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Entscheidung 5 U (Lw) 72/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Zivilsenat Entscheidungsdatum 30.05.2013
Aktenzeichen 5 U (Lw) 72/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Juli 2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Grundstück Gemarkung K…, Flur 1, Flurstück 119, eingetragen im Grundbuch von K… Blatt 54, an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2012 zu zahlen.

3. Die Beklagte ist verpflichtet, auf die von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten – auf die Gerichtsgebühren jedoch nur, soweit sie einen Streitwert von 1.344,87 € decken – Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags zu zahlen, soweit sie die Gerichtskosten der Klägerin nach Maßgabe ihrer Kostenlast (Urteilsausspruch zu III.) zu erstatten hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 5.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

V.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 4.844,87 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit dem 18. August 2011 eingetragene Eigentümerin des im Grundbuch von K… des Amtsgerichts Bad Freienwalde Blatt 54 gebuchten Grundstücks Gemarkung K… Flur 1, Flurstück 119. Ihr wurde das gut 7,8 ha große, landwirtschaftlich genutzte Grundstück im Bodenordnungsverfahren „G…/O…“ zugeteilt. In das neu gebildete Grundstück waren zunächst W… und G… F… als Mitglieder einer Erbengemeinschaft u. a. des Altflurstücks 57 eingewiesen, das einen wesentlichen Teil des neuen Grundstücks ausmachte (Anlage K 4, 23 GA). Diese verzichteten mit unterschriftsbeglaubigten Schreiben vom 29. April 2008 gegen Geldabfindung auf das Grundstück zugunsten der Klägerin (Anlagen K 2 und 3, 18 und 20 GA), die den Verzicht mit unterschriftsbeglaubigtem Schreiben vom 13. Mai 2008 annahm (Anlage K 3, 22 GA).

Die Beklagte hat das Grundstück in Besitz. Sie berühmt sich eines Rechts dazu aufgrund eines mit der Erbengemeinschaft – d. h. mit der Miterbin F… als Verpächterin und von beiden Miterben unterzeichneten – im Jahre 2003 geschlossenen und bis 2021 befristeten Landpachtvertrages betreffend u. a. das Altflurstück 57 mit einer daselbst ausgewiesenen Größe gut 7,5 ha (Anlage B 1, 61 GA). In diesen Vertrag sei die Klägerin – wie die Beklagte meint – deshalb eingetreten, weil dies in den Landverzichtserklärungen bestimmt worden sei. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 4. März 2010 gegenüber der Beklagten bestätigt, dass sie aufgrund des Landverzichts in den Pachtvertrag eingetreten sei (Anlage B 2, 67 GA). Den Vertragseintritt hat die Beklagte ihrerseits gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 1. April 2010 bestätigt (Anlage B 3, 91 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Amtsgericht hat die Eigentumsherausgabeklage (und die darauf gestützten Folgeansprüche) in Anerkennung dieses Besitzrechts abgewiesen: Aufgrund der Schreiben vom 4. März 2010 und 1. April 2010 sei zwischen den Parteien ein Pachtvertrag über das neue Grundstück zustande gekommen, den diese im Hinblick auf die „geringfügige“ Größenabweichung (von rund 0,3 ha) anzupassen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 19. Juli 2012 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 17. August 2012 eingelegten und am 18. September 2012 begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt.

Die Klägerin rügt im Wesentlichen, dass das Amtsgericht die tatsächliche und rechtliche Verschiedenheit des Altflurstücks 57 und des neuen Grundstücks verkannt habe. So habe sich ihr Schreiben vom 4. März 2010 lediglich auf die pachtvertragsgegenständlichen Altflurstücke bezogen. Zu diesem Zeitpunkt seien die Altflurstücke auch noch existent gewesen, da das Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde auf Bildung des neuen Grundstücks vom 1. Oktober 2010 datiere. Zudem habe das Schreiben – wie aus der darin zugleich ausgesprochenen Kündigung ersichtlich – auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses abgezielt. Schließlich wäre auch die „Annahme“ der Beklagten vom 1. April 2010 gemäß § 147 Abs. 2 BGB verspätet.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf es und ihr Vorbringen im ersten Rechtszug. Sie führt ergänzend aus, dass nicht die grundbuchrechtliche Bezeichnung, sondern Größe und Bodenqualität für einen Landpachtvertrag vertragswesentlich seien. In dieser Hinsicht sei das neue Grundstück mit dem Altflurstück 57 vergleichbar. Außerdem sei das Herausgabeverlangen der Klägerin treuwidrig, da sie weiterhin Nebenkosten abrechne (Anlage B 3, 169 GA). Die Annahmeerklärung sei zudem nicht verspätet und überdies gemäß § 151 BGB entbehrlich. Ferner übersehe die Klägerin, dass die Vertragsübernahme auf deren Zustimmung zum Landverzicht beruhe. Die erforderliche Genehmigung der Beklagten sei in deren Schreiben vom 1. April 2010 enthalten. Die Klägerin sei aufgrund der Vertragsübernahme als Verpächterin des Altflurstücks anzusehen, die das neue Grundstück als Abfindungsgrundstück erhalten habe, weswegen das Altflurstück nach dem Rechtsgedanken des § 68 FlurbG im Hinblick auf die Rechte der Beklagten im neuen Grundstück fortbestehe. Jedenfalls sei die Klägerin nach §§ 593b, 566 BGB analog in den Pachtvertrag eingetreten. Zudem schließe § 73 FlurbG eine Surrogation des Altflurstücks durch das Neuflurstück hinsichtlich der Rechte Dritter nicht aus.

II.

Die Berufung, deren Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegt, hat in der Sache teilweise Erfolg, weil die Klage im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet ist.

1. Klageantrag zu 1.

Die Beklagte schuldet die Herausgabe des neuen Grundstücks (§ 985 BGB). Denn ihr steht aufgrund des Landpachtvertrages aus dem Jahre 2003 kein Recht zum Besitz zu

(§ 986 BGB).

a) Das Recht zum Besitz an dem Altflurstück setzt sich nicht kraft Gesetzes an dem neuen Grundstück fort, da kein Fall der Landabfindung vorliegt (§ 68 Abs. 1 FlurbG). Für eine entsprechende Anwendung der den rechtsgeschäftlichen Erwerb der Pachtsache betreffenden §§ 594b, 566 BGB fehlt es an der dazu erforderlichen Regelungslücke, weil das FlurbG in den §§ 73, 49 Abs. 1 und 3 gerade die gesonderte Abfindung der Inhaber persönlicher Besitzrechte bei Geldabfindung des Teilnehmers vorschreibt (Senat, Urt. v. 29. September 2011 – 5 U (Lw) 35/10; dies verkennt Schwantag/Wingerter, FlurbG, 8. Aufl. 2008, § 53 Rn. 8). Dass die gesonderte Abfindung nach § 73 FlurbG im Fall der Geldabfindung des Teilnehmers auch in Natur erfolgen kann, liefert kein Argument für eine irgendwie geartete Surrogation des Altflurstücks durch das neue Flurstück. Vielmehr bedürfte es der Möglichkeit, den Pächter durch Ersatzgrundstück abzufinden, nicht, wenn sich dessen Besitzrecht an der Landabfindung fortsetzen würde.

b) Der Zustimmung zum Landverzicht lässt sich keine Übertragung der Regelungen des Pachtvertrages auf das neue Grundstück entnehmen. Danach „soll“ die Klägerin „in den bestehenden Pachtvertrag als Verpächter eintreten“. Diese Erklärungen enthalten zum einen nicht den Vertragseintritt, da die Klägerin in ihn erst eintreten „soll“. Zum anderen bezieht sich der „bestehende Pachtvertrag“ auf das Altflurstück. Es lässt sich nicht feststellen, dass mit dem „bestehenden Pachtvertrag“ auch das neue Grundstück gemeint gewesen ist. Da die Klägerin nicht Eigentümerin des Altflurstücks war, hat sie das neue Grundstück auch nicht für dieses Grundstück erhalten. Die von der Beklagten vermeinte Rechtsähnlichkeit zu dem Fall des § 68 FlurbG besteht nicht. Der fragliche Passus in den Landverzichtserklärungen zielt auf eine Abschichtung der Pachtansprüche ab und ist daher als Regelung im Innenverhältnis zwischen den Alteigentümern und der Klägerin anzusehen. Damit kann auf sich beruhen, ob die für eine dreiseitige Vertragsänderung erforderliche Zustimmung der Beklagten in deren Schreiben vom 1. April 2010 gesehen werden kann.

c) Dem Amtsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass die Parteien mit Schreiben vom 4. März 2010 und 1. April 2010 einen Pachtvertrag über das neue Grundstück geschlossen haben. Denn auch diese Schreiben beziehen sich ausschließlich auf den bestehenden Pachtvertrag und damit das Altflurstück. Das neue Grundstück ist erst danach entstanden. Es lässt sich wiederum nicht feststellen, dass mit den Schreiben auch das neue, noch zu schaffende Grundstück gemeint gewesen ist.

2. Klageantrag zu 2.

Die Beklagte ist der Klägerin nicht schon aufgrund der Nichtherausgabe des Grundstücks dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Anspruch auf Schadensersatz kann die Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht allein aufgrund Eigentumserwerbs am 1. Oktober 2010 haben (§ 993 Abs. 1, 2. Halbs. BGB). Die Beklagte haftet der Klägerin auch nicht mit Ablauf der mit Schreiben vom 21. November 2011 gesetzten Frist am 5. Dezember 2011 auf Schadensersatz (§ 990 Abs. 2 BGB), weil die Verzugshaftung nur den bösgläubigen Besitzer trifft (§ 990 Abs. 1 BGB). Die rechtsirrige Annahme der Beklagten, zum Besitz des Grundstücks berechtigt zu sein, beruhte jedenfalls nicht auf grober Fahrlässigkeit (§ 932 Abs. 2 BGB), nachdem sie mit ihr noch im ersten Rechtszug durchgedrungen ist. In Betracht kommt daher nur Schadensersatz nach Rechtshängigkeit (§ 989 BGB), der freilich von weiteren, hier weder vorgetragenen noch sonst ersichtlichen Voraussetzungen abhängt (verschuldensbedingte Verschlechterung oder Unmöglichkeit der Herausgabe).

3. Klageanträge zu 3. und 4.

Die Klageanträge zu 3. und 4. rechtfertigen sich dem Grunde nach aus Verzug (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 280 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB). Die Geschäftsgebühr ist nach dem Vorgesagten aus dem Wert der Herausgabe zu errechnen, der sich gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG statt auf 41.500,00 € (7 GA) auf 1.344,87 € (62 GA) beläuft, da der Wert der Nutzung eines Jahres durch den Pachtzins indiziert wird. Die Klägerin macht auch keinen anderweitigen Wert der Nutzung geltend, sondern bewertet den Wert des Herausgabeanspruchs nach dem Wert des Grundstücks (6 GA). Dementsprechend schuldet die Beklagte Zinsen auf die von der Klägerin entrichteten Gerichtsgebühren ebenfalls nur, soweit sie einen Streitwert von 1.344,87 € decken.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1, § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG, § 3 ZPO. Dabei hat der Senat den Wert des Klageantrages zu 2 entsprechend den Angaben in der Klageschrift auf 3.500,00 € geschätzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).