Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 26.02.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 B 8.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 8 FFG, § 56 Abs 1 Nr 1 FFG |
1. "Kinolose" Gemeinden sind grundsätzlich "lokal unterversorgt". Sie stellen deshalb, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend annimmt, zunächst den typischen Fall für die vom Gesetzgeber vorgesehene Kinoneuerrichtungsförderung dar.
2. Geht die Anzahl der neu zu schaffenden Sitzplätze über das zur Beseitigung der Unterversorgung in der fraglichen Gemeinde erforderliche Maß hinaus, rechtfertigt dieser Umstand regelmäßig den Schluss, dass der Betrieb des neu zu errichtenden Kinos darauf angelegt ist, auch Zuschauer aus benachbarten Gemeinden anzuziehen. In einer solchen Konstellation beseitigt der geplante Kinoneubau nicht lediglich die Unterversorgung der Gemeinde, sondern wirkt auch auf die Kinolandschaft der Umgebung ein. Diesem Umstand lässt sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine Unterversorgung vorliegt, nur Rechnung tragen, indem die fraglichen Nachbargemeinden in die Betrachtung einbezogen werden.
3. Regelmäßig zu verneinen ist eine Strukturverbesserung, wenn durch das neu zu errichtende Kino signifikante Zuschauerverluste bei anderen Kinos zu erwarten sind. Solche Zuschauerverluste sind umso eher anzunehmen, je geringer die Sitzplatzauslastung eines benachbarten Kinos ist. Bei Kinos mit deutlich un-terdurchschnittlicher Sitzplatzauslastung kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie bereits an der Grenze der Wirtschaftlichkeit betrieben werden, so dass schon verhältnismäßig geringe Besuchereinbußen ihre Verdrängung nach sich ziehen können.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2011 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höheleistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin beantragte im Dezember 2009 bei der Filmförderungsanstalt eine Förderungshilfe zur Finanzierung des Neubaus eines Multiplex-Kinos mit sechs Sälen und 1.200 Sitzplätzen im südhessischen B..., die die Beklagte mit Bescheid vom 15. September 2010, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011, mit der Begründung ablehnte, durch die Neuerrichtung des Kinos bestehe die konkrete Gefahr, dass die im Umfeld bestehenden Betreiber verdrängt würden. Der Umstand, dass es in Bensheim selbst kein Kino gebe, erfordere keine andere Bewertung, weil im Umkreis von 20 Kilometern weitere Kinos vorhanden und wegen der Nähe zur Autobahn auch gut erreichbar seien. Weiter sei nicht konkret dargelegt, dass durch den Kinoneubau neues Publikum generiert und nicht nur Besucher von den bisherigen Kinos abgezogen würden. Die Schüler, die in Bensheim als potenzielle Kinobesucher ohne eigenes Auto in Betracht kämen, reichten nicht aus, um von einer bedeutsamen Steigerung von Neubesuchern ausgehen zu können. Aus diesem Grund sei auch das vorhandene Premierenkino im 20 Kilometer entfernten W... zu berücksichtigen. Dass mit den umliegenden Kinos, die zum Großteil normales Programm anböten, eine andere Zielgruppe erreicht werden solle, als mit dem geplanten Neubau, leuchte nicht ein.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, der Klägerin die beantragte Förderungshilfe zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Fördervoraussetzungen lägen vor, weil die geplante Kinoneuerrichtung der Strukturverbesserung diene. Da die rund 40.000 Einwohner zählende Gemeinde B... „kinolos“ sei, werde mit dem Kinoneubau einer lokalen Unterversorgung begegnet. Dies sei der typische Fall für die vom Gesetzgeber vorgesehene Kinoneuerrichtungsförderung. Zwar seien in der B...Umgebung weitere Kinos, jedoch verfügten diese über so wenige Sitzplätze, dass sie die Einwohner der Region bei weitem nicht ausreichend versorgen könnten. Im Übrigen spreche ein Teil der von der Filmförderungsanstalt für einen Verdrängungswettbewerb angeführten Kinos im Umkreis von B... ein im Wesentlichen anderes Zielpublikum als das von der Klägerin geplante Kino an, da es sich um Programmkinos handele.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung. Zu deren Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht verenge den Blick unzulässig auf die Anzahl der in der Region vorhandenen Kinositzplätze pro Einwohner. Es hätte eine Gesamtbetrachtung vornehmen müssen, die auf die Ortsgrenze, die Einwohnerzahl des Ortes, das Vorhandensein von Bestandskinos in dem Ort des geplanten Neubaus, der Sitzplatzzahl und gegebenenfalls Programmausrichtung, die Entfernungen zu, die Erreichbarkeit von und geographische Verteilung von Bestandskinos in der Umgebung, deren Sitzplatzzahl und gegebenenfalls Programmausrichtung sowie schließlich die Einwohnerzahl in der Umgebung abstelle. Das Verwaltungsgericht berücksichtige zudem nicht hinreichend, dass durch die in Rede stehende Neuerrichtung bestehende Betreiber verdrängt werden könnten. Außerdem unterscheide sich das Programm der Klägerin nicht derart von dem der umliegenden Filmtheater, dass angenommen werden könne, es würden hierdurch neue Besucherschichten angesprochen und daher die durchschnittliche Auslastung nicht weiter abgesenkt werden. Soweit das Verwaltungsgericht zwischen Programmkinos und anderen Filmtheatern unterscheide, überzeuge dies nicht. Auch in Multiplex-Kinos würden in letzter Zeit vermehrt gehobene Arthausproduktionen vorgeführt werden.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte und Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Die Filmförderungsanstalt gehe hinsichtlich der Frage der Versorgung mit Kinoleistungen von einem Umkreis von 20 Kilometern um den Ort der geplanten Neuerrichtung aus. Dies sei willkürlich und von der Beklagten bislang auch nicht überzeugend begründet worden. Im Übrigen berücksichtige die Beklagte nicht, dass es sich bei B... mit ca. 40.000 Einwohnern um eine Kleinstadt und nicht um eine ländliche Gegend handele. Sie nehme daher zu Unrecht an, dass den Einwohnern zuzumuten sei, mit dem Auto in weiter entfernt gelegene Kinos zu reisen. Im Übrigen sei das Kino mittlerweile errichtet worden und werde betrieben. Dass hiervon eine Bedrohung für die Existenz der umliegenden Kinos ausgehe, sei nicht ersichtlich. Dies habe der Betreiber des einzigen anderen Premierenkinos im Umkreis von 20 Kilometern in W... gegenüber der Klägerin ausdrücklich bestätigt. Dieser könne als Zeuge gehört werden. Im Übrigen sei für die Ermittlung des Verhältnisses von Kinositzplätzen zu Einwohnern von sämtlichen Gemeinden im Landkreis bzw. auch im von der Beklagten willkürlich gezogenen Radius von 20 Kilometern um den Ort des neuen Kinos herum auszugehen. Dies ergebe eine Auslastung, die mit einem Kinositzplatz für rund 190 Einwohner weit unterhalb des Bundesdurchschnitts liege. Die Beklagte substanziiere ihre Behauptung, die Neuerrichtung verdränge andere Kinobetreiber, nicht. Diese Behauptung lasse sich stets aufstellen und sei willkürlich. Die Argumentation der Beklagten führe dazu, dass sie von der Freigabe jeglicher Fördermittel zur Errichtung eines neuen Kinos befreit sei. Die Beklagte berücksichtige auch nicht, dass B... mit 40.000 Einwohnern eine relativ große Kleinstadt sei und mit dem dort befindlichen sehr umfangreichen Bildungsangebot auch auf ein kulturelles Angebot eines größeren Kinos zurückgreifen können sollte. Das Merkmal der Strukturverbesserung in § 56 FFG diene jedenfalls auch der Verbesserung der Versorgung mit Kinoleistungen in kinolosen oder kinolos gewordenen Orten. Die von der Beklagten angeführten Kinos im Umkreis sprächen auch ein anderes Publikum an. Denn es seien keine Premierenkinos, hierzu fehle es ihnen schon an der notwendigen technischen Ausstattung (Digitalprojektion, 3D).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
1. Die Klage hätte als unbegründet abgewiesen werden müssen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrten Förderungshilfen zur Neuerrichtung des streitigen Kinos in B... hat. Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Förderungshilfen zur Neuerrichtung eines Kinos setzen gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 in der hier anzuwendenden Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3000) - FFG 2009 - voraus, dass sie der Strukturverbesserung dienen.
b) Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung des Vorliegens einer Strukturverbesserung ist - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen, sondern der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung.
Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist das materielle Recht maßgebend. Knüpft eine gesetzliche Regelung für das Entstehen eines Anspruchs an einen bestimmten Zeitpunkt an, zu dem die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, und ist ihm nicht zu entnehmen, dass ein bestehender Anspruch infolge einer nach diesem Zeitpunkt eintretenden Änderung der Sach- und Rechtslage untergehen soll, ist auf die damalige Sach- und Rechtslage abzustellen (vgl. zum Subventionsrecht: OVG Weimar, Urteil vom 16. Oktober 2001 - 2 KO 169/00 -, GewArch 2002, 325 m. w. N.). Dieser Gedanke ist auch im Filmförderungsrecht heranzuziehen. § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG erfordert mit dem Tatbestandsmerkmal der Strukturverbesserung einen Vergleich der bei Antragstellung bzw. Behördenentscheidung gegebenen Sachlage mit der voraussichtlich nach der Neuerrichtung des geplanten Filmtheaters eintretenden Sachlage. Eine Regelung, nach der eine spätere Änderung der Sach- oder Rechtslage den entstandenen Anspruch wieder entfallen lässt, ist dem Filmförderungsgesetz nicht zu entnehmen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. August 2008 - 10 B 4.07 -). Hinzu kommt, dass die in Rede stehende Prognoseentscheidung von einer nach Maßgabe des § 8 FFG 2009 speziell zusammengesetzten Vergabekommission zu treffen ist, an deren Stelle sich die Verwaltungsgerichte setzten, legten sie einen späteren Zeitpunkt als den der Behördenentscheidung zu Grunde.
c) Zur Frage, was unter einer Strukturverbesserung im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2009 - 6 C 31.08 - (NJW 2010, S. 790 f.) zur gleichlautenden Vorgängerregelung des § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG im Wesentlichen ausgeführt: Bei den Fördermaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 FFG sei zwischen Förderungshilfen zur Modernisierung und Verbesserung von Filmtheatern sowie deren Neuerrichtung zu unterscheiden. Die Erhaltung bestehender Kinos habe Präferenz. Modernisierungs- und Verbesserungsmaßnahmen, die der baulichen und technischen Ausstattung sowie den Serviceleistungen dienten, seien ohne Einschränkungen förderungswürdig. Demgegenüber werde die Errichtung neuer Kinos nur unter der einschränkenden Voraussetzung der Strukturverbesserung gefördert. Dabei habe der Gesetzgeber vor allem an Orte ohne Kinos gedacht. Soweit allerdings die Neuerrichtung eines Kinos mit der Schaffung erheblicher neuer Sitzplatzkapazitäten ohne Rücksichtnahme auf die Verhältnisse der Kinowirtschaft am Ort mit der Gefahr des Absinkens der örtlichen Sitzplatzausnutzung und einer nachfolgenden Verdrängung vorhandener Kinos verbunden sei, stelle sich bei Einbeziehung dieser möglichen Folgewirkungen die Neuerrichtung nicht als eine strukturverbessernde, sondern eher als eine strukturverschlechternde Maßnahme dar (a.a.O., Rn. 23 bei juris). Es solle nämlich lediglich bestehenden Strukturmängeln wie einer lokalen Unterversorgung begegnet werden (a.a.O., Rn. 24 bei juris a.E.). Verdrängungswettbewerb in der Form der Schaffung erheblicher neuer Sitzplatzkapazitäten, die die Existenz der vorhandenen Kinos gefährdeten, sei dagegen nicht förderungswürdig. Zwar sei es ein in der Marktwirtschaft üblicher und unvermeidlicher Vorgang, dass Großinvestoren durch neue attraktive Angebote alte Unternehmen verdrängten. Dass dies jedoch unter Einsatz öffentlicher Mittel geschehe, sei nach dem Willen des Gesetzgebers nicht hinnehmbar (a.a.O., Rn. 25 bei juris). Eine Strukturverbesserung könne - von den Fällen der Unterversorgung abgesehen - im Falle einer Neuerrichtung ausnahmsweise nur dann angenommen werden, wenn eine so erhebliche Steigerung der Besucherzahlen zu erwarten sei, dass die durchschnittliche Sitzplatzauslastung nicht wesentlich unter die Durchschnittswerte vergleichbarer Orte sinke. Dies könne etwa dann zum Tragen kommen, wenn das neu zu errichtende Kino spezielle Besuchergruppen anspreche, die durch die bisherige lokale Kinowirtschaft nicht ausreichend erschlossen worden seien. Dies sei allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn die Neuerrichtung eines Kinos zu einer signifikanten Verbesserung der Kinolandschaft in qualitativer Hinsicht führe und dieser Qualitätssprung eine Beibehaltung oder Steigerung der Kinobesucherzahlen erwarten lasse. Dies überschritte die Zielvorstellungen des Gesetzgebers (a.a.O., Rn. 26 bei juris).
aa) Diese Ausführungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass im Falle der Neuerrichtung eines Kinos eine Strukturverbesserung grundsätzlich nur dann angenommen werden kann, wenn sie eine lokale Unterversorgung beseitigt und - ohne Unterversorgung - nur ausnahmsweise auch dann, wenn sie eine solche Steigerung der Besucherzahlen erwarten lässt, dass keine signifikanten Besucherverluste bei anderen Filmtheatern prognostiziert werden können. Regelmäßig zu verneinen ist eine Strukturverbesserung demgegenüber, wenn durch das neu zu errichtende Kino signifikante Zuschauerverluste bei anderen Kinos zu erwarten sind. Solche Zuschauerverluste sind umso eher anzunehmen, je geringer die Sitzplatzauslastung eines benachbarten Kinos ist. Bei Kinos mit deutlich unterdurchschnittlicher Sitzplatzauslastung kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie bereits an der Grenze der Wirtschaftlichkeit betrieben werden, so dass schon verhältnismäßig geringe Besuchereinbußen ihre Verdrängung nach sich ziehen können. Dabei sind die Ursachen für die unterdurchschnittliche Sitzplatzauslastung ohne Bedeutung. Dass die Erhaltung bestehender Kinos Präferenz hat, gilt unabhängig davon, um welche Art von Kinos es sich handelt, wie sie betrieben werden und in welchem sozialen, geographischen oder wirtschaftlichen Umfeld sie angesiedelt sind. Daher spielt es grundsätzlich auch keine Rolle, ob ein Kino möglicherweise deshalb wenige Besucher hat, weil sein Angebot als unattraktiv empfunden wird, da es bspw. nicht dem neuesten Stand der Technik entspricht.
bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe konnte nicht angenommen werden, dass die hier in Rede stehende Kinoneuerrichtung im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung einer Strukturverbesserung der lokalen Kinowirtschaft diente. Die Prognose der Filmkommission, wonach eine Verdrängung der Filmtheater in benachbarten Gemeinden zu befürchten sei, ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
(1) Grundsätzlich sind „kinolose“ Gemeinden „lokal unterversorgt“. Sie stellen deshalb, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend annimmt, zunächst den typischen Fall für die vom Gesetzgeber vorgesehene Kinoneuerrichtungsförderung dar. Diese, allein die Gemeinde, in der die Neuerrichtung geplant ist, in den Blick nehmende Sichtweise kann allerdings nur dann maßgeblich sein, wenn das neu zu errichtende Kino seiner Kapazität nach auch lediglich die bestehende Unterversorgung in der betroffenen Gemeinde selbst beseitigt. Geht die Anzahl der neu zu schaffenden Sitzplätze über das zur Beseitigung der Unterversorgung erforderliche Maß hinaus, rechtfertigt dieser Umstand regelmäßig den Schluss, dass der Betrieb des neu zu errichtenden Kinos darauf angelegt ist, auch Zuschauer aus benachbarten Gemeinden anzuziehen. In einer solchen Konstellation beseitigt der geplante Kinoneubau nicht lediglich die Unterversorgung der Gemeinde, sondern wirkt auch auf die Kinolandschaft der Umgebung ein. Diesem Umstand lässt sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine Unterversorgung vorliegt, nur Rechnung tragen, indem die fraglichen Nachbargemeinden in die Betrachtung einbezogen werden.
(2) Vorliegend ist die Gemeinde B... zwar an sich unterversorgt, weil sie im Zeitpunkt der Behördenentscheidung über kein Kino verfügte. Das von der Klägerin geplante Kino überstieg mit seiner Kapazität von 1.200 Sitzplätzen die insoweit anzunehmende Unterversorgung jedoch bei weitem. Die Gemeinde B... hatte im maßgeblichen Zeitpunkt rund 40.000 Einwohner. Damit kämen rund 33 Einwohner auf einen Kinositzplatz. Die Durchschnittswerte bei Ortschaften vergleichbarer Größe lagen deutlich darüber. Nach den auf das Jahr 2009 bezogenen Feststellungen der Beklagten existierten damals 11 Orte mit 39.000 bis 40.000 Einwohnern. In diesen Ortschaften teilten sich durchschnittlich 58 Einwohner und damit nahezu doppelt so viele wie nach der Neuerrichtung in B... einen Kinositzplatz. Legt man den Bundesdurchschnitt zu Grunde, wird das Missverhältnis noch deutlicher. Im Bundesdurchschnitt teilten sich 100 Einwohner einen Kinositzplatz.
(3) Schließt damit das streitbefangene Kino nicht lediglich die in B... vorhandene Versorgungslücke, sondern geht hierüber deutlich hinaus, so sind demgemäß die B... benachbarten Gemeinden, auf deren Einwohner als potenzielle Kinobesicher das Vorhaben abzielt, in den Blick zu nehmen. Insoweit ist von Bedeutung, das für das im rund 6 Kilometer entfernt liegenden Nachbarort H... betriebene Kino im maßgeblichen Zeitpunkt ein Verdrängungswettbewerb prognostiziert werden konnte. Das Kino in Heppenheim verfügt über 300 Sitzplätze und hatte nach den Ermittlungen der Beklagten im Jahr 2009 eine Auslastung von lediglich 34 Besuchern pro Sitzplatz. Diese Feststellungen legen schon für sich genommen den Schluss nahe, dass das Kino am Existenzminimum operierte. Dieser Befund wird weiter dadurch bestätigt, dass diese Sitzplatzauslastung deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 179 Besuchern pro Sitzplatz liegt. Unter Berücksichtigung der geographischen Nähe zwischen B... und H... liegt es auf der Hand, dass damit im maßgeblichen Zeitpunkt von einem Verdrängungswettbewerb ausgegangen werden konnte.
Eine andere Einschätzung ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil das neu zu errichtende Kino in B... und das Kino in H... unterschiedliche Besuchergruppen ansprächen, so dass faktisch eine Konkurrenzsituation und damit ein Verdrängungswettbewerb ausgeschlossen werden könnte. Das von beiden Kinos angebotene Kinoprogramm dürfte vielmehr auf ein identisches Publikum abzielen. Dass es sich seinerzeit bei dem Bestandskino in H... nicht um ein sog. Premierenkino gehandelt haben mag, spielt aus Sicht des Senats im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Rolle. Der Unterschied zu einem Premierenkino besteht nach den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor allem darin, dass in diesem die Kinofilme zeitlich früher aufgeführt werden, während sie in jenem Kino regelmäßig einige Wochen später laufen. Maßgeblich ist aus Sicht des Senats insoweit, dass es sich um identische Filme handelt. Denn es ist nicht ersichtlich oder dargelegt, dass das Kinopublikum in die Kategorien „Premierenkinobesucher“ und „Nichtpremierenkinobesucher“ aufzuteilen wäre.
(4) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, sie habe das fragliche Kino mittlerweile errichtet und betreibe es, ohne dass hiervon eine Bedrohung für die Existenz der umliegenden Kinos ausgehe. Diese Argumentation verkennt, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von der Filmförderungsanstalt anzustellenden Prognoseentscheidung nicht darauf ankommt, ob sich diese in der Rückschau als zutreffend erweist. Jede Prognoseentscheidung trägt die Möglichkeit ihrer Unrichtigkeit in sich. Dessen ungeachtet ist aber auch nicht auszuschließen, dass die Konkurrenzfähigkeit der Kinos in den benachbarten Gemeinden nur deshalb erhalten geblieben ist, weil die dortigen Betreiber Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt haben. In einem solchen Fall würde der Umstand, dass diese Kinos weiterbetrieben werden könnten, nicht die Unrichtigkeit der Prognoseentscheidung belegen. Der Gesetzgeber hat gerade nicht den Weg gewählt, die Kinoneuerrichtung zu fördern, um so Bestandskinos zu einer attraktiveren Gestaltung ihres bestehenden Angebots zu bewegen. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Bestandskinos bezieht sich vielmehr auf deren im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorhandene Gestalt. Insofern spielt es für den Ausgang des Rechtstreits auch keine Rolle, ob etwa das Bestandskino in H... nur deshalb seinerzeit prognostisch nicht konkurrenzfähig gewesen sein mag, weil es damals ein für ein größeres Publikum unattraktives, weil technisch veraltetes und nur zeitlich begrenztes Programm anbot.
Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob es nachvollziehbar sei, wenn die Beklagte auf einen Umkreis von 20 Kilometern um den Ort der geplanten Neuerrichtung abstelle, kommt es vor dem dargelegten Hintergrund ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass die Versorgung der Einwohner der gesamten Region mit Kinositzplätzen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen mag.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.