Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Festbetragsgruppe Antipsychotika - andere, Gruppe 1- Paliperidon - Risperidon...

Festbetragsgruppe Antipsychotika - andere, Gruppe 1- Paliperidon - Risperidon - Invega® - Atypische Antipsychotika - Neuroleptika - Schizophrenie - manische Episode - bipolare Störung - Alzheimer-Demenz - schizoaffektive Störungen - SAD - Vergleichsgröße - Tragende Gründe - Wirkstärkenvergleichsgröße - Compliance - pharmakologisch-therapeutische Vergleichbarkeit - DDD - Defined Daily Doses - Generika - Prescribed Daily Dose - PDD - Zusammenfassende Dokumentation - Beurteilungsspielraum - Beurteilungsfehler - Therapiealternative - therapeutische Verbesserung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 22.06.2012
Aktenzeichen L 1 KR 296/09 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 3 Abs 1 GG, Art 12 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 29 Abs 4 Nr 3 SGG, § 54 Abs 1 S 2 SGG, § 96 Abs 1 SGG, § 119 SGG, § 35 Abs 1b SGB 5, § 35 Abs 3 S 1 SGB 5, § 35 Abs 5 SGB 5, § 35 Abs 7 S 4 SGB 5, § 97 Abs 1 S 7 SGB 5, § 92 Abs 1 S 1 SGB 5, § 31 S 2 SGB 10, § 11a AMG, § 25 Abs 2 AMG

Leitsatz

1. Bei der Bildung von Festbetragsgruppen der § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 SGB V muss nach § 35 Abs. 1 S. 3 SGB V gewährleistet bleiben, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen. Dabei kann es nicht alleine darauf ankommen, dass die denkbare Alternativen zugelassen und verordnungsfähig sind. Die Gewährleistung muss sich vielmehr auf eine Versorgung zu Festbetragspreisen beziehen: Kann ein Versicherter, der zu einer relevant großen Patientengruppe gehört, nur auf ein Arzneimittel verwiesen werden, welches seinerseits festbetragsgebunden ist, aber zum Festbetrag nicht erhältlich ist, fehlt es an einer Therapiealternative.

2. Der Gemeinsame Bundesausschuss muss das von § 35 Abs. 1 SGB V geforderte Prüfprogramm von Amts wegen durchführen. Er darf sich nicht auf die Einwände des stellungnahmeberechtigten Herstellers beschränken, da für alle Versicherten - und nicht nur den Patientenkreis, den der Hersteller im Blick hat - gewährleistet sein muss, dass die erforderlichen Therapiealternativen gegeben sind.

Tenor

Die in den Beschlüssen des Beklagten vom 26. August 2009 und vom 9. Mai 2012 enthaltenen Festbetragsfestsetzungen für den Wirkstoff Paliperidon werden aufgehoben.

Der Beklagte und der Beigeladene haben ihre Kosten selbst und die übrigen Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen des beklagten Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen für „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ vom 26. August 2009 sowie vom 9. Mai 2012, soweit darin jeweils Festbeträge für den Wirkstoff Paliperidon bzw. das Arzneimittel Invega® festgesetzt werden.

Die Festbetragsgruppe der „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ besteht aus den Wirkstoffen Risperidon und Paliperidon. Es handelt sich nach der Festsetzung um eine Festbetragsgruppe der Stufe II nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V; „pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkung, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen“). Beide Wirkstoffe haben als gemeinsames Indikationsgebiet das der Behandlung der Schizophrenie.

1. Atypische Antipsychotika sind eine Gruppe von Arzneimitteln, die unter anderem zur Behandlung der Schizophrenie eingesetzt werden. Klassischerweise wird zwischen den „typischen Antipsychotika“ und der später entwickelten, auf anderen Wirkungsmechanismen basierenden, Gruppe der Antipsychotika der 2. Generation, den ,‚atypischen“ Neuroleptika unterschieden.

2. Für den Wirkstoff Risperidon gibt es seit Ende 2007 keinen Patentschutz mehr. Die Klägerin vertreibt Arzneimittel mit diesem Wirkstoff unter dem Namen Risperdal®.

Arzneimittel mit Risperidon dienen der Behandlung der Schizophrenie, ferner zur Behandlung mäßiger bis schwerer manischer Episoden assoziiert mit bipolaren Störungen, zur Kurzzeitbehandlung (bis zu 6 Wochen) von anhaltender Aggression bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Alzheimer-Demenz, die auf nichtpharmakologische Methoden nicht ansprechen, bei Risiko für Eigen- und Fremdgefährdung sowie - als integraler Bestandteil eines umfassenden Behandlungsprogramms - zur symptomatischen Kurzzeitbehandlung (bis zu 6 Wochen) von anhaltender Aggression bei Verhaltensstörung bei Kindern im Alter ab 5 Jahren und Jugendlichen mit unterdurchschnittlicher intellektueller Funktion oder mentaler Retardierung, die gemäß der DSM IV Kriterien diagnostiziert wurden, bei denen der Schweregrad der aggressiven oder anderen störenden Verhaltensweisen eine pharmakologische Behandlung erfordert.

Bei Paliperidon handelt es sich um den aktiven Metaboliten des Wirkstoffs Risperidon. Paliperidon hat eine Hydroxylgruppe mehr als Risperidon. Risperidon wird über das CYP2D6-Enzymsystem (=Cytochrom-P450-Enzymsystem) der Leber zu 9-Hydroxyrisperidon (= Paliperidon) umgewandelt.

Der Wirkstoff Paliperidon ist seit dem Jahr 2007 in der gesamten EU zugelassen. Inhaberin der zentralen Zulassung ist die J International N.V. mit Sitz in Belgien. Paliperidon steht unter Patentschutz. Die Klägerin, eine Tochtergesellschaft des amerikanischen J-Konzerns, vertreibt Tabletten mit dem Wirkstoff als Arzneimittel unter dem Namen Invega®. Es handelt sich dabei um ein besonderes Retard-System („Extended Release“, deshalb „Paliperidon ER“), das die Klägerin OROS nennt. Dabei ist der Wirkstoff von einem Lack umhüllt, in den eine kleine Öffnung gebrannt ist. Durch Osmose wird die Wirkstoff-Lösung in sehr gleichmäßiger Art und Weise langsam aus der Öffnung gedrückt, bis der Wirkstoff nach maximal 24 Stunden verbraucht ist.

Invega® ist zunächst nur zur Behandlung der Schizophrenie zugelassen gewesen. Seit Januar 2011 ist das Medikament auch zur Behandlung psychotischer oder manischer Symptome bei schizoaffektiven Störungen (SAD) indiziert.

3. Der Beigeladene, der Gemeinsame Bundesausschuss (Unterausschuss Arzneimittel), beschloss am 8. Juli 2008 ein Stellungnahmeverfahren über die Änderung der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) in Anlage 2 zur Neubildung einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V einzuleiten, gebildet aus den Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Risperidon und Paliperidon.

Mit Schreiben vom 7. August 2008 wurde den Berechtigten Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahmeverfahren geboten. Die Klägerin kam dem mit ihrer Stellungnahme vom 8. September 2008 nach (Anlage A8 der Klageschrift). Der Beigeladene - Unterausschuss Arzneimittel - wertete in seiner Sitzung am 5. März 2009 die schriftlichen Stellungnahmen aus und führte in der Sitzung vom 14. April 2009 eine mündliche Anhörung durch. Dabei äußerte sich auch die Klägerin.

Am 18. Juni 2009 beschloss er (als Plenum nach § 91 SGB V) u. a. die Neubildung der Festbetragsgruppe der Stufe II „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ und setzte als Vergleichsgrößen für den Wirkstoff Paliperidon 5,5 und für den Wirkstoff Risperidon 1,4 fest. Die Gruppenbeschreibung lautet: „orale Darreichungsformen“. Darreichungsformen sind Filmtablette, Retardtablette, Lösung zum Einnehmen.

In den „Tragenden Gründen“ zum Beschluss heißt es, der Unterausschuss Arzneimittel sei zum Ergebnis gekommen, dass die vorgeschlagene Neubildung der Gruppe die Voraussetzungen für eine Festbetragsgruppenbildung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V erfülle (vgl. Zusammenfassende Dokumentation, Stand 21.07.2011, veröffentlicht unter http://www.g-ba.de/downloads/40-268-913/2009-06-18-AMR-IX-Antispsychotika_ZD.pdf).

Das Bundesministerium für Gesundheit beanstandete den Beschluss nicht. Die entsprechende Anzeige erfolgte am 7. August 2009. Die Bekanntmachung des Beschlusses erfolgte im Bundesanzeiger vom 13. August 2009 (BAnz S. 2786).

Bereits zuvor, am 19. Juni 2009, gab der Beklagte bekannt, die Durchführung eines Anhörungsverfahrens zur konkreten Festbetragsfestsetzung einzuleiten. Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 17. Juli 2009 auch gegenüber diesem Stellung.

Der Beklagte beschloss am 26. August 2009 (u. a.) für die Wirkstoffe der Festbetragsgruppe „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ ausgehend von einer Wirkstärkenvergleichsgröße (wvg = Wirkstärke/Vergleichsgröße) von 1,4 und einer Packungsgröße (pk) von 100 Stück einen Festbetrag von 50,43 €. Die Regressionsgleichung wurde auf p = 0,006082989 x wvg0,978847 x pk1,0386423 festgesetzt. Die Festbeträge sollten vom 01. November 2009 an gelten. Der Beschluss wurde im Bundesanzeiger vom 3. September 2009, S. 3074 bekannt gegeben.

4. Die Klägerin hat hiergegen am 5. Oktober 2009 Klage vor dem hiesigen Landessozialgericht erhoben.

Sie hat die Preise für Invega® nicht gesenkt. Der Umsatz ist seit der Festbetragsfestsetzung eingebrochen. Im Jahr vor dem Wirksamwerden der Festbetragsfestsetzung (September 2008 bis August 2009) betrug der mit Invega® erzielte Umsatz der Klägerin im ambulanten Bereich rund 15 Millionen €. Im Geschäftsjahr 2010 nur noch rund 420.000 €, im darauf folgenden Jahr rund 600.000 €.

5. Mit Beschluss vom 14. April 2011, veröffentlicht im Bundesanzeiger S. 2053, hat der Beigeladene die Festbetragsgruppe „Antipsychotika“, andere, Gruppe 1“ aktualisiert, um eine neue Verabreichungsform einzubeziehen. Auf die Anlagen BG 2 bis BG 4 des Schriftsatzes des Beigeladenen vom 24. April 2012 wird ergänzend Bezug genommen.

Der Beigeladene hat weiter mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 (Bundesanzeiger 2012, S. 469) unter anderem für die hier streitgegenständliche Festbetragsgruppe die Vergleichsgrößen aktualisiert und nunmehr auf 5,6 für Paliperidon und 1,3 für Risperidon festgesetzt.

Mit Beschluss vom 9. Mai 2012, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 16. Mai 2012, hat nunmehr auch der Beklagte die Festbetragsfestsetzung mit Wirkung zum 1. Juli 2012 aktualisiert.

6. Der Senat hat das Schreiben der Gemeinsamen Arbeitsgruppe Arzneimittelvereinbarung Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe/Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe „Risperidon - nur eine zielgerichtete Anwendung ist wirtschaftlich“, veröffentlicht unter http://www.kvwl.de/arzt/verordnung/arzneimittel/info/agavm/risperidon_agavm.pdf. in das Verfahren eingeführt. Danach besteht der Verdacht, dass Risperidon in großem Umfang bei Demenzerkrankungen über sechs Wochen hinaus verordnet, also im Off-(bzw. Beyond-)Label-Use eingesetzt wird.

Der Kläger des Parallelverfahrens L 1 KR 173/10 KL hat in seiner Klage vom 28. April 2010 vorgetragen, an „Gemischter schizoaffektiver Störung“ zu leiden. Gestützt auf ein Attest seiner behandelnden Fachärztin soll Invega® aufgrund der Verträglichkeit die Compliance fördern und nicht durch ein günstigeres Alternativpräparat ersetzbar sein.

Zur Begründung der Klage bringt die Klägerin in formeller Hinsicht vor, ihren Anhörungsrechten sei nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Zu Unrecht habe der Beigeladene Akteneinsicht verwehrt. Er habe sich zudem mit dem vorgebrachten Umstand, dass die praktisch relevanten Einsatzgebiete trotz übereinstimmender Zulassung im Bereich Schizophrenie aufgrund der zusätzlichen Indikationen von Risperidon völlig verschieden seien, nicht auseinandergesetzt. Der Einwand, dass die Vergleichsgröße nicht den medizinischen Stand der Erkenntnis abbilde, sei ignoriert worden. Auch der Beklagte habe Anhörungsrechte der Klägerin verletzt. Dessen Anhörungsverfahren sei bereits vor der Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium und vor Veröffentlichung des Beschlusses über die Bildung einer Festbetragsgruppe sowie der zugehörigen Vergleichsgrößen das Anhörungsverfahren eingeleitet worden.

Weiter fehle es bei Paliperidon und Risperidon an einer pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V. Der Begriff der pharmakologisch-therapeutischen Wirkung müsse vom Sinn und Zweck der Regelung ausgelegt werden. Die in einer Festbetragsgruppe zusammengefassten Wirkstoffe bzw. Arzneimittel müssten im Wesentlichen gegeneinander austauschbar sein. Dies sei aber nicht der Fall, wenn sich bereits auf pharmakologischer Ebene Unterschiede zwischen den Wirkstoffen ergäben, die sich in der Therapie niederschlügen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten durch § 35 Abs. 1b SGB V ausdrücklich keine unzumutbar hohen Anforderungen an den Nachweis therapeutischer Verbesserung gestellt werden. Maßgebend sollten die Fachinformationen des Arzneimittels sein. Soweit vergleichende klinische Studien zu direkten Endpunkten mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppen nicht vorlägen, können auch andere Studien berücksichtigt werden (Bezugnahme auf BT-Drs. 16/194 s. 7f). Auch das Bundessozialgericht (BSG) gehe davon aus, dass § 35 Abs. 1b S. 4 SGB V keine kumulativen Anforderungen stelle. Auch Studien alleine könnten die Verbesserung belegen (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 01.03.2011 –B 1 KR 7/10 R Rdnr. 28).

Der Umstand, dass bei Paliperidon eine Verstoffwechselung über das Cytochrom P450 -Enzymsystem (=CYP2D6) für das Erreichen der wirksamen Form nicht notwendig sei, sei therapeutisch relevant: Menschen, die langsame CYP2D6-Metabolisierer seien, tendierten zu einer schlechteren Verträglichkeit von Risperidon als andere Phänotypen. Von Vorteil sei die sofortige Wirksamkeit auch bei Patienten, bei denen in Folge einer eingeschränkten Leberfunktion die Aktivität des CYP450-Systems herabgesetzt sei. Da sehr viele Arzneistoffe und auch andere Substanzen über das CYP450-System verstoffwechselt würden, könne es immer wieder zu Wechselwirkungen kommen. Diese könnten dazu führen, dass der Arzneistoff nicht in einer ausreichenden Wirkkonzentration im Blut zur Verfügung stünde oder zu schnell abgebaut würde. Ein großer Anteil der Schizophrenie-Patienten erhalte gleichzeitig solche Arzneimittel. Die Interaktionswirkung sei nicht nur bei Arzneistoffen relevant, sondern auch bei Suchtmitteln. Zur Einnahme von solchen tendierten gerade Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen. Die Metabolisierungsbesonderheit führe dazu, dass Paliperidon mit der Mehrzahl der zentral aktiven Substanzen kombiniert werden könne, und diesbezüglich ein im Vergleich zu Risperidon erheblich geringeres Arzneimittelinteraktionsrisiko aufweise.

Ferner sei für Paliperidon in Tablettenform eine retardierende Freisetzung des Wirkstoffs (Paliperidon ER) gewählt worden. Der Vorteil der gleichmäßigen Wirkstofffreigabe liege in einer geringeren Nebenwirkungsrate, wie einer Verringerung des Auftretens einer Hypotension (Blutdrucksenkung), einem flacheren Plasmaspiegel und einer niedrigeren Substanzbelastung. Plasmaspitzenspiegel und Plasmaspiegelfluktuationen würden vermieden und so eine einmal tägliche Dosierung von Paliperidon ER ermöglicht. Paliperidon ER und orales Risperidon verfügten über klinisch bedeutsame, pharmakokinetische Unterschiede hinsichtlich der Zeit bis zum Erreichen der Plasmaspitzenkonzentration und unterschieden sich in der Fluktuation der Plasmaspiegelschwankungen deutlich voneinander. Paliperidon ER müsse im Gegensatz zu oralem Risperidon bei Behandlungsbeginn nicht titriert (Titration = vorsichtige Dosisanhebung) werden, sodass ein frühzeitiger Wirkeintritt gegeben sei. Diese Unterschiede stellten eine Verbesserung der Therapieoptionen dar. Bei an Schizophrenie erkrankten Patienten träten im Vergleich zu anderen Patientengruppen mit psychiatrischen Erkrankungen überdurchschnittlich häufig sowohl psychiatrische als auch somatische Komorbiditäten auf. Vor allem die psychiatrischen Komorbiditäten bedürften bei einem hohen Anteil der Betroffenen einer pharmakologischen Behandlung, so dass ein Anteil der schizophrenen Patienten vorübergehend oder dauerhaft mehrere Medikamente gleichzeitig einnehme. Für diese Patienten sei die Verringerung der Wechselwirkungsrate ein großer Vorteil. Die Vorteile von Paliperidon kämen insbesondere Kindern und Jugendlichen mit einer Schizophrenie, Patienten mit einer Einschränkung der Nierenfunktion und/oder Einschränkung der Leberfunktion, älteren Schizophrenie-Patienten zu Gute sowie Patienten, die eine Vielzahl von Arzneimitteln einnähmen und solchen mit Suchtmittelmissbrauch.

Gemäß den Fachinformationen könne für Paliperidon im Gegensatz zu Risperidon eine spezifische Anwendungs- und Dosierungsempfehlung für Patienten mit einer leicht bis mittelschwer ausgeprägten Störung der Leberfunktion ausgesprochen werden. Entsprechendes gelte für Patienten mit Einschränkung der Nierenfunktion. Nur für Paliperidon habe durch Phase II-Studien belegt werden können, dass Paliperidon auch bei Patienten mit leicht bis mittelschwer eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt werden könne. Deshalb habe in der Fachinformation zu Paliperidon (Fachinformation lnvega®, Kapitel 4.2: Dosierung, Art und Dauer der Anwendung) eine konkrete Dosierungsempfehlung bei dieser Patientengruppe ausgesprochen werden und die Anwendungssicherheit hierdurch optimiert werden können. Hingegen finde sich in der Fachinformation von Risperdal® ein Vorsichtshinweis für die Anwendung bei Patienten mit einer Einschränkung der Nierenfunktion. Da der Beigeladene in seiner Zusammenfassenden Dokumentation diesen Unterschied nicht berücksichtige, gehe er von einem falschen Sachverhalt aus.

Bei älteren Schizophrenie-Patienten über 65 Jahre müsse von einer Häufung internistischer, neurologischer und allgemeinmedizinischer Risikofaktoren sowie einer alterungsspezifisch reduzierten Organfunktion ausgegangen werden. Bei älteren Patienten finde sich zudem in der Regel eine deutliche Häufung von Mehrfachmedikationen. Im zulassungsrelevanten Studienprogramm der Phase III zu Paliperidon sei eine internationale, 6-wöchige, randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte klinische Studie mit optionaler 24-wöchiger, offener Anschlussbeobachtungsphase zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Paliperidon bei älteren Schizophrenie-Patienten (65 Jahre und älter) durchgeführt worden. Im Rahmen dieser Studie habe nachgewiesen werden können, dass Paliperidon für diese Risikogruppe wirksam und verträglich sei und sich in den Wirksamkeits- und Verträglichkeitsparametern keine Unterschiede zu den Studiendaten jüngerer zeigten. Die Ergebnisse der offenen Anschlussbeobachtung hätten die Resultate bestätigt. Zusammen mit Daten aus pharmakokinetischen Analysen in dieser Altersgruppe und mit pharmakokinetischen Analysen bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion könne der Einsatz von Paliperidon entsprechend in der Fachinformation von Invega® bei älteren Patienten empfohlen und die Dosierungsempfehlung unter Bezug auf die Nierenfunktion des individuellen Patienten spezifiziert werden. Gemäß der Fachinformation von Risperdal® müsse hingegen für Risperidon bei älteren Patienten generell eine niedrigere Anfangsdosis und eine Dosistitration empfohlen werden. Hintergrund sei vor allem auch das Risiko einer orthostatischen Hypotonie (starker Blutdruckabfall beim Aufrichten) und dem damit ein hergehenden Risiko des kardiovaskulären Reboundphänomens (krisenhafter und lebensbedrohlicher Anstieg des Blutdrucks). Dieses Risiko sei aufgrund der verzögerten Freisetzung und gleichmäßigen Wirkstoffanflutung durch Paliperidon ER gegenüber Risperidon deutlich minimiert.

Paliperidon stelle im - mangels ausdrücklicher Zulassung problematischen - Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine effektive und verträgliche Therapiealternative zu Risperidon dar, speziell um unter Risperidon auftretende Nebenwirkungen zu reduzieren oder um die Gefahr von Arzneimittelinteraktionen zu minimieren. Die verzögerte Freisetzung und die damit verbundene Möglichkeit der Einmalgabe im Gegensatz zur Mehrfachgabe bei Risperidon könne Stigmatisierungen der Kinder aufgrund ihrer Erkrankung im schulischen oder privaten Milieu vermeiden. Die pharmakologischen Eigenschaften von Paliperidon ER seien in einem ausführlichen präklinischen und klinischen Studienprogramm von insgesamt 15 klinisch-phar-makologischen und 13 biopharmazeutischen Studien mit gesunden Freiwilligen, Schizophreniekranken und speziellen Populationen Schizophreniekranker untersucht worden.

Die Einsatzgebiete von Paliperidon und Risperidon seien im Übrigen aufgrund der unterschiedlichen Zulassungssituation wesentlich verschieden. Risperidon sei neben der Schizophrenie auch in den Indikationen „Mäßige schwere manische Episoden“, „Schwere chronische Aggressivität und psychotische Symptome bei Demenz“ sowie „Verhaltensstörung bei Intelligenzminderung“ (Alter 5 bis 18 Jahre) zugelassen. In diesen weiteren Indikationen werde Risperidon typischerweise in kleineren Wirkstärken als in der Schizophrenie eingesetzt. Risperidon werde in mehr als 50% der Verordnungen bei älteren Patienten mit Demenz eingesetzt. Während bei Paliperidon über alle Altersstufen hinweg zu 86% die Schizophrenie ausschlaggebende Indikation für die Verordnung sei, gelte dies nur für ca. 30% der Verordnungen von Risperidon (Hinweis auf exakte Zahlen auf S. 9 der schriftlichen Stellungnahme der Klägerin im Anhörungsverfahren Anlage 5 der Klägerin).

Zuletzt stelle Paliperidon seit seiner Zulassung auch zur Behandlung der schizoaffektiven Störung eine therapeutische Verbesserung gegenüber Risperidon dar, weil eine Komorbidität einer Manie der Schizophrenie mit Paliperidon mitbehandelt werden könne.

Die vom Beigeladenen gemäß § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V ermittelte Vergleichsgröße sei nicht geeignet, zu einer rechtmäßigen Festbetragsfestsetzung zu führen. Die Vergleichsgröße müsse in jedem Fall sicherstellen, dass das Verhältnis der Festbeträge innerhalb einer Festbetragsgruppe dem Verhältnis der Wirkstärken entspreche. Die Methodik der durchschnittlichen Tagestherapiedosen (DDD, Defined Daily Doses) als der vom Gesetz in § 73 Abs. 8 S. 4 SGB V anerkannten Methodik für die Festbetragsbildung habe den Vorteil, dass sie durch die WHO auf Basis einer wissenschaftlichen Analyse festgelegt werde. Der Vergleich der Wirkstoffe erfolge in der Indikation, die Basis für die Bildung der Festbetragsgruppen sei. Selbst wenn sich die absolute Wirkstärke eines Wirkstoffs nur schwer ermitteln ließe und selbst wenn sich aus der DDD nur die angenommene mittlere Erhaltungsdosis eines Wirkstoffs in seiner Hauptindikation ablesen lasse, erlaube sie einen wissenschaftlich fundierten Vergleich der Wirkstoffe untereinander. Indikationen, die für den einen Wirkstoff nicht von Relevanz seien, blieben beim System der DDD hingegen außer Acht. Genau hier habe das vom Beigeladenen festgelegte System seine gravierenden Schwächen. Das Ergebnis der ermittelten Vergleichsgröße nehme die Aussage für sich in Anspruch, dass je kleiner die durchschnittliche verordnungsgewichtete Einzelwirkstärke, desto wirksamer der Wirkstoff sei. Denn die Vergleichsgröße solle ja sicherstellen, dass das Ziel der Festbeträge -die Belastung für die Gesetzliche Krankenversicherung für eine bestimmte Erkrankung bei gleichwertigen Produkten auch gleich hoch ausfallen zu lassen - erreicht werde. Diesem Anspruch werde die Vergleichsgröße aber nicht gerecht, weil sie anfällig sei für verschiedene Verzerrungen, die willkürlich erschienen.

Es sei zum einen schon überhaupt nicht ersichtlich, welchen Zweck die Rundung der Werte auf die nächsthöhere Zahl bezwecke. Es sei anzunehmen, dass jede Rundung eine gewisse Verzerrung in das Ergebnis mit einfließen lasse, welche eigentlich nicht notwendig sei. Die Verordnungszahlen würden ferner durch viele Faktoren beeinflusst. Ein Grundproblem der Vergleichsgröße sei es, dass die zu Grunde liegenden GKV-Verordnungszahlen nicht indikationsspezifisch ausgewiesen würden, sondern wirkstoffspezifisch. Die Bildung der Festbetragsgruppe beruhe in der Regel, wie auch hier, auf einer einzigen gemeinsamen Indikation. Wenn einer der in die Festbetragsgruppe einbezogenen Wirkstoffe zusätzliche Indikationen aufweise, in der eine andere Dosierung als die in der gemeinsamen Indikation vorherrsche, werde die Vergleichsgröße entsprechend beeinflusst. Im konkreten Fall führe das Konzept der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke nicht zu einem Ergebnis, das dem anerkannten medizinischen Stand der Erkenntnis entspreche. Konkret sei die Vergleichsgröße von Risperidon (Vergleichsgröße zunächst 1,4) zu niedrig angesetzt, das heißt, der Wirkstoff werde als deutlich wirksamer ausgewiesen, als er im Verhältnis zu Paliperidon tatsächlich sei. Relativ gesehen sei also Paliperidon (Vergleichsgröße 5,5) erheblich unterbewertet. Die durch den Beigeladenen ermittelten Ergebnisse stünden in krassem Widerspruch zu den Ergebnissen, die sich bei Zugrundelegung der DDDs für beide Wirkstoffe ergäbe. Die DDD für Paliperidon betrage in der Indikation Schizophrenie 6 mg, die DDD für Risperidon in der Hauptindikation Schizophrenie 5 mg. Dies entspreche einem Verhältnis von 6:5. Dieses Verhältnis könne als annähernd geeignet angesehen werden, um die therapeutische Äquivalenz zwischen Risperidon und Paliperidon abzubilden. Im Vergleich dazu werde Risperidon mit einer Vergleichsgröße von 1,4 um mindestens 220 % überbewertet. Ursache hierfür sei, dass in den weiteren Indikationen für Risperidon (mäßige schwere manische Episoden, schwere chronische Aggressivität und psychotische Symptome bei Demenz sowie Verhaltensstörung bei Kindern mit Intelligenzminderung) Risperidon typischerweise in kleineren Wirkstärken als in der Schizophrenie eingesetzt werde. Der Effekt der zusätzlichen Indikation werde noch dadurch verstärkt, dass Risperidon in mehr als 50% der Verordnungen bei älteren Patienten mit Demenz eingesetzt werde. Während bei Paliperidon über alle Altersstufen hinweg zu 86% die Schizophrenie ausschlaggebende Indikation für die Verordnung sei, gelte dies nur für ca. 30% der Verordnungen von Risperidon (Bezugnahme auf zu den Zahlen auf S. 9 der klägerischen Stellungnahme im Anhörungsverfahren vor dem GKV-Spitzenverband, Anlage 10 der Klägerin).

Auch entstünden durch die gebildeten Festbeträge auf Dauer höhere Kosten für das Gesundheitssystem. Die vom Beklagten reklamierten Einsparungen seien fragwürdig, so dass Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der gebildeten Festbetragsgruppe angebracht seien. Der Großteil der angenommenen Einsparungen aus der Festbetragsgruppe entfielen auf Originalpräparate, wobei davon ausgegangen worden sei, dass die Patienten auch nach Einführung des Festbetrags mit den entsprechenden Präparaten weiterversorgt würden. Es sei jedoch mehr als fraglich, ob sich die angenommenen Einsparungen überhaupt realisieren ließen. Gerade der Risperidon-Markt sei bereits in hohem Maße mit Rabatten durchsetzt. Die Einsparungen für Risperidon müssten um mindestens 52% nach unten korrigiert werden. Die Einsparungen, die auf Kosten von Paliperidon erzielt werden sollen, beruhten auf der Annahme, dass entweder die Preise für Paliperidon so abgesenkt würden, dass Paliperidon zum Festbetrag verfügbar sei und die Patienten mit diesem Präparat weiterversorgt werden könnten. Da die Preise nicht abgesenkt würden, könne ein Großteil der mit Paliperidon versorgten Patienten die notwendigen hohen Zuzahlungen nicht leisten. Daher sei davon auszugehen, dass auf Dauer eine Versorgung mit Paliperidon nicht mehr gewährleistet sei. Damit werde jedoch keine der erhofften Einsparungen einhergehen. Aus einer Analyse der realen Versorgungsdaten von bislang auf Paliperidon eingestellten Patienten (Bezugnahme auf Zusammenfassende Dokumentation Anlage 8) gehe hervor, dass Paliperidon primär von Fachärzten verordnet werde und zumeist bei vielfach vortherapierten Patienten mit mehrjährigem Krankheitsverlauf angewendet werde. Wie die Analyse zeige, seien bei diesen Patienten zum großen Teil bereits früher die heute generischen Atypika eingesetzt. Diese Patienten würden deshalb voraussichtlich nicht auf Generika wie Risperidon umgestellt, sondern andere teure patentgeschützte Atypika. Diese wiesen z. T. weit höhere Tagestherapiekosten auf als Paliperidon, so dass im Ergebnis sogar Mehrausgaben in Höhe von 1,25 Mio. € jährlich zu erwarten seien.

Die Klägerin beantragt,

die in den Beschlüssen der Beklagten vom 26. August 2009 und vom 9. Mai 2012 enthaltenen Festbetragsfestsetzungen für den Wirkstoff Paliperidon aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er unter anderem aus, eine therapeutische Verbesserung im Sinne des § 35 Abs. 1b SGB V setze eine erhebliche Verbesserung voraus. Das Arzneimittel müsse als zweckmäßige Therapie regelmäßig anderen vorgezogen werden. Die gälte auch für geringere Nebenwirkungen. Das „und“ in § 35 Abs. 1b S. 4 SGB V sei kumulativ zu verstehen. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Gruppenbildungsbeschlusses hätten die Fachinformationen für Risperidon (Stand 2007) zu den Nebenwirkungen die Häufigkeit von EP lediglich mit „gelegentlich“ angegeben. Im Beschlussverfahren des Beigeladenen zur Eingruppierung der Darreichungsform „Schmelzfilm“ habe sich die Klägerin nicht geäußert, obgleich die Zulassung für Paliperidon erweitert worden sei. Sie habe dies also selbst nicht für relevant gehalten. Die SAD könne auch mit anderen Arzneimitteln behandelt werden (Bezugnahme auf die Bewertung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft - AkdÄ - vom 26. August 2011).

Die Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke sei eine geeignete Vergleichsgröße im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V. Andere methodische Ansätze seien vom Beigeladenen aus verschiedenen Gründen verworfen worden. Die DDD sei nach Angaben der WHO und des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation (DIMDI) als Grundlage für Erstattungsentscheidungen nicht geeignet. Das Studien-Modell des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung sei für die Vielzahl der Festbetragsgruppen nicht praktikabel. Vorschläge aus dem Bereich der Pharmaindustrie seien überwiegend nicht umsetzbar gewesen, einzelne Modifizierungsanregungen habe der Beigeladene im Rahmen der Varianten der Vergleichsgrößenbildung in seine Verfahrensordnung aufgenommen. Die WHO sehe für Entscheidungen zur Kostenerstattung die so genannte verordnete Tagesdosis (prescribed daily dose) vor. Dieser entspreche vom Grundsatz her die Methodik der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke. Auch das BSG halte die ärztliche Verordnungspraxis für relevant. Schließlich hebe auch die Festbetragsregelung selbst, deren Grundlage die Vergleichsgröße ist, in § 35 Abs. 5 SGB V auf Verordnungsdaten ab.

Auch müsse der Beigeladene zur Gewährleistung seiner Funktionsfähigkeit für seine Vergleichsgrößenberechnung eine Methodik zugrunde legen dürfen, die er für sämtliche Gruppen einheitlich anwenden könne. Die Vergleichsgrößenbildung bei Festbetragsgruppen der Stufe II diene auch nur dazu, eine Vergleichbarkeit des Wirkstoffgehaltes der Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen herzustellen. Ihr alleiniger Sinn bestehe darin, dem Beklagten nach § 35 Abs. 3 S. 1 SGB V als Grundlage für die Festsetzung von Festbeträgen zu dienen. Für die Festbetragsfestsetzung sei eine Marktabbildung Voraussetzung, bei der die vorhandenen Preisrelationen unterschiedlicher Packungsgrößen und Wirkstärken mittels regressionsanalytischem Verfahren als mathematisches Modell abgebildet würden. Die Vergleichsgröße habe dabei die Aufgabe, verschiedene Maße durch Standardisierung zu vereinheitlichen. Besonders geeignet sei daher eine Methodik, die die Wirkstoffgehalte der Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen in ein mathematisches Verhältnis setze.

Weiter stelle auch das BSG stelle auf die ärztliche Verordnungspraxis ab (Bezugnahme auf Urt. v. 24.11.2004 -B 3 KR 10/04 R). Die Methode habe sich ferner in der Praxis bewährt. Der Ansatz der verordnungsgewichteten Ermittlung der Vergleichsgröße erscheine nicht nur als nicht willkürlich, sondern besonders sachgerecht und geeignet. Dass alle therapierelevanten Faktoren zu berücksichtigen seien, werde bereits bei der Gruppenbildung berücksichtigt. Hierzu gehöre beispielsweise die Prüfung einer unterschiedlichen Galenik und einer therapeutischen Verbesserung. Bei einer anderen Galenik (z.B. normal freisetzend/retardiert), unterschiedlichen Applikationswegen (z. B. parenteral/oral) und/oder Applikationsorten (z. B. systemisch/topisch). Ein Fall, in dem ein therapeutisch relevanter Unterschied nicht im Rahmen der Gruppenbildung zu berücksichtigen sei, sei aus Sicht des Beklagten nicht denkbar.

Auch aus dem Urteil des BSG vom 24.11.2004 lasse sich keine Forderung des BSG, ableiten, dass bei gleichen Packungsgrößen für das wirksamere Arzneimittel ein höherer Preis zu zahlen sei. Es sei festzustellen, dass sich das BSG auf den konkreten Fall bezogen habe. Das BSG ziehe zudem sogar eine gleich hohe Festbetragsfestsetzung für alle Arzneimittel einer Gruppe in Betracht, ohne Differenzierung nach der Wirkstärke. Dies könne seinen Grund nur in der Überlegung haben, dass alle in der Gruppe enthaltenen Arzneimittel mit ihren jeweiligen Wirkstärken dieselbe therapeutische Wirkung im gemeinsamen Anwendungsgebiet hätten, die durch die Zulassung beschrieben und belegt werde. Dennoch halte das BSG eine Differenzierung nach der Wirkstärke für eine zulässige Gleichbehandlung, weil das wirkstoffschwächere Arzneimittel höher dosiert werden müsse und damit höhere Kosten entstünden. Diese Aussage wiederum sei nur vor dem konkreten Hintergrund der dort angegriffenen Gruppenbildung der ACE-Hemmer zu sehen und zu verstehen. Verständlich werde die Überlegung des BSG, wenn man wisse, dass die Vergleichsgröße im Rahmen der dort angegriffenen Verordnung über eine studienbasierte Methodik erfolgt sei, bei der das Erreichen bestimmter Werte der Blutdrucksenkung bei Gabe der unterschiedlichen Wirkstoffe gemessen und verglichen worden sei. Nun habe diese zulässige Differenzierung nach Wirkstärken laut BSG „zur Folge, dass bei gleichen Packungsgrößen das wirksamere Arzneimittel einen höheren Festpreis zugeordnet bekommt als das wirkstoffschwächere Arzneimittel“. Dieser Satz enthalte keine Forderung, sondern beschreibe eine Beobachtung, die das BSG im konkreten Fall gemacht habe.

Welchen Festbetrag ein Arzneimittel letztlich erhalte, werde maßgeblich vom Markt bestimmt. Der Wirkstärkengehalt könne auf den Apothekenverkaufspreis einen Einfluss haben, müsse dies aber nicht. Gänzlich falsch sei die in diesem Zusammenhang geäußerte Vorstellung der Klägerin, dass das Verhältnis der Festbeträge innerhalb einer Festbetragsgruppe dem Verhältnis der Wirkstärken entsprechen müsse. Dieser Ansatz sei schon mit der eigenen Preisgestaltung der Klägerin zu lnvega® nicht vereinbar. Wie die Tabelle auf S. 9 der Klagebegründung verdeutliche, sei beispielsweise 9 mg lnvega® in der 28er Packung nicht dreimal so teuer und 6 mg Invega® nicht doppelt so teuer wie 3 mg.

Da sich der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 SGB V für eine wirkstoffbezogene Gruppenbildung entschieden habe, müsse es keine Indikationsidentität für Arzneimittel geben. Die Vergleichsgröße habe den alleinigen Sinn, dem Beklagten nach § 35 Abs. 3 S. 1 SGB V als Grundlage für die Festsetzung der Festbeträge zu dienen. Für die in diesem Rahmen erforderlichen Marktabbildungen sei die Methodik der Vergleichsgrößenbestimmung des Beigeladenen sachgerecht. Die Festbetragsregelung gem. § 35 SGB V unterscheide nicht zwischen unterschiedlichen Indikationen. Die Berücksichtigung aller Indikationen im Rahmen der Vergleichsgrößenbildung erscheine schon aus diesem Grunde sachgerecht. Die Festbetragsfestsetzung bewerte zudem nicht, sondern bilde den vorhandenen Markt ab. Der Gesetzgeber stelle in § 35 Abs. 1 S. 2 SGB V ausdrücklich auf pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe und nicht auf Arzneimittel mit gleichen Indikationen ab. Die zur Umsetzung des § 35 SGB V erforderliche Zusammenfassung von Arzneimitteln mit verschiedenen Wirkstoffen und deren Wirkstärken beinhalte keine Bewertung der therapeutischen Wirksamkeit des Wirkstoffes im Sinne einer Nutzenbewertung.

Die Vergleichsgröße sei damit weder Ausdruck der therapeutischen Wirksamkeit noch der Kosten der Arzneimitteltherapie, sondern diene allein dazu, die Wirkstoffgehalte der Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen in ein mathematisches Verhältnis zu setzen, um dann im nächsten Schritt die vorhandenen Preisrelationen mittels regressionsanalytischem Verfahren abzubilden. Auf dieser Grundlage werde unter Berücksichtigung der Kriterien des § 35 Abs. 5 SGB V nachfolgend die Höhe der Festbetragsfestsetzung ermittelt. Die Festbetragshöhe sei danach das Ergebnis der Marktabbildung und insbesondere geprägt durch die Preisgestaltung der Anbieter und durch das Verordnungsverhalten der Ärzte. Der Markt bestimme die Festbetragshöhe. Damit werde die Festbetragsfestsetzung der Forderung des BSG in den Urteilen vom 24.11.2004 (Az: B 3 KR 10/04 R und B 3 KR 23/04 R), dass Festbetragsfestsetzungen zu keiner Wettbewerbsverzerrung führen dürften, in optimaler Weise gerecht und sei jedenfalls vom Gestaltungsspielraum des Beigeladenen gedeckt.

Soweit von der Klägerin und vom Senat Angaben zur Verordnungshäufigkeit unterschiedlichen Indikationen für Risperidon in das Verfahren eingeführt worden seien, seien diese mängelbehaftet und erlaubten keine validen Aussagen.

Auch der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, sein Beschluss zur Zusammenfassung der Wirkstoffe Paliperidon und Risperidon in eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V sei in einem formell ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen.

Seine Dokumentation sei vollständig. Ihr seien die maßgeblichen Verfahrensschritte einschließlich des sich anschließenden Prüfverfahrens nach § 94 Abs. 1 SGB V zu entnehmen. Die Klägerin habe keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf Einsicht in Beratungsunterlagen oder Niederschriften. Dem stehe bereits die Vertraulichkeitsverpflichtung des Beigeladenen nach § 91 Abs. 7 S. 7 SGB V entgegen. Diese Norm binde den Beigeladenen auch im Hinblick auf § 119 SGG.

In welcher Weise Stellungnahmen in die Entscheidung einzubeziehen seien, ergebe sich u. a. aus den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 35 Abs. 1 b S. 6 SGB V (Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/194, S. 9). Wie sich aus der Zusammenfassenden Dokumentation ergebe, habe der Beigeladene dem Sinn und Zweck des Normgehaltes des § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1b S. 6 SGB V hinreichend Rechnung getragen. Die Stellungnahmen seien systematisiert, 17 Einwände extrahiert und diese einer jeweils eigenständigen Bewertung zugeführt worden (Bezugnahme auf die Zusammenfassende Dokumentation).

Mit der Rüge der Klägerin, der Beigeladene habe im Rahmen der Auseinandersetzung mit den eingegebenen Stellungnahmen den Argumenten nicht hinreichend Rechnung getragen, könne sie nicht durchdringen. Weder aus dem Wesen der Sachverständigenanhörung nach § 35 Abs. 2 SGB V noch aus höherrangigem Recht lasse sich ein subjektiv-öffentliches Recht der Klägerin auf vollständige Dokumentation der Erwägungen im Vorfeld einer Richtlinienentscheidung herleiten, aus dessen Verletzung heraus sie eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses zur streitgegenständlichen Festbetragsgruppenbildung ableiten könne. Das Stellungnahmeverfahren diene in erster Linie dazu, sicherzustellen, dass die Sachkenntnis der pharmazeutischen Hersteller, der Apotheker sowie der Sachverständigen der besonderen Therapierichtung Berücksichtigung finden könne.

Anhand der umfangreichen Ausführungen des Beigeladenen unter Abschnitt C 4 der Zusammenfassenden Dokumentation könne nachvollzogen werden, dass eine inhaltliche Befassung mit den eingegebenen Stellungnahmen in ausreichendem Maße sowohl zu den Entscheidungsgrundlagen des Beigeladenen als auch zu weitergehenden Aspekten der Prüfung einer therapeutischen Verbesserung stattgefunden habe.

Paliperidon und Risperidon seien pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGBV.

Der Beigeladene wiederholt hierzu die Ausführungen der Zusammenfassenden Dokumentation unter Bezugnahme auf die europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und die Fachinformationen. Mit der Gruppenbildung bleibe gewährleistet, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt würden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stünden.

Die arzneimittelrechtliche Zulassung von Invega® erlaube keinen Rückschluss darauf, dass ausschließlich mit dem Wirkstoff Paliperidon besondere - über den Einzelfall hinausgehende - Patientenkollektive zu erschließen seien. Ausgehend von einem normgerechten Begriffsverständnis, wonach gemäß § 35 Abs. 1 S. 3 1. Hs. SGB V nur ein solches Arzneimittel von der Gruppenbildung auszunehmen sei, das eine arzneimittelrechtliche Zulassung in einem Bereich besitze, für das kein anderes Arzneimittel im Therapiegebiet eine Zulassung besitze, erfülle das Arzneimittel Invega® diese Voraussetzungen nicht. Es sei kein Anwendungsgebiet ersichtlich, für das Invega® die einzige Therapiemöglichkeit darstelle. Dies gelte auch im Hinblick auf die Behandlung der SAD. Geboten, vorhersehbar und kontrollierbar sei insoweit der zulassungsbezogene Prüfansatz. Notwendig sei es also, dass sich aus der Fachinformation ableiten lasse, dass ein Arzneimittel zur Behandlung von Versicherten durch ein anderes Arzneimittel nicht gleichwertig ersetzt werden könne - nicht jedoch ausgetauscht können werden müsse -‚ weil es für die ärztliche Therapie bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten, nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar sei (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 24.11.2004 -B 3 KR 23/04 R- Rdnr. 29) Unter diesem Aspekt komme es indes nicht darauf an, ob der Preis des Präparates auf den Festbetrag abgesenkt werden könne, denn die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels bleibe durch die Festbetragsfestsetzung unberührt (Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.12.2009 - Az.: L 9 KR 8/08, S. 13 f.). Letztlich könne es unter dem Gesichtspunkt des Prüfansatzes nach § 35 Abs. 1 S. 3 1. Hs. SGB V auch dahinstehen, inwieweit vermeintlich therapeutische Vorteile hinreichend belegt seien. Denn anders als im Rahmen der Prüfung nach § 35 Abs. 1 S. 3 1. Hs. SGB V kämen erst unter dem Gesichtspunkt der therapeutischen Verbesserung nach § 35 Abs. 1 S. 3 2. Hs. SGB V die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffes zum Tragen, soweit diese therapeutisch relevant seien (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 K R 10/10 R- Rdnr. 61). Anderenfalls käme der Ausnahmeregelung des § 35 Abs. 1 S.3 2. Hs. SGB V unter dem Gesichtspunkt der „therapeutischen Verbesserung“ kein eigenständiger Regelungsgehalt zu, was angesichts des Wortlautes und der Gesetzessystematik zur Festbetragsgruppenbildung fern liegend sei.

Während im Zentrum der Prüfung der pharmakologischen-therapeutischen Vergleichbarkeit die Frage stehe, ob die in eine Festbetragsgruppe einzuordnenden Wirkstoffe über einen im Hinblick auf die Therapie vergleichbaren Wirkungsmechanismus verfügten, sei Gegenstand der Prüfung der therapeutischen Verbesserung, ob ein Wirkstoff einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Wirkstoffe einer Festbetragsgruppe habe und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Wirkstoffen dieser Gruppe vorzuziehen sei (§ 35b Abs. 1 b S. 1 SGB V). Zudem ergebe sich aus der systematischen Stellung der Tatbestandsmerkmale der „pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit“ einerseits in § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V und der „therapeutischen Verbesserung“ in § 35 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. SGB V andererseits ein Stufenverhältnis der Bewertungsschritte. Erst die Eingruppierung eines Wirkstoffes aufgrund seiner pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V verpflichte den Beigeladenen gleichsam in einem zweiten Schritt der Vorgabe Rechnung zu tragen, dass die nach Abs. 2 S. 2 Nr. 2 gebildeten Gruppen gewährleisten müssten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt würden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stünden, bevor auf einer dritten Stufe der Frage nachzugehen sei, ob ein Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen wegen seiner neuartigen Wirkungsweise oder einer therapeutischen Verbesserung von der Gruppenbildung auszunehmen sei.

Wenn demnach das Eintreten in die Prüfung, ob ein Wirkstoff eine therapeutische Verbesserung darstelle, zunächst einmal von dem zusätzlichen Tatbestandsmerkmal des Patentschutz des Wirkstoffes abhänge, handele es sich um einen Ausnahmetatbestand im Rechtssinne, der eine Sonderstellung für bestimmte Arzneimittel unter erweiternden Voraussetzungen, wie unter anderem der therapeutischen Verbesserung, begründe.

Die von der Klägerin vorgebrachten Vorteile der Therapie mit Paliperidon gegenüber der mit Risperidon zur Behandlung von Kindern sei bemerkenswert, da sie sich auf eine Patientengruppe beziehe, die grundsätzlich nicht Gegenstand der Zulassung sei und damit vom maßgeblichen Anwendungsgebiet der „Schizophrenie“ weder von lnvega® noch Risperdal® erfasst sei. Die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren werde jeweils nicht empfohlen. Soweit Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels durch die Zulassungsbehörde nicht überprüft worden sei, fehle es bereits am Leistungsgegenstand der GKV. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinne liege nur vor, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitze, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden solle. Der Begriff des Indikationsgebietes erfasse dabei nicht nur Anwendungsgebiete im Sinne unterschiedlicher Krankheitsentitäten, sondern diene auch der Abgrenzung der Patientenkreise bezogen auf die Differenzierung nach Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen. Das BSG habe betreffend die Abgrenzung der Indikationsgebiete hinsichtlich der Patientenkreise in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 (B 1 KR 5/09 R) weitergehend ausgeführt, dass bei dem zulassungsüberschreitenden Einsatz von Ritalin - zugelassen bislang nur zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen - zur Behandlung von Erwachsenen nicht von einer bestimmungsgemäßen Anwendung auszugehen sei.

Die von der Klägerin behaupteten Vorteile für Kinder- und Jugendliche hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils ließen sich zudem auch nicht indirekt aus dem Nebenwirkungsprofil der Erwachsenen ableiten. Nicht nur Paliperidon ER ermögliche die einmal tägliche Gabe des Wirkstoffes. Auch in der Dosieranleitung zu Risperidon werde ausdrücklich auf die einmal tägliche Einnahme verwiesen. Auch die vermeintlichen Vorteile für ältere Patienten bestünden nicht im relevanten Umfang. Sowohl Paliperidon als auch Risperidon könnten jedoch laut Fachinformation einmal täglich oral dosiert werden. Es sei auch unzutreffend, wenn die Klägerin argumentiere, allein aus der Tatsache, dass eine Dosistitration im Einzelfall nicht erforderlich sei, könne eine Dosisempfehlung für Invega® zur Behandlung der benannten Patientenkollektive gegeben werden. Entscheidend sei, dass die interindividuelle Wirkstoffverfügbarkeit sich nicht maßgeblich unterscheide.

Auch hinsichtlich der Einschränkung der Leber- und Nierenfunktion folge aus den Fachinformationen, dass auch mit Risperdal® behandelt werden könne.

Ein ähnliches Bild ergebe sich für den Einsatz von Paliperidon und Risperidon bei älteren Patienten. Der Einsatz des Wirkstoffes hänge nämlich maßgeblich davon ab, in welchem Ausmaß etwa eine für ältere Patienten typische Einschränkung der Nierenfunktion festzustellen sei. In diesem Lichte seien letztlich auch die Ausführungen der Klägerin zu betrachten, die auf Grundlage der Angaben zur Dosierung bei älteren Patienten darauf abhöben, dass sich ein Vorteil hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit von Paliperidon bei älteren Schizophrenie-Patienten insbesondere unter Berücksichtigung weitergehender alterstypischer Einschränkungen der Gesundheit zeige.

Zur Behandelbarkeit aller Syndrome der SAD mit anderen Antipsychotika als Paliperidon verweist auch der Beigeladene auf die Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vom 26. August 2011. Er habe im Rahmen des Änderungsverfahrens erneut geprüft, ob Therapiemöglichkeiten eingeschränkt würden und habe dies verneint. Auch komme es unter dem Aspekt der Nebenwirkungen nicht zu den von der Klägerin behaupteten Einschränkungen der Therapiemöglichkeiten. Der Fachinformation von Invega® sei im Vergleich zu der von Risperdal® kein Vorteil im Hinblick auf Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen zu entnehmen. So trete bei Paliperidon eine orthostatische Hypotonie, die nach Angaben der Klägerin besonders bedrohlich für ältere Patienten ist, im Vergleich zu Risperidon sogar häufiger auf. Das Sicherheitsprofil von Invega® und Risperdal® hinsichtlich Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen unterschiede sich nicht so, dass es einer Festbetragsgruppenbildung durch die Erschließung besonderer Patientenkollektive entgegenstünde. Für die Beurteilung seien vorrangig klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen. Auf die Einbeziehung der Meinungsäußerung von Einzelnen oder Gruppen von Fachleuten komme es nach den Ausführungen des BSG jenseits der Gewährleistung der Stellungnahmerechte nicht an (BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R-Rn. 64). Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 b S. 5 SGB V sei es geboten, im Rahmen des gesetzlich festgeschriebenen Prüfmaßstabes eine umfassende Sichtung der aktuellen relevanten Studienlage zur Wirkstoffgruppe vorzunehmen. Der Gesetzgeber habe mit § 35 Abs. 1 S. 3, 2. Hs. Alt.2 SGB V eine Ausnahmeregelung für Arzneimittel statuiert, die echte Innovationen mit therapierelevantem Zusatznutzen bedeuteten (Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/194 S. 7) Von der Bildung eigentlich zulässiger Festbetragsgruppen seien danach patentgeschützte Arzneimittel ausgenommen, deren Wirkungsweise neuartig sei oder die eine therapeutische Verbesserung bedeuteten. Um bloße Scheininnovationen nicht zu begünstigen, erfolge der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht allein aufgrund der Fachinformation, sondern auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Vorrangig seien klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe, mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R - Rn. 44).

Da es die behaupteten Vorteile im Hinblick auf ein verbessertes Nebenwirkungsprofil hinsichtlich extrapyramidalmotorischer, gastrointestinaler, schlaf- und müdigkeitsbezogener, orthostatischer und gewichtsbezogener Ereignisse ausweislich der Fachinformationen nicht gebe, scheide ein therapeutischer Vorteil von vornherein aus. Zusätzlich habe sich der Beigeladene mit dem Studienmaterial auseinandergesetzt. Er habe kein relevantes Studienmaterial außer Acht gelassen und sich mit der Aussagekraft der für den Nachweis einer therapeutischen Verbesserung herangezogenen Studien detailliert auseinandergesetzt. Er habe sich mit den auch im vorliegenden Rechtstreit geltend gemachten therapeutischen Vorteilen von Paliperidon im Rahmen der Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen umfassend auseinandergesetzt, sie erwogen und zu jedem Einwand gesondert beschlossen, ob er zu einer Änderung der Bewertungsentscheidung Anlass gebe. Ausweislich der dokumentierten umfangreichen Begründung sehe der Beigeladene die Argumentation, der Beigeladene habe sich nicht hinreichend mit den vorgetragen Einwänden gegen die Festbetragsgruppenbildung auseinandergesetzt, als entkräftet an.

Zuletzt erweise sich auch die vom Beigeladenen gewählte Methodik zur Ermittlung der Vergleichsgröße unter Zugrundlegung der verordnungsgewichteten Einzelwirkstärke als sachgerecht und stehe insbesondere mit § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V im Einklang und verletze das Willkürverbot nicht. Zutreffend weise bereits der Beklagte darauf hin, dass dem Beigeladenen bei der Entscheidung über die Methodik der Vergleichsgrößenbestimmung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zuzugestehen sei (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R, Rdnr. 83). Der Beigeladene habe sicherzustellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten individuell benötigte Arzneimitteldosis annähernd gleich seien. Systemgerecht könne er davon ausgehen, dass nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken zugelassen würden und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte die Wirkstärken angemessen verordneten. Unter diesen Prämissen sei seine Schlussfolgerung, die er im Hinblick auf den Aussagegehalt der bestimmten Vergleichsgröße ziehe, nicht zu beanstanden Aus der Häufigkeit, mit der eine Wirkstärke verordnet werde, ließen sich einerseits Rückschlüsse auf ihre Therapierelevanz (in der Versorgung) ziehen. Zum anderen ließen sich mit Hilfe der mittleren Ergebnisse der Wirkstärkenverordnungsanteile für jeden der Wirkstoffe das Verhältnis der Unterschiede zwischen den (auf Basis der Entscheidung des behandelnden Arztes) therapiegerechten Verordnungsmengen zutreffend wiedergeben. Insoweit werde auch eine angemessene und sachgerechte Basis für die endgültige Festlegung des Festbetrages auf Grundlage einer mathematischen Regressionsgleichung geboten.

Auch die von der Klägerin bevorzugte DDD, die sich bereits nach den Angaben des DIMDI nicht für einen Vergleich, wie er mit der Festbetragsregelung verfolgt werde, eigne, weise insoweit Unzulänglichkeiten auf. Anhand der Daten aus dem Quartal 1/2007 kämen die Autoren Grimmsmann und Himmel zu dem Ergebnis, dass Unterschiede der sog. PDD im Vergleich zur DDD in der Regel nicht auf eine unangemessene Verordnungsweise zurückzuführen, sondern vielmehr Indiz dafür seien, dass die DDD nicht regelhaft die tatsächliche mittlere tägliche Erhaltungsdosis abbildeten. Auf dieser Basis könne es auch zu Fehleinschätzungen der Tagestherapiekosten kommen (Bezugnahme auf Grimmsmann/Himmel, Gesundheitswesen 2010, 72,S. 412-418, Kopie Anlage BG 15 des Beigeladenen). Hierin liege ein Vorteil der vom Beigeladenen gewählten Methodik, die sich in hinreichend objektivierbarer Weise an der tatsächlichen Situation der Verordnungen in der Praxis im Hinblick auf die Wirkstärke orientiere. Die damit verbundene Bedarfsorientierung und Flexibilität der Methodik zur Reaktion auf eine veränderte Marktlage biete insoweit eine direkte Verknüpfung zur Festbetragsfestsetzung und damit der Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Die Klägerin verkenne bereits den Ansatz der vom Beigeladenen gewählten Methodik, Wirkstoffe innerhalb einer Festbetragsgruppe vergleichbar zu machen. Die Methodik der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke stehe unter der Prämisse, dass nur sinnvolle Wirkstärken zugelassen würden. Unter diesem Gesichtspunkt sei gewährleistet, dass der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse hinsichtlich der therapeutischen Einsatzbreite eines Arzneimittels angemessen berücksichtigt werde. Durch die Zulassung sei belegt, dass jede Wirkstärke einen therapeutischen Effekt habe und insoweit seinen Stellenwert in der Versorgung mit dem konkreten Wirkstoff einnähme. Dieser Stellenwert werde indes nicht durch eine graduelle Abstufung des Effektes bewertet, sondern wertungsfrei durch die Häufigkeit seines Einsatzes in der ambulanten Versorgung abgebildet. Die Zielsetzung der gewählten Vergleichsgrößenmethodik verfolge gerade nicht die Abbildung vermeintlicher Effektunterschiede. Die weitergehende Berücksichtigung der vermeintlichen Äquipotenz der Wirkstoffe ihrerseits führte zu einem verzerrenden Eingriff in den Wettbewerb. Der Beigeladene würde einem spezifischen Wirkstoff einen therapeutischen Vorteil beimessen, der sich anhand des gebotenen Prüfprogramms auf der Ebene der Gruppenbildung gerade nicht abbilde. Die Härten, die mit der Methodik des Beigeladenen verbunden sind, ließen sich nicht vermeiden.

Auf die von den beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen - insbesondere die Fachinformationen zu einzelnen Arzneimitteln - wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klage ist zulässig.

1.1

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für die Klage erstinstanzlich zuständig aufgrund der §§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 29 Abs. 4 Nr. 3 S. 2, 2. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage, die auf Anfechtung im Sinne des § 54 Abs. 1 S.1, 1. Alt SGG gerichtet ist, wendet sich gegen die Festsetzung von Festbeträgen durch den Beklagten.

Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 S. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch - SGB X -; wohl einhellige Auffassung, vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urt. v. 17.12. 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - BVerfGE 106, 275, 305ff; BSG, U. v. 24.11.2004 - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,3 v. 1.03.2011 - B 1 KR 7/10 R - Rdnr. 11).

Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, § 54 Abs. 1 S. 1, 1. Alt i. V. m § 35 Abs. 7 S. 3 SGB V.

Die Klagefrist von einem Monat nach der Bekanntgabe (§ 87 Abs. 1 S. 1 SGG) ist gewahrt. Die Festsetzung galt 14 Tage nach der Veröffentlichung als bekannt gegeben, § 37 Abs. 4 S. 3 SGB X. Die Veröffentlichung erfolgte hier am 3. September 2009. Die Klagefrist begann am 17. September 2009 zu laufen. Die Klage ist bereits am 5. Oktober 2009 eingegangen.

Streitgegenstand ist der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen vom 26. August 2009 und vom 9. Mai 2012. Die zweitgenannte Festsetzung ist kraft Gesetzes (§§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG) für die Zeit ihrer beabsichtigten Geltung ab 1. Juli 2012 in das Gerichtsverfahren einbezogen (vgl. BSG, Urt. v. 01.03.2011 –B 1 KR 7/10 R Rdnr. 11).

Festbetragsfestsetzungen sind nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Recht, hier insbesondere § 35 Abs. 5. S. 3 SGB V, in zeitlicher Hinsicht teilbare Verwaltungsakte (vgl. näher BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R Rdnr. 17).

1.2

Die Klägerin ist klagebefugt. Es fehlt weder vergangenheitsbezogen noch mit Blick auf die Zeit nach dem 1. Juli 2012 an der Behauptung einer Beschwer § 54 Abs. 1 S. 2 SGG.

Der Senat hat zuletzt im Beschluss vom 6. Dezember 2011 (L 1 KR 184/11 ER, juris-Rdnr. 73ff) seine Auffassung bekräftigt, dass Arzneimittelhersteller bzw. Vertriebsunternehmen geltend machen können, durch eine Festbetragsfestsetzung in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 12 GG Art verletzt zu sein, in dem ein erheblicher Wettbewerbsnachteil behauptet wird (so bereits B. v. 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - juris Rdnr 42 sowie v. 17.12.2007 - L 1 B 435/07 KR ER - juris Rdnr, in Nachfolge von BSG, Urt. v. 24.2004 - B 3 KR 10/04 R - BSGE 93, 296, 298ff und - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,4ff).

Dies entspricht im Ergebnis auch der einhelligen Auffassung der mit der Materie befassten Senate des BSG. Diese sind sich einig, dass eine Verletzung subjektiver Rechte eines Arzneimittelherstellers im Zusammenhang mit der Richtlinienfestsetzung des Beigeladenen nur - indirekt - aus der damit verbundenen Einflussnahme auf den Wettbewerb der Hersteller untereinander resultieren kann.

Die Entscheidung des BVerfG vom 17. Dezember 2002 hat die Grundrechtsbetroffenheit von Arzneimittelherstellern nur verneint, soweit die Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festbetragsfestsetzung von Arzneimitteln ermächtigt worden sind (BVerfG a.a.O. S. 297f). In der Entscheidung heißt es ausdrücklich, die noch offenen Fragen zu den Einzelheiten der Festbetragsfestsetzungen hätten keinen Einfluss auf die hier vorgenommene verfassungsrechtliche Klärung. Geprüft worden sei nur das Verfahren zur Normsetzung, nicht jedoch die mit den Normen selbst verbundenen materiellen verfassungsrechtlichen Fragen (BVerfG a.a.O. S. 296). Nur die Festbetragsfestsetzung als solche berührt Art. 12 GG nicht (ebenso BSG. U. v. 24.11.2004 - B 3 KR 10/04 R - , LSG Berlin-Brandenburg, U. v. 16.12.2009 - L 9 KR 8/08; enger womöglich BSG, U. v. 1.3.2011 - B 1 KR 7/10 - Rdnr. 14, wonach § 35 SGB V generell nicht drittschützend sei).

Der 6. Senat des BSG sieht insoweit das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen. Er hat in seiner Entscheidung zu einem Therapiehinweis als Teil der Arzneimittelrichtlinie (BSG, U. v. 31.05.2006 - B 6 KA 13/05 R BSGE 96, 261, 266f Rdnr. 34f) auf die Judikatur des BVerfG zur Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit bei staatlicher Verbreitung marktrelevanter Informationen berufen (Bezugnahme auf BVerfGE 105, 252, 273 - Glykol). Auch der 3. Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 24. November 2004 (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr. 3) ausgeführt, dass die Hersteller gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen könnten, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschten. Werde eine Versorgungsalternative infolge unzutreffender medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so bedeute dies nicht nur eine Fehlinformation des Arztes und eine Benachteiligung des Versicherten. Es beinhalte auch eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheine. Nichts anderes gelte, wenn fälschlicherweise ein teureres Arzneimittel durch eine staatliche Maßnahme als unwirtschaftlich gekennzeichnet und seine Verordnung weitgehend eingeschränkt werde, weil es - infolge einer unzutreffenden Bewertung seiner Wirkungsweise - als mit dem billigeren Präparat therapeutisch gleichwertig beurteilt werde. Entsprechend habe der 6. Senat für die Konstellation, dass sich ein Produzent von Kontrastmitteln gegen eine Entscheidung des Bewertungsausschusses (§ 87 Abs. 2 SGB V) wende, die Klage für zulässig gehalten, soweit das Unternehmen geltend gemacht habe, ohne Korrektur des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen in seiner Betätigungsfreiheit am Markt gegenüber anderen Anbietern von Kontrastmitteln benachteiligt zu sein.

Der 1. Senat des BSG sieht hingegen ausschließlich Art. 3 Abs. 1 GG einschlägig. Er will die gleichen Grundsätze Anwendung finden lassen, welche das BVerfG in Vergabeverfahren für maßgeblich erachtet. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berührten ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung, hier die Festbetragsfestsetzung, grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusse die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern werde selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig. Dabei sei es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswähle. Festbetragsfestsetzungen beträfen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer, nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische Unternehmer hätten jedoch keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen seien.

Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstelle, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 105, 252, 273). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehle es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung seien (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr. 2 S 18). Zu messen sei die Festbetragsentscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergebe, sei es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (Bezugnahme auf BVerfGE 116, 135, 153). Gleiches gelte für die Vorstufe von Vergaben, wie hier die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab könnten staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschten, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung bedeuten. Werde eine Versorgungsalternative infolge willkürlicher medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so beinhalte dies jedenfalls dann eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten ohne jeden sachlichen Grund verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheine. Art 3 Abs. 1 GG verbiete nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von sachlich Ungleichem anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien (Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 1.11.2010 - 1 BvR 261/10 - Rdnr 14 zu Arzneimittelrabattverträgen).

Im Bereich der Festbeträge liege eine solche verfassungswidrige Gleichbehandlung (nur) vor, wenn das Arzneimittel eines Arzneimittelherstellers offensichtlich aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht so unterschiedlich sei, dass es durch die Arzneimittel eines anderen Herstellers praktisch nicht ersetzt werden könnten, sie dennoch aber ohne Rechtfertigung in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst seien. Dabei ergäben sich aus dem Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne (Bezugnahme - für das Verhältnis zum Gesetzgeber - BVerfGE 89, 15, 22 f; 90, 46, 56; 97, 271, 290 f; 99, 341, 355 f; 103, 242, 258; 105, 73, 110f; 116, 135, 161; so insgesamt BSG , U. v. 01.03.2011 - B 1 KR 7 R - Rdnr 14-17).

Aus Sicht des Senats scheidet eine Verletzung des Grundrechts auf Berufsausübung aus Art. 12 GG aus den vom BSG (1. Senat) dargestellten Gründen aus. Er ist jedoch auch nicht auf eine reine Willkürkontrolle eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt.

Es besteht nämlich ein relevanter Unterschied zwischen der Ausschreibung des Kaufs von Arzneimitteln durch eine Krankenkasse als Vergabevorgang und der damit verbundenen Teilnahme dieser Krankenkasse am Wettbewerb auf Käuferseite und der abstrakt-generellen Regulierung des Arzneimittelpreises für die Gesamtnachfrage aller Krankenkassen, welche die Festbetragsfestsetzung faktisch bedeutet. Der Beklagte setzt gerade per Allgemeinverfügung mit allgemeiner Wirkung für den gesamten Bereich der GKV (und darüber hinaus für den Bereich der staatlichen Beamtenfürsorge, weil für Beamte entsprechende Übernahmen bestimmt sind) die Festpreise fest. Es geht nicht nur um „in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog.“ Jedenfalls für die Pharmahersteller, deren Geschäftsmodell darauf beruht, neue Arzneimittel zu entwickeln, die sich also nicht auf die bloße Herstellung beschränken, steht vielmehr indirekt die gesamte Berufsausübung auf dem Spiel: Wenn sich - aus ihrer Sicht - die Forschung nicht lohnt, weil die mit patentgeschützten Arzneimittel zu erzielenden Gewinne zu gering ausfallen, macht die Entwicklung keinen Sinn. Das Gesetz differenziert selbst in diesem Sinne, indem es den Patentschutz für ein Arzneimittel zu einem der Kriterien für den Ausschluss einer Festbetragsgruppenbildung nimmt. Die rechtswidrige Festbetragsfestsetzung wirkt sich jedenfalls insoweit auf eine grundrechtlich geschützte Freiheit aus.

Die Kontrolle der Wettbewerbsverzerrung durch Art. 3 Abs. 1 GG hat deshalb nicht nur als reine Willkürkontrolle zu erfolgen, sondern nach Maßgabe der sogenannten „neuen Formel“ (vgl. hierzu mit Nachweisen Jarass/Pieroth, GG, 11. A. 2011 Art. 3 Rdnr. 17ff). Auch der 1. Senat des BSG stellt letztlich hierauf ab, in dem er davon ausgeht, dass der Gestaltungsfreiraum für Ungleichbehandlungen umso enger ist, je mehr auch grundrechtlich geschützte Freiheiten tangiert sind:

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Die Verfassung verbietet nach der neuen Formel nicht nur eine willkürliche Ungleichbehandlung. Das BVerfG prüft vielmehr im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (so weitgehend wörtlich BVerfG, B. v. 13.02.2007 - 1 BvR 910/05, 1 BvR 1389/05 - juris-Rdnr. 98. mit weiteren Nachweisen seiner Judikatur) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann somit eine strenge Bindung des Gesetzgebers an Verhältnismäßigkeitserfordernisse folgen, so dass es zu einer wechselseitigen Verschränkung von Gleichheits- und Freiheitsschutz kommen kann (so BVerfG, B. v. 16.06.2011 - 1 BvR 2394/10 -, Rdnr. 7).

Die Arzneimittelhersteller können deshalb erfolgreich gerichtlichen Rechtschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschen (im Ergebnis ebenso BSG, Urt. v. 31.05.2006 - B 6 KA 13/05 R - Rdnr. 34f mit Bezug auf BSGE 94, 1). Ein Hersteller wird im Wettbewerb benachteiligt, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheint (BSG, Urt. 31.05.2006 Rdnr. 35). Einen solchen Fall darf es nämlich nach dem SGB V selbst nicht geben.

Eine relevante Wettbewerbsverzerrung liegt jedenfalls vor, wenn die Festbetragsregelung eine Ausrichtung der unternehmerischen Ziele am Gesetz und ein Handeln in Einklang mit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht nur nicht belohnt, sondern sogar bestraft. Der Staat verzerrt den Wettbewerb, wenn er die Nachfrage konträr zu seinen eigenen gesetzlichen Zielvorstellungen beeinflusst, sich also widersprüchlich verhält. Daraus resultierende Begünstigungen muss ein Wettbewerber nicht hinnehmen (so bereits B. d. Senats vom 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - Juris Rdnr 85 mit Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 12.06.1990, BVerfGE 82, 209, 223f).

Hier ist jedoch nach allen Auffassungen von einer möglichen Rechtsverletzung, entweder aus Art. 12 GG oder aus Art. 3 Abs. 1 GG, auszugehen. Die Klägerin kann geltend machen, dass sachwidrig und damit willkürlich in den Wettbewerb zwischen den Arzneimittelherstellern der Antipsychotika eingegriffen werde, indem ihr Medikament Invega ® mit patentgeschütztem Wirkstoff trotz der mit seiner Verwendung verbundenen therapeutischen Vorteile - im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 und Hs. 2 SGB V oder durch eine ungeeignete Vergleichsgröße im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V - in eine Festbetragsgruppe mit dem Konkurrenzwirkstoff Risperidon verbunden worden sei. Sie kann sich darauf berufen, dass der Wettbewerb zu ihren Lasten und zu Gunsten der Vertreiber von Risperidon oder auch anderer Antipsychotika verfälscht sei.

2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die angegriffenen Festbetragsfestsetzungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 SGG).

Die Festbetragsfestsetzungen können keinen Bestand haben, weil sie auf fehlerbehafteten Beschlüssen des Beigeladenen fußen.

Es bestehen aus Sicht des Senates zumindest zwei beachtliche Beurteilungsfehler (dazu zur Herleitung im Einzelnen sogleich unter 2.1 sowie speziell 2. 4 und 2.5).

Damit sind die Festbetragsfestsetzungen rechtswidrig, auch wenn der Beigeladene nach Korrektur der festgestellten Mängel im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes möglicherweise zum gleichen Ergebnis gelangen könnte - Bildung einer Festbetragsgruppe aus Paliperidon und Risperidon unter Festsetzung der gleichen Wirkstärkenvergleichsgrößen - (dazu siehe 2.7).

Die Klägerin wird dadurch in einem subjektiven Recht verletzt (dazu unten 2.8).

2.1

Nach § 35 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V (hier nach wie vor in der Fassung des Gesetzes zur Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz - GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) bestimmt der Beigeladene in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können. In den Gruppen sollen Arzneimittel mit (…) 2. pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, zusammengefasst werden (…).

Die Gruppen müssen nach S. 3 gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (Hs. 1). Ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (Hs. 2). Nach § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V ermittelt der Beigeladene auch die nach Abs. 3 notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder andere geeignete Vergleichsgrößen.

Ganz allgemein soll er zudem bei der Richtlinienerstellung den besonderen Erfordernissen bei der Behandlung unter anderem psychisch Kranker Rechnung tragen, § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V.

Grundsätzliche Zweifel an der Richtlinienermächtigung in § 35 Abs. 1, Abs. 5 SGB V bestehen nicht (vgl. hierzu BVerfGE 106, 275, 305ff). Im Urteil des BSG vom 1. März 2011 (B 1 KR 10/10 R, Rdnr. 33) heißt es hierzu: Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel. (….) Für die Bildung von Festbetragsgruppen gilt die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit im Besonderen, weil der Gesetzgeber einen konkreten Katalog von gesetzlichen Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen er den Beigeladenen zu 1. im Bereich der Arzneimittelversorgung mit der Gruppenbildung betraut. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 zwar ausdrücklich nur das System der Festsetzung von Festbeträgen (§§ 35 ff SGB V) im Ganzen als verfassungskonform bewertet, folgerichtig die Verfassungsmäßigkeit der Kompetenzen des Beigeladenen zu 1. damit aber unausgesprochen vorausgesetzt.

Der erkennende Senat folgt bei seiner Überprüfung dieser Voraussetzungen weiter den vom BSG aufgestellten Grundsätzen für die Kontrolle im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen.

Diese sind gerichtlich in der Weise zu hinterfragen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSG, U. v. 01.03.2011 - B 1 KR 7/10 R Rdnr. 26f m. weit. Nachw.):

§ 35 SGB V gibt dem Beigeladenen ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, die Qualifizierung von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen sowie die zutreffende rechtliche Erfassung der Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des § 35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu berücksichtigenden Studienlage.

Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse zu erlassen. Hier entscheidet der Beigeladene als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (ebenso auch die Parallelentscheidung -B 1 KR 10/10 R - Rdnr. 38).

Das Gebot einer nachvollziehbaren Aufarbeitung ergibt sich dabei bereits unmittelbar aus dem Gesetz, § 35 Abs. 1b S. 5 SGB V (eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26. April 2006, BGBl. I S. 954).

Dieser Kontrollmaßstab entspricht den allgemeinen Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfung von Beurteilungsspielräumen (vgl. hierzu aus jüngerer Zeit Bundesverwaltungsgericht -BVerwG, Urt. v. 02.04.2008 - 6 C 14/07 - Rdnr. 21-mit Bezugnahme auf Urt. v. 16.05.2007 - 3 C 8/06 - Rdnr. 32, Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. A. 2011, §114 Rdnr. 39ff.).

Ein Beurteilungsfehlgebrauch liegt danach vor, wenn die wertende Entscheidung auf falscher oder unvollständiger Tatsachengrundlage erfolgt oder sachfremde bzw. willkürliche Erwägungen enthält.

Der Beigeladene muss demnach den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt haben, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffes ausgegangen sein, und sich bei der eigentlichen Bewerteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten haben, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt haben.

Inhaltlich Entsprechendes hat auch der 6. Senat des BSG für den Beurteilungsspielraum eines Berufungsausschusses ausgeführt. Eine Einhaltung der Bewertungsgrundsätze setze zusammengefasst zum einen eine nachvollziehbare Begründung voraus. Ein Beurteilungsfehler liege zum anderen bei einer Überschreitung des Beurteilungsspielraumes, Missachtung anerkannter Bewertungs- und Prüfungsgrundsätze und zuletzt bei Verletzung des Gleichheitssatzes und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit vor. Auch müssten die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten sein (BSG, Urt. v. 09. 02. 2011 - B 6 KA 3/10 R - Rdnr. 25).

Für den Bereich der Existenzsicherung hat das BVerfG die Forderung aufgestellt, dass sich selbst der parlamentarische Bundesgesetzgeber nicht auf seinen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraum berufen kann, sondern die Konkretisierung eines Leistungsanspruches in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, realitätsgerecht zu bemessen hat (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris Rdnr. 138). Obgleich dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eine zurückhaltende Kontrolle der einfach-gesetzlichen Regelung durch das BVerfG folge, habe der Gesetzgeber zur Prüfung, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, erfülle, die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschnitte nachvollziehbar offen zu legen.

Der behördliche wie auch der gesetzgeberische Beurteilungsfreiraum ist also für die zur Entscheidung berufene Stelle eine zweischneidige Sache: Dem gestalterischen Freiraum stehen erhebliche Anforderungen an die Ermittlung und Aufarbeitung des Sachverhaltes, an die Beteiligung der Anzuhörenden und an die nachvollziehbare und lückenlose Darlegung des Bewertungsergebnisses gegenüber. Beurteilungsfehler führen dabei bei Anfechtungsbegehren zur Aufhörung der behördlichen Entscheidung: Jeder Beurteilungsfehler, von dem nicht eindeutig auszuschließen ist, dass auch bei seiner Vermeidung exakt das gleiche Beurteilungsergebnis zwingende Folge wäre, führt zur Rechtswidrigkeit. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob zwingende Folge einer Vermeidung wäre, dass das Beurteilungsergebnis sicher ein anderes wäre.

Der gerichtliche Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG gebietet und erlaubt zwar in diesen Fällen - anders bei normalen unbestimmten und auslegungsbedürftigen Rechtsnormen - keine eigene Entscheidung des Gerichts, fordert jedoch eine Neubewertung durch das dazu berufene Gremium. Dies gilt im Kleinen wie im Großen. Ebenso wie ein negativer Prüfungsbescheid (wie der Bescheid über das Nichtbestehen eines Staatsexamens) aufzuheben ist, wenn ein Prüfungsleistung neu bewertet werden muss, obgleich die Neubewertung zum selben Bewertungsergebnis gelangen kann, fehlt es deshalb an einer rechtmäßigen Grundlage für die konkrete Festbetragsfestsetzung des Beklagten, wenn der Beschluss des Beigeladenen relevante Beurteilungsfehler aufweist.

Diese Grundsätze sind auch bei § 35 Abs. 1 S. 3, Abs. 1 b SGB V anzulegen und sind vom BSG auch so überprüft worden (vgl. BSG, Urt. v. 1.3.2011 - B 1 KR 10/10R Rdnr. 65, 68). Insbesondere das ausdrückliche gesetzgeberische Gebot der Nachvollziehbarkeit zwingt den Beigeladenen, da seine Bewertungen nicht ersetzt werden können, diese vollständig, widerspruchsfrei und verständlich bereits in den tragenden Gründen darzustellen.

Diesen Anforderungen genügt der indirekt streitgegenständliche Beschluss nicht.

2.2

Formelle Defizite sind allerdings nicht ersichtlich.

Der Beigeladene hat die Klägerin angehört und sich in seinen Tragenden Gründen mit ihren Einwänden auseinandergesetzt. Dies gilt auch für die Stellungnahme-Punkte 10 und 11 (siehe S. 65 ff. der Tragenden Gründe).

Der Beigeladene verwirft darin die These der Klägerin, dass die praktisch relevanten Einsatzgebiete von Paliperidon und Risperidon trotz übereinstimmender Zulassung im Bereich Schizophrenie aufgrund der zusätzlichen Indikationen von Risperidon völlig verschieden seien, mit der generellen, aus seiner Verfahrensordnung hergeleiteten Überlegung, dass ein singuläres Anwendungsgebiet von Paliperidon nicht gegeben sei. Ob dieses Argument materiell tragfähig ist, ist an dieser Stelle nicht zu klären.

Entsprechendes gilt für die Auseinandersetzung mit den Argumenten der Klägerin gegen die Vergleichsgrößenbildung. Der Beklagte vertritt hierzu die (Rechts-)Auffassung, eine generelle Regelung für alle Festbetragsgruppenbildungen treffen zu dürfen bzw. zu müssen, die zudem (immer) sachgerecht sei. Ob diese Auffassung beurteilungsfehlerfrei getroffen wurde, ist Kern der materiellen Erwägungen. Ein Formalverstoß liegt hingegen nicht vor.

Der Beklagte konnte sein Anhörungsverfahren bereits vor Veröffentlichung des Beschlusses des Beigeladenen beginnen, da der Beschluss der Sache nach bereits bekannt war. Eine Verletzung von Beteiligungsrechten könnte nur vorliegen, wenn eine auf vollständiger Information beruhende Anhörung vor diesem Zeitpunkt noch nicht gewährleistet gewesen wäre.

Der Senat musste in diesem Einzelfall auch nicht bereits deshalb von einem Beurteilungsdefizit ausgehen, weil der Beigeladene Unterlagen nicht vorgelegt bzw. der Klägerin Akteneinsicht verwehrt hat.

Er hat zwar trotz wiederholter Aufforderung sich ausdrücklich geweigert, die vollständigen Vorgänge dem Gericht vorzulegen, weil die Zusammenfassende Dokumentation alles Relevante enthalte und er darin ganz allgemein auch von ihm eingeholte Gutachten samt Datenmaterial offen lege. Er hat auch bis zuletzt (lediglich) die Bereitschaft erklärt, Rückfragen des Gerichts zu beantworten und weitere Unterlagen nach näher gehender Spezifizierung auf Anforderung vorzulegen.

Soweit sich der Beigeladene auf § 91 Abs. 7 S. 7 SGB V beruft, ist ferner weiter festzustellen, dass die Vorschrift erst durch Art. 1 Nr. 29 lit.f des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2983) eingeführt wurde. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BR-Drucksache 456/11 S. 100):

„Ein vorbehaltloser Austausch der Positionen und Interessen der Trägerorganisationen des Gemeinsamen Bundesausschusses, auf dem das Konzept der untergesetzlichen Normsetzung in der Gemeinsamen Selbstverwaltung maßgeblich mit beruht, sowie insbesondere das Einbringen von persönlichen Erfahrungen der von den Patientenorganisationen nach § 140f SGB V entsandten sachkundigen Personen erfordern es, dass die nichtöffentlichen Beratungen in den vorbereitenden Unterausschüssen und Arbeitsgruppen des Gemeinsamen Bundesausschusses vertraulich sind. Die Regelung dient der Klarstellung, dass diese vertraulichen Informationen nicht – auch nicht nach Antrag gemäß Informationsfreiheitsgesetz - mitzuteilen sind. Das Gleiche gilt auch für diejenigen internen Beratungen des Beschlussgremiums, die in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen, etwa weil sie keine Richtlinien oder sonstige allgemeinverbindlichen Entscheidungen zum Gegenstand haben. Die Verpflichtung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu der gebotenen Transparenz bleibt hiervon unberührt. Er hat seine Entscheidungen weiterhin nachvollziehbar zu begründen und in seinen tragenden Gründen auch die Abwägung der entscheidungserheblichen Argumente darzustellen. Dies gilt ebenso für die Veröffentlichung der zusammenfassenden Dokumentation des jeweiligen Beratungsverfahrens, die insbesondere auch die Darstellung etwaiger abweichender Voten der Beteiligten und eine Auseinandersetzung mit den eingegangenen Stellungnahmen enthält.“

§ 119 SGG (Pflicht zur Aktenvorlage) als prozessuale Norm wird aus Sicht des Senats durch die materielle, auf das Beschlussverfahren abstellende Vorschrift des § 91 Abs. 7 S. 7 SGB V nicht verdrängt.

Das speziell in § 35 Abs. 1 b S. 6 SGB kodifizierte Gebot der nachvollziehbaren, das heißt auch transparenten Begründung gebietet es, zur Überprüfung alle Vorgänge vorzulegen, mit Ausnahme der ausdrücklich ausgeschlossenen. Die erforderliche Transparenz gebietet es zumindest, dass klargestellt wird, welche Unterlagen den Beschlüssen zu Grunde gelegen haben. Ob und welche der Unterlagen dann nach heutiger Gesetzeslage als Beratungsunterlagen vertraulich im Sinne des heutigen § 91 Abs. 7 S. 7 SGB V aufzufassen sein könnten, ist beim Rechtsstreit vor Gericht erst auf einer zweiten Ebene zu klären. Es erschließt sich dem Senat nicht, welche Unterlagen, die zur Klärung der Frage der Vergleichbarkeit nach § 35 Abs. 1 S. 2 SGB V, der Gewährleistung aller Therapiemöglichkeiten und der therapeutischen Verbesserung nach S. 3 SGB V beim Beigeladenen vorhanden sind, vertraulich sein könnten, mit Ausnahme der Schilderung persönlicher Schicksale.

Der Beigeladene setzt sich mit seiner Weigerung, auch dem Gericht die Beratungsunterlagen oder auch nur den Originalvorgang des Schriftwechsels mit dem Bundesministerium vorzulegen, unnötig dem Verdacht aus, dass die Beratung womöglich von sachfremden Kriterien jenseits des Prüfprogrammes nach § 35 SGB V geprägt sein könnten, insbesondere Hinweise auf Vorfestlegungen.

Im konkreten Fall ist allerdings nicht ersichtlich, dass es hier weitere relevante Unterlagen geben könnte. Der Beigeladene hat insbesondere ausdrücklich erklärt, für die hier streitgegenständliche Festbetragsgruppenbildung keine Gutachten in Auftrag gegeben zu haben, sondern sich ausschließlich des eigenen Sachverstandes bedient zu haben. Das in den Tragenden Gründen erwähnte Gutachten M hat er noch zur Gerichtsakte eingereicht.

2.3

Die Annahme des Beigeladenen, Risperidon und Paliperidon seien im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V vergleichbar, ist fehlerfrei erfolgt.

Die Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit hat zwei verschiedene Aspekte, nämlich einen pharmakologischen sowie einen therapeutischen. Vergleichbarkeit bedeutet nicht Austauschbarkeit oder Identität. Bei einer Festgruppenbildung nach Nr. 2 geht es darum, einen übergreifenden gemeinsamen Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen. Der Beigeladene hat die pharmakologisch-therapeutische, insbesondere chemische Vergleichbarkeit von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete zu prüfen (so weitgehend wörtlich BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R - Rdnr. 48).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Eingrenzung auf pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe in § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 zulassungsbezogen, also in Anlehnung an das Arzneimittelgesetz (AMG) vorzunehmen. Denn pharmakologisch-therapeutische Wirkungsweisen eines Wirkstoffs sind Bestandteil der arzneimittelrechtlichen Zulassungsprüfung (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 bis 5a AMG) und dementsprechend Inhalt der Fachinformation (§ 11a AMG) (Urt. v. 1.03.2011 - B 1 KR /09 - Rdnr. 32).

Die ATC-Klassifikation (anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikationssystem) geht auf der 4. Ebene von einem identischen Code „N05AX“ für die atypischen Antipsychotika Risperidon (N05AX08) und Paliperidon (N05AX13) aus. Die Wirkstoffe sind chemisch verwandt, weil sie sie eine vergleichbare chemische Grundstruktur aufweisen und sich durch eine räumliche Struktur auszeichnen, die eine spezifische Pharmakon-Rezeptor-Wechselwirkung ermöglicht (vgl. 4. Kapitel § 21 S. 1 VerfO des Beigeladenen). Beide Wirkstoffe gehören zu den Benzisoxazol-Derivaten, bei denen die Funktion als Neuroleptika auf Dopamin-Rezeptorblockaden beruht. Risperidon und Paliperidon sind im Hinblick auf ihre pharmakologischen Eigenschaften, namentlich den Wirkmechanismus der erfassten Arzneimittel, vergleichbar. Paliperidon entsteht physiologisch bei der Metabolisierung von Risperidon und stellt zusammen mit Risperidon die aktive antipsychotische Fraktion von Risperidon dar. Paliperidon ist daher bereits strukturchemisch sehr eng mit Risperidon verwandt. Die Wirkstoffe sind sich im Hinblick auf ihre pharmakologischen Eigenschaften, insbesondere dem Wirkmechanismus sehr ähnlich, wie sich bereits aus Fachinformationen zu Risperdal® und Invega® sowohl zu pharmakokinetischen Gesichtspunkten als auch zu pharmakodynamischen Gesichtspunkten ergibt.

Hieran ändert auch die unterschiedlichen Metabolisierung nichts, wie der der Beigeladene aus Sicht des Senats fehlerfrei in den Tragenden Gründen (dort S. 60f) festgestellt hat:

„Extensive CYP-2D6-Metabolisierer wandeln Risperidon schnell in Paliperidon um, während langsame CYP-2D6-Metabolisierer Risperidon langsamer in Paliperidon umwandeln. Extensive CYP-2D6-Metabolisierer haben daher niedrigere Risperidon- und höhere Paliperidon-Plasmakonzentrationen nach Verabreichung von Risperidon als schlechte Metabolisierer. Dies führt aber nicht zu Unterschieden in der antipsychotischen Potenz, denn die Pharmakokinetik von Risperidon und Paliperidon zusammen, nämlich der aktiven antipsychotischen Fraktion von Risperidon, ist sowohl nach Einmal- als auch nach Mehrfachgabe bei extensiven und bei schlechten CYP-2D6-Metabolisierern vergleichbar. Eine Auswirkung auf die therapeutisch-pharmako-logische Wirkung von Risperidon bei unterschiedlicher genetischer Ausstattung des CYP-450-2D6-Wegs (interindividuelle Variabilität) ergibt sich daher nicht.

Darüber hinaus wird die inter-individuelle Variabilität der Pharmakokinetik-Daten (…) von Paliperidon von der EMEA ebenfalls als „moderate to high (40-50 %)“ bezeichnet, vorwiegend aufgrund der starken Nahrungsabhängigkeit der Pharmakokinetik von Paliperidon. Ein genereller Vorteil von Paliperidon gegenüber Risperidon hinsichtlich der interindividuellen Pharmakokinetik ergibt sich nicht.“

Beide Wirkstoffe müssen mit Vorsicht eingesetzt werden, wenn gleichzeitig Wirkstoffe, die das QT-Intervall verlängern, eingesetzt werden (4.4 der Fachinformation von lnvega®, 3 mg Retardtabletten und 4.4 der Fachinformation von Risperdal® Kombination mit zentralwirksamen Substanzen). Beide Wirkstoffe müssen aufgrund der primären ZNS-Effekte mit Vorsicht eingesetzt werden, wenn andere zentralwirksame Wirkstoffe oder auch Suchtmittel wie Alkohol oder andere Drogen verwendet werden (4.5 Fachinformation Invega®, ebenso 4.5 der Fachinformation von Risperdal®). Beide Wirkstoffe können die Wirkung von Levodopa und anderen Dopamin-Antagonisten, die in der Behandlung der Parkinson-Erkrankung eingesetzt werden, antagonisieren (4.5 der Fachinformation von Invega®; 4.5 der Fachinformation von Risperdal®). Beide Wirkstoffe können eine Hypotonie auslösen und müssen daher grundsätzlich mit Vorsicht mit anderen, ebenfalls hypotonieauslösenden Wirkstoffen wie Trizyklika kombiniert werden. Dieser Warnhinweis findet sich sogar ausdrücklich nur in der Fachinformation für lnvega®, wonach es heißt: „Aufgrund seines Potenzials, eine orthostatische Hypotonie auszulösen (siehe Abschnitt 4.4), kann es zu einem additiven Effekt kommen, wenn Invega® mit anderen Therapeutika kombiniert wird, die dieses Potenzial besitzen, wie z.B. andere Antipsychotika, Trizyklika“ (4.5). Demgegenüber beschränkt sich dieser Warnhinweis ausweislich der Fachinformation von Risperdal® auf die gleichzeitige blutdrucksenkende Behandlung: „Eine klinisch signifikante Hypotonie wurde nach Markteinführung bei gleichzeitiger Anwendung von Risperidon und einer blutdruck-senkenden Behandlung beobachtet.“(4.5)

Paliperidon weist weiter zwar aufgrund seiner geringeren Metabolisierung über das CYP450-System und durch die Verwendung der besonderen Retardmethode der OROS-Technologie ein besseres Profil hinsichtlich der Wirkstoffanflutung bzw. eines frühzeitigen Wirkungseintritts durch eine kürzere Zeit bis zum Erreichen der Plasmaspitzenkonzentration ohne Dosistitration auf. Der Beigeladene hat aber in der Zusammenfassende Dokumentation (S. 60 f.) auf die Einschätzung der EMA verwiesen (Scientific Discussion der EMA, Anlage BG 10 S. 20), welche die interindividuelle Variabilität der Pharmakokinetik von Paliperidon gleich wie Risperidon auch als „moderate to high (40-50 %)“ bezeichnet. Die Aussage des Beigeladenen (Zusammenfassende Dokumentation, S. 53), es sei insoweit von maßgeblicher Bedeutung, dass praktisch alle neuroleptisch wirksamen Substanzen bereits nach wenigen Stunden die Rezeptoren besetzen, während die weitgehende Remission der psychotischen Symptome in der Regel ein bis drei Wochen nach Beginn der Therapie benötigte, ist nicht angegriffen worden.

Zusammenfassend ist also die Pharmakodynamik (Wirkungsmechanismus) ähnlich, weil Paliperidon der hauptaktive Metabolist von Risperidon ist (EMA, Scientific Discussion der EMA, S. 5).

Die Wirkstoffe sind auch therapeutisch vergleichbar.

Eine solche liegt bei einem gemeinsamen Anwendungsgebiet vor (BSG, Urt. v. 01.03.2011 - Az.: B 1 KR 10/10 R, Rn. 52). Dies ist hier die Behandlung der Schizophrenie.

2.4

Nach § 35 Abs. 1 S. 3 SGB V muss bei der Gruppenbildung nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 gewährleistet bleiben, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen.

Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gewährleistet. Die Annahme des Beigeladenen, der Wirkstoff Paliperidon dürfe zusammen mit dem Wirkstoff Risperidon in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst werden, weil Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt würden (§ 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V), ist nicht nachvollziehbar begründet.

2.4.1 Das Gesetz geht nach der gesetzlichen Systematik des § 35 Abs. 1 SGB V davon aus, dass eine Festbetragsgruppenbildung zu unterbleiben hat, wenn dadurch eine notwendige Therapie eingeschränkt wird. Notwendig ist dafür, dass ein Arzneimittel zur Behandlung von Versicherten durch ein anderes Arzneimittel nicht gleichwertig ersetzt werden kann, weil es für die ärztliche Therapie bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten, nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar ist (vgl. insoweit ausdrücklich im Zusammenhang mit § 35 Abs. 1 S. 3 SGB V und dem Begriff der „medizinisch notwendigen Verordnungsalternative“ BSG, Urt. v. 24.11.2004 - B 3 KR 23/04 R -, juris Rdnr. 29; so weitgehend wörtlich, LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.02.2010 - L 9 KR 104/08 - juris Rdnr. 95).

Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 und S. 3 Hs. 1 SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen. Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich, wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse durch den Beigeladenen rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt. Dies folgt aus Regelungssystem, Normsystematik und Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 35 SGB V (so weitgehend wörtlich und näher ausführend BSG, U. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R -, Rdnr. 39ff). Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht in Betracht. Es muss darauf abgestellt werden, ob ein Arzneimittel zur Behandlung von Versicherten durch einen anderen pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoff nicht gleichwertig ersetzt werden kann, es also für die ärztliche Therapie bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten, nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar ist (Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 24. 11. 2004, BSGE 94, 1 ff.).

Die Prüfung des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V erfolgt also zulassungsbezogen.

Begründet der Beigeladene die Einbeziehbarkeit eines Wirkstoffes in eine neue Festbetragsgruppe - wie hier - mit dem Hinweis, dass zur Behandlung der Erkrankungen, für welche nur einer der Wirkstoffe (hier: Paliperidon ER) im Gegensatz zu (allen) anderen Wirkstoffen (hier: - nur - Risperidon) der zu bildenden Festbetragsgruppe regulär die Zulassung besitzt, auf Therapiealternativen zur Behandlung dieser anderen Erkrankungen auf weitere Wirkstoffe außerhalb der neu zu bildenden Festbetragsgruppe, die ihrerseits möglicherweise zu anderen Festbetragsgruppen gehören, so muss gewährleistet sein, dass diese Alternativen nicht nur theoretisch bestehen, sondern alle praktisch relevanten Patientengruppen ausreichend versorgen. Nur dann ist klargestellt, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet (§ 35 Abs. 5 S. 1 SGB V, so BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R - Rdnr. 27).

Dabei kann es nicht alleine darauf ankommen, ob die denkbare Alternative zugelassen und verordnungsfähig ist. Die Gleichwertigkeit muss sich vielmehr auf eine Versorgung zu Festbetragspreisen beziehen. Kann ein Versicherter, der zu einer relevanten Patientengruppe gehört, nur auf ein Arzneimittel verwiesen werden, welches seinerseits festbetragsgebunden ist, aber zum Festbetrag nicht erhältlich ist, ist eine Therapiealternative nicht gewahrt. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Verordnungsfähigkeit generell unberührt bleibt von einer Einbeziehung eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe. Könnte ein Versicherter auf jedes verordnungsfähige Arzneimittel verwiesen werden, bräuchte es die Tatbestandsalternative des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V nicht.

Der Beigeladene muss im Festbetragsgruppenbildungsverfahren also alle die möglichen Krankheiten und Krankheitskombinationen für alle in Frage kommenden Patientengruppen klären, die nicht als atypische Einzelfälle anzusehen sind.

Was ein atypischer Einzelfall ist, ist ebenfalls bereits vom BSG geklärt: Es handelt sich um sehr seltene Fälle, in denen die Erkrankten sich in einer notstandsähnlichen Situation befinden:

Der einzelne Versicherte, der meint, eine Versorgung unter Beschränkung auf den Festbetrag sei in seinem Falle ungenügend, kann sich nämlich seiner Krankenkasse gegenüber nur auf einen Einzelfall berufen, in welchem er trotz genereller Beachtung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für Festbeträge keine hinreichende Arzneimittelversorgung zum Festbetrag erhält, und - gerichtlich überprüfbar - eine Vollversorgung individuell und systemgerecht gegenüber seiner Krankenkasse einfordern kann (so weitgehend wörtlich BSG, Urt. a. a. O. Rdnr. 28 mit Bezugnahme auf BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 4, RdNr 14 ff - Tomudex; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, RdNr 28 mwN - Ilomedin).

Abweichende, aus der Individualsituation des Versicherten erwachsende Ausnahmen hat das BSG rechtsähnlich etwa im Bereich des arzneimittelrechtlichen Zulassungserfordernisses für Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG anerkannt, nämlich in notstandsähnlichen Situationen. In solchen könne ein Versicherter in verfassungsrechtlicher Konkretisierung der Leistungsansprüche bei lebensbedrohenden, tödlich verlaufenden Erkrankungen oder diesen wertungsmäßig gleichstehenden Erkrankungen eine Arzneimittelversorgung ohne über den Festbetrag hinausgehende Eigenzuzahlungen fordern (Urt. v. 04.04.2006 - B 1 KR 7/05 R - BSGE 96, 170,173 Rdnr. 18ff).

Zuletzt kommt es hierbei nicht nur auf den Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses über die Gruppenbildung an. Nicht nur Änderungen der Rechtslage, sondern auch relevante Änderungen, sei es in der Zulassung oder durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sind zu berücksichtigen.

So lange eine wirksame und rechtlich beanstandungsfreie Gruppenbildung existiert, darf diese als Ausgangsposition für die Festbetragsfestsetzung fungieren; zu beachten bleibt dabei, dass die Bildung einer Festbetragsgruppe als Bestandteil der Arzneimittelrichtlinie Normqualität und daher prinzipiell dauerhaften Geltungsanspruch besitzt, also nicht ständiger und beliebiger Verwerfungsgefahr ausgesetzt ist bzw. sein darf. Kommt es allerdings zu einer Rechtsänderung (oder zu erheblichen Veränderungen der Sachlage), die den Beigeladenen im Sinne einer Reduzierung des normgeberischen Ermessens auf Null dazu zwingt, von der Gruppenbildung Abstand zu nehmen, wird die Festbetragsfestsetzung rechtswidrig, sofern er es pflichtwidrig unterlässt, die Bildung der Festbetragsgruppe zu ändern oder aufzuheben. Ab einem bestimmten Zeitpunkt muss es nämlich auf die Rechtmäßigkeit einer Festbetragsfestsetzung durchschlagen, dass die Gruppenbildung aufgrund einer Rechtsänderung oder aufgrund neuer Erkenntnisse gegebenenfalls nicht mehr tragfähig ist. Änderungen der maßgeblichen Rechtslage oder nennenswerte neue Erkenntnisse im Bereich der evidenzbasierten Medizin verpflichten den Beigeladenen, Festbetragsgruppen zeitnah zu überprüfen und die Gruppenbildung gegebenenfalls zu korrigieren. Denn ebenso wie bei der Normsetzung im Vertragsarztrecht korrespondiert mit dem weiten Normsetzungsermessen eine Beobachtungs- und Korrekturpflicht des Normgebers (so weitgehend wörtlich LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.02.2010 - L 9 KR 351/09 juris Rdnr. 66 unter Bezugnahme auf die vom BSG entwickelten Grundsätze bei der Normsetzung im Vertragsarztrecht im B. v. 11.03.2009 - B 6 KA 31/08 B.). Eine Pflicht zur Korrektur besteht indes nur dann, wenn der Beigeladene im Rahmen des ihm zustehende Gestaltungsspielraums durch eine Rechtsänderung oder eine erhebliche Änderung der Sachlage gezwungen ist, von der bisherigen Gruppenbildung Abstand zu nehmen, weil die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen sind. In diesem Sinne trifft den Beigeladenen - und nicht etwa im Rahmen eines herkömmlichen und offenen Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 8 SGB X - eine Pflicht zur permanenten Überprüfung der von ihm festgesetzten Festbetragsgruppen. Dabei hat er nicht ständig „frei“ zu erwägen, ob er die Gruppenbildung im Rahmen seines Ermessens rückgängig machen will; eine solche Sichtweise liefe dem Normcharakter der Arzneimittelrichtlinie zuwider, weil sie dem dauerhaften Geltungsanspruch einer Norm widerspräche. Justitiabel im Sinne von angreifbar wird das gesetzgeberische Stillhalten des Beigeladenen zu 1) nur, wenn neue Umstände ihn rechtlich verpflichten, die ursprünglich rechtmäßige Rechtsnorm zu ändern, er aber seinem in §§ 35 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht wird (vgl. BSG, Urt. v. 12.08.2009 -B 3 KR 10/07 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20 a.E., v. 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18).

2.4.2 Der Beigeladene hat hier nicht für alle denkbaren Krankheiten, Krankheitskombinationen und Patientengruppen außerhalb des soeben skizzierten Ausnahmebereiches atypischer Einzelfälle ermittelt, ob Paliperidon durch die von ihm genannten anderen Psychopharmaka zu Festbetragspreisen ersetzt werden kann.

Der Senat stimmt zwar mit dem Beigeladenen darüber überein, dass eine Festbetragsgruppenbildung nach Nr. 2 des § 35 Abs. 1 S. 2 SGB V aufgrund des Umstandes, dass die Wirkstoffe in ihren Anwendungsgebieten nicht deckungsgleich sind, nur ausscheidet, wenn Therapiemöglichkeiten eingeschränkt werden und notwendige Verordnungsalternativen nicht mehr zur Verfügung stehen, S. 3 1. Hs. der Vorschrift. Der Beigeladene hat sich allerdings rechtswidrig darauf beschränkt, die Zulassungen auf ganz abstrakte Überschneidungen für einzelne Krankheiten im Anwendungsbereich hin zu untersuchen.

Ferner hat er untersucht, ob § 21 Abs. 2 S. 2ff seiner VerfO einen Ausschluss von Paliperidon fordert. Dieser lautet (in der oben dargestellten ab 1. April 2009 geltenden Fassung vom 19. März 2009, die auch noch im April 2011 in Kraft war):

„Ergänzend wird auch innerhalb einer Festbetragsgruppe geprüft, ob Verordnungsalternativen eingeschränkt werden. So können Fertigarzneimittel, die ein singuläres Anwendungsgebiet besitzen, von der Gruppenbildung freigestellt werden. Fertigarzneimittel besitzen ein singuläres Anwendungsgebiet, wenn es innerhalb einer Festbetragsgruppe kein weiteres Fertigarzneimittel gibt, das über dieses singuläre Anwendungsgebiet hinaus ein Anwendungsgebiet mit einem anderen Fertigarzneimittel der Gruppe teilt und dieses insoweit eine Verbindung zum gemeinsamen Anwendungsgebiet herstellt.“

Bereits nach seiner eigenen Verfahrensordnung hätte der Beigeladene demnach aber nach Zulassung von Invega® auch zur Behandlung der SAD prüfen müssen, ob nunmehr eine Freistellung von der Gruppenbildung erfolgen sollte. Denn in der Festbetragsgruppe gibt es kein weiteres Fertigarzneimittel, das ebenfalls das Anwendungsgebiet SAD hat und das deshalb eine Verbindung zum gemeinsamen Anwendungsgebiet herstellen könnte.

Der Senat kann nicht feststellen, dass der Beigeladene anlässlich des Änderungsverfahrens zur Eingruppierung der Darreichungsform Schmelzfilm nochmals bzw. im Hinblick auf die Neuzulassung von Paliperidon für SAD erstmals geprüft hat, ob durch die Einbeziehung von Paliperidon in die Festbetragsgruppe für alle relevanten Patientengruppen die erforderlichen Therapiemöglichkeiten gewahrt sind. Der Beigeladene hat sich für seine Behauptung hierzu auf S. 27 der Zusammenfassenden Dokumentation zum Beschluss vom 14. April 2011 berufen. Dort heißt es:

„Der Unterausschuss „Arzneimittel“ hat die in der Stellungnahme angeführten Argumente gründlich geprüft. Er kommt zu dem Schluss, dass die vorgelegten Argumente eine pharmakologisch-therapeutische Nicht-Vergleichbarkeit, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, nicht rechtfertigen. Es liegen keine Belege für die therapiebedeutsame überlegene Wirksamkeit von einem Wirkstoff gegenüber dem anderen vor, auch nicht in Bezug auf die neu einzugruppierende Darreichungsform. Die vorgeschlagene Aktualisierung der Festbetragsgruppe „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ in Stufe 2 ist sachgerecht ist und entspricht den Vorgaben des § 35 Abs. 1 SGB V.“

Der Unterausschuss hat sich also ausschließlich mit den im Verfahren vorgebrachten Stellungnahmen beschäftigt und gerade nicht von Amts wegen die geänderte Zulassung berücksichtigt.

Der Beklagte und die Beigeladene können sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Behandlung psychotischer und manischer Symptome einer SAD bereits von der Zulassung der Behandlung der Schizophrenie umfasst sei, soweit es die schizophrenen Psychosen betreffe, bzw. die Begrifflichkeiten teilweise synonym verwandt würden.

Sie weisen selbst darauf hin, dass nach der ICD-10 Klassifikation der WHO die SAD (mittlerweile) ein eigenes Krankheitsbild darstellt: Innerhalb der ICD-10-WHO Version 2011, Kapitel V - Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) - gibt es die Gruppe Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (F20-F29) (vgl. http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlamtl2011/block-f20-f29.htm bzw. die Anlage 14 des Beklagten). Innerhalb dieser Gruppe sind unter anderem unter F20 die Schizophrenie und unter F25 die SAD einsortiert.

Der (Änderungs-)Beschluss ist deshalb nicht nachvollziehbar begründet, zumal der Beigeladene betont hat, es gäbe neben den Veröffentlichungen keine weiteren relevanten Unterlagen.

2.4.3 Der Beigeladene hat sich hier auch in der Sache selbst nicht ersichtlich mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass Invega® -also Paliperidon ER- als einziges Arzneimittel eine Zulassung zur Behandlung der schizoaffektiven Störung (SAD) hat.

Soweit auf die Indikationen anderer Antipsychotika verwiesen wird, reicht dies bereits deshalb nicht auf, weil sich die gesamte Untersuchung zu den Nebenwirkungen nur auf den Vergleich zwischen Risperidon und Paliperidon bezogen hat. Vergleiche mit anderen Antipsychotika haben nicht stattgefunden.

Dass dazu kein Anlass bestanden habe, weil es sich nur um eine Unterart der Schizophrenie handele bzw. auch andere Wirkstoffe sowohl zur Behandlung der Schizophrenie als auch von manischen Störungen zugelassen seien, ist in dieser pauschalen Behauptung zu allgemein, weil der Beigeladene diese Alternativen nicht auf umfassende tatsächliche Verwendbarkeit als Alternative hin untersucht hat.

Bereits nach einer ersten Durchsicht der Fachinformationen (jeweils in den Fassungen der Kopien als Anlage B 16 GA Bl. 1050 bis 1108 sowie 1129 bis 1136) zu den vom Beigeladenen und vom Beklagten im Gerichtsverfahren aufgezeigten alternativen Psychotika (vgl. die Tabelle auf S. 6-8 des Beigeladenenschriftsatzes vom 13. Juni 2012) zeigt sich, dass es jedenfalls für die Behandlung manischer und psychotischer Störungen bei (Alzheimer-)Demenzerkrankten jüngeren Alters als 65 Jahre ausweislich der Zulassungen keine Alternative zur Invega® gibt, zumal wenn bei diesem Personenkreis zusätzlich Nierenfunktionsstörungen (zu letzteren siehe weiter unten 2.4.5) bestehen:

Risperidon ist nur speziell zugelassen für mäßige bis schwere manische Episoden assoziiert mit bipolaren Störungen. Bei Demenzerkrankungen anderer Arten als Alzheimer-Demenz soll keine Anwendung erfolgen (vgl. Fachinformation Risperidal® 4.3 Gegenanzeigen). Abilify® (Wirkstoff Aripiprazol) ist nicht zur Behandlung der mit Demenz in Verbindung stehenden Psychosen angezeigt (Fachinformation 4.4). Zyprexa® (Wirkstoff Olanzapin) ist neben Schizophrenie nur zur Behandlung von mäßig schweren bis schweren manischen Episoden zugelassen (Fachinformation 4.1). Olanzapin ist nicht für die Behandlung von Psychosen und/oder Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit einer Demenz zugelassen (4.4).Seroquel® (Wirkstoff Quetiapin) ist neben Schizophrenie nur zur Behandlung bzw. Rückfallprophylaxe manischer oder depressiver Episoden bipolarer Störungen zugelassen (Fachinformation 4.1), nicht hingegen für Demenz-assoziierte Psychosen (4.4). Lithiofor® (Wirkstoff Lithium[sulfat]) ist nur zur Prophylaxe manisch-depressiver Erkrankungen zugelassen und zudem bei Nierenfunktionsstörungen ausgeschlossen. Haloperidol-GRY® (Wirkstoff Haloperidol) ist nur zugelassen für akute und chronische schizophrene Syndrome, organisch bedingte Psychosen, akute manische Syndrome und akute psychomotorische Erregungszustände (Fachinformation 4.1). Das Arzneimittel ist nicht zugelassen zur Behandlung von Verhaltensstörungen, die mit Demenz-Erkrankungen zusammenhängen (4.4). Sehr häufig kommt es - vor allem in den ersten Tagen und Wochen - zu Frühdyskinesien (4.8). Haloperidol-ratiopharm® ist (nur) für akute psychotische Syndrome, chronisch verlaufende endogene und exogene Psychosen zur Symptonsuppression und Rezidivprophylaxe und psychomotorische Erregungszustände zugelassen. Taxilan® (Wirkstoff Perazindimalonat) ist ähnlich nur für akute psychotische Syndrome, katatone Syndrome, chronisch verlaufende endogene und exogene Psychosen (zur Symptomsuppression und Rezidivprophylaxe der Schizophrenie), maniforme Syndrome und psychomotorische Erregungszustände zugelassen (Fachinformation 4.1), nicht hingegen zur Behandlung von Verhaltensstörungen, die mit Demenzerkrankungen zusammenhängen (4.4). Ergenyl® (Wirkstoff Valproinsäure) ist neben der Behandlung von Anfällen nur zur Behandlung manischer Episoden einer bipolaren Störung zugelassen, wenn Lithium ausscheidet (Fachinformation 4.1).

2.4.4 Das Versäumnis, zu prüfen und nachvollziehbar darzustellen, dass im Hinblick auf die Behandlung der SAD mit Paliperidon Alternativen für alle relevanten Patientengruppen bestehen, betrifft nicht nur das Beschlussänderungsverfahren 2011, sondern die Festbetragsgruppenbildung von Anfang an:

Nach der eigenen Einlassung des Beigeladenen umfasst die Behandlung unter dem Oberbegriff der Schizophrenie immer auch die Behandlung schizophrener Psychosen, soweit zu diesen auch affektive Störungen gleichzeitig oder zeitnah auftreten. Konsequent hierzu hat er von Anfang an nicht eine Festbetragsgruppe „Schizophrenie“ angestrebt, sondern hat allgemeiner die Festbetragsgruppe der „Antipsychotika, andere, Gruppe 1“ gebildet. Von Anfang an hätte deshalb auch die SAD mit untersucht und die Ergebnisse dokumentiert werden müssen. Das von § 35 Abs. 1 SGB V geforderte Prüfprogramm muss der Beigeladene nämlich von Amts wegen durchführen. Er darf sich nicht auf die Einwände des stellungnahmeberechtigten Herstellers beschränken, da für alle Versicherten - und nicht nur den Patientenkreis, den der Hersteller im Blick hat - gewährleistet sein muss, dass erforderliche Therapiealternativen noch gegeben sind.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger des Parallelverfahrens - L 1 KR 173/10 KL -, dessen Vorbringen in den hiesigen Rechtsstreit eingeführt worden ist, von Anfang an vorgetragen hat, dass es zur Behandlung seiner SAD keine Alternativen zu Invega® gäbe.

2.4.5 Es ist unabhängig hiervon nicht nachvollziehbar, dass der Beigeladene Paliperidon im Verhältnis zu Risperidon bei der Behandlung von Patienten mit leichten bis schweren Nierenfunktionsstörungen keine relevanten Vorteile bei der Behandlung von Schizophrenie bzw. SAD zugebilligt hat.

Es steht ausweislich der Fachinformation nämlich fest, dass bei Patienten mit leichter Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance ≥ 50 bis < 80 ml/min) eine Behandlung mit Paliperidon mit einer Initialdosis von 3 mg täglich möglich ist (Fachinformation Invega Oktober 2011 4.2) und damit von Anfang an mit der Hälfte der empfohlenen Dosis zur Behandlung der Schizophrenie von 6 mg. Es kann dann ferner auf die normale Dosis von 6 mg aufdosiert werden. Bei mittlerer Einschränkung der Nierenfunktion (Clearance ≥ 10 bis < 50 ml/min) kann immerhin noch mit 1,5 mg Wirkstoff begonnen werden. Im Gegensatz zur Fachinformation für Risperdal® (Stand März 2011, dort 4.2) fehlt in der Fachinformation ein Hinweis, dass Vorsicht geboten sei. Risperidon soll hingegen initial bei allen Patienten von vornherein immer erst in einer Dosis von 2 mg täglich verabreicht werden, obgleich zur Behandlung der Schizophrenie 4 bis 6 mg täglich als gängige Dosis angegeben sind. Bei Nierenfunktionsstörungen sind alle Dosierungen („Anfangs- und Folgedosierungen“) nochmals zu halbieren.

Nur mit Paliperidon ist also eine rasche Behandlung in ausreichender Wirkstärke möglich. Nur mit Paliperidon ist nach den Fachinformationen eine Gabe in der üblichen Dosierung möglich. Die Annahme des Beigeladenen, dass auch Risperidal® aufdosiert werden könne, ist mit der Formulierung der Fachinformation nicht in Einklang zu bringen. Die entsprechenden Ausführungen in der Zusammenfassenden Dokumentation (dort S. 54) sind deshalb – da auch ansonsten nicht belegt - nicht nachvollziehbar. Ferner fehlen auch Ausführungen, welche konkreten Antipsychotika zur Behandlung der Schizophrenie und der SAD alternativ für Nierenfunktionsgeschädigte zur Verfügung stehen.

Soweit der Beklagte und Beigeladene keinen Vorteil von Paliperidon gegenüber Risperidon anerkennen, weil die Klägerin Invega® in kleineren Wirkstärken als 3 mg gar nicht anbiete, ist dies ein unbeachtliches Argument: Die Festbetragsgruppenbildung erfolgt unabhängig davon, welche konkreten Arzneimittel in Hinblick auf Zulassung und Wirkstärken zum Zeitpunkt des Gruppenbildungsverfahrens oder später auf dem Markt sind. Es ist abstrakt zu prüfen, ob bestimmte Patientengruppen - hier konkret Patienten mit mittleren Nierenfunktionsbeeinträchtigungen, bei denen erstmals eine Behandlung erfolgen soll oder bei denen aufgrund der Halbdosierung mit Risperidon nicht der gewünschte therapeutische Erfolg zu erzielen ist - mit Paliperidon rascher wirksam behandelt werden können als mit Risperidon. Dies ist ausweislich der aktuellen Fachinformationen der Fall.

Es bliebe dem Beigeladenen im Übrigen unbenommen, in einem Therapiehinweis die Verordnung von Paliperidon (u.a.) auf Erstbehandlungen von Patienten mit leichten bis schweren Nierenbeeinträchtigungen zu beschränken, bzw. auf die Dauerbehandlung bei solchen Patienten, bei denen Risperidon nicht genügend hoch dosiert verabreicht werden kann. Der Beigeladene hat jedoch für diese Versicherten bislang jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb auch diese Patientengruppe auf Risperidon verwiesen werden kann bzw. weshalb diese weder Paliperidon noch Risperidon vertragen würde.

2.4.6 Ob ähnliches auch für Patienten mit Leberfunktionsstörungen gilt, lässt der Senat dahinstehen.

Auch brauchte er nicht auch noch der Frage nachzugehen, ob es sich der Beigeladene mit der nicht näher begründeten Bewertung, die etwaigen Vorteile der Retard-Formulierung (OROS-Technik) von Paliperidon ER seien nicht relevant, weil auch Risperidon einmal täglich verabreicht werden könne, das Gebot nachvollziehbarer Begründung eingehalten hat. Auf den geltend gemachten Vorteil der Vermeidung von Konzentrationsspitzen ist damit nämlich nicht eingegangen. Dass die Compliance - hier konkret die ganz gleichmäßige Wirkstoffabgabe ohne jede Spitzen - keine relevante Rolle spielt, versteht sich nicht von selbst. Dem Senat erschließt sich nicht, wie der Beigeladene ohne Einholung des Sachverstandes klinischer Praktiker zur Frage der Relevanz rein abstrakt pharmazeutisch-wirkungstheoretisch Stellung nehmen kann.

2.4.7 Auch wenn der Senat zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen kann, dass aufgrund einer etwa noch nachgeholten Begründung tatsächlich der Schluss nachvollziehbar gerechtfertigt wäre, dass für alle Patientengruppen im oben genannten Sinne eine reale Therapiealternative vorhanden ist und die Beurteilungsfehler auch heilbar wären, führt dies nicht dazu, dass dieser Gesichtspunkt für die jetzt zu treffende Entscheidung über eine Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügungen des Beklagten unberücksichtigt zu bleiben hat. Dass diese hypothetische Heilung Realität werden wird, ist nicht hinreichend sicher (siehe unten 2.7). Die Anforderungen des Gesetzes an die Nachvollziehbarkeit der Tragenden Gründe können sich jedenfalls auch nur auf die bestehenden Beschlüsse beziehen (so bereits B. des Senats vom 6.12.2011 - L 1 KR 184/11 ER - juris Rdnr. 250).

2.5

Gleichzeitig ist die Annahme des Beigeladenen, der patentgeschützte Wirkstoff Paliperidon (ER) sei keine therapeutische Verbesserung nach § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V, fehlerhaft.

2.5.1 Eine therapeutische Verbesserung nach § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V liegt aufgrund § 35 Abs. 1 b SGB V (eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26. April 2006, BGBl. I 984) vor, wenn das Arzneimittel einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Gruppe vorzuziehen ist. Bewertungen nach S. 1 erfolgen für gemeinsame Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Wirkstoffgruppe. Ein höherer Nutzen nach S. 1 kann auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrads therapierelevanter Nebenwirkungen sein. Der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung erfolgt aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Bewertung sind in der Begründung zu dem Beschluss nach Abs. 1 S. 1 fachlich und methodisch aufzubereiten, sodass die tragenden Gründe des Beschlusses nachvollziehbar sind.

Nach der Rechtsprechung des BSG entspricht der geforderte "höhere Nutzen" der therapeutischen Verbesserung im Sinne des § 35 Abs. 1b S. 1 SGB V dem "Zusatznutzen" gegenüber anderen Wirkstoffen, wie er vom Gesetzgeber auch in § 35b Abs. 1 S. 3 SGB V (i. d. F. durch Art. 1 Nr. 20 Buchst b GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007; vgl. ab 1.1.2011 § 35b Abs. 1 S. 3 i. d. F. durch Art 1. Nr. 6 b, bb AMNOG) zur zentralen Vorgabe einer Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gemacht worden ist. Gleiches gilt für den "medizinischen Zusatznutzen" bei dem durch das AMNOG eingeführten Verfahren der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 1 S. 4 SGB V, vgl. BT-Drucks 17/2413, S 21). Inhaltlich gibt der Gesetzgeber als Maßstab einer therapeutischen Verbesserung eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, z. B. durch Verringerung von Nebenwirkungen bezüglich Häufigkeit und Schweregrad, sowie Morbidität und Mortalität vor (§ 35 Abs.1 S. 3 und 5 SGB V, sog patientenrelevante Endpunkte). Nur im Zusammenhang mit einer an der positiven Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte ausgerichteten Therapie kann sich ein höherer Nutzen auch daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt oder über besondere therapierelevante Leistungsmerkmale verfügt, z. B. Wechsel des Applikationsortes oder -weges, oder eine andere für die Therapie relevante Galenik aufweist (vgl. BT-Drucks 16/194 S 8). Anders als bei der Gruppenbildung anhand von Wirkstoffen nach § 35 Abs. 1 S. Nr. 1 SGB V kommen im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals daher auch die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffs in Betracht, soweit diese therapeutisch relevant sind.

Methodisch erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 b Abs. 1b S. 4 und 5 SGB V). Maßgeblich ist hierbei der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V, vgl. BT-Drucks 16/194 S 8). Erforderlich ist dabei der Nachweis der erfolgreichen therapeutischen Verbesserung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz (so weitgehend wörtlich BSG, U. v. 1.03.2011 - B 1 KR 10/10 R Rdnr. 61ff mit weit. Nachw.) Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Wirkstoffen. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage - und beweiskräftige Studien ausgewichen werden. Sie müssen in jedem Fall das Kriterium erfüllen, mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt worden zu sein. Studien, die als Primärziel bloße Surrogatparameter formuliert haben, kommen dagegen zum Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht in Betracht.

2.5.2 Nach den Zulassungen gibt es einen therapierelevanten Nutzen der Behandlung von Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, weil für diese unter obigen Annahmen Risperidon kein gleichwertiger Ersatz für Paliperidon darstellt. Es kann jedenfalls nach der Zulassung nicht davon ausgegangen werden, dass Risperidon normal - und nicht nur mit der Hälfte der üblichen Dosierung- verabreicht werden kann (siehe oben). Für Gegenteiliges fehlt jedenfalls eine nachvollziehbare Begründung. Auch in seiner Klageerwiderung (dort S. 43ff) begründet der Beigeladene seine gegenteilige Interpretation der Fachinformation nicht.

Die Klägerin kann sich insoweit auch auf die (Phase II-)Studien berufen, welche der Zulassung des Wirkstoffs zu Grunde liegen, auf die - soweit ersichtlich - auch die Fachinformation rekurriert (dort unter 5.2).

2.5 3 Ob sich der Beigeladene im Übrigen beurteilungsfehlerfrei mit den von der Klägerin schon im Richtlinienverfahren vorgebrachten Argumenten, bestimmte Patientengruppen seien aufgrund der Besonderheiten von Paliperidon (geringere Nebenwirkungen, weniger Wechselwirkungen und verringerte Einnahmehäufigkeit durch Retardformulierung) auf die Versorgung mit Paliperidon angewiesen, auseinandergesetzt hat, kann offen bleiben.

Allerdings weist er zutreffend darauf hin, dass Paliperidon wie Risperidon in den Fachinformationen jeweils nicht zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren zur Behandlung der Schizophrenie empfohlen werden. Fehlerfrei verweist er weiter darauf, dass sich die behaupteten Vorteile für Kinder und Jugendliche hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils auch nicht indirekt aus dem Nebenwirkungsprofil (der Erwachsenen) ableiten lassen. Es sind auch bei der Annahme des Beigeladenen, es komme unter dem Aspekt der Nebenwirkungen nicht zu den von der Klägerin behaupteten Einschränkungen der Therapiemöglichkeiten, keine Beurteilungsdefizite erkennbar.

In beiden Fachinformationen finden sich die gleichen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen bzw. Warnhinweise bei gleichzeitigem Gebrauch von Suchtmitteln. Der Beigeladene hat sich darüber hinaus mit den vorgebrachten Vorteilen von Paliperidon ER bei Mehrfachmedikamentation unter Beeinflussung des Cytochrom-P450-Enzymsystems oder ähnlicher Effekte beim Gebrauch bzw. Missbrauch von Drogen auseinandergesetzt. Auf die Zusammenfassende Dokumentation (dort S. 59 f.) wird verwiesen.

Auch die Annahme, die Studienlage bestätige das Vorbringen, Paliperidon ER habe kein gegenüber Risperidon verbessertes Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil hinsichtlich extrapyramidal-motorischer, gastrointestinaler, schlaf- bzw. müdigkeitsbezogener, orthostatischer und gewichtsbezogener Ereignisse, die sich in gegenüber Risperidon deutlich verminderten Abbruchraten aufgrund unerwünschter Ereignisse niederschlügen, ist aus Sicht des Senats fehlerfrei.

Bei Durchsicht der Fachinformation - so wie das BSG im Urteil vom 01. 03. 2011 (B 1 KR 10/10 R, Rdnr. 54) - im Hinblick auf Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen ist festzustellen, dass die Nebenwirkungen sehr ähnlich sind. In der Fachinformation heißt es hierzu: „Paliperidon ist der aktive Metabolit von Risperidon. Das Sicherheitsprofil von Risperidon kann relevant sein.“ (4.8 Invega®).

Die Fachinformation von Invega® weist gegenüber der zu Risperdal® weithin - mit der Ausnahme Parkinsonismus - keine Vorteile im Hinblick auf Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen auf. Dem steht bei Paliperidon ER das höhere Risiko einer orthostatischen Hypotonie gegenüber.

Dies gilt insbesondere für Herzrhythmusstörungen, orthostatische Hypotonie - insbesondere bei Patienten mit bekannten kardiovaskulären Erkrankungen, zerebrovaskulären Erkrankungen oder bei Bedingungen, die für eine Hypotonie prädisponieren, sowie bei der Behandlung mit Medikamenten, die auch orthostatische Hypotonie auslösen können -, bei Patienten mit Krampfanfällen oder sonstigen Erkrankungen in der Anamnese, die möglicherweise die Anfallsschwelle herabsetzen können - insbesondere, wenn mit anderen Arzneimitteln kombiniert wird, von denen bekannt ist, dass sie die Anfallsschwelle herabsetzen.

Das BSG hat für die Bewertung der Nebenwirkungen bislang alleine auf die Zulassungslage abgestellt (U. v 31.05.2006 - B 6 KA 13/05 R -, a.a.O. S. 281f Rdnr. 71; allerdings ist der Abs. 1b des § 35 SGB V erst durch das AVWG vom 26. April 2006 eingeführt worden):

„Im Rahmen der Bewertung von Arzneimitteln an Hand der in der GKV geltenden Maßstäbe ist allerdings - im Unterschied zur Methodenanerkennung - die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Wirkstoffs zu beachten, bei der gemäß § 21 Abs. 2 AMG Qualität, Wirksamkeit und medizinische Unbedenklichkeit des Wirkstoffs für die vorgesehenen Indikationen geprüft und abschließend bewertet werden ( näher BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 S 29 ). Diese Kriterien darf der GBA unter dem Aspekt des "medizinischen Nutzens" eines Arzneimittels oder Wirkstoffs nicht abweichend von der Beurteilung der für die Zulassung nach dem AMG zuständigen Behörde bewerten (zur Drittbindungswirkung konstitutiv-feststellender Verwaltungsentscheidungen s zuletzt BSGE 95, 94 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 95c Nr. 1 RdNr 11, mwN). Dem Kriterium der "medizinischen Notwendigkeit" kommt bei der Bewertung von zugelassenen Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln regelmäßig ebenfalls keine eigenständige Bedeutung zu. Die Prüfung einer neuen Behandlungsmethode an Hand dieses Kriteriums zielt auf die Relevanz der zu behandelnden Gesundheitsstörungen (Ausschluss bei reinen Befindlichkeitsstörungen) und die Wahrscheinlichkeit eines Abklingens der Symptome ohne Intervention. Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, die nach dem AMG zur Behandlung gravierender Gesundheitsstörungen zugelassen sind, regelmäßig ohne Belang.“

Direkte Vergleichsstudien sowohl der Wirksamkeit als auch der Sicherheit beziehungsweise des Nebenwirkungsspektrums von Paliperidon mit Risperidon gibt es nach den unwidersprochenen Feststellungen des Beigeladenen nicht. Als Zulassungsstudien lägen (nur) drei placebokontrollierte Akutstudien über sechs Wochen an schizophrenen Patienten vor (Davidson et al., 2007; Marder et al, 2007; Kane et al, 2007). Die Studien umfassten insgesamt 1 692 Patienten (so Zusammenfassende Dokumentation, S. 61 f.)

Zur orthostatischen Hypertension kann der Beigeladene auf die Einschätzung der EMA verweisen: „However, there was no clear apparent relationship between the paliperidone plasma concentrations and the change in orthostatic systolic blood pressure in study PAL-SCH-1O1 based on a non-inferiority comparison.“ (Zusammenfassende Dokumentation, S. 63; Scientific Discussion der EMA [Orthostatic hypotension] S. 24)

Die Rate an Somnolenz-bezogenen unerwünschten Wirkungen wird von der EMA für beide Wirkstoffe, sowohl Paliperidon als auch Risperidon, als „häufig“ klassifiziert. (Zusammenfassende Dokumentation, 5. 63).

Zutreffend ist auch die Annahme, dass die vorliegenden Studien eine ausgeprägte Dosisabhängigkeit des Auftretens extrapyramidal-motorischer Nebenwirkungen (EPS) bei Paliperidon zeigten (EMA Scientific Discussion, Tabelle 21). Bei der empfohlenen Standarddosierung von 6 mg liegt die Häufigkeit des Auftretens von EPS bei 10 % und damit genau zwischen der Einstufung „Sehr häufig“ (entspricht gleich oder größer 10 %) und „Häufig“ (entspricht gleich oder größer 1 % bis kleiner 10 %). Für die ebenfalls im empfohlenen Dosisbereich von Paliperidon liegenden Dosierungen 9 und 12 mg liegt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von EPS bei Paliperidon über 10 % und damit in der Stufe „Sehr häufig“. Die Annahme des Beigeladenen, auch hinsichtlich der EPS sei von ähnlichen Nebenwirkungen auszugehen, erscheint damit dem Senat schlüssig.

Speziell tardive Dyskinesien (Spätdysinesien) als besonders gravierende Form der EPS träten in der Regel erst nach ein bis zwei Jahren Behandlungsdauer auf. Inwieweit hier Unterschiede zwischen Paliperidon und Risperidon bestünden, könne aufgrund fehlender Langzeitdaten noch nicht beurteilt werden. Die Zulassungsbehörde warne in beiden Fachinformationen gleichermaßen vor der Möglichkeit des Auftretens tardiver Dyskinesien und empfehle, das Absetzen sämtlicher Antipsychotika zu erwägen (Zusammenfassende Dokumentation, S. 63 f.; Scientific Discussion der EMA (Extrapyramidal symptoms (EPS)), S. 24 f.; (Specific safety issues), S. 44 f.).

Auch die Einschätzung des Beigeladenen, die Therapieabbruchraten für Paliperidon in den verfügbaren Studien lägen auf dem Niveau der Abbruchraten bei anderen atypischen Neuroleptika, ist frei von Beurteilungsdefiziten. In der Zusammenfassenden Dokumentation heißt es hierzu, in den Zulassungsstudien lägen die Therapieabbruchraten von Paliperidon durchweg auf dem Niveau der aktiven Kontrolle mit Olanzapin. Die Darstellungen zu gegenüber anderen atypischen Neuroleptika geringeren unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Paliperidon werden mit einer Metaanalyse von Placebo-kontrollierten Studien (Jones et al, 2008) begründet. Diese Metaanalyse sei jedoch eine von Firmenmitarbeitern publizierte Posterpublikation, deren methodische Qualität keiner adäquaten Beurteilung zugeführt werden könne und daher keinen ausreichenden Evidenzgrad zur Untermauerung der Argumentation habe (Zusammenfassende Dokumentation, S. 64 f).

Entsprechendes gilt für seine Bewertung der weiteren Studie PAL-SCH-401 3 vor, die zum Zeitpunkt der Anhörung nicht als Publikation in einer begutachteten Zeitschrift (Peer Review) vorlag. Hierzu heißt es in der Zusammenfassenden Dokumentation:

„Teilnehmer an der Studie waren „mit Risperidon mindestens vier Wochen behandelte Schizophrenie-Patienten mit als suboptimal eingestuftem Ansprechen auf die Risperidon-Therapie“. Das Einschlusskriterium „suboptimales Ansprechen“ wird nur unzureichend konkretisiert: „subjects had to have an aspect of disease management which could potentially benefit from a change in antipsychotic medication“ und kann auch in einer „berichteten Unzufriedenheit mit der Medikation“ bestehen. Primärer Endpunkt der Studie ist wiederum ausschließlich die Patientenzufriedenheit, die mittels eines Medication Satisfaction Questionnaire (MSQ) erhoben werden. Der MSQ besteht nur aus einem Fragepunkt und wurde in der Studie verbal erhoben. Möglich sind sieben Antwortstufen von 1 „Extremely Dissatisfied“ bis 7 „Extremely Satisfied“. Der Fragepunkt MSQ entspricht nur einem Unterpunkt des (als valides Untersuchungsinstrument zu qualifizierenden) Treatment Satisfaction Questionnaire for Medication (TSQM). Für den MSQ als Einzelfrage liegt keine entsprechende Validierung vor. Der Endpunkt MSQ ist daher nicht geeignet, die Patientenzufriedenheit methodisch adäquat abzubilden und eine therapeutische Verbesserung im Sinne einer überlegenen Wirksamkeit oder einer Verringerung von Nebenwirkungen von Paliperidon zu belegen.“ (Zusammenfassende Dokumentation, 5. 69 f).

Darüber hinaus unterschieden sich die beiden Studienarme nur in einem um zwei Wochen verzögerten Therapiebeginn mit Paliperidon. Die Studie sei nicht für den Zwischengruppenvergleich von Paliperidon und Risperidon geplant und berechnet. Der Zwischengruppenvergleich von Paliperidon mit Risperidon habe als post-hoc-Subgruppenanalyse daher allenfalls hypothesengenerierenden, aber keinen konfirmatorischen Aussagewert. Das Studiendesign sei nicht geeignet, um eine therapeutische Verbesserung von Paliperidon gegenüber den anderen Gruppenteilnehmern zu belegen. Insbesondere für die vergleichende Bewertung der unerwünschten Therapiewirkungen zwischen Paliperidon und Risperidon erlaube das Studiendesign keine validen Aussagen (Zusammenfassende Dokumentation, 5. 70).

Fehlerfrei ist der Beigeladene auch auf die unpublizierte so genannte Interimsanalyse „PILAR“ (PAL-SCH-4015) eingegangen:

„Es handelt sich um einen Interimsreport einer nicht-interventionellen, nicht-verblindeten Beobachtung des Verordnungsverhaltens (Anwendungsbeobachtung). Die Patientenpopulation ist nicht repräsentativ. Während das Protokoll von PILAR die Studienpopulation wirkstoffunabhängig beschreibt: „Patients who have switched to or started on a new oral antipsychotic treatment (either atypical or conventional)“, lagen offensichtlich für die an der Anwendungsbeobachtung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte Motive und Anreize vor, die Paliperidon in der lndikationsstellung stark favorisierten. Genauere Angaben zu den medizinischen Kriterien der Verordner für den Wechsel der Medikation liegen nicht vor. Von den insgesamt 619 beobachteten Patienten wurden 481 mit Paliperidon behandelt, aber nur 19 mit Risperidon, 21 mit Olanzapin und 98 mit anderen Antipsychotika. Der Interimsreport führt dazu aus: „Note that the patient numbers on these two individual antipsychotics in the comparator group are low and do not allow to make solid conclusions at this stage“ Vergleichende Aussagen zu klinischen Parametern können aus dieser Anwendungsbeobachtung demzufolge nicht getroffen werden. Es handelt sich nicht um eine kontrollierte, vergleichende Studie von Paliperidon mit Risperidon. Die eingereichten Unterlagen zu „PAL-SCH-401 5 - Pharmacoepidemiologic International Longitudinal Antipsychotic Registry (PILAR)“ sind nicht geeignet, eine therapeutische Verbesserung von Paliperidon zu belegen.“ (Zusammenfassende Dokumentation, S. 71 f.)

2.6

Ob daneben auch die Vergleichsgrößenfestsetzung gemäß § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V des Beigeladenen an relevanten Beurteilungsfehlern leidet, bedarf keiner abschließenden Beurteilung.

Der Senat hält die die vom Beigeladenen gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke jedenfalls bei der hier indirekt angegriffenen Festbetragsgruppenbildung jedoch für zweifelhaft und möglicherweise nicht mehr von einer Einschätzungsprärogative des Beigeladenen gedeckt.

Zunächst sind im konkreten Fall möglicherweise die allgemeinen grundsätzlichen Annahmen, auf welche der Beigeladene die Sinnhaftigkeit der von ihm angewendeten Methode der verordnungsgewichteten Einzelwirkstärken stützt, widerlegt (dazu 2.6.2.).Zum Zweiten ist die Methode auch in sich nicht schlüssig dargestellt und damit nicht nachvollziehbar (dazu 2.6.3). Zuletzt stellt diese Methode in ihrer strikten Anwendung jedenfalls in der konkreten Festbetragsgruppe aus allgemeinen Erwägungen möglicherweise keine gesetzeskonforme Vergleichsgröße (VG) zur Verfügung (dazu 2.6.4).

2.6.1 Dem Beigeladenen kommt auch bei der Entscheidung über die Methodik der Vergleichsgrößenbestimmung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu. Die Norm gibt nicht vor, ob der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (BSG, Urt. v. 01.03.2011 - Az.: B 1 KR 10/10 R, Rn. 83).

Die Bestimmung der VG durch den Beigeladenen nach dem Modell der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke erfolgt wie folgt:

Zur Ermittlung der VG werden wirkstoffbezogen und ohne weitere Differenzierungen die im Markt vorhandenen, arzneimittelrechtlich zugelassenen Wirkstärken und die zum Zeitpunkt des Gruppenbeschlusses zuletzt verfügbaren Jahresdaten nach § 84 Abs. 5 SGB V herangezogen. Jeder wirkstärkenbezogene ermittelte prozentuale Verordnungsanteil wird zunächst abgerundet und zu diesem Ergebnis der Wert 1 addiert (modifizierte Gaußsche Klammerfunktion). Der entstehende Gewichtungswert ist also immer die nächstgrößere Zahl. Auf diese Weise wird ermöglicht, auch Wirkstärken zu berücksichtigen, für die stichtagsbezogen noch keine Verordnungszahlen vorliegen. Diese fließen mit dem Gewichtungswert 1 in die Berechnung der VG ein. Jede Einzelwirkstärke wird dann mit ihrem Gewichtungswert multipliziert und als gewichtete Einzelwirkstärke je Wirkstoff ausgewiesen. Im Anschluss werden für jeden Wirkstoff die gewichteten Einzelwirkstärken addiert und durch die Summer der Gewichtungswerte des Wirkstoffs dividiert. Die so ermittelte durchschnittliche Einzelwirkstarke ergibt die VG des Wirkstoffs, soweit nicht noch so genannte Applikationsfaktoren berücksichtigt werden.

Die VG der unterschiedlichen Wirkstoffe stehen also grundsätzlich nebeneinander, ohne dass sie in irgendeiner Form ins Verhältnis gesetzt werden. Einzige Ausnahme hiervon ist die Berücksichtigung der Applikationsfaktoren.

Beim anschließenden Verfahren der konkreten Festbetragsfestsetzung ermittelt der Beklagte zunächst stichtagsbezogen anhand der Datenlieferung der pharmazeutischen Unternehmen nach § 131 Abs. 4 SGB V sämtliche im Markt angebotenen Fertigarzneimittel, die die Bedingungen der Festbetragsgruppe erfüllen. Je Fertigarzneimittel werden der Preis, die Packungsgröße und die reale Wirkstärke bzw. das Ergebnis der Division aus realer Wirkstärke des Fertigarzneimittels und Vergleichsgröße des Wirkstoffs erfasst. Nach Transformation der Marktpreise in relative Preise wird eine multiple Regressionsanalyse durchgeführt, um das Preisgefüge in Abhängigkeit von Wirkstärke und Packungsgröße abzubilden. Das Endergebnis der Regressionsanalyse ist für jede einzelne Wirkstärken-Packungsgrößen-Kombination ein Schätzmodell-Standardpreis. Die Festbeträge für die verschiedenen Wirkstärken-Packungsgrößen-Kombinationen ergeben sich aus der Multiplikation des für die Standardpackung festgesetzten Festbetrages mit den jeweiligen Schätzmodell-Standardpreisen.

Ausgangspunkt und Basis der VG-Berechnung sind die Annahmen des Beigeladenen, dass zum einen Zulassungsbehörden nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken zuließen und zum anderen, dass die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte die Wirkstärken auch sachgerecht verordneten. Auf diese Prämissen hat der Beigeladene auch im hiesigen Verfahren abgestellt.

2.6.2 Im vorliegenden Fall bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die grundsätzliche Annahme, die ärztlichen Verordnungen erfolgten sachgerecht, für die Verschreibung von Risperidon in kleinen Wirkstärken nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.

Risperidon ist neben der Schizophrenie auch in den Indikationen „Mäßige schwere manische Episoden‘, „Schwere chronische Aggressivität und psychotische Symptome bei Demenz“ sowie „Verhaltensstörung bei Intelligenzminderung“ (Alter 5 bis 18 Jahre) zugelassen. In diesen weiteren Indikationen wird Risperidon typischerweise in kleineren Wirkstärken als in der Schizophrenie eingesetzt (z. B. laut Fachinformation Risperdal, Stand September 2008, in der Indikation „Schwere chronische Aggressivität und psychotische Symptome bei Demenz“: Tagesdosis 1 bis 2 mg). Hingegen wird für Schizophrenie als Erhaltungsdosis für Risperidon 4-6 mg angegeben. Nach der Aussage der Klägerin wird Risperidon in mehr als 50% der Verordnungen bei älteren Patienten mit Demenz eingesetzt. Während bei Paliperidon über alle Altersstufen hinweg zu 86% die Schizophrenie ausschlaggebende Indikation für die Verordnung ist, gilt dies nur für ca. 30% der Verordnungen von Risperidon (vgl. näher S. 9 der schriftlichen Stellungnahme im Anhörungsverfahren vor dem Beklagten).

Diese Angaben der Klägerin decken sich mit der von der Gemeinsame Arbeitsgruppe Arzneimittelvereinbarung Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe/Verbände der Krankenkassen im Juli 2010 veröffentlichten Bewertung einer Analyse von Verordnungsdaten einer großen Krankenkasse aus dem 1. Halbjahr 2009. Danach sind nur ein Anteil von 19,5% bzw. 26,8% der Risperidon-Verordnungen der Diagnose Schizophrenie (F20.0 - F20.9) im engeren Sinne bzw. schizoaffektiver Störungen zuzuordnen. Ein fast gleich großer Anteil von Verordnungen entfiel mit ca. 25% auf Diagnosen, die der Behandlung von Patienten mit Demenzerkrankungen zugeordnet werden können. Bei konservativer Schätzung fänden sich für einen Anteil von ca. 40% in dieser Gruppe Verordnungen über mindestens zwei aufeinander folgende Quartale. Dies könne auf eine längerfristige, gegebenenfalls dauerhafte Anwendung hinweisen, obgleich Risperidon nur zur Kurzzeitbehandlung bis sechs Wochen für anders nicht ausreichend beherrschbare Aggressionen dementer Patienten zugelassen ist.

Dauerverordnungen bei Demenzkranken und Kindern sind nicht durch die Zulassung gestützt. Es bestehen also Anhaltspunkte dafür, dass möglicherweise ein nicht vernachlässigbar großer Anteil der Verordnungen im niedrig dosierten Bereich bei Risperidon ein Off-Label (genauer Beyond-Label)-Use ist. Der Beigeladene bzw. der Beklagte haben das Verordnungsverhalten mit Nichtwissen bestritten bzw. die Aussagekraft der Analyse der KV Westfalen-Lippe angezweifelt. Der Beigeladene hätte dem aber nachgehen müssen und sich vor der Beschlussfassung bzw. in Erwägung einer möglichen Änderung damit beschäftigen müssen, zumal Anhaltspunkte, dass die Angaben nur auf regionalen Besonderheiten beruhen könnten, nicht ersichtlich sind.

Ganz allgemein sieht es die Klägerin zutreffend als kritisch an, dass auf die tatsächlichen Verordnungsgewohnheiten in der Ärzteschaft abgestellt werde in der Annahme, diese würden immer indikationsgerecht und sinnvoll verordnen. Die Verordnungszahlen werden vielmehr durch viele Faktoren beeinflusst, insbesondere auch durch den Preis einer angebotenen Packung bzw. Werbung der Pharmavertreiber bei den Ärzten und den Patienten für einen bestimmten Wirkstoff. So hat gerade die Beklagte darauf hingewiesen, dass ein weiteres Tochterunternehmen des Mutterkonzerns der Klägerin in den USA wiederholt zur Strafzahlen verurteilt wurde, weil für einen nicht indikationsgerechten Einsatz von Risperdal® geworben wurde.

2.6.3 Das Konzept ist auch abgesehen hiervon bis heute teilweise nicht im erforderlichen Umfang nachvollziehbar dargelegt:

Der Senat hat bereits im Beschluss vom 17. Dezember 2007 (L 1 B 435/07 KR ER, Juris-Rdnr. 98) bemängelt, dass die Entscheidungsgrundlagen für die Verfahrensordnung des Beigeladenen die Motive, die diesen zur Verwendung der Gaußschen-Klammerfunktions-Formel bewogen haben, nicht offen legt: Warum sich zur Berücksichtigung neuer Wirkstoffausprägungen, die sich noch nicht im Verordnungsverhalten niederschlagen konnten, gerade eine Berücksichtigung von 1 (1%) anbietet, und warum auf Dauer von jeder zugelassenen Wirkstoffausprägung fingiert wird, dass sie zu 1% verordnet werden, erscheint nach wie vor eine möglicherweise sinnvolle, aber womöglich auch nur eine rein gegriffene und jedenfalls nicht näher begründete Größe zu sein. Für Innovationen, von denen abzusehen ist, dass sie sich schlagartig durchsetzen werden (z.B. erstmalige Retardformulierungen, erstmalig Verabreichung in Zäpfchenform, selbst wenn der Beigeladene den Arzneimitteln insoweit therapeutische Relevanz abspricht) scheint die Berücksichtigung der jeweiligen Wirkstärkenausprägung 1 möglicherweise zu wenig zu sein, auch wenn im nächsten Rechenschrift eine Multiplikation mit der Wirkstärke vorgenommen wird. Andererseits ist der Wert 1 bei vielen unterschiedlichen und auch verordneten Wirkstärken bereits zu hoch gegriffen. Die Regelung ist zumindest theoretisch manipulationsanfällig: So kann ein Generikavertreiber theoretisch durch Erwirkung einer Zulassung einer sehr geringen Wirkstoffmengenausprägung die Vergleichsgröße des Wirkstoffes beeinflussen und damit indirekt, ob die Arzneimittel der Konkurrenz noch oder nicht mehr vom Festbetrag gedeckt sind.

Eine Begründung für die Aufrundung gerade auf 1 fehlt, obgleich die Klägerin diese von Anfang an reklamiert hat. In der mündlichen Verhandlung ist von Seiten des Beklagten (nur wieder) darauf hingewiesen worden, dass die mit der Formulierung der Vergleichsgrößenberechnung betrauten Mathematiker die Formel für sinnvoll erachtet hätten.

Auch den Widerspruch, der durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Applikationshäufigkeiten bzw. Therapieschemata nach Maßgabe der Nr. 2 und 3 des § 2 der Anlage I zum 4. Kapitel der Verfahrensordnung des Beigeladenen (aktueller Fassung), begründet wird, obgleich diese Faktoren der Grundannahme, die Relevanz ergebe sich aus dem Verordnungsverhalten, widersprechen, hat der Beigeladene bislang nicht aufgelöst (vgl. hierzu bereits B. d. Senats 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER -, juris Rdnr. 67f). Wenn alle therapierelevanten Umstände bereits bei der Gruppenbildung berücksichtigt sind, es also zum Beispiel nicht therapeutisch relevant ist, dass eine Retardformulierung nur einmal täglich eingenommen werden muss, kann ein zusätzlicher Applikationsfaktor nur die Verordnungsrelevanz relativieren.

2.6.4 Aber auch abgesehen von dem Umstand, dass hier nicht ohne weiteres von angemessener Verordnungsweise ausgegangen werden kann, lässt der Senat dahinstehen, ob der Beigeladene nicht die Funktion der VG verkennt.

Beklagter und Beigeladener sind der Auffassung, die VG müsse auf Unterschiede zwischen den verschiedenen Wirkstoffen, den unterschiedlichen Applikationsformen oder anderen weiteren Unterschiede der Arzneimittel (wie bei den weiteren Inhaltsstoffen, Retardformulierungen) keinerlei Rücksicht nehmen, da sämtliche therapierelevanten Faktoren bereits bei der Gruppenbildung berücksichtigt würden. Hier im konkreten Fall sei beispielsweise irrelevant, dass die benötigte Wirkstoffmenge im Verhältnis Paliperidon zu Risperidon bei der Behandlung der Schizophrenie 5:6 betrage, im Verhältnis der VG jedoch Risperidon mit einer VG von 1,4 um mindestens 220 % überbewerte, weil alle Patienten statt Paliperidon ER Risperidon einnehmen könnten. Sie können sich hierzu auf das Urteil des BSG vom 01.03.2011 (vgl. B 1 KR 10/10 R Rdnr. 84f) stützen, in dem die Methode des Beigeladenen ausdrücklich gebilligt wurde. Dass nicht alle Wirkstoffe zum Festbetrag angeboten würden, schränke die hinreichende Arzneimittelauswahl nicht ein, da die Versicherten - mit Ausnahme atypischer Einzelfälle - auf die (oder auch nur den einen, bei der hiesigen Festbetragsgruppe auf Risperidon) Wirkstoff verwiesen werden könnten (BSG, a. a. O. Rdnr. 89).

Die Bedenken der Klägerin und des Senats sind aber nach wie vor nicht widerlegt:

Die Festbeträge werden für jeden Wirkstoff und jede Packungsgröße mit Hilfe einer durch den Beklagten ermittelten Regressionsgleichung ermittelt. Über diese Regressionsgleichung fließt die durch den Beigeladenen festgelegte VG in jeden ermittelten Festbetrag mit ein (vgl. auch § 35 Abs. 3 SGB V). Damit der Festbetrag selbst die Zielsetzung des Gesetzgebers (§ 35 Abs. 5 SGB V) erfüllt, muss dies also bereits die vom Beigeladenen ermittelte VG gewährleisten.

Vom Gesetzgeber war ursprünglich zur VG-Bestimmung ausschließlich die Methodik der durchschnittlichen Tagestherapiedosen (DDD, Defined Daily Doses) als die vom Gesetzgeber allgemein anerkannte Methodik für die Festbetragsbildung vorgesehen (vgl. § 73 Abs. 8 S. 4 SGB V). § 35 Abs. 1 S. 5 (und Abs. 3) SGB V wurde auf den Einwand hin, dass die Methodik der DDD für die Bildung von Festbeträgen für unterschiedliche Wirkstoffe nicht geeignet sei, um den Teilsatz. „oder andere geeignete Vergleichsgrößen“ ergänzt. Zur Darstellung der Historie der Gesetzgebung wird auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2009 (- S 81 KR 1781/07 - juris Rdnr. 41ff) verwiesen. Dass sich das System der DDD in der Praxis des Beigeladenen als nicht sachgerecht erwiesen hat, ist kein taugliches Argument dafür, die VG-Bildung auf eine reine Wirkstärkenverhältnisberechnung zu reduzieren. Soweit sich der Beigeladene auf eine Studie beruft (Grimmsmann/Himmel, a.a.O.), die zu dem Ergebnis kommt, dass Unterschiede der sog. PDD im Vergleich zur DDD in der Regel nicht auf eine unangemessene Verordnungsweise zurückzuführen seien, sondern vielmehr Indiz dafür seien, dass die DDD nicht regelhaft die tatsächliche mittlere tägliche Erhaltungsdosis abbildeten, kann er zwar die Ungeeignetheit der DDD belegen, jedoch nicht, dass die PDD eine wirkstoffbezogene Größe darstellt unabhängig von der Krankheit, die behandelt werden soll. Die Autoren räumen als Schwäche ihrer Untersuchung ausdrücklich ein, die Diagnosen der Verordnungen nicht gekannt zu haben (a. a. O. S. 416 rechts). Eine Definition für PDD liefern sie nicht.

Dass der Gesetzgeber gerade die DDD nach wie vor auch als adäquate Grundlage einer VG ansieht, ist ein normsystematisches Argument für die Annahme, dass mit der VG insgesamt erreicht werden soll, dass sich die Vorteile eines Arzneimittels insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht - bezogen auf die Gesamtkosten, nicht nur die Arzneimittelkosten - niederschlagen.

Der Senat hat die Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke seit langem als kritisch angesehen, insbesondere wenn die Anwendungsgebiete der Wirkstoffe bei einer Festbetragsgruppe der Nr. 2 unterschiedlich sind (vgl. Beschlüsse v. 20.12.2006 - L 1 B 236/06 KR ER - juris Rdnr. 67ff und v. 17.12.2007 - L 1 B 435/07 KR ER- juris Rdnr. 86ff, insbesondere 96ff). Das BSG hat sich mit den Bedenken in den Urteilen vom 1. März 2011 (vgl. B 1 KR 10/10 R Rdnr. 84f) nicht mit Substanz auseinandergesetzt. Danach stehe bei der VG-Ermittlung im Vordergrund, eine sachgerechte mengenbezogene Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Wirkstoffen - insbesondere auch unter Einbeziehung der nahezu unübersehbaren Vielfalt der Wirkstärken-Packungsgrößen-Kombinationen pro Wirkstoff - herzustellen. Nach Auffassung des BSG soll für die VG die Ermittlung einer tatsächlichen Wirkstärke irrelevant sein, weil dieser Wert nicht objektivierbar sei (BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 1 KR 10/10 R - Rn. 83). Aus seiner Aussage, einfache Annahmen wie „Wirkstoff A wirkt doppelt so gut wie Wirkstoff B“ schieden aus, folgt aber keinesfalls, dass das zusammenhanglose Nebeneinanderstellen einer VG für jeden einzelnen Wirkstoff, jeweils gebildet aus den verordnungsgewichteten Einzelwirkstärken, eine „geeignete Vergleichsgröße“ nach § 35 Abs. 1 S. 5 SGB V darstellt. Ein Bezug zwischen unterschiedlichen Wirkstoffen wird nämlich nur in den Fällen gebildet, bei denen die Verabreichung der verschiedenen Wirkstoffe mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen verbunden ist. Das In-Verhältnis-Setzen erfolgt hier über die Regeln zum sogenannten Applikationsfaktor. Auch das BSG zieht den Faktor unterstützend heran, obgleich dieser der Grundannahme, die Relevanz ergebe sich aus dem Verordnungsverhalten, widerspricht.

Unberücksichtigt bleibt bei der Methode des Beigeladenen zudem, dass es auch innerhalb einer Gruppe von Arzneimitteln mit dem gleichen Wirkstoff Unterschiede gibt, welche relevanten Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Gesamtbehandlung haben. Auch das BSG fordert im Urteil vom 1. März 2011 (B 1 KR 7/10 R, Rdnr. 49), den Gesetzeszweck der Vergleichsgrößen zu beachten, nämlich sicherzustellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten individuell benötigte Arzneimitteldosis annähernd gleich sind. Auch wenn zum Beispiel der Unterschied zwischen einer normalen Tablette und einer Retardtablette nicht so erheblich ist, dass deshalb bereits eine Gruppenbildung zu unterbleiben hat, kann eine seltener und einfacher einzunehmende Verabreichungsform günstiger sein als die Standardverabreichung. Die Methode des Beigeladenen zwingt dazu, an § 35 Abs. 1 S. 1-4 SGB V strenge Maßstäbe anzuwenden. Es gibt nur ein „Alles oder nichts“ bei der Gruppenbildung.

Entsprechendes gilt für andere Unterschiede der Arzneimittel, die sich relevant auf die Compliance auswirken, beispielsweise sonstige Inhaltsstoffe mit Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten, die an sich hinnehmbar sind, geringere Verwechslungsgefahr, Zäpfchen statt Tabletten bei Kinderarzneimitteln, einfachere Inhalation, Saft statt Tablette. Die VG-Ermittlung dient insoweit nicht primär der Preisbildungsgerechtigkeit, sondern der Versorgung der Versicherten. Maßgeblich muss vielmehr sein, dass die VG nicht bloß eine einfache Rechengröße darstellt, sondern dass bei ihrer Bildung kein therapeutisch relevanter Faktor unter den Tisch fallen darf (so Beschluss des Senats vom 20.12.2006 juris Rdnr. 66). Die Vorschrift gibt den gesetzlichen Auftrag, zur Vorbereitung der Festbetragsfestsetzung als Basis für alle einbezogenen Medikamente den (kleinsten) gleichen gemeinsamen Nenner gleicher therapeutischer Wirkung zu ermitteln. Nur dann ist bei Festbetragsgruppen der Nummern 2 und 3 gewährleistet, dass die Vergleichsgröße sachgerecht ist. Alleine dann ist sichergestellt, dass bei gleicher Packungsgröße für das wirksamere Arzneimittel ein höherer Preis zu zahlen ist, wie dies das BSG im Urteil vom 24. November 2004 fordert (B 3 KR 10/04, juris Rdnr. 23):

„Wird aber ein Wirkstoff, ...‚ im Vergleich zu den anderen in der Gruppe zusammengefassten Wirkstoffen, insbesondere dem Referenzwirkstoff, unterbewertet, in der Weise, dass die erforderliche Tagesdosis im Vergleich zum Referenzarzneistoff nahezu verdoppelt wird, obwohl die Wirkstoffe gleich wirksam sind und in der ärztlichen Verordnungspraxis auch als gleich wirksam behandelt werden, tritt dadurch eine erhebliche Benachteiligung im Wettbewerb ein ....“

Dass der 3. Senat des BSG insoweit keinen Rechtssatz aufstellen, sondern nur einen faktischen Ist-Zustand bei den Wirkstoffen sogenannter ACE-Hemmer beschreiben wollte, erschließt sich dem Senat dabei nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Bezug auf die ärztliche Verordnungspraxis losgelöst von der Leitindikation gewesen ist, der Senat also bewusst Aussagen zur Irrelevanz unterschiedlicher Indikationen bei der Vergleichsgrößenermittlung treffen wollte.

2.7

Zwingende Folge der Rechtswidrigkeit des Beschlusses bzw der Beschlüsse des Beigeladenen ist die Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung durch den Beklagten. Diese beruht unmittelbar auf den Beschlüssen des Beigeladenen.

Nach dem Gesetz können die Beschlüsse des Beigeladenen selbst nämlich von Betroffenen nicht direkt einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte zugeführt werden, § 35 Abs. 7 S. 4 SGB V. Es handelt sich gerade nicht um ein (echtes) Normenkontrollverfahren wie das nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), so dass sich der Beigeladene auch nicht auf Grundsätze berufen kann, welche für solche Verfahren gelten. Die Betroffenen sind vielmehr auf die Inzidentüberprüfung im Rahmen der Kontrolle der konkreten Festbetragsfestsetzung des Beklagten angewiesen. Auch im konkreten Rechtsstreit hier hat die Klägerin keine Möglichkeit, eine erneute Befassung des Beigeladenen mit seiner getroffenen Festgruppenbildung zu erwirken, auch nicht mit Hilfe des Gerichts.

Ähnlich wie in anderen Fällen, in denen ein Bescheid auf der Grundlage einer Rechtsnorm im Range unterhalb eines förmlichen Gesetzes beruht, die sich (derzeit) als rechtswidrig und damit unanwendbar darstellt, leidet die angegriffene Allgemeinverfügung selbst an einem Rechtsmangel.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beigeladene bei erneuter Befassung zwingend zum (exakt) selben Ergebnis gelangen muss: Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes aus § 12 SGB V in umfassender Form wird er abzuwägen haben, ob bei einer Herausnahme des Wirkstoffes Paliperidon überhaupt höhere Arzneimittelkosten entstünden. Die Klägerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, Invega® würde durch andere Antipsychotika-Arzneimittel ohne Festbetragsfestsetzungen, die noch patentgeschützt und entsprechend teuer seien, verdrängt werden. Soweit von Kostenverringerung ausgegangen werden kann, wird das Ziel der Einsparung von Arzneimittelkosten, das aus Sicht des Senats kein Selbstzweck an sich, sondern Teil des übergeordneten Zieles, die Gesamtkosten der GKV möglichst niedrig zu halten, möglichen Mehrkosten bei der Behandlung insgesamt gegenüberzustellen sein. Dass im Beschlussgremium des Beigeladenen zwar Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenhäuser vertreten sind, jedoch keine sonstigen Leistungserbringer (vgl. § 91 Abs. 2 SGB V), beispielsweise die Arzneimittelhersteller bzw. -vertreiber, ändert an diesem Gesamtziel nichts.

Auch innerhalb der Vorgabe, Arzneimittelkosten einzusparen, stellt sich die Bildung einer Festbetragsgruppe nicht als einzige Möglichkeit dar. Eine Beschränkung der Verordnungsfähigkeit beispielsweise auf die relevanten Patientengruppen wäre alternativ auch durch einen Therapiehinweis denkbar bzw. sogar nach § 35 Abs. 1b S. 9 SGB V die von Gesetzes wegen gebotene Alternative. Speziell für die hier streitgegenständliche Festbetragsgruppe ist der Beigeladene aufgrund des Gebots, den besonderen Erfordernissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen (§ 92 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. SGB V), besonders gehalten, die praktische Bedeutung der Gruppenbildung für die an Schizophrenie oder SAD Leidenden besonders gründlich in den Blick zu nehmen.

2.8

Der auf fehlerhafter Grundlage ergangenen Beschlüsse des Beigeladenen und die darauf fußenden Allgemeinverfügungen des Beklagten verletzen die Klägerin in ihrem - oben ausführlich hergeleiteten - Teilhaberecht aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 12 GG. Diese sachwidrige Gleichbehandlung trotz relevantem Unterschied ist hier auch nicht nur abstrakter Natur. Der Umsatz, den die Klägerin mit Invega® erzielen konnte, ist in hohem Maße eingebrochen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision ist zuzulassen. Dem Rechtsstreit kommt grundsätzliche Bedeutung zu, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.