Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 18.12.2014 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 53/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 69 SGB 9, VersMedV |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 9. Januar 2014 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 28. Februar 2014 verpflichtet, bei dem Kläger mit Wirkung ab 20. Dezember 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Auf den Antrag des 1949 geborenen Klägers vom 20. Dezember 2010 stellte der Beklagte bei ihm nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen mit Bescheid vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2011 einen Gesamt-GdB von 30 fest. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
- Bluthochdruck, Herzleistungsminderung (Einzel-GdB von 20),
- Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 20),
- Meniskusschaden beidseitig (Einzel-GdB von 20).
Mit der Klage bei dem Sozialgericht hat der Kläger einen GdB von mindestens 50 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Orthopäden Dr. K vom 22. November 2012 mit ergänzender Stellungnahme vom 19. April 2013 eingeholt, der bei dem Kläger vom 20. Dezember 2010 an den Gesamt-GdB mit 50 bewertet hat. Der Sachverständige hat folgende GdB-relevante Funktionseinschränkungen ermittelt:
- deutlicher Belastungsschmerz der Kniegelenke mit mäßiggradiger Bewegungseinschränkung und wiederholtem Reizzustand bei Verschleiß beidseitig; Gonarthrose Stadium 4 nach Kellgren beidseitig rechts stärker als links mit chronischer Reizung (Einzel-GdB von 40),
- wiederholter Rückenschmerz bei Bandscheibenverschleiß an der mittleren Lendenwirbelsäule mit linksbetontem Bandscheibenvorfall L3/4 und belastungsabhängiger Muskelschwäche mit Haltungsfehler, Muskelspannungsstörungen und Rumpfmuskelschwäche; vertebragenes lumbales (pseudoradikuläres) Schmerzsyndrom bei Spondylosis deformans L2-4 und NPP L3/4 links mit klinischem Verdacht auf eine Claudicatio-Symptomatik mit mehrsegmentalen Protrusionen (Einzel-GdB von 20).
Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 9. Januar 2014 verpflichtet, bei dem Kläger einen GdB von 40 festzustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Beklagte ist dem mit Ausführungsbescheid vom 28. Februar 2014 nachgekommen.
Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er zunächst sein Begehren weiterverfolgt, im Erörterungstermin vom 2. Oktober 2014 aber auf die Feststellung eines GdB von 50 beschränkt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 9. Januar 2014 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 28. Februar 2014 zu verpflichten, bei ihm mit Wirkung ab dem 20. Dezember 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die sozialgerichtliche Entscheidung zutreffend ist.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. Januar 2014 den Beklagten zu Unrecht lediglich zur Feststellung eines GdB von 40 verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Denn der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab Antragstellung.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Heranzuziehen sind hierbei die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“.
Die zwischen den Beteiligten im Streit stehende Bewertung der Funktionseinschränkungen der Kniegelenke hat sich an den Regelungen in Teil B Nr. 18.14 der Anlage zu § 2 VersMedV auszurichten. Danach ist für ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen einseitig ohne Bewegungseinschränkung ein GdB-Rahmen von 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkung von 20 bis 40 vorgesehen. Hieraus ergibt sich bei dem Kläger ein Einzel-GdB von 40. Denn an beiden Kniegelenken liegen hochgradige altersvoraneilende Verschleißerscheinungen mit Reizerscheinungen bei Belastungsschmerzen vor. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K in dessen Gutachten vom 22. November 2012. Der Gutachter hat in der ergänzender Stellungnahme vom 19. April 2013 nachvollziehbar dargelegt, dass wegen der Beidseitigkeit der Kniebeschwerden mit Beugestörungen und deutlichen Verschleißerscheinungen ein Einzel-GdB von 40 gerechtfertigt ist, denn trotz leidlich vorhandener Beweglichkeit ist die Belastbarkeit der Kniegelenke hochgradig eingeschränkt, wenn bei axialer Belastung, also beim Laufen und Stehen, entsprechende Beschwerden bestehen.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Der höchste Einzel-GdB von 40 für die unteren Extremitäten ist entsprechend den Darlegungen des Gutachters im Hinblick auf das Wirbelsäulenleiden des Klägers, das mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind, um einen Zehnergrad auf 50 zu erhöhen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.