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Asylrecht aus Kartenart 1, 4


Metadaten

Gericht VG Potsdam 6. Kammer Entscheidungsdatum 10.07.2013
Aktenzeichen VG 6 K 627/12.A ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 60 Abs 1 AufenthG, Art 9 Abs 4 EGRL 83/2004

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger, geboren am 5. Mai 1988 in ... /... im Iran, reiste nach seinen Angaben am 11. November 2011 auf dem Luftweg von Griechenland aus kommend mittels einer gefälschten griechischen ID-Karte über Berlin in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 24. November 2011 einen Asylantrag.

Bei seiner vorläufigen Befragung am selben Tag vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im folgenden Bundesamt) gab er an, er sei im Iran selbstständiger Schneider gewesen und habe von Oktober 2008 bis August 2010 in ... seinen Wehrdienst absolviert. Er sei am 4. November 2011 mit dem Auto und zu Fuß illegal in die Türkei gereist, habe sich dort vier Tage aufgehalten und sei dann zu Fuß nach Griechenland gelaufen. Er sei in Griechenland zwei Tage geblieben und sodann mit einem Flugzeug nach Deutschland geflogen. Der Grund für seinen Asylantrag sei, dass er seinen Glauben zum Christentum gewechselt habe.

Er legte dem Bundesamt eine Bescheinigung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden vom 23. Dezember 2011, Gemeinde ... vor, wonach er am selben Tag in ... getauft worden ist.

Bei seiner Anhörung am 12. Januar 2012 gab er an, sein Vater sei Schneider und er habe in der Schneiderei nur ausgeholfen, aber nicht ständig dort gearbeitet. Er sei vom 6. September 2010 bis Ende Januar 2011 nach Teheran gegangen und habe Essen ausgeliefert. Danach sei er wieder nach ... zurückgekehrt und habe bis zu seiner Ausreise als Transporteur gearbeitet. Er sei in seiner Heimat nicht politisch tätig gewesen und habe nicht an Demonstrationen teilgenommen. Er sei zum Christentum konvertiert. Schon vor seiner Ausreise habe er das Christentum studiert und sich damit beschäftigt. Während seines Wehrdienstes habe er mit christlichen Soldaten Kontakt gehabt und etwas über das Christentum erfahren, sei allerdings zu diesem Zeitpunkt noch Moslem gewesen. Erst zwei bis drei Wochen vor seiner Ausreise habe er sich zu einer Konversion entschlossen. Er habe dann diese Kameraden angerufen und ihnen gesagt, dass er jetzt konvertieren wolle. Die Freunde hätten in verschiedenen Städten, in Teheran und auch in Isfahan gelebt. Man habe sich immer sonntags außerhalb der Stadt in einem Gebirge getroffen. Es sei in der Nähe der Stadt ... gewesen, der Ort selbst habe Kaper Geh geheißen. Es seien manchmal vier, manchmal auch fünf oder sechs Personen gewesen, die sich unter freiem Himmel getroffen hätten. Er habe zwei Monate vor seiner Ausreise begonnen, an diesen Treffen teilzunehmen. Er habe an drei Sitzungen teilgenommen, wobei man gebetet und über die Schüler von Jesus Christus berichtet habe. Zudem seien Abschnitte aus der Bibel vorgelesen worden. Ein oder zwei Teilnehmer seien verhaftet worden. Es sei bei diesen Verhaftungen aber nicht anwesend gewesen. Er habe im Übrigen nicht offen zugegeben, dass er seinen Glauben gewechselt habe, da er dann gefährdet gewesen sei. Er habe Gebete usw. heimlich ausgeführt. Im Iran habe er keine offizielle Kirche besucht, weil man das nicht könne, aber auch keine Hauskirchen, da einige Freunde von ihm verfolgt worden seien. Einige seiner Verwandten hätten vermutet, dass er zum Christentum konvertieren wolle, denn diese Verwandten arbeiteten für die Separah e Pasdaran und seien sehr religiös. Sie hätten zum Schluss seinen Namen preisgegeben und deshalb sei er gefährdet gewesen. In Teheran selbst habe er christliche Freunde gehabt. Er habe mit seiner Verwandtschaft nicht über die Kontakte zu den christlichen Freunden oder die Absicht zum Glaubenswechsel gesprochen.

Er habe sich am 1. November 2011 auf einer Reise in Teheran befunden und dabei von Freunden die Information erhalten, dass er gesucht werde. Darauf habe er sich entschlossen nach Orumije zu gehen. Er sei nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Andere Probleme habe er in seiner Heimat nicht gehabt.

Mit Bescheid vom 22. März 2012 lehnte das Bundesamt seinen Asylantrag sowie den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG ab. Die von ihm behauptete Konversion zum christlichen Glauben sei nicht glaubhaft. Auch eine Gefahr der Todesstrafe oder Folter, sowie andere Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien nicht zu besorgen, da eine Verurteilung wegen Konversion nicht zu erwarten sei. Zugleich forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Beschluss des Asylverfahrens. Für den Fall, dass er nicht binnen der gesetzten Frist ausreise, wurde ihm eine Abschiebung in den Iran angedroht. Der Bescheid wurde am 26. März 2012 zur Post gegeben.

Der Kläger hat am 2. April 2012 Klage erhoben und wegen der ihm drohenden Todesstrafe sowie den zu gewärtigenden Verfolgungsmaßnahmen infolge seiner Konversion und Apostasie unter Bezugnahme auf weitere Bescheinigungen der evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde ... vom 25. Februar 2012, vom 7. Februar und 4. Juli 2013 der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde ... verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. März 2012 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise

die Beklagte unter Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG vorliegen,

weiter hilfsweise,

die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Islamischen Republik Iran vorliegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid vom 22. März 2012.

Die Kammer hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 4. April 2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 27. Mai 2013 abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorganges des Bundesamtsvorganges sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Rechtstreit kann in Abwesenheit der Beklagten nach § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden, da sie zuvor in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die Klage ist unbegründet, denn der Asylantrag des Klägers ist ebenso wie die beantragte Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG zu Recht mit Bescheid vom 22. März 2012 abgelehnt worden, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Infolgedessen ist die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1.

Nach Art. 16 a Abs.1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Verfolgt im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt wird. Es muss sich um gezielte staatliche oder jedenfalls dem Staat zuzurechnende Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315, 333 ff. und 23. Januar 1991 - BvR 902/85 und 515, 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 = NVwZ 1991, 768 = DVBl. 1991, 531). Um eine politische Verfolgung handelt es sich nicht, soweit es sich bei der behaupteten Verfolgungshandlung um eine strafrechtliche Ahndung oder Maßnahme der polizeiliche Verbrechensbekämpfung ohne Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal handelt (vgl. BVerfGE 80, 315, 337). So liegt es hier, denn die vom Kläger allein benannte Fahndung nach ihm erfolgte nicht in Anknüpfung an seine Zuwendung zum christlichen Glauben oder wegen seiner vermeintlichen Apostasie. So konnte der Kläger schon in seiner Anhörung vor dem Bundesamt nicht plausibel machen, woher er gewusst haben will, dass die ihm von einem Freund telefonisch übermittelte Fahndung eben seinem Glaubenswandel oder religiösen Interessen geschuldet gewesen wäre, da der Freund dergleichen offensichtlich nicht wissen und übermitteln konnte. Seine Vermutung, dass ein Teil seiner Verwandtschaft seinen Namen und seine „ketzerische“ Neigung an die staatlichen Organe oder Separah e Pasdaran weitergegeben habe, ist ebenso spekulativ.

Hinzukommt, dass der Kläger zwei unterschiedliche Geschichten zu seiner Konversion erzählt hat, die im Kern auch nach seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung unvereinbar geblieben sind. So gab er in der Befragung vor dem Bundesamt an, er habe über Kameraden beim iranischen Wehrdienst vom Christentum erfahren und habe nach seinem Abschied weiterhin Kontakt zu diesen Christen im ganzen Land gehalten. Ab September 2011 habe er sich mit ihnen drei Mal in der Umgebung von ... unter freiem Himmel getroffen. In der mündlichen Verhandlung war hingegen von einem Arbeitskollegen namens Mehdi die Rede, der ihm während seiner Auslieferungstätigkeit in Teheran für ein Restaurant einiges vom Christentum erzählt habe. Dieses Interesse sei dann via Internet durch einen intensiven Kontakt mit seiner gläubigen Schwägerin, die damals in Griechenland geweilt habe, vertieft worden. - Auf Vorhalt dieser unterschiedlichen Versionen konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung keine befriedigende Erklärung geben. Er meinte, er sei beim Militär organisatorisch eng eingebunden gewesen und habe mit den Soldaten nach seinem Wehrdienst keinen weiteren Kontakt gehabt. Dies erklärt freilich nicht, wieso er in seiner Anhörung vor dem Bundesamt die erste Version überhaupt erzählt hat.

Die Geschichten weichen auch bezüglich des konkret angegebenen Gefahrenmoments erheblich voneinander ab, da der Kläger vor dem Bundesamt sagte, er sei während einer medizinischen Behandlung bei einem Arzt in Teheran telefonisch von einem Freund darüber informiert worden, dass er gesucht werde, während er in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen angab, sich nach einer Auseinandersetzung mit seinem Onkel entschlossen zu haben, aus dem Iran auszureisen. Das alles gibt der Vermutung Nahrung, dass er sich sowohl die eine wie die andere Geschichte ausgedacht hat, um ein Bleiberecht in der Bundesrepublik zu erlangen. Infolgedessen kann dem Kläger nicht geglaubt werden, schon in seiner Heimat den christlichen Glauben kennengelernt zu haben, geschweige denn konvertiert zu sein.

Das Gericht konnte sich aufgrund dieses wechselhaften Vorbringens zu seinem Vorfluchtschicksal ebenfalls nicht davon überzeugen, dass dem Kläger aufgrund seiner in Deutschland vollzogenen Hinwendung zu zwei Baptistengemeinden bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohen würde. Eine Asylgewährung käme entweder dann in Betracht, wenn der nachträglich entstandene Verfolgungsgrund Ausdruck einer schon in der Heimat betätigten und erkennbaren Überzeugung wäre, § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, oder aber - bezogen auf das Rechtsgut der Religionsfreiheit -, wenn sich der Asylbewerber aus innerer Überzeugung der christlichen Religion zugewandt hat (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 13. Februar 2013 - 3 A 1877/10 As - zit. nach juris, Rz. 187 m. w. N.). Davon konnte sich das Gericht aus den oben genannten Gründen nicht überzeugen.

2.

Es besteht auch keine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Nach § 3 Abs. 3 und Abs. 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2012/95/EU - im Folgenden: Richtlinie - geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit, seiner bestimmten Sozialgruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Hierfür sind nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG Art. 4 Abs. 4 sowie Artikel 7 bis 10 der Richtlinie ergänzend anzuwenden. Nach Art. 9 Abs. 1 a der Richtlinie gelten als Verfolgung im Sinne des Art. 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gem. Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Nach Art. 9 Abs. 1 b der Richtlinie kann eine Verfolgungshandlung auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher, wie der unter Art. 9 Abs. 1 a der Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist.

In dem in Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) verankerten Recht auf Religionsfreiheit ist ein solches Rechtsgut nach Art. 9 EMRK zu sehen. Ein Eingriff in dieses Recht kann so gravierend sein, dass er einem der in Art. 15 Abs. 2 EMRK genannten Fälle gleichgesetzt werden kann, auf die Art. 9 Abs. 1 a der Richtlinie für die Feststellung verweist, welche Handlungen insbesondere als Verfolgung gelten. Es muss sich hierbei aber um eine Verletzung der Freiheit handeln, die nicht durch gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Grundrechtsausübung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 GR-Charta gedeckt ist und so schwerwiegend, dass sie den Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dazu gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Ferner muss der Asylbewerber aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland tatsächlich Gefahr laufen, durch einen der in Art. 6 der Richtlinie genannten Akteure strafrechtlich verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das ist allerdings bei der Verletzung von Leib und Leben, sowie der physischen Freiheit regelmäßig gegeben. Eine Verfolgung kann schon in dem Verbot der Religionsangehörigkeit oder Teilnahme und Ausübung als solchem liegen, so dass es auf das tatsächliche künftige Verhalten des Asylbewerbers und der daran anknüpfenden Eingriffe in andere Rechtsgüter des Betroffenen letztlich nicht ankommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - zitiert nach juris, Rz. 26). Allerdings kann die Erstreckung des Eingriffs in das Grundrecht der Religionsfreiheit durch erzwungenen Verzicht nur dann angenommen werden, wenn eine Verfolgungshandlung im konkreten Fall sowohl nach objektiven, wie auch nach subjektiven Gesichtspunkten bejaht werden kann. Objektive Gesichtspunkte der Gefährdungslage sind die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter. Subjektiver Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung eben seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - Rs. C-71/11 und C-99/11 - zit. nach juris, Rz. 70). Denn der Schutzbereich der Religion erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen, als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Maßgeblich ist, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist. Für diese subjektive Komponente reicht es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O., Rz. 30) nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen Glauben nicht in einer Weise lebt, die ihm im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist vielmehr die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten. Diese Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, a. a. O.).

Nach Maßgabe dieser Vorgaben, die sich das erkennende Gericht zu eigen macht, kann dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Zwar lässt sich der objektive Gesichtspunkt einer relevanten Verfolgung im Falle einer ernsthaften Konversion eines iranischen Staatsangehörigen zum Christentum durchaus feststellen. Bei Bekanntwerden des Abfalls vom islamischen Glauben und einer Konversion zum christlichen Glauben kann ein Mensch nach Scharia-Recht wegen Apostasie mit einer Strafe bis hin zu einer Todesstrafe belegt werden (vgl. BAMF, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 40; Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 8. Oktober 2012, S. 22; D-A-CH, Iran-Basisinformationen, Stand 30. Januar 2013, S. 9). Es ist von Fällen berichtet worden, in denen es zu harten Strafen und anderweitigen Verfolgungshandlungen gegenüber Christen gekommen ist (vgl. U.S. State Departement, International Religious Freedom Report - Iran 2011 - vom 30. 7. 2012). Allerdings betreffen diese Maßnahmen häufig Personen in herausgehobenen oder in missionarischen Funktionen in einer Religionsgemeinschaft, aber nicht nur diese, sondern auch schlichte Teilnehmer an Hauskirchen sind willkürlichen Übergriffen ausgesetzt (s. Auswärtiges Amt, a. a. O.; D-A-CH, a. a. O. S. 11; ACCORD, Anfragebeantwortung, Iran: Situation von Konvertiten vom Islam zum Christentum, missionarische Tätigkeit (ACC-IRN-7809) vom 18. November 2011, S. 2). Insofern spricht viel dafür, dass muslimische Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, spätestens dann einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit ausgesetzt sind, wenn sie sich im Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und Kontakt zu einer solchen Gruppierung aufnehmen. Für muslimische Konvertiten, die einer solchen Gruppierung angehören, ist im Iran eine religiöse Betätigung selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht gefahrlos möglich (VGH Kassel, Urteil vom 18. November 2009 - 6 A 2105/08.A -, zit. nach juris sowie Beschluss vom 11. Februar 2013 - 6 A 2279/12.Z.A). Im Ergebnis kann daher bereits das Verbot der Konversion und die drohende Sanktion der Apostasie für sich allein eine beachtliche Verfolgungsmaßnahme darstellen, ohne dass es eines weiteren Zutuns seitens des gläubigen Christen bedürfte.

Dem gefährdeten Kreis zuzurechnen sind allerdings nur solche Personen, die sich ernsthaft dem neuen Glauben zugewandt haben und bei einer erzwungenen Rückkehr in den Iran zu ihrem christlichen Glauben bekennen und versuchen würden, Kontakt zu einer evangelikalen oder freikirchlichen Gemeinde aufzunehmen. Diese Gefahrenlage würde sich daher in der Person des Klägers voraussichtlich nicht niederschlagen. Es steht nämlich aus Sicht des Gerichts keineswegs zweifelsfrei fest, dass der Kläger durch diese Sanktionen in seiner religiösen Identität nachhaltig verletzt werden würde. Zum einen konnte er nicht plausibel machen, dass er sich in seiner Heimat überhaupt dem christlichen Glauben zugewandt hat, sondern gab vielmehr in der mündlichen Verhandlung gewunden zu, bei seiner Einreise noch kein überzeugter Christ gewesen zu sein. Ferner erwies sich sein Vorbringen zum Vorfluchtschicksal im Iran, wie oben ausgeführt, als unglaubhaft. Zum anderen erscheint sein Engagement in den Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden ... und Berlin-... eher Ausdruck einer sozialen, aber nicht unbedingt religiösen Verankerung zu sein, welche auch dem Zweck dienen könnte, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen. Schließlich hat er sich, ohne lange zu zögern bzw. sich und seinen Glauben zu prüfen, schon wenige Wochen nach seiner Einreise in ... taufen lassen.

Seine Einlassung zu dem, was er am christlichen Glauben besonders schätzt („die Rechtschaffenheit und Ruhe in der Gemeinschaft der Gläubigen“) und wie sich sein Leben durch den Glauben verändert habe (er finde Ruhe und habe keinen Stress mehr), sind zwar vage, aber nicht von vorneherein ungeeignet. Allerdings gilt für diese Äußerungen dasselbe wie für die von den drei präsenten Zeugen übereinstimmend bestätigte regelmäßige Teilnahme des Klägers an Gottesdiensten, Bibelkreisen und anderen religiösen Zusammenkünften. Sie belegen seine nunmehr gut eineinhalb Jahre währenden kirchlichen Aktivitäten, möglicherweise auch seine Sinnsuche, die Befriedigung sozialer Bedürfnisse in gelebter Gemeinschaft, weisen aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit die ernsthafte Ausprägung einer religiösen Identität nach. Entscheidend ist nämlich, dass er nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen konnte, dass es ihm ein inneres Anliegen wäre, seinen christlichen Glauben im Iran durch Beten in einer Kirche oder in anderer Weise zu offenbaren. Hiergegen spricht nicht zuletzt maßgeblich, dass er seiner Familie weder im Iran, noch anschließend im Ausland seine Zuwendung zum christlichen Glauben offenbart hat. Ist er aber noch nicht einmal zu dieser vergleichsweise überschaubaren und sanktionslosen Offenlegung seines Glaubens im familiären Rahmen in der Lage, erscheint es noch unwahrscheinlicher, dass er sich durch Teilnahme an Hauskirchen oder missionarischer Arbeit „outen“ würde oder es ihm zumindest ein unverzichtbares religiöses Anliegen wäre, sich dergestalt zu betätigen.

3.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen gleichfalls nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zu diesem Punkt nach § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die überzeugende Begründung des angefochtenen Bescheides vom 22. März 2012 verwiesen. Ergänzend ist zu § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat nicht der konkreten Gefahr aussetzen würde, wegen Apostasie zum Tode oder einer Folterstrafe verurteilt zu werden. Zum einen wird er voraussichtlich solches weder offenbaren noch ist derlei im Inland bekannt. Zum anderen erfolgte eine Verurteilung wegen Apostasie nur unter engen prozessualen Voraussetzungen (vgl. D-A-CH, a. a. O., S. 9 f.), die vorliegend nicht gegeben wären.

Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Sie stützen sich auf § 34 Abs. 1 Satz 1 und § 38 Abs. 1 AsylVfG.

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83 b AsylVfG.