Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 28.05.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 S 21.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 12 Abs 1 GG, § 123 Abs 1 S 1 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 1 Nr 1 VIG 2012, § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 VIG 2012, § 2 Abs 1 S 1 Nr 7 VIG 2012, § 6 Abs 1 S 3 VIG 2012, § 6 Abs 1 S 4 VIG 2012 |
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. März 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin betreibt in der H... in Berlin-Pankow ein Einzelhandelsgeschäft in Selbstbedienung für Lebensmittel einschließlich Frischfleisch und andere Waren des täglichen Bedarfs.
Bei einer planmäßigen Routinekontrolle des Geschäfts am 7. Juni 2013 ergaben sich nach den Feststellungen der amtlichen Veterinärin beim Ordnungsamt - Veterinär- und Lebensmittelaufsicht - des Bezirksamts Pankow von Berlin folgende Beanstandungen: Handwaschbecken im Convenience-Raum defekt, beim Wasserzapfen sprudelt Wasser aus der Dichtung und spritzt in den Umgebungsbereich; leichte Verschmutzungen auf Oberflächen im Backshop; Tür zwischen Fleischtheke und Vorbereitungsraum mit einer nicht reinigungsleichten Dichtung (sog. Mäusebesen) ausgestattet, an dem sich bodennah Altverschmutzungen zeigen; massive ekelhafte Geruchsbildung bei der Leergutannahme auf Grund fehlender Lüftung; Umkleideräume im Keller, im ersten Raum im Fensterbereich krabbelt eine Assel, es finden sich Spinnen und Gespinste, nicht alle Kabelschächte sind ordentlich verschlossen. Die Veterinärin erteilte eine mündliche Verwarnung ohne Verwarnungsgeld.
Zur Bemessung der Frist bis zur nächsten Kontrolle erstellte sie eine Risikobeurteilung: Während die Betriebsprüfung sehr gute Ergebnisse beim bisherigen Verhalten des Lebensmittelunternehmers, bei der Verlässlichkeit der Eigenkontrollen und bei der Schädlingsbekämpfung ergeben habe, sei beim Hygienemanagement die bauliche Beschaffenheit (Instandhaltung) wegen diverser kleinerer Defekte nur zufriedenstellend (2 Minuspunkte), Reinigung und Desinfektion wegen des verschmutzten und falschen Bürstensaums seien gut (2 Minuspunkte), ebenso wie die Personalhygiene (Umkleide im Keller, Assel, 3 Minuspunkte) und die Produktionshygiene (Handwaschbecken, 4 Minuspunkte). Daraus ergab sich eine Kontrollfrist von sechs Monaten.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2013 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Betrieb bei der Kontrolle 11 Minuspunkte erreicht habe und beabsichtigt sei, die Verbraucherschaft gemäß § 6 Verbraucherinformationsgesetz (VIG) über das Kontrollergebnis zu informieren. Innerhalb der nächsten 14 Tage werde es auf der Internetseite des Bezirkes unter dem Stichwort „Smiley-System“ veröffentlicht.
Bei dem „Smiley-System“ handelt es sich um eine im Internet abrufbare Liste von derzeit rd. 760 Seiten, die jeweils mit „Kontrollergebnis“ überschrieben sind. Jede Seite ist einem Lebensmittelbetrieb zugeordnet; auf ihr werden Name und Ort des Betriebes, Betriebsart und die vertriebenen Lebensmittel genannt. Auf der linken Seitenhälfte ist eine Tabelle nach folgendem Muster - hier versehen mit den für die Antragstellerin vorgesehenen Angaben - abgebildet:
Mögliche | vergebene | |
Bisheriges Verhalten des Betriebes | ||
Mitarbeiterschulung | 7 | 0 |
Verlässlichkeit der Eigenkontrollen | ||
HACCP-Verfahren/Eigenkontrollen | 12 | 0 |
Untersuchg. v. Produkten/Wareneingangskontrolle | 5 | 0 |
Temperatureinhaltung | 8 | 0 |
Hygienemanagement | ||
Bauliche Beschaffenheit/Instandhaltung | 5 | 2 |
Reinigung und Desinfektion | 8 | 2 |
Personalhygiene | 11 | 3 |
Produktionshygiene/Betriebshygiene | 13 | 4 |
Schädlingsbekämpfung/Befallskontrolle | 3 | 0 |
Summe | 72 | 11 |
Darunter wird das Ergebnis einer etwaigen Nachkontrolle dargestellt. Auf der rechten Hälfte der Seite wird das „aktuelle Kontrollergebnis“ auf einem farbigen Feld abgekürzt wiedergegeben in Form eines sogenannten „Smiley-Symbols“, sowie nach Datum, Punktzahl und Ergebnis in Form einer Zensur. Nach der Legende erhalten Betriebe mit bis zu 2 Minuspunkten ein „sehr gut“ mit einem lachenden „Smiley-Gesicht“ auf grünem Grund, Betriebe mit 3-20 Minuspunkten ein „gut“ mit einem lächelnden Gesicht auf grünem Grund, Betriebe mit 21-38 Minuspunkten ein „zufriedenstellend“ mit einem entspannten Gesicht auf gelbem Grund, Betriebe mit 39-55 Minuspunkten ein „ausreichend“ mit einem ernsten Gesicht auf gelbem Grund und Betriebe mit 56-72 Minuspunkten ein „nicht ausreichend“ mit einem griesgrämigen Gesicht auf rotem Grund. Etwaige vorherige Kontrollergebnisse werden nach Datum, Ergebnis und Punktzahl angeführt und ebenfalls mit einem „Smiley-Gesicht“ vor farbigem Hintergrund versehen. Mit Hilfe der Suchfunktion kann sich der Nutzer u.a. die Seiten aller Filialen einer Einzelhandelskette im Bezirk oder auch die Betriebe nach Straßennamen anzeigen lassen. |
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Antragsgegners befindet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
1. Entgegen der Annahme der Beschwerde steht der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zur Seite. Sie hat auch nach Auffassung des Senats hinreichend glaubhaft gemacht, dass durch die beabsichtigte Internetveröffentlichung die Verwirklichung ihres Rechts auf freie wirtschaftliche Betätigung aus Art. 12 Abs. 1 GG vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Veröffentlichung in der konkreten Form der farbig unterlegten „Smiley-Gesichter“ kommt eine Prangerwirkung zu. Dies gilt womöglich nur eingeschränkt für die Darstellung des Kontrollergebnisses im konkreten Fall der Antragstellerin, bei dem ein lächelndes „Smiley-Gesicht“ auf grünem Hintergrund einen insgesamt noch positiven Eindruck vermitteln mag. Bei einer Benotung mit „zufriedenstellend“ und schlechter fällt der Farbwechsel nach gelb bzw. rot und das sich verdüsternde Gesicht sofort ins Auge. Ein Lebensmittelunternehmer, der eine Bewertung mit „nicht ausreichend“ erhalten hat, wird angesichts des Bekanntheitsgrades der Liste und der damit zu vermutenden hohen Zahl von Lesern kaum am Markt bestehen können. Aber auch wenn die geplante Veröffentlichung noch keine solche Prangerwirkung entfalten sollte, droht doch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein grundrechtsrelevanter Umsatzrückgang bei der Antragstellerin.
Das Beschwerdevorbringen, die Antragstellerin müsse nicht mit Umsatzeinbußen rechnen, weil sie ja nicht weit, sondern lediglich geringfügig hinter einem sehr guten Ergebnis zurückbleibe; das ihr zugemessene „gut“ sei ein, wenn auch mit Einschränkungen insgesamt positives Kontrollergebnis, weil es noch drei schlechtere Notenstufen und eine Vielzahl schlechter bewerteter Betriebe gebe, überzeugt nicht. In der „Smiley-Liste“ des Bezirksamts Pankow von Berlin sind derzeit rd. 760 Betriebe erfasst, worunter sich rd. 115 Betriebe mit der Benotung „sehr gut“ befinden. Von den rd. 340 mit „gut“ bewerteten Betrieben gibt es wiederum rd. 160 Betriebe, die mit 3 bis 10 Punkten, d.h. besser als die Antragstellerin bewertet worden sind, so z.B. die unmittelbaren Wettbewerber A... in sechs Fällen, N... in neun Fällen und K... in einem Fall. Bleibt aber die Antragstellerin mit 11 von 72 möglichen Minuspunkten hinter dem Ergebnis von 275 Betrieben, darunter auch unmittelbaren Konkurrenten am Markt, zurück, befürchtet sie zu Recht spürbare Umsatzeinbußen.
Ausweislich des einführenden Textes zur „Smiley-Liste“ im Internet-Auftritt des Bezirksamts Pankow von Berlin sollen sich die Verbraucher durch die Veröffentlichung der Gesamtpunktzahl und der Ergebnisse bei den einzelnen Kriterien ein wesentlich genaueres Bild von den Ergebnissen der Betriebskontrollen, also dem vorgefundenen Zustand in den Lebensmittelbetrieben, machen können. Da die Kontrollergebnisse aber nicht nur für jeweils einen Betrieb und für jeweils kurze Zeit im Netz stehen, sondern auch nach weiteren Kontrollen noch auf der fraglichen Seite verbleiben und Teil einer Liste der bereits kontrollierten Betriebe mit standardisierten Bewertungskriterien sind, ermöglichen die veröffentlichten Angaben einen unmittelbaren Vergleich zwischen den gelisteten Wettbewerbern am Markt. Diese Vergleichbarkeit ist nach dem Aufbau der Liste nicht zufällig, sondern beabsichtigt. So kann z.B. der interessierte Verbraucher mittels der Suchfunktion nach Straßennamen in seiner Nähe fragen und erhält die Angaben zu den dort verzeichneten Lebensmittelgeschäften und wird seine Kaufentscheidung u.a. von der Bewertung der konkurrierenden Lebensmittelhändler abhängig machen. Diese wiederum wissen um die Wirkung der Liste und werden ihre Anstrengungen zur Erfüllung der lebensmittelrechtlichen Anforderungen erhöhen. Eine Bekanntgabe solcher vergleichbarer Kontrollergebnisse kann die Wettbewerbsposition der davon betroffenen Unternehmer nachhaltig beeinflussen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1995 - BVerwG 3 C 23.94 -, juris Rn. 22 zu einem vergleichenden Warentest).
Befürchtet die Antragstellerin spürbare Umsatzeinbußen zu Recht, ist es ihr nicht zuzumuten, die Veröffentlichung im Internet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über eine (Unterlassungs-)Klage in der Hauptsache hinzunehmen, zumal ein eingetretener Rückgang bei den Kunden nicht ohne weiteres umkehrbar ist und voraussichtlich über ein etwaiges Obsiegen im Hauptsacheverfahren fortwirken würde. Da jeder Nutzer die aktuelle Liste speichern kann, ist zudem die Information sogar unabhängig von einer etwa von der Antragstellerin im Klagewege erfochtenen Änderung auf Dauer in der Welt.
2. Ebenfalls nicht zu erschüttern vermag die Beschwerde die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
Zu Recht zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht im Streit ist dabei der rechtliche Ansatz der Kammer, dass die beabsichtigte Internetveröffentlichung einen Akt staatlicher Lenkung darstellt, der mittelbar in die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützte freie unternehmerische Betätigung der Antragstellerin sowie in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG eingreift und daher einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind amtliche Informationen der hier interessierenden Art als grundrechtsrelevant anzusehen, wenn sie eindeutig auf einen auf Seiten der Unternehmer eintretenden nachteiligen Effekt abzielen oder wenn sie als nicht bezweckte aber voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirken (vgl. Urteilvom 7. Dezember 1995, a.a.O., Rn. 22 ff.). So liegt es hier. Die Beschwerde beanstandet deshalb auch nicht die vom Verwaltungsgericht zur Prüfung des Rechtsschutzantrages herangezogenen Rechtsgrundlagen, sondern nur das Ergebnis der Subsumtion und der anschließenden Interessenabwägung.
Als Ermächtigungsgrundlage für die beabsichtigte Veröffentlichung kommt allein § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG in Betracht und wird vom Antragsgegner auch einzig herangezogen. Danach kann die informationspflichtige Stelle Informationen, zu denen Zugang zu gewähren ist, auch unabhängig von einem Antrag über das Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher Weise zugänglich machen. Nach Satz 4 der Vorschrift sollen die Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich dargestellt werden.
Der Senat geht zugunsten des Antragsgegners davon aus, dass § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG die informationspflichtige Stelle grundsätzlich auch dazu berechtigt, das Ergebnis einer einzelnen Betriebsprüfung im Internet bekannt zu geben, auch wenn - wie hier - Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher ebenso wenig zu befürchten sind wie eine Täuschung der Verbraucher (dagegen die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG n.F./ § 5 Abs. 1 VIG a.F. grundsätzlich ablehnend wegen verfassungsrechtlicher und/oder systematischer Bedenken Wiemers ZLR 2009, 413 ff., 423 f., Wallau ZLR 2010, 382 ff., 384, Holzner, NVwZ 2010, 489 ff., 491, Theis DVBl. 2013, 627 ff., 628, Becker/Blackstein NJW 2011, 490 ff., 492; keine Bedenken hat Schoch, NJW 2010, 2241 ff., 2246).
Das Bezirksamt Pankow von Berlin - Veterinär- und Lebensmittelaufsicht - als zuständige staatliche Lebensmittelaufsichtsbehörde und informationspflichtige Stelle im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG ist aber zu der beabsichtigten Veröffentlichung nicht berechtigt, weil es sich bei den zur Verlautbarung im Internet vorgesehenen Angaben nicht um Informationen handelt, zu denen Zugang zu gewähren ist.
Mit der Wendung „Informationen, zu denen Zugang zu gewähren ist“ nimmt das Gesetz Bezug auf die Definition der Informationen in § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG. Von den dort aufgeführten sieben Fallgruppen kommen auch nach Auffassung des Antragsgegners nur die in Nummer 1 und in Nummer 7 genannten Fälle in Betracht.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, b) der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a bis c genannten Abweichungen getroffen worden sind. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern, einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen, sowie Statistiken über Verstöße gegen in § 39 Absatz 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und § 26 Absatz 1 Satz 1 des Produktsicherheitsgesetzes genannte Rechtsvorschriften, soweit sich die Verstöße auf Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte beziehen.
Der Senat unterstellt zugunsten des Antragsgegners, dass es sich bei den durch die Kontrolle vorgefundenen Tatsachen um nicht zulässige Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG handelt. Der Senat unterstellt weiter einen hinreichenden Erzeugnisbezug, wie ihn der in § 1 Nr. 1 VIG definierte Anwendungsbereich voraussetzt. Ebenso unterstellt der Senat zugunsten des Antragsgegners, dass der Anwendungsbereich von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG auch die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung umfasst.
Ausschlaggebend ist allein der vom Verwaltungsgericht als jedenfalls mit entscheidungstragend herangezogene Umstand, dass es sich bei den zur Veröffentlichung im Internet vorgesehenen Angaben nicht um „Daten“ über lebensmittelrechtliche Verstöße oder über Überwachungsmaßnahmen oder andere Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher handelt, sondern um Bewertungen von Lebensmittelbetrieben im unmittelbaren Vergleich zwischen Mitbewerbern auf demselben Markt, die weder nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG noch nach Nr. 7 der Vorschrift zulässig sind.
Unter „Daten“ versteht man im Allgemeinen durch Beobachtungen, Messungen, statistische Erhebungen u.a. gewonnene Angaben, (Zahlen-)Werte oder formu-lierbare Befunde (vgl. Duden [online]). In der Umgangssprache versteht man darunter Gegebenheiten, Tatsachen, Ereignisse (wikipedia zum Stichwort Daten). Die vom Antragsgegner als „Übersetzung“ bezeichnete Übertragung der Ergebnisse einer lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung in die „Smiley-Liste“ ist eine Bewertung und kein „Datum“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG. Denn das Bezirksamt Pankow von Berlin beabsichtigt nicht, im Internet die bei der Routinekontrolle bei der Antragstellerin am 7. Juni 2013 festgestellten Verstöße als nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen der lebensmittelrechtlichen Vorschriften oder als Überwachungsmaßnahme oder sonstige Verbraucherschutzmaßnahme darzustellen. Vielmehr werden die Ergebnisse der Betriebsprüfung - ohne dass der Verbraucher dies nachvollziehen könnte - in ein „risikoorientiertes Beurteilungssystem“ eingeordnet und durch Aufnahme in eine Liste zu ebensolchen Bewertungen anderer Lebensmittelunternehmer, die mit der Antragstellerin konkurrieren, in ein vergleichendes Verhältnis gesetzt.
Das „risikoorientierte Beurteilungssystem“ folgt dabei dem Muster des Beispielmodells zur risikoorientierten Beurteilung von Betrieben nach Nr. 5 der Anlage 1 zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrechtlicher, futtermittelrechtlicher und tabakrechtlicher Vorschriften - AVV RÜb - vom 3. Juni 2008 (GMBl. Nr. 22, S. 435), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 14. August 2013 (BAnz AT 20. August 2013 B2). Zweck dieses „risikoorientierten Beurteilungssystems“ ist es, zu kontrollierende Betriebe in Risikokategorien einzustufen und die Kontrollhäufigkeit dieser Betriebe zu bestimmen. Dabei richtet sich die Häufigkeit nach der Betriebsart, dem Verhalten des Lebensmittelunternehmers, der Verlässlichkeit der Eigenkontrollen und dem Hygienemanagement.
In der Anlage 1 und dem Leitfaden zu § 6 AVV RÜb werden zwar die Merkmale für die Einstufung eines Betriebes vorgegeben, die Einstufung nach Noten oder Punkten ist aber weitgehend dem Beurteilungsspielraum der Kontrollperson vorbehalten. Die Einstufung der einzelnen Beurteilungsmerkmale - z.B. Beurteilung der Abfallbeseitigung danach, ob Schutz vor Kontamination umfassend gewährleistet ist - soll - wie in einem Zensurenschema - in fünf Stufen erfolgen:
1.Anforderungen voll eingehalten; sehr gut; Mängel: keine,
2.Anforderungen weitgehend eingehalten; gut; Mängel: geringfügig,
3.Anforderungen überwgd. eingehalten; zufriedenstellend; Mängel: mittelgradig,
4.Anforderungen teilweise eingehalten; ausreichend; Mängel: noch tolerierbar,
5.Anforderungen nicht eingehalten; nicht ausreichend; Mängel: nicht tolerierbar.
Die Einordnung der Ergebnisse der Betriebsprüfung in dieses Bewertungsschema ist den verantwortlichen Kontrollpersonen überlassen. Die Punkt- oder Notenbewertung der Betriebe entspricht der Bewertung im Rahmen eines „Tests“ der Betriebe. Da es für den Verbraucher nicht nachvollziehbar ist, wie die Bewertung zustande kommt, stellt sich die Liste für ihn als Ergebnis eines solchen Testverfahrens dar.
Unbehelflich ist der Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht kritisiere zu Unrecht eine zusammenfassende Bewertung - auch die unter den jeweiligen Rubriken zusammengefassten Punktvergaben gäben nicht zulässige Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG wieder, die unter die Informationspflicht fielen. Denn die Mängel werden eben nicht benannt, sondern durch die Angabe von Minuspunkten in der jeweiligen Rubrik ersetzt, was sich für den Leser zwangsläufig als Bewertung darstellt. Nur aus dem Protokoll der Betriebsprüfung könnte sich erschließen, warum die bauliche Beschaffenheit/Instandhaltung im Fall der Antragstellerin wegen diverser kleinerer Defekte nur mit „zufriedenstellend“ bewertet worden ist (vermutlich wegen einer baulicherseits fehlenden Lüftung im Raum für die Pfandflaschenannahme) und warum die Antragstellerin bei der Reinigung und Desinfektion 2 Minuspunkte erhalten hat (wegen des verschmutzten und falschen Bürstensaums an der Tür im Übergang von der Fleischtheke zum Vorbereitungsraum), warum es bei der Personalhygiene 3 Minuspunkte gegeben hat (wegen der Lage der Umkleideräume im Keller und der aufgefundenen Kellerassel) und bei der Produktionshygiene 4 Minuspunkte (wegen des defekten Handwaschbeckens). Ohne diese Kenntnis reduziert sich für den Leser der „Smiley-Liste“ die „Information“ auf eine reine Bewertung nach ihm nicht bekanntgegebenen Kriterien.
Dies gilt erst recht in Ansehung des „Smiley“-Symbols und der farbigen Unterlegung. Anhand des „Gesichts“ausdrucks von lachend bis griesgrämig und der Farben von grün über gelb zu rot kann der Verbraucher erst recht keine „Daten“ erkennen. Der Einwand der Beschwerde, Gestaltung und Darstellung der Kontrollergebnisse führten nicht dazu, dass durchschnittliche Leser davon ausgingen, es handele sich um reine Bewertungen, geht nach alledem ins Leere.
Auch wenn das Kontrollergebnis betreffend die Antragstellerin auf neutralen, sachkundigen und im Bemühen um objektive Richtigkeit vorgenommenen Untersuchungen beruht, ändert das nichts an der Art der Darstellung als derjenigen einer vergleichenden Betriebsbewertung ähnlich der Verlautbarung eines Testergebnisses.
Wenn die Beschwerde meint, bei den fraglichen Informationen handele es sich nicht um Werturteile wie bei einem Warentest, sondern um eine Kategorisierung der festgestellten Abweichungen, lässt sich dies jedenfalls aus der Sicht des Verbrauchers den Angaben der „Smiley-Liste“ nicht entnehmen: Abgesehen davon, dass bei einem Warentest auch Tatsachenbehauptungen neben Werturteile treten können (beispielsweise die Behauptung des Nachweises eines chemisch hergestellten Aromastoffes in einer mit natürlichem Aroma deklarierten Schokolade, vgl. Urteil des Landgerichts München vom 13. Januar 2014 - 9 O 25477/13 -, juris Rn. 136), handelt es sich auch bei einem Warentest um nichts anderes als die vergleichende Kategorisierung von in Testungen festgestellten Abweichungen bzw. Mängeln.
Auch wenn - worauf die Beschwerde hinweist - das Verbraucherinformationsgesetz nicht fordert, dass jede einzelne Abweichung aufgezählt wird, und auch wenn die Informationen verständlich dargestellt werden sollen, berechtigt § 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 VIG doch nicht dazu, das Ergebnis einer Betriebsprüfung in eine vergleichende Betriebsbewertung zu übersetzen und im Internet zu veröffentlichen. Den Nachweis für seine Behauptung, die Veröffentlichung vollständiger Kontrollberichte - deren Zulässigkeit unterstellt - sei für die Verständlichkeit nicht förderlich, ist der Antragsgegner im Übrigen schuldig geblieben.
Die weitere Behauptung des Antragsgegners, die beim „Smiley-Projekt“ berücksichtigten Kategorien dokumentierten stets Abweichungen und seien in ihrer Struktur so angelegt, dass alle Betriebsformen mit dem gleichen Maßstab kategorisiert würden und jeweils bei gleichen Abweichungen eine gleich hohe oder niedrige Punktezahl erreicht werden könne, mag zutreffen, betrifft indes erst die Frage der Sachgemäßheit der Beurteilung, nicht aber die vorrangig zu beantwortende Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Beurteilung im Internet. Es ist deshalb auch nicht von Bedeutung, ob - wie die Beschwerde meint - das Verwaltungsgericht irrig angenommen hat, dass die Kategorisierung der Betriebe in den Kategorien, die für das Smiley-Projekt herangezogen werden, Gesichtspunkte mit einbezieht, die „deutlich im Vorfeld von festgestellten nicht zulässigen Abweichungen“ liegen.
Kann sich der Antragsgegner bei der beabsichtigten Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsprüfung im Rahmen des „Smiley-Projekts“ nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen, muss ein von ihm vertretenes tatsächliches oder vermeintliches Interesse der Verbraucherschaft an der Veröffentlichung hinter das private Interesse der Antragstellerin an einer Nichtbekanntgabe zurücktreten.
Der Senat hat bei seiner Entscheidung den Schriftsatz der Antragstellerin vom 21. Mai 2014 unberücksichtigt gelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).