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Gründungszuschuss - Restanspruch von 90 Tagen - Berechnungsweise


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 12.02.2014
Aktenzeichen L 18 AL 155/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 57 aF SGB 3, § 339 aF SGB 3

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 verurteilt, dem Kläger einen Gründungszuschuss ab 1. Dezember 2009 für neun Monate zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten im gesamten Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Gründungszuschusses (GZ).

Der 1967 geborene Kläger schloss 1990 sein Architekturstudium ab. Er war von 1998 bis 2001 im Büro Prof. H K und von 2001 bis 2006 selbständig als Architekt tätig. Nach einer Tätigkeit als freier Mitarbeiter in einem Architekturbüro 2006/2007 war von Dezember 2007 bis Ende Juni 2009 versicherungspflichtig als Architekt beschäftigt. Nachdem er am 22. Mai 2009 von Seiten seines Arbeitgebers die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hatte, meldete er sich am 29. Mai 2009 mit Wirkung zum 30. Juni 2009 arbeitslos. Mit Bewilligungsbescheid vom 20. Juli 2009 erkannte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Juli 2009 für eine Anspruchsdauer von 240 Tagen zu und bewilligte das Alg für die Zeit vom 8. Juli 2009 bis 28. Februar 2010 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 34,04 €. Für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 7. Juli 2009 wurde unter Hinweis auf den Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung ein Leistungsbetrag von „0,00 €“ täglich bestimmt und ausgeführt, der Anspruch mindere sich in dieser Zeit um sieben Tage. Dieser Bescheid enthielt ferner den Hinweis zur Rentenversicherung: „bei ALLGEMEINE RENTENVERSICHERUNG“. Mit einem weiteren Bescheid vom 20. Juli 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Anspruch auf Alg für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 7. Juli 2009 ruhe, weil er seiner Verpflichtung nach § 38 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) zur persönlichen Meldung nicht rechtzeitig nachgekommen sei. Mit Änderungsbescheiden vom 27. August 2009 und 16. September 2009 wiederholte die Beklagte die Entscheidungen über den Alg-Anspruch des Klägers aus dem Bewilligungsbescheid vom 20. Juli 2009 und teilte diesem ferner mit, dass er in der Rentenversicherung im Zeitraum vom 8. Juli 2009 bis 28. Februar 2010 nicht rentenversichert sei bzw. dass die Agentur für Arbeit für diesen Zeitraum die Beiträge für seine Altersvorsorge (zum Versorgungswerk der Architektenkammer Berlin) übernehme.

Bereits am 10. September 2009 hatte sich der Kläger im Gespräch mit dem Arbeitsvermittler H der Beklagten über die Möglichkeiten des Aufbaus einer freiberuflichen Tätigkeit informiert. Dabei wurde der Kläger über den GZ beraten, ausführlich auf die „Ausschlussfrist“ hingewiesen und ein Beginn der freiberuflichen Tätigkeit im November 2009 vorgeschlagen. Am 11. September 2009 wurde dem Kläger durch die Mitarbeiterin P telefonisch eine Auskunft zu seinem „Restanspruch“ auf Alg erteilt. Vom 21. September 2009 bis 2. Oktober 2009 absolvierte der Kläger erfolgreich ein ihm von der Beklagten zugewiesenes Existenzgründerseminar der „Existenzgründerhilfe“ in Berlin.

Mit dem am 30. November 2009 eingegangenen Antrag auf Gewährung eines GZ kündigte der Kläger die Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit als Architekt am 1. Dezember 2009 an und legte die Stellungnahme der Steuerberaterin Z vom 30. November 2009 bei, mit der sie nach Durchsicht der vom Kläger vorgelegten und der Stellungnahme beigefügten Unterlagen bescheinigte, dass mit dem Vorhaben des Klägers der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar erscheine. Auf die Stellungnahme vom 30. November 2009 nebst Anlagen wird Bezug genommen. Daraufhin hob die Beklagte mit Aufhebungsbescheid vom 2. Dezember 2009 die Entscheidung über die Bewilligung von Alg wegen Abmeldung des Klägers aus dem Leistungsbezug ab 1. Dezember 2009 auf.

Mit Ablehnungsbescheid vom 14. Dezember 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines GZ ab, weil der Kläger bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nicht über einen Anspruch von mindestens 90 Tagen auf Alg verfügt habe. Mit seinem Widerspruch vom 17. Dezember 2009 trug der Kläger u.a. vor, ihm sei am 11. September 2009 von der Leistungsabteilung der Beklagten irrtümlich ein an diesem Tag bestehender Restanspruch von 179 Tagen bestätigt worden. Der von ihm auf der Grundlage dieser Auskunft gewählte „Gründungstermin“ habe damit etwa eine Woche vor dem ihm von der Beklagten mittelbar genannten „Schlusstermin“ gelegen. Wäre er korrekt beraten worden, hätte er den „Gründungstermin“ vorgezogen. Ab 11. Januar 2010 bis (mindestens) 30. September 2010 bezog der Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) vom JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf, welches mit Schreiben vom 1. Februar 2010 einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte anmeldete.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2010 den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus: Der Kläger habe bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nur noch einen Restanspruch von 89 Tagen auf Alg gehabt. Bei der Berechnung der Anspruchsdauer und des Restanspruchs seien § 339 Abs. 2 und § 134 SGB III zu beachten. Danach entspreche ein Monat 30 Kalendertagen. Alg werde daher bei einem vollen Monat Anspruchsdauer für 30 Tage gezahlt. Bei weniger als einem vollen Monat werde das Alg nach der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage gezahlt. Nach Ablauf der Sperrzeit habe der Kläger am 8. Juli 2009 noch 233 Tage Anspruch auf Alg gehabt. Bis 30. November 2009 seien 144 Tage bewilligt worden, sodass noch ein Restanspruch von 89 Tagen verblieben sei. Es sei zweifelhaft, dass dem Kläger am 11. September 2009 ein Restanspruch von 179 Tagen mitgeteilt worden sei. Auf eine etwaige falsche Auskunft komme es überdies nicht an, da eine frühere Tätigkeitsaufnahme nicht fingiert werden könne.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Er habe aufgrund seiner Qualifikation gute Chancen für Aufträge gehabt und inzwischen auch einen Vorvertrag für ein größeres Bauprojekt erhalten. Aus dem zeitweisen Bezug von Arbeitslosengeld II dürfe nicht auf eine fehlende Tragfähigkeit seines Vorhabens geschlossen werden. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2012 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe „mangels ausreichender Alg I-Restanspruchstage“ keinen Anspruch auf Bewilligung eines GZ. Auf eine tatsächlich früher begonnene Selbstständigkeit könne er sich nicht berufen. Das Erstellen eines Gründungskonzepts oder der Besuch eines Gründerseminars könnten ebenso wenig wie Gespräche mit potentiellen Auftraggebern oder sonstige Erkundungen der Marktlage als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewertet werden. Ein Beratungsfehler könne nicht festgestellt werden. Es sei davon auszugehen, dass ihm am 11. September 2009 nicht 179, sondern 169 Tage genannt worden seien. Ob die vom Kläger offerierte Geschäftsidee als hinreichend tragfähig zu beurteilen gewesen wäre, was angesichts der Erkenntnisse zur Lage arbeitsloser Architekten und der äußerst harten Konkurrenzsituation auf dem „übersättigten“ Berliner Markt zweifelhaft sei, könne offen bleiben.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger, der seit August 2012 erneut Alg bezogen hat und nur noch im Rahmen einer Nebentätigkeit selbständig ist, sein Begehren weiter. Er trägt vor: Er habe sich am 11. September 2009 nicht verhört. Seine Geschäftsidee sei tragfähig gewesen. Die Frage der Tragfähigkeit sei zum damaligen Zeitpunkt zu beurteilen. Bereits vor dem 1. Dezember 2012 habe es „erhebliche Maßnahmen zur Selbständigkeit“ gegeben. So sei ein erster Bauherrenkontakt schon mit einem Schreiben vom 31. August 2009 hergestellt geworden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab 1. Dezember 2009 für neun Monate zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Die wegen der Sperrzeit auf 233 Tage verringerte Anspruchsdauer habe sich gemäß §§ 128, 339 SBG III aF um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden sei, wobei für die Berechnung von Leistungen ein Monat mit 30 Tagen berechnet werde, verringert. Damit habe der Kläger am 1. Dezember 2009 nur noch einen Restanspruch von 89 Tagen gehabt.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Berichterstatter hat am 26. Juni 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Beklagten nebst GZ-Vorgang und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden können.

Die Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlich erhobene und im Hinblick auf den bis 27. November 2011 (vgl. die vollständige Umwandlung in eine Ermessensleistung mWv 28. November 2011 durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 – BGBl. I S. 2854 -; BT-Drucks. 17/6277 S. 86) als Pflichtleistung ausgestalteten GZ statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv § 54 Abs. 4 SGG auf Gewährung eines GZ weiter verfolgt, ist begründet. Der Kläger hat für die Zeit ab 1. Dezember 2009 für neun Monate einen Anspruch auf Gewährung eines GZ.

Nach § 57 SGB III in der vom 1. August 2009 bis 27. November 2011 geltenden und vorliegend (vgl. § 422 SGB III) noch anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (BGBl. I S. 1939; im Folgenden: alter Fassung – aF -) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen GZ (Abs. 1). Der GZ wird u.a. geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Kläger hatte bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit als Architekt aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 20. Juli 2009, mit dem unter Zuerkennung einer Anspruchsdauer von 240 Tagen und Berücksichtigung einer Sperrzeit vom 1. Juli 2009 bis 7. Juli 2009 ein Anspruch auf Alg vom 8. Juli 2009 bis 28. Februar 2010 zuerkannt worden war, einen Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III. Mit den Änderungsbescheiden vom 27. August 2009 und 16. September 2009 traf die Beklagte keine neuen Regelungen hinsichtlich der Alg–Bewilligung, sondern verlautbarte lediglich Hinweise bzw. Regelungen zum Rentenversicherungsschutz des Klägers. Der Senat geht ferner davon aus, dass der Kläger entsprechend seinem GZ-Antrag vom 30. November 2009 seine selbständige Tätigkeit spätestens am 1. Dezember 2009 aufgenommen hat. Es kann offen bleiben, ob der Kläger in Widerspruch zu seinen eigenen Angaben im Antrag vom 30. November 2009 bereits zu einem früheren Zeitpunkt seine hauptberufliche Tätigkeit als Architekt aufgenommen hatte.Eine selbständige Tätigkeit wird dann aufgenommen, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wird (vgl. BSG SozR 4-4300 § 57 Nr. 1; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 11. März 1997 – L 13 AL 2633/95 – und vom 11. August 2009 – L 13 AL 5078/08 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2010 - L 18 AL 160/09 -). Vorbereitende Handlungen sind dann als „Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit“ zu qualifizieren, wenn sie zielgerichtet und unmittelbar der Bestreitung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Januar 2001 – L 1 AL 122/00 -, juris). Möglicherweise können daneben auch Vorbereitungshandlungen dann als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gewertet werden, wenn sie Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere „Geschäftseröffnung“ ausgerichtet gewesen sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 11 AL 28/09 R = SozR 4-4300 § 57 Nr. 5). Es spricht viel dafür, dass der Kläger vor dem 1. Dezember 2009 weder unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete Handlungen mit Außenwirkung noch „ernst und unmittelbar“ auf die beabsichtigte Tätigkeit als Architekt ausgerichtete Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung vorgenommen hatte. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren unter Hinweis darauf, dass schon mit einem Schreiben vom 31. August 2009 ein erster Bauherrenkontakt hergestellt geworden sei, der zu einer Bauanfrage nebst Vorentwurfsplanung geführt habe, die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt geltend macht, lässt dieser vereinzelte Kontakt kaum den Schluss zu, dass der Kläger bereits vor dem 1. Dezember 2009 hauptberuflich, d.h. mindestens im Umfang von 15 Wochenstunden als Architekt tätig war. Zudem war dieser Kontakt zu einem Zeitpunkt zustande gekommen, als der Kläger, der sich noch im September 2009 zum „Gründungstermin“ beraten ließ, noch nicht zum Gang in die Selbständigkeit entschlossen hatte. Eine Aufnahme der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit kam nach Lage der Dinge auch erst nach Beendigung des vom Kläger bis 2. Oktober 2009 absolvierten Existenzgründerseminars in Betracht. Dass zwischen 3. Oktober 2009 und 30. November 2009 nennenswerte geschäftliche Aktivitäten des Klägers erfolgten, wird vom Kläger nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die für die Gewährung eines GZ erforderliche Voraussetzung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III aF liegt freilich auch bei Annahme des „Gründungstermins“ 1. Dezember 2009 vor. Denn zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten aufgrund der Bewilligung vom 20. Juli 2009 noch über einen Anspruch auf Alg von 90 Tagen. Die Beklagte geht zwar davon aus, dass der Kläger unter Berücksichtigung der ihm zuerkannten Anspruchsdauer von 240 Tagen sowie der sperrzeitbedingten Minderung um 7 Tage (Rest 233 Tage) bis 30. November 2009 insgesamt 144 Tage mit Alg-Anspruch „verbraucht“ habe (24 Tage im Juli 2009 sowie je 30 Tage in den folgenden vier Monaten), sodass ihm bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit am 1. Dezember 2009 nur noch ein Restanspruch von 89 Tagen (also bis 27. Februar 2010) zur Verfügung gestanden habe. Nach dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III aF kommt es jedoch nicht darauf an, ob eine bestimmte Anzahl von Tagen des Alg-Anspruchs verbraucht worden ist - also eine bestimmte Zeit abgelaufen ist -, sondern es ist zu berechnen, über welchen Zeitraum („mindestens 90 Tage“) mit Alg-Anspruch der Arbeitnehmer ab Aufnahme der selbständigen Tätigkeit „noch“ verfügt. Da vorliegend Alg ab 8.Juli 2009 ohne Unterbrechung bewilligt worden war, ist dementsprechend entscheidend, wann der Alg-Anspruch des Klägers aufgrund der bestandskräftigen und erst nachträglich aufgrund der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 1. Dezember 2009 aufgehobenen Alg-Bewilligung vom 20. Juli 2009 endete. Der Bewilligungsbescheid vom 20. Juli 2009 erkennt dem Kläger – was die Vertreterin der Beklagten im Erörterungstermin bestätigt hat - Alg iHv 34,04 € täglich für den Zeitraum 8. Juli 2009 bis 28. Februar 2010 zu. Unabhängig davon, ob die Monate Dezember 2009 bis Februar 2010 ungeachtet ihrer tatsächlichen Länge entsprechend der Übung der Beklagten mit jeweils 30 Tagen anzusetzen sind oder ob – was der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 7 AL 42/00 R = SozR 3-4100 § 107 Nr. 11) und des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2009 - 18 B 2308/ AS ER -, Urteil vom 27. April 2010 – L 18 AL 160/09) zur Berechnung der Anspruchsdauer nach § 339 Satz 2 SGB III entspricht – strikt kalendertäglich (31 + 31 + 28 Tage) zu rechnen ist, stand dem Kläger bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zum 1. Dezember 2009 noch für 90 Tage Alg zu. Im Hinblick darauf, dass durch den Bewilligungsbescheid vom 20. Juli 2009 für einen konkreten Zeitraum ein Anspruch auf Alg zuerkannt worden, ist es unerheblich, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der im Einklang mit §§ 127 Abs. 2, 339 Satz 2 SGB III aF im Bescheid vom 20. Juli 2009 festgesetzten Anspruchsdauer von 240 Tagen sowie der auf Grund der Sperrzeit eingetretenen Anspruchsminderung gemäß von 7 Tagen Alg nur bis 25. Februar 2010 zu gewähren gewesen wäre und mithin der Kläger am 1. Dezember 2009 nur einen Restanspruch von 87 Tagen gehabt hätte. Denn die das Stammrecht des Klägers übersteigende Bewilligung von Alg bis 28. Februar 2010 war zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig iSv § 40 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X).

Der Kläger hat schließlich auch unter Darlegung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit nachgewiesen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 SGB III aF). Insbesondere hat er zum Nachweis der Tragfähigkeit nach Satz 2 dieser Vorschrift die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorgelegt. Als fachkundige Stellen kommen neben den in § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III aF exemplarisch benannten Stellen auch Steuerberater in Betracht (vgl. Stratmann, in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 57 Rn. 11). Die Steuerberaterin Z hat ihm in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2009 bescheinigt, dass der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung mit dem Vorhaben insgesamt realisierbar sei. Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22. Februar 2012 die Tragfähigkeit unter Hinweis auf erhebliche Auftragsrückgänge im Berliner Bauhauptgewerbe sowie die vom Kläger gewählte „qualitätsbewusste, wertkonservative“ Zielgruppe bezweifelt, hat der Kläger zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass er in seiner Markteinschätzung bei dem von ihm anvisierten Wohnungsbau, der im Vergleich zum übrigen Bauhauptgewerbe einen unterdurchschnittlichen Rückgang zu verzeichnen gehabt habe, unter Hinweis auf den bauwirtschaftlichen Lagebericht der Senatsverwaltung für Bauwesen eine schelle Erholung prognostiziert hatte. Er hat ferner nachvollziehbar dargelegt, dass er aufgrund seines beruflichen Werdeganges, darunter seiner mehrjährigen Beschäftigung im renommierten Büro K, sich in der Lage gesehen hat, auch als Existenzgründer im hochwertigen Geschäftssegment erfolgreich aufzutreten.

Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Bewilligung eines GZ ab 1. Dezember 2009 für neun Monate (§ 58 Abs. 1 SGB III aF), wobei im Hinblick auf den gemäß §§ 102, 104 SGB X geltend gemachten Erstattungsanspruch des JobCenters Charlottenburg-Wilmersdorf an den Kläger nur unter Anrechnung der in diesem Zeitraum bezogenen SGB II-Leistungen zu leisten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen schon deshalb nicht vor, weil eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift wie § 57 SGB III aF keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen kann. Eine inhaltsgleiche Folgevorschrift zu § 57 SGB III aF existiert nicht (vgl. ausdrücklich BSG, Beschluss vom 17. August 2012 – B 11 AL 40/12 B – juris). Der jetzt in § 93 SGB III geregelte GZ ist – anders als der hier erstrebte - eine Ermessensleistung.