruder leben. Dieser sei 65 Jahre alt und habe nie „für die Kommunisten“ gearbeitet, weshalb ihn die Taliban in Ruhe ließen; sein älterer Bruder habe in der „vorkommunistischen“ Zeit bei den afghanischen Streitkräften gedient. Seine Ehefrau, zwei Söhne und drei Töchter leben in Pakistan. Vom 15. November 1989 bis zum 3. August 1992 habe er im 49. Regiment der 2. Infanteriedivision in K... gedient. Darüber hinaus habe er - wie auch sein getöteter Bruder - nicht „für die Kommunisten“ gearbeitet. Der Kläger hat in der Anhörung eine Urkunde vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er den afghanischen Streitkräften in der Zeit vom 15. November 1989 bis zum 3. August 1992 angehörte. Anfang 2000 seien Taliban an ihn herangetreten, haben ihm vorgehalten, dass er früher „für die Kommunisten“ (bei den afghanischen Streitkräften) gearbeitet habe, und monatlich 40.000 bis 50.000 Kaldar von ihm und seinem Bruder erpresst, weil sie sich geweigert hatten, mit den Taliban gegen die NATO und die afghanische Regierung zu kämpfen. Er sei mehrfach von Taliban, zuletzt im Januar 2015, aufgesucht und bedroht worden. Von einem seiner Brüder haben die Taliban verlangt, einen Selbstmordanschlag zu verüben, was dieser aber abgelehnt habe, woraufhin er von den Taliban im März 2015 ermordet worden sei. Zu jener Zeit sei er, der Kläger, in C... gewesen und von seinem anderen Bruder über den Tod des Bruders unterrichtet und aufgefordert worden, nicht nach Hause zurück zu kommen. Seine Familie sei dann auch nach C... gekommen, von wo aus sie 20 Tage nach dem Tod seines Bruders zu seiner Schwester nach H... in Pakistan geflüchtet seien. Zu Verwandten nach K... habe er nicht gehen können, weil diese ihn für einen Taliban gehalten haben, da er aus einem weitgehend von den Taliban kontrollierten Gebiet komme. In andere afghanische Gebiete, insbesondere in den Norden, habe er nicht gehen können, weil er Paschtune sei. An die Polizei in C... habe er sich nicht gewendet, da diese von Taliban durchseucht sei. Er kenne M... M..., einen Kommandeur des Haqqani-Netzwerks, sehr gut; er gehöre demselben Stamm wie dieser an, sei weitläufig mit ihm verwandt und es habe innerfamiliäre Probleme gegeben. Er sei in Afghanistan nie vor einem Gericht gewesen und sei dort nie bestraft oder verurteilt worden, auch habe er nie Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt. Er habe sich in seiner Heimat politisch nicht betätigt und sei nie Mitglied einer Partei gewesen. In Pakistan sei es ihm gut gegangen, er habe aber auch von dort flüchten müssen, weil die Taliban herausgefunden hatten, dass er nunmehr dort lebe. Er sei von den Taliban gesucht worden. Sein Bruder habe ihn darüber informiert. Seine Frau und seine Kinder, deren Ältestes 13 Jahre alt sei, seien von den Taliban hingegen in Ruhe gelassen worden. Über deren weiteres Schicksal wisse er allerdings nichts. Er befürchtet, bei einer Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban aufgespürt und getötet zu werden; in anderen Landesteilen Afghanistans außerhalb seiner Heimatprovinz habe er Angst vor dem Rassismus, der dort herrsche und dem er als Paschtune ausgesetzt sei.
Mit Bescheid vom 17. August 2016 lehnte das Bundesamt die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab, erkannte ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutz zu und stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthaltsG vorliegen. Gleichzeitig forderte das Bundesamt den Kläger auf, das Bundesgebiet innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Afghanistan an.
Aus einem Aktenvermerk gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz ergibt sich, dass der Bescheid als Einschreiben am 27. September 2016 zur Post gegeben wurde.
Mit seiner am 7. Oktober 2016 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst auch die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt, diesen Antrag aber in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Er beantragt nunmehr noch,
den Bescheid vom 17. August 2016 teilweise aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren und weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheides den Antrag angekündigt, |
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. September 2017 nach § 76 Abs. 1 AsylG auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Im Termin der mündlichen Verhandlung ist der Kläger informatorisch befragt worden. Diesbezüglich wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. |
Die vom Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung konnte abschließend über die Klage entschieden werden, da die Beklagte in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und das persönliche Erscheinen nicht angeordnet worden war (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter entscheidet dieser anstelle der Kammer (§ 76 Abs. 1 AsylG).
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die Klage ist, soweit noch über sie zu entscheiden ist, zwar zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Frist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2, § 36 AsylG erhoben. Die Klage ist aber unbegründet. |
„Obwohl diese Rückkehrer sich - wie dargestellt - in Afghanistan vielen Belastungen gegenübersehen und die Situation im Land äußerst schwierig ist, sind den umfangreichen Erkenntnismitteln zur Lage in Afghanistan keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort stehe einer Existenzsicherung in Afghanistan bzw. in Kabul (auch nur auf niedriger Stufe) entgegen. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrerberichte, die die oben geschilderte Bandbreite von Problemen betreffen. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahin, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor“. |
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 AufenthG. |
Dies gilt zunächst mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Zwar ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass sich die Situation seit Abzug der internationalen Truppen 2014/15 grundsätzlich verschlechtert hat. Die Aufständischen haben größere Bewegungsfreiheit. Die Taliban versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägte ländliche Gebiete, vornehmlich in den Provinzen H..., K..., U... und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie K... und F... im Norden - zu konsolidieren und auszuweiten, auch wenn es ihnen bislang nicht gelungen ist, eine Provinzhauptstadt dauerhaft zu erobern. Nach Einschätzungen zum Jahresende 2017 übten die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. Im Juli 2019 übten die Taliban in 65 Distrikten Afghanistans die alleinige Kontrolle aus; in 140 Distrikten üben sie trotz fortdauernder Präsenz von staatlichen Sicherheitskräften und Verwaltungsstrukturen Einfluss aus (Auswärtiges Amt, Lageberichte Afghanistan vom 31. Mai 2018, S. 21 und vom 2. September 2019, S. 23). Regierungsfeindliche Elemente führen zudem eine steigende Zahl von gezielten Angriffen auf Zivilisten aus, selbst in bestgesicherten Bereichen der Hauptstadt Kabul (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, S. 21 f.). Die UN beschrieben die Lage in Afghanistan insgesamt weiterhin als „in hohem Maße instabil“ bzw. „volatil“; Zivilisten haben weiter die Hauptlast des Konflikts zu tragen (UNHCR, a.a.O., S. 21 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation - Update, 1. Mai 2018, S. 20).
Trotz dieser Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan aber grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Zwar weist auch der UNAMA-Bericht vom Februar 2019 darauf hin, dass der bewaffnete Konflikt in Afghanistan auch in 2018 weiterhin Zivilisten auf einem unerträglich hohen Niveau Schaden zufügt (UNAMA, Annual Report 2018 Afghanistan, Februar 2019, S. 1.). UNAMA dokumentierte 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote, 7.189 Verletzte). Bei einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von etwa 27 Millionen Menschen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 2. September 2019, S. 20) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von etwa 1:2500. Dieser Wert ist jedoch weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann.
Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, Urteil vom 11. Juli 2017 - S.M.A. / Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53; Urteil vom 11.7.2017 - Soleimankheel and others / Netherlands, Nr. 41509/12 - Rn. 51; Urteil vom 11. Juli 2017 G.R.S. / Netherlands, Nr. 77691/11 - Rn. 39; Urteil vom 11. Juli 2017 - E.K. / Netherlands, Nr. 72586/11 - Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R. / Netherlands, Nr. 63104/11 - Rn. 80; Urteil vom 16. Mai 2017 . M.M. / Netherlands, Nr. 15993/09 - Rn. 120; Urteil vom 12. Januar 2016 - A.G.R. / Netherlands, Nr. 13442/08 -). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B. / United Kingdom, Nr. 70073/10 - Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten.
Auch aus der aktuellen humanitären und wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK. Ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist nämlich weiter nicht gegeben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 -, juris, Rn. 391 ff.).
Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2. September 2019 (S. 27 ff..) ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt ist (Human Development Index 2018: Platz 168 von 189 Staaten). Die Armutsrate hat sich laut Weltbank von 38 % (2011) auf 55 % (2016) verschlechtert. Das Wirtschaftswachstum ist zuletzt von 2,7 % (2017) auf 1 % (2018) zurückgegangen. Für 2019 geht die Weltbank von einer leichten Erholung aus. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt eine zentrale Herausforderung für Afghanistan. Nach Angaben der Weltbank ist die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibt aber auf hohem Niveau. Laut International Labour Organization lag sie 2017 bei 11,2 %. Die Grundversorgung ist für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 6,3 Millionen Menschen humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen (Dürre 2018 mit erheblichen Ernteeinbußen, Kälteeinbrüche und schwere Überschwemmungen und Erdrutsche in der ersten Jahreshälfte 2019 im Süden, Westen und Norden). Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen haben dazu geführt, dass dort etwa zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren als akut unterernährt gelten. Jedoch hat die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Von 2012 bis Ende 2018 sind laut IOM 3,2 Millionen Afghanen aus dem Ausland nach Afghanistan zurückgekehrt. Von 2002 bis 2018 hat UNHCR über 5,26 Millionen Menschen bei der Rückkehr nach Afghanistan assistiert. Das Fehlen lokaler Netzwerke kann Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhängt.
Laut Bericht des EASO vom Juni 2019 (Country Guidance: Afghanistan, S. 132 ff.) stehen in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet ist. Zugang zu angemessener Unterkunft ist jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte ist als Slum einzustufen. Flüchtlinge leben in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte bieten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken – etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab. |