Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 01.03.2012 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 85/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 Abs 1 Nr 14 SGB 7, § 7 SGB 7, § 8 SGB 7 |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 30. November 2007 als Arbeitsunfall.
Die 1949 geborene Klägerin, von Beruf ursprünglich Kellnerin, war bis 1990 u.a. als Verwaltungsangestellte beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR –zeitweise in Brüssel - tätig und absolvierte beim Berufsförderungswerk (BFW) Berlin vom 03. September 1990 bis zum 30. Juni 1992 zunächst eine Ausbildung zur Köchin (Zeugnis vom 30. Juni 1992). Nach Besuch der DIDACTICA Akademie für Wirtschaft und Sprache in der Zeit vom 01. März 1993 bis zum 24. Februar 1995 qualifizierte sie sich zur Fremdsprachensekretärin in Englisch (Zeugnis vom 28. November 1994) und zum fremdsprachenkundigen Korrespondent für die englische Sprache (Prüfungszeugnis der Industrie- und Handelskammer zu Berlin vom 12. Juli 1994) sowie zur Handels- und Wirtschaftskorrespondentin Französisch (Zeugnis vom 24. Februar 1995). Nach einer mehrjährigen Beschäftigung als Fremdsprachensekretärin (August 1995 bis März 2003) war die Klägerin bei der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte, unterbrochen durch kurzzeitige Beschäftigungen als Verwaltungs- bzw. Bürokraft, arbeitslos gemeldet. Zuletzt wurde ihr Arbeitslosengeld (Alg I) ab dem 01. Mai 2006 (bis zum 29. Dezember 2006) für die Dauer von 239 Kalendertagen bewilligt (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 27. April 2006)
Ab dem 01. Dezember 2006 bis zum 03. Dezember 2007 nahm die Klägerin an einer von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) finanzierten beruflichen Bildungsmaßnahme „Modulare Qualifizierung Office/IT“ bei der GmbH teil (Bescheide der DRV vom 15. August 2006 und 09. Oktober 2006, Bescheid über die Bewilligung von Übergangsgeld vom 08. Februar 2007). Die Bundesagentur für Arbeit hob wegen des Anspruchs auf Übergangsgeld die Bewilligung von Alg I gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 01. Dezember 2006 auf (Bescheid vom 24. November 2006). Die Bildungsmaßnahme gliederte sich in drei Module: A. Grundlagen (Informationstechnische Grundbildung und Kaufmännisches Basiswissen, 470 Unterrichtseinheiten), B. Aufbauwissen (Fortgeschrittene EDV-Anwendungen und Kaufmännisches Fachwissen, 470 Unterrichtseinheiten) und C. Betriebspraktikum (940 Stunden), vgl. Zertifikat vom 03. Dezember 2007. Das Modul C gliederte sich in ein betriebliches Praktikum im Umfang von 748 Stunden (vier Tage/ Woche) und einen wöchentlichen Präsenztag (Freitag) beim Bildungsträger mit Training: Sozialkompetenz, Bewerbung und Jobsuche. Das betriebliche Praktikum absolvierte die Klägerin im Büro der privaten Arbeitsvermittlung B P (vgl. Zeugnis vom 29. November 2007, Bl. 120 GA). Am 17. August 2007 meldete sich die Klägerin, einem Hinweis der DRV (Schreiben vom 06. August 2007) auf die Verpflichtung, sich spätestens drei Monate vor dem voraussichtlichen Ende der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, folgend, erneut arbeitslos (Bescheinigung der Agentur für Arbeit Berlin Mitte vom 17. August 2007).
Am 28. November 2007 (Mittwoch) war die Klägerin in ihrem Praktikumsbetrieb tätig. Dort erhielt sie einen Anruf von Frau K B, die im Rahmen der Module A und B als Mitarbeiterin der S GmbH für die zu dieser Rehabilitationsmaßnahme gehörenden Themenbereiche „Vermittlungsvorschlag, Bewerbungstraining und Sozialkompetenz“ für die Rehabilitanden zuständig war und sie u.a. bei der Erstellung aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen unterstützte sowie Unterrichtsstunden zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche, zur Erweiterung der Sozialkompetenz etc. durchführte. Frau B fragte die Klägerin nach ihren Fremdsprachenkenntnissen und wies sie auf das bei der Arbeitsagentur von der tunesischen Botschaft eingereichte Stellenangebot hin. Zudem hatte Frau B die Erlaubnis der Klägerin zur Weitergabe der dienstlichen und privaten Telefonnummer an die tunesische Botschaft eingeholt. Noch am selben Tag trat die Botschaft telefonisch mit der Klägerin in Kontakt und bat darum, ein kurzes Bewerbungsschreiben einschließlich eines Lebenslaufs in deutscher und französischer Sprache zu Händen von Herrn G zu übersenden. Dieser Aufforderung kam die Klägerin noch in der Nacht vom 28. zum 29. November 2007 per e-mail nach. Daraufhin erhielt die Klägerin im Verlauf des 29. November 2007, ebenfalls im Praktikumsbetrieb, einen Anruf von Herrn G, in dem er sie für Freitag, den 30. November 2007, um 12:00 Uhr zu einem Vorstellungsgespräch bei ihm in der tunesischen Botschaft bat. Des Weiteren wurde sie zur besseren Beurteilung ihrer fachlichen Kenntnisse aufgefordert, vorab noch einen aktuellen Zeitungsartikel aus dem Deutschen ins Französische zu übersetzen. Den Übersetzungstext versandte die Klägerin dann in der Nacht vom 29. zum 30. November 2007 per e-mail an die Botschaft.
Parallel dazu hatte die Bundesagentur für Arbeit Lichtenberg unter dem 28. November 2007 einen an die Klägerin gerichteten Vermittlungsvorschlag für die Stelle als Sekretärin/ Übersetzerin bei der Botschaft von Tunesien mit Rechtsfolgenbelehrung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) gefertigt, in dem diese aufgefordert worden war, sich umgehend schriftlich oder per e-mail dort zu bewerben. Die Klägerin erhielt den Vermittlungsvorschlag eigenen Angaben zufolge am 29. November 2007.
Am 30. November 2007 verließ die Klägerin gegen 10:00 Uhr ihre Wohnung in der RStr. in B und begab sich auf direktem und unmittelbarem Weg unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (U 5 Haltestelle F bis U-Bahnhof A, dort Umsteigen in die U 2 bis T-H-Platz und von dort zu Fuß weiter) zur in der Lallee in B (W) gelegenen Botschaft von Tunesien. Dort stellte sie sich gegen 12:00 Uhr vor. Ihren eigenen Angaben zufolge nahm sie den Vermittlungsvorschlag im Hefter mit den Bewerbungsunterlagen mit, um ihn gegebenenfalls vorzeigen zu können. Beim Vorstellungsgespräch nahm sie den Vermittlungsvorschlag dann wieder aus dem Hefter heraus und ließ die Originalbewerbungsunterlagen in der Botschaft.
Nach Abschluss des Vorstellungsgespräches gegen ca. 12:30 Uhr verlor die Klägerin auf dem Weg zum Ausgang der Botschaft beim Heruntergehen einer Treppe das Gleichgewicht und stürzte. Hierbei zog sie sich eine Schädelprellung, Kopfplatzwunde, Prellung des linken Schulterblattes sowie eine Fraktur des fünften Mittelfußknochens links zu (Durchgangsarztbericht von Dr. T vom 04. Dezember 2007); die Erstbehandlung wurde stationär bis zum 02. Dezember 2007 in den DRK-Kliniken B-W durchgeführt (Entlassungsbrief vom 02. Dezember 2007).
Die GmbH meldete mit Unfallanzeige vom 03. Dezember 2007 den Unfall zunächst an die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), die diese wie auch den Durchgangsarztbericht vom 04. Dezember 2007 am 13. Dezember 2007 an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) zuständigkeitshalber weiterreichte. Die VBG hielt sich ebenfalls für unzuständig und leitete den Vorgang mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 an die Unfallkasse des Bundes (UKB), die jetzige Beklagte, weiter.
Die UKB nahm zunächst ihre Ermittlungen auf und zog einen von der Klägerin am 02. Januar 2008 ausgefüllten Fragebogen der Krankenkasse (Taunus BKK) bei. Auf Nachfrage der UKB trug die Klägerin weiter zum Unfallgeschehen vor (Schreiben vom 26. Januar 2008 nebst diversen Anlagen). Unter dem 06. Februar 2008 gab die UKB das Verfahren an die VBG mit der Begründung ab, am Unfalltage habe die Klägerin nicht der Meldepflicht nach § 59 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. § 309 SGB III unterlegen, sie sei auch nicht arbeitslos, sondern nur arbeitsuchend gemeldet gewesen, so dass ihre Zuständigkeit nicht gegeben sei.
Die VBG lehnte mit Bescheid vom 05. März 2008 als vorläufig zuständiger Leistungsträger (§ 139 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VII>) die Gewährung von Leistungen wegen des Unfalls vom 30. November 2007 mit der Begründung ab, dieser sei nicht bei einer versicherten Tätigkeit erfolgt. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. März 2008 Widerspruch ein. Die VBG wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2008 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Unterstützung bei der Stellensuche durch Dritte führe nicht dazu, dass bei der privaten Arbeitsuche Versicherungsschutz unterstellt werde. Die Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt sich weder auf dem Weg zur oder von der Maßnahme, noch bei der Maßnahme selbst befunden, so dass Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht vorliege. Versicherungsschutz könne nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII bestehen, da sie zum Unfallzeitpunkt auf Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit die tunesische Botschaft zu einem Vorstellungsgespräch aufgesucht habe. Hierfür wäre aber die UKB zuständig.
Zwischenzeitlich war bei der UKB eine Auskunft der Agentur für Arbeit Berlin Mitte vom 29. Januar 2008 eingegangen, wonach die Klägerin weder Leistungen nach dem SGB II oder SGB III beziehe, am Unfalltag nicht der Meldepflicht nach § 59 SGB II oder § 309 SGB III unterlegen habe, jedoch am Unfalltag einer Weisung bzw. Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachgekommen sei, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Die UKB hatte daraufhin mit Bescheid vom 21. April 2008 die Anerkennung des Ereignisses vom 30. November 2007 als Arbeitsunfall abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII seien hier nicht erfüllt, da die Klägerin an einer von der DRV gewährten beruflichen Weiterbildung mit Anspruch auf Übergangsgeld teilgenommen habe. Gleichzeitig sei sie zwar bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend, jedoch nicht arbeitslos gemeldet, so dass sie nicht der Meldepflicht gemäß § 59 SGB II bzw. § 309 SGB III unterlegen habe. Damit habe sie nicht zum nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII versicherten Personenkreis gehört. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Mai 2008 Widerspruch ein unter Wiederholung ihrer Begründung aus dem Verfahren gegen die VBG.
Am 05. Juni 2008 hat die Klägerin gegen die VBG vor dem Sozialgericht (SG) Klage zum Aktenzeichen S 163 U 575/08 erhoben und ihr Begehren auf Anerkennung des Unfalls vom 30. November 2007 als Arbeitsunfall unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen im Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Das SG hat zunächst durch Beschluss vom 31. Juli 2008 die UKB nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2008 wies die UKB den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 21. April 2008 zurück. Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. November 2008 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am Montag, dem 29. Dezember 2008, beim SG Berlin Klage zum Aktenzeichen S 25 U 1202/08 erhoben und ihr Begehren auf Anerkennung des Unfalls vom 30. November 2007 als Arbeitsunfall durch die UKB unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen weiterverfolgt.
Das SG hat durch Beschluss vom 06. Mai 2009 die Verfahren S 163 U 575/08 und S 25 U 1202/08 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und angeordnet, dass das Verfahren in Zukunft unter dem Aktenzeichen S 163 U 575/08 weitergeführt wird. In der mündlichen Verhandlung des SG am 13. April 2010 hat die Klägerin ihre Klage gegen die VBG zurückgenommen.
Entsprechend dem Antrag der Klägerin hat das SG durch Urteil vom 13. April 2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 21. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2008 festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 30. November 2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin aufgrund dieses Arbeitsunfalls Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe den Unfall bei einer versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII erlitten. Die Klägerin habe der Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III unterlegen. Die allgemeine Meldepflicht bestehe auch in den Zeiten, in denen der Anspruch auf Alg ruhe (§ 309 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Zwar habe die Klägerin am 30. November 2007 aktuell kein Alg nach dem SGB III bezogen, ihr Anspruch habe jedoch geruht. Dies ergebe sich aus § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III, denn die Klägerin habe Übergangsgeld nach einem anderen Gesetz, dem einer Leistung zur Teilhabe zugrunde liege, deretwegen sie keine ganztätige Erwerbstätigkeit ausüben konnte, bezogen. Die Klägerin sei am 30. November 2007 arbeitslos gewesen und habe sich bei der GmbH in einer von der DRV bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben befunden. Zudem sei ihr mit Bescheid der DRV vom 08. Februar 2007 Übergangsgeld bewilligt worden, weshalb ihr Anspruch auf Alg I geruht habe. Unter Verweis auf § 142 Abs. 1 SGB III habe daraufhin die Agentur für Arbeit Lichtenberg mit Bescheid vom 24. November 2008 die Bewilligung von Alg aufgehoben. Auch sei sie einer besonderen, an sich im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit nachgekommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Der Vermittlungsvorschlag der Bundesagentur für Arbeit Lichtenberg vom 28. November 2007 stelle eine derartige Aufforderung dar. Er sei allein an die Klägerin gerichtet und auf einen bestimmten Arbeitsplatz beschränkt gewesen. Es habe sich auch nicht nur um eine bloße unverbindliche Bitte gehandelt. Denn aus der Verpflichtung der Klägerin, das Ergebnis ihrer Bewerbungsbemühungen umgehend mitzuteilen, sowie aus der dem Vermittlungsvorschlag beigefügten Rechtsfolgenbelehrung mit der Androhung einer Sperrzeit für den Fall, dass die Klägerin sich nicht bewerbe, ergebe sich eindeutig der verpflichtende Charakter des Vermittlungsvorschlags. Von der im Vermittlungsvorschlag ausdrücklichen Aufforderung, sich „umgehend schriftlich oder per Email“ zu bewerben sei auch die persönliche Vorstellung der Klägerin am 30. November 2007 in der tunesischen Botschaft umfasst gewesen. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Inhalts der Vermittlungsaufforderung unter Berücksichtigung ihres Zweckes. Die Klägerin habe diesen so verstehen müssen, dass von ihm auch eine persönliche Vorsprache in der Botschaft umfasst sei. So ergebe sich aus dem als Anlage beigefügten Vordrucks zum Nachweis ihrer Bewerbungsbemühungen, dass die Klägerin angeben solle, wann sie sich „beworben/vorgestellt“ habe. Danach seien die Bewerbungsbemühungen nicht nur auf eine schriftliche Bewerbung beschränkt gewesen, sondern von der Klägerin sei erwartet worden, sich ggf. auch persönlich vorzustellen. Eine Vorstellung gehe auch nach Auffassung der Kammer im Gegensatz zur Bewerbung immer mit einer persönlichen Vorsprache einher. Ähnlich habe die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Rechtsfolgenbelehrung den folgenden Hinweis enthalten: „Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern (z.B. in dem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein.“ Auch diese Belehrung zeige, dass von der Klägerin eine persönliche Vorstellung für den Fall erwartet worden sei, dass der potentielle Arbeitgeber sie dazu auffordere. Zudem sei auch der dem Vermittlungsvorschlag zugrunde liegende Zweck zu berücksichtigen. Ziel sei die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der tunesischen Botschaft gewesen. Wenn potentielle Arbeitgeber – wie es in der Regel der Fall sei – nur nach einem persönlichen Gespräch zu einer Einstellung bereit seien, wäre es widersinnig, die Meldepflicht allein auf eine schriftliche Bewerbung zu beschränken. Dies schlösse die Erreichung des Ziels des Vermittlungsvorschlags, die Vermittlung in Arbeit, von vorne herein aus. Da demnach auch das Aufsuchen der Botschaft auf den Zweck ausgerichtet gewesen sei, einen Arbeitsvertrag abzuschließen, sei das Vorstellungsgespräch am 30. November 2007 dort von der Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit erfasst. Die weiteren Vorraussetzungen für einen Arbeitsunfall seien hier unstreitig erfüllt. So sei die Klägerin auf einer Treppe in der tunesischen Botschaft, die sie zum Zwecke der Bewerbung aufgesucht gehabt habe, gestürzt. Ebenso liege die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Sturz und der Schädelprellung, der Kopfplatzwunde, der Prellung des linken Schulterblattes und der Fraktur des fünften Mittelfußknochens als Gesundheitserstschäden eindeutig vor. Schließlich ergebe sich die Zuständigkeit der Beklagten für den vorliegenden Arbeitsunfall aus § 125 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. Insofern sei die Beklagte auch verpflichtet, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 30. November 2007 Leistungen nach Maßgabe des SGB VII zu erbringen.
Gegen das ihr am 03. Mai 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer am 11. Mai 2010 eingelegten Berufung. Zwar habe sie sich inzwischen davon überzeugt, dass die Klägerin zum Unfallzeitpunkt grundsätzlich der Meldepflicht unterlegen habe. Allerdings sei die Klägerin keiner im Einzelfall an sie gerichteten Aufforderung der Agentur für Arbeit nachgekommen. So sei dem Schreiben der Agentur für Arbeit vom 28. November 2007 eine besondere, im Einzelfall an die Klägerin gerichtete Aufforderung, den vorgeschlagenen Arbeitgeber (tunesische Botschaft) am Unfalltag persönlich aufzusuchen, gerade nicht zu entnehmen. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 15. März 2008 ergebe sich, dass sie von der S GmbH über eine bei der Agentur für Arbeit gemeldete Stelle bei der tunesischen Botschaft informiert worden sei. Anlass für das persönliche Aufsuchen der tunesischen Botschaft am Unfalltag sei nicht das Schreiben der Agentur für Arbeit gewesen. Vielmehr habe sich der Entschluss zum persönlichen Aufsuchen der tunesischen Botschaft aufgrund der Interessenbekundung der Klägerin gegenüber der S GmbH und einem daraufhin zustande gekommenen telefonischen Kontakt mit der tunesischen Botschaft ergeben. Sofern der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, den Versicherungsschutz für Arbeitlose auf derartige Tatbestände auszuweiten, hätte diese Möglichkeit im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII bestanden. Dies sei aber nicht geschehen. So sei der amtlichen Begründung hierfür zu entnehmen, dass die vorher geltende Regelung (§ 539 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung <RVO>) zu Auslegungsschwierigkeiten geführt habe. Daher sei mit § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII eine Präzisierung dahingehend erfolgt, dass eine konkrete Aufforderung der Agentur für Arbeit vorliegen müsse, eine bestimmte Stelle aufzusuchen. Die Vorschrift sei somit im Vergleich zu ihrer Vorgängervorschrift sogar enger gefasst.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Berlin vom 13. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin nimmt die Klage hinsichtlich des erstinstanzlich gestellten Antrags, die Beklagte verpflichten, ihr aufgrund des Arbeitsunfalls Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, zurück und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die vorliegende Entscheidung des SG, soweit ein Arbeitsunfall festgestellt worden ist, für zutreffend. Auf Anforderung des Senats hat sie ihre Bewerbungsunterlagen, aber auch Unterlagen zu früheren Bewerbungen nach Aufforderung der Agentur für Arbeit (z. B. Schreiben an Fa H GbR vom 10. August 2003), Kopien aus dem Notizbuch/Kalender 2007 für die Zeit vom 28. bis zum 30. November 2007 sowie Computerausdrucke des Emailverkehrs zwischen ihr und der Botschaft von Tunesien (soweit noch vorhanden) für die Zeit von Donnerstag, dem 29. November 2007 01:42 Uhr bis Freitag, dem 30. November 2007 00:40 Uhr vorgelegt. Des Weiteren hat die Klägerin in einem persönlichen Schreiben vom 16. März 2011, auf dessen Inhalt hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, vorgetragen: Soweit sie sich erinnern könne, habe sie auf ihre Nachfrage hin erfahren, dass Frau Bs nunmehr bei der Arbeitsagentur (Arbeitgeberservice) beschäftigt sei. Frau B habe bei dem Anruf am 28. November 2007 sie explizit nach ihren Fremdsprachenkenntnissen gefragt, über die sie ja durch ihre Lehrtätigkeit bei S Kenntnis gehabt habe. Sie habe sie auf das bei der Arbeitsagentur durch die tunesische Botschaft eingereichte Stellenangebot hingewiesen.
Der Senat hat von den DRK Kliniken B die Patientenakte in Kopie und von der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte die die Klägerin betreffende Leistungsakte zur Kundennummer beigezogen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den Aktenzeichen S 163 U 575/08 und S 25 U 1202/08, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit zur Kundennummer 962 A 091815, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein noch ein Teil der ursprünglich zum Aktenzeichen S 25 U 1202/08 gegen die UKB erhobenen Klage. Beteiligte im Berufungsverfahren sind daher ausschließlich die UKB als Beklagte und Berufungsklägerin und die Klägerin als Berufungsbeklagte. Nachdem die Klägerin im Verfahren S 163 U 575/08 (mit der VBG als Beklagten und der UKB als Beigeladenen) noch eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gegen den Bescheid der VBG vom 05. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008 erhobenen hatte, mit der die Feststellung eines Arbeitsunfalls wegen Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII abgelehnt worden war, hat sich diese Klage durch die in der mündlichen Verhandlung des SG erklärte Klagerücknahme in der Hauptsache erledigt (§ 102 Satz 2 SGG). Die ursprüngliche Beiladung der UKB zum Verfahren S 163 U 575/08 ist so gegenstandslos geworden. Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 01. März 2012 zudem die Rücknahme ihrer auch auf Gewährung von Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Unfallversicherung gerichteten Klage erklärt hat, ist Gegenstand der Berufung letztlich nur die vom SG getroffene Feststellung, dass es sich beim Ereignis vom 30. November 2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die so verstandene, frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass ein Arbeitsunfall vorliegt. Die eben diese Feststellung ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist nach den Maßgaben des § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG Urteil vom 04. September 2007 - B 2 U 28/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 24). Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R –, in Juris). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Randnr. 3b zu § 128).
Ohne Zweifel erlitt die Klägerin am 30. November 2007 mit dem Sturz auf der Treppe in der Botschaft von Tunesien einen Unfall und zog sich hierbei als Gesundheitserstschaden eine Schädelprellung, Kopfplatzwunde, Prellung des linken Schulterblattes sowie eine Fraktur des fünften Mittelfußknochens links zu. Anhaltspunkte für die Mitwirkung „innerer“ Ursachen beim Zustandekommen des Sturzes ergeben sich weder aus der Unfallschilderung der Klägerin noch den vorliegenden Unterlagen über die Erstbehandlung durch die DRK Kliniken B W.
Die zur Zeit des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung – Verlassen der Botschaft nach Vorstellungsgespräch – stand auch im sachlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsschutz der Klägerin als meldepflichtige Person nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII in der zum Unfallzeitpunkt maßgeblichen Fassung sind versichert Personen, die nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, eines nach § 6 a SGB II des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers oder des nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Diese Bestimmung übernimmt inhaltlich die Regelung über den Versicherungsschutz von Arbeitslosen nach der Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO, wobei nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (BT-Drucksache 13/2204 S. 75) die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Aufforderung durch die Agentur für Arbeit „präzisiert“ worden sind. Voraussetzung für das Bestehen von Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII ist demnach, dass der Betroffene der Meldepflicht nach einem der darin genannten Gesetze unterliegt, und weiter, dass er die unfallbringende Verrichtung unternommen hat, weil er einer „Aufforderung“ der Agentur für Arbeit hierzu nachkam.
Die Klägerin unterlag der Meldepflicht nach dem SGB III, wie das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt hat und was nunmehr auch von der Beklagten nicht mehr bezweifelt wird. Maßgeblich ist hier zumindest die Vorschrift des § 309 Abs. 1 Satz 3 SGB III, wonach die allgemeine Meldepflicht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Alg I – wie hier im Fall der Klägerin nach § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III – ruht. Darüber hinaus bestand auch eine Meldepflicht nach § 37 b Satz 1 SGB III. Nach dieser Regelung sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Diese mit einer Sanktion (Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III) bewehrte Regelung dient der frühzeitigen Arbeitsvermittlung. Letztlich stellt sie eine Vorverlagerung der allgemeinen Meldepflicht aus § 309 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III dar. Dass neben der allgemeinen Meldepflicht nach § 309 SGB III bzw. § 59 SGB II Meldepflichten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII sich auch aus anderen Teilen bzw. Vorschriften des SGB III (oder SGB II) ergeben können, hat das BSG in seinem Urteil vom 05. Februar 2008 – B 2 U 25/06 R – (in Juris) bzgl. der Pflichten aus § 269 Abs. 2 Satz 3 SGB III ältere Fassung (jetzt § 269 Satz 3 SGB III) entschieden (so auch Schwerdtfeger in Lauterbauch, UV (SGB VII), 4. Auflage, Stand November 2010, Rdnr. 505).
Es liegt auch eine besondere, an die Klägerin im Einzelfall gerichtete Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit – hier der Agentur für Arbeit Lichtenberg - vor, eine andere Stelle – hier die Botschaft von Tunesien – aufzusuchen. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, enthält der am 28. November 2007 von der Bundesagentur für Arbeit Lichtenberg ausgefertigte Vermittlungsvorschlag für die Stelle als Sekretärin/ Übersetzerin bei der Botschaft von Tunesien mit entsprechender Rechtsfolgenbelehrung - § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III - eine Aufforderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII. Hierzu bezieht sich der Senat auf die im Einzelnen vom SG vorgenommene Auslegung des Vermittlungsvorschlages und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die von der Bundesagentur an die Klägerin ergangene Aufforderung naturgemäß nicht nur die Kontaktaufnahme mit dem potentiellen Arbeitgeber per Telefon oder e-mail betraf, sondern auch das Vorstellungsgespräch selbst. Insofern bezieht sich der Senat auf die Rechtsprechung des BSG, welches etwa in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2009 – B 2 U 8/08 R – (in Juris) darauf hinweist, dass der Versicherungsschutz nach einer Aufforderung des Arbeitsamtes, heute Arbeitsagentur, sich bei einem bestimmten Arbeitgeber wegen einer freien Arbeitsstelle zu melden, nicht unbedingt mit der ersten Vorstellung erschöpft ist, sondern auch die Fortsetzung der Verhandlung an einem folgenden Tag umfasst (mit Hinweis auf das Urteil vom 08. Juli 1980 – 2 RU 103/79 – in SozR-2200 § 539 Nr. 70). Wie aus dieser Entscheidung des BSG nochmals deutlich wird, endet die im Vermittlungsvorschlag enthaltene Aufforderung sich zu bewerben entsprechend dem verfolgten Zweck der Arbeitsvermittlung erst mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Dementsprechend bringt die Rechtsfolgenbelehrung ja auch zum Ausdruck, dass die Vereitlung des Vertragsschlusses – z.B. durch Nichterscheinen bei einem vom potentiellen Arbeitgeber gewünschten Vorstellungsgespräch - mit einer Sanktion bewehrt ist (vgl. auch den Wortlaut von § 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB III).
Es steht auch zur Überzeugung des Senats i.S.v. § 128 Abs. 1 SGG fest, dass das Aufsuchen der Botschaft von Tunesien am 30. November 2007 gegen 12:00 Uhr mittags (und damit der Aufenthalt in der Botschaft inklusive des Sturzes innerhalb des Botschaftsgebäudes) der Aufforderung zuzurechnen ist.
Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher Zusammenhang), ist wertend zu entscheiden, in dem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten ist dabei maßgebend, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG Urteile vom 12. Mai 2009 – B 2 U 8/08 R – und vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R –, jeweils in Juris). Bei meldepflichtigen Personen nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII ist, wenn – wie vorliegend – die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, maßgebend, ob sie mit der zum Unfallzeitpunkt ausgeübten Verrichtung der Aufforderung nachkommen wollten.
Dass die Klägerin beim Aufsuchen der Botschaft von Tunesien einer Handlungstendenz nachging, die darauf abzielte, der Aufforderung der Agentur für Arbeit Lichtenberg vom 28. November 2007 nachzukommen und ihr Bewerbungsverfahren um die freie Stelle bei der Botschaft erfolgreich zu Ende zu führen, unterliegt keinen ernsthaften Zweifeln. Ihren eigenen, von der Beklagten nicht bestrittenen und plausiblen Angaben zufolge hatte die Klägerin tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Aufforderung vom 28. November 2007, als sie das Botschaftsgebäude betrat. Sie hat spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 01. März 2012 überzeugend dargelegt, dass sie vor Antritt des Weges zur tunesischen Botschaft den Vermittlungsvorschlag erhalten und vor dem Aufsuchen auch von dessen Inhalt Kenntnis genommen hatte. Sie hat in der mündlichen Verhandlung ein so lebhaftes Bild vom Geschehensablauf gezeichnet, indem sie vorgetragen hat, den Vermittlungsvorschlag zum Vorstellungsgespräch mitgenommen zu haben, um sich gegebenenfalls legitimieren zu können, und dann aus dem Bewerbungsordner herangenommen zu haben, um die eigentlichen Bewerbungsunterlagen in der Botschaft zu lassen, dass der Senat keinen Zweifel daran hat, dass ihre Handlungstendenz zumindest auch wesentlich darauf gerichtet war, der Aufforderung der Agentur für Arbeit durch das Vorstellungsgespräch nachzukommen.
Diesem Befund steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin mit dem Bewerbungsgespräch auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgte. Es handelt sich beim Aufsuchen der tunesischen Botschaft aus Sicht eines objektiven Betrachters um eine einzige einheitliche Verrichtung und nicht um eine „gemischte Tätigkeit“ (siehe hierzu BSG Urteil vom 09. November 2010 – B 2 U 14/10 R – in Juris). Es ist allenfalls eine „Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz bzw. mit gemischter Motivationslage“, da sie sowohl eigenwirtschaftlichen Zwecken (Arbeitsplatzsuche zur Verbesserung der <eigenen> persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) als auch dem Zweck diente, der Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit vom 28. November 2007 etwa zur Vermeidung einer Sperrzeit nachzukommen. Dies ist für das Bestehen des Versicherungsschutzes unschädlich. Die Arbeitsplatzsuche als eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit steht einem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VI solange nicht entgegen, als die Klägerin der Aufforderung der Agentur für Arbeit nachkam, wobei für die Beurteilung der Handlungstendenz der Zeitpunkt der unfallbringenden Verrichtung ist. Es ist hier nämlich davon auszugehen, dass die Klägerin die konkrete Verrichtung – Aufsuchen der tunesischen Botschaft zum Vorstellungsgespräch – auch dann vorgenommen hätte, wenn ihre private Motivation entfallen wäre (vgl. BSG Urteil vom 09. November 2010 – B 2 U 14/10 R – in Juris). So ergibt sich aus dem in der Leistungsakte der Agentur für Arbeit dokumentierten Verhalten der Klägerin, dass sie den Aufforderungen der Agentur für Arbeit immer nachkam und dies auch wollte. Dies lässt nur den Schluss zu, dass sie sehr auf die Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber der Agentur für Arbeit und die Vermeidung von Sanktionen, wie Sperrzeiten, bedacht war. Um eine Sperrzeit zu vermeiden, war es ihr nach Kenntniserlangung von dem Vermittlungsvorschlag nicht mehr möglich, von dem zuvor schon vereinbarten Vorstellungsgespräch abzusehen. Ohne Kenntniserlangung von dem Vermittlungsvorschlag hätte sie jederzeit ohne Risiko in Bezug auf eine Sperrzeit das Vorstellungsgespräch auch kurzfristig absagen bzw. ihre Bewerbung zurückziehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst, in welchem die Klägerin mit der im Kern ihres Begehrens stehenden Feststellung eines Arbeitunfalls obsiegt hat.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.