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Kinderbetreuungskosten - Verpflegung - tatsächlicher Aufwand


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 29.05.2013
Aktenzeichen L 18 AL 225/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 83 aF SGB 3, § 83 nF SGB 3

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2012 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten mit Ausnahme der bereits mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2012 zuerkannten Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die seit 2008 verheiratete Klägerin absolviert seit 16. Januar 2012 eine Umschulung zur Immobilienkauffrau, die voraussichtlich am 14. Januar 2014 endet. Sie ist Mutter des im Oktober 2005 geborenen J R (J) und des im April 2007 geborenen E R (E). E wird in der KIB Kita, B, tagsüber betreut. Seit Januar 2011 wird für diese Betreuung lediglich eine Kostenbeteiligung für die Verpflegung in Höhe von 23,- € monatlich erhoben (vgl. Kostenbescheid des Bezirksamtes Reinickendorf von Berlin – BA - vom 5. August 2010). J besucht eine Einrichtung zur ergänzenden Betreuung von Grundschulkindern. Neben dem Verpflegungsanteil in Höhe von 23,- € ist für diesen Besuch eine Kostenbeteiligung von 13,- € monatlich zu entrichten (vgl. Kostenbescheid des BA vom 7. Juni 2011).

Mit Bescheid vom 5. Januar 2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen für die Teilnahme an der Umschulung vom 16. Januar 2012 bis 14. Januar 2014 in Höhe von insgesamt 16.055,76 €, darunter für J Kinderbetreuungskosten für die Zeit von Februar 2012 bis Januar 2014 in Höhe von monatlich 130, €. Mit Änderungsbescheid vom 16. Januar 2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die oben angeführte Weiterbildungsmaßnahme Leistungen in Höhe von nur noch 12.935,76 € unter Berufung auf § 47 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Anspruch auf Kinderbetreuungskosten für J sei ab Februar 2012 weggefallen. Auf den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie sich „gegen den Wegfall der Kinderbetreuungskosten“ für beide Kinder wandte, bewilligte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 3. Februar 2012 erneut Leistungen für die Kosten der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme in Höhe von insgesamt 16.045,76 €, darunter Kinderbetreuungskosten für J in Höhe von 3.120,- € (= monatlich 130,- €) für die Zeit vom 1. Februar 2012 bis 14. Januar 2014. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte aus: Nach Erlass des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2012 sei der Widerspruch nicht mehr begründet. Nach § 83 Sozialgesetzbuch –Arbeitsförderung - SGB III - könnten für die Kosten der Betreuung von aufsichtsbedürftigen Kindern des Arbeitnehmers während der Zeit einer Umschulung/Fortbildung 130,- € monatlich je Kind übernommen werden. Ein Betreuungsanteil falle bei E seit dem 1. Januar 2011 nicht mehr an. Die Kosten für die Verpflegung könnten hierbei keine Berücksichtigung finden. Dementsprechend seien nur noch für J Betreuungskosten in Höhe von 130,- € monatlich zu gewähren.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Entgegen der Annahme der Beklagten ergäben sich auch für E Betreuungsaufwendungen. Bei der Umschulung handele es sich um eine Vollzeitmaßnahme. Das Kind müsse in die Kita gebracht und wieder abgeholt werden, was ihr selbst nicht möglich sei aufgrund der von ihr zu besuchenden Umschulungsmaßnahme. Dem im Schichtdienst bei der BVG arbeitenden Ehemann sei es ebenfalls nicht möglich, E regelmäßig abzuholen. Verwandte, die diese Aufgabe übernehmen könnten, habe sie nicht. Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 verurteilt, der Klägerin weitere Kinderbetreuungskosten von monatlich 130,- € zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe auch für E Anspruch auf Kinderbetreuungskosten in Höhe von 130,- € monatlich. Sie mache zu Recht geltend, dass ein Bedarf für die Kinderbetreuung nach § 83 SGB III, seit 1. April 2012 nach § 87 SGB III, anzuerkennen sei. Diese Regelung sei als reine Pauschale ausgestaltet, mit der bezweckt werde, die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie zu stärken. Auf tatsächlich entstandenen Kosten komme es – ähnlich wie bei der Kleiderpauschale - nicht an. Zur Anerkennung der Betreuungspauschale genüge es, dass wegen der Ausbildung eine Unterbringung des Kindes notwendig sei und wegen der Dauer der Unterbringung auch eine Verpflegung gestellt werden müsse. Diese Voraussetzungen lägen unstreitig vor, so dass ein entsprechend erhöhter Bedarf der Klägerin anerkannt werden müsse. Ob und in welcher Höhe finanzielle Belastungen wegen des Abholens und Bringens der Kinder anfielen, sei nicht aufzuklären.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das angegriffene Urteil und trägt vor: Für E fielen ab Januar 2011 keine Kosten für die Fremdbetreuung an. Die Verpflegungskosten stellten keine Kinderbetreuungskosten dar. Dies ergebe sich sowohl aus ihrer Geschäftsanweisung wie auch dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Januar 2007 - L 4 RJ 61/04 -. Eine Fremdbetreuung iSd § 83 SGB III liege auch nicht vor, sofern Kosten für das Abholen und Bringen des Kindes im Zusammenhang mit dem Kita-Besuch anfielen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen und stellt klar, dass Verpflegungskosten nicht Gegen-stand der von ihr geltend gemachten Betreuungskosten seien. Sie müsse jedoch Betreuungspersonen für das zeitnahe und angemessene Hinbringen und Abholen der Kinder zur Kita beauftragen und sei aus diesem Grund auf Kinderbetreuungskosten angewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetzt GG) angegriffene Änderungsbescheid der Beklagten vom 3. Februar 2012 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat im streitbefangenen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 14. Februar 2014 keinen Anspruch auf Übernahme von Kinderbetreuungskosten für ihren Sohn E.

Nach § 77 SBG III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung (aF) bzw. § 81 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung (nF) kann die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden. Förderfähige Weiterbildungskosten sind u.a. die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Kosten für die Betreuung von aufsichtsbedürftigen Kindern des geförderten Arbeitnehmers, die in Höhe von 130,- € monatlich je Kind übernommen werden können (§§ 79 Abs. 1 Nr. 4, 83 SGB III aF bzw. §§ 83 Abs. 1 Nr. 4, 87 SGB III nF).

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der streitbefangenen Leistungen nicht vor. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, sie müsse Betreuungspersonen für das zeitnahe und angemessene Hinbringen und Abholen ihrer Kinder beauftragen. Es kann offen bleiben, ob ein hierfür erforderlicher Aufwand zu den durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Kinderbetreuungskosten zu zählen wäre (bejahend LSG Chemnitz, Beschluss vom 26. Oktober 2007 – L 1 B 64/07 AL – NZB –, juris Rn. 25 zur vergleichbaren Vorschrift des § 50 Nr. 3 SGB III aF). Die Klägerin hat nämlich weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt oder gar nachgewiesen, in welcher Höhe und für welche Betreuungspersonen Kosten entstanden sind oder entstehen werden. Im Rahmen der hier geltend gemachten Kinderbetreuungspauschale kommt es zwar nicht auf die Höhe dieser Kosten an. Nach dem Wortlaut der Vorschrift, die ausdrücklich auf „entstehende“ Kosten verweist, können Kinderbetreuungskosten jedoch nur dann geltend gemacht werden, wenn tatsächlich ein finanzieller Aufwand für den geförderten Arbeitnehmer anfällt. Insofern verhält es sich hier anders als bei der vom SG herangezogenen Kleiderpauschale nach § 68 Abs. 1 SGB III aF, bei der der Gesetzgeber abstrakt auf einen monatlichen Bedarf abgestellt hat.

Für die Klägerin sind auch nicht deshalb Kinderbetreuungskosten angefallen, weil für E während der – kostenfreien - Betreuung durch die Kita eine Kostenbeteiligung für die Verpflegung in Höhe von 23,- € monatlich erhoben wird. Verpflegungskosten sind keine Kinderbetreuungskosten iSd § 79 Abs. 1 Nr. 4 SGB III aF bzw. § 83 Abs. 1 Nr. 4 SGB III nF. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Anerkennung von Verpflegungskosten als Weiterbildungskosten in Nr. 3 der angeführten Vorschrift (iVm § 82 Nr. 2 SGB III aF bzw. § 86 Nr. 2 SGB III nF) abschließend geregelt und danach auf im Zusammenhang mit einer auswärtigen Unterbringung entstehende Verpflegungskosten des geförderten Arbeitnehmers begrenzt ist. Verpflegungskosten für E fallen überdies unabhängig von der Weiterbildungsmaßnahme der Klägerin an und entstehen mithin nicht unmittelbar durch die Weiterbildung. Der erforderliche spezifische Kausalzusammenhang zwischen der Weiterbildung und der Kostenbeteiligung für die Verpflegung des E wird entgegen der Auffassung des SG nicht schon dadurch hergestellt, dass wegen der Weiterbildung der Klägerin eine Betreuung des E durch die Kita erforderlich wird und anlässlich dieser Betreuung auch Verpflegungsleistungen erbracht werden. Für die Verpflegung ihrer Kinder zu sorgen, zählt indes zu den ureigensten Aufgaben der Eltern (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2007 – L 4 RJ 61/04 -, juris, Rn. 26).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.