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Entscheidung 10 UF 139/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 15.02.2010
Aktenzeichen 10 UF 139/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1587c Nr 1 BGB, § 76 Abs 2 S 3 SGB 6

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. August 2009 in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziffer II. des Tenors) wird zurückgewiesen.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.

Das Prozesskostenhilfegesuch des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die am ….11.1959 geborene Antragstellerin und der am ….8.1953 geborene Antragsgegner, die deutsche Staatsangehörige sind, haben am ….9.1979 in P…/Polen die Ehe geschlossen, aus der zwei zwischenzeitlich volljährige Kinder hervorgegangen sind. Die Trennung der Parteien erfolgte im Jahr 2006. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 9.2.2009 zugestellt.

Der Antragsgegner bezieht seit dem 21.5.2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die sich nach seinen Angaben auf monatlich 745,25 € netto beläuft.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts haben die Parteien während der Ehezeit (….9.1979 bis ….1.2009, § 1587 Abs. 2 BGB a.F.) in der gesetzlichen Rentenversicherung folgende Rentenanwartschaften erworben, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit: der Antragsgegner eine angleichungsdynamische Rentenanwartschaft in Höhe von 398,81 € und eine nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaft in Höhe von 240,94 €, die Antragstellerin eine angleichungsdynamische Rentenanwartschaft in Höhe von 189,95 € und eine nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaft in Höhe von 26,55 € . Die Antragstellerin hat zudem bei der D… AG eine private Leibrentenversicherung mit einem ehezeitlichen Deckungskapital von 2.780,92 € erlangt.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 10.8.2009 die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich zugunsten der Antragstellerin in der Weise geregelt, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Beteiligten auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Beteiligten eine nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 101,19 € und eine angleichungsdynamische Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 104,43 € , jeweils bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31.1.2009, übertragen werden. Gegen diese Entscheidung zum Versorgungsausgleich richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs erstrebt. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, er sei wegen seiner krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit, an der sich bis zum Bezug der Altersrente nichts mehr ändern werde, auf seine Rentenleistungen ungleich stärker angewiesen als die Antragstellerin auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie sei angesichts ihres Alters und Gesundheitszustands in der Lage, bis zum Beginn der Regelaltersrente noch eine zusätzliche ausreichende Altersversorgung aufzubauen. Bei einer Durchführung des Versorgungsausgleichs sei er gezwungen, seine Ehefrau auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen.

II.

Da das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde, ist gemäß Art. 100 Abs. 1 FGG-RG und § 48 VersausglG das bis dahin geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden. Die danach gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO a.F. zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat sieht von einer gemäß § 53 b Abs. 1 FGG a.F. grundsätzlich vorgesehenen mündlichen Verhandlung ab. Der Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt und beiden Parteien ist ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich zugunsten der Antragstellerin sachlich und rechnerisch richtig durchgeführt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs entspricht damit den gesetzlichen Vorschriften (§§ 1587 a, 1587 b BGB a.F.). Sie ist auch nicht grob unbillig. Die Voraussetzungen der vorliegend allein geltend gemachten Härteklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. sind entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht gegeben.

Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Ein Ausschluss oder eine Herabsetzung kommt in Betracht, wenn der Versorgungsausgleich sein Ziel, zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beizutragen, nicht erreichen, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde (vgl. z. B. BGH, FamRZ 2008, 1836).

Bei der gebotenen Abwägung der wirtschaftlichen Lage der Parteien lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs die Inanspruchnahme des Antragsgegners als grob unbillig erscheinen lässt. Der Antragsgegner macht in diesem Zusammenhang vor allem geltend, dass er infolge seiner Erkrankung (Multiple Sklerose) erwerbsunfähig sei. Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze sei mit der Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit nicht zu rechnen. Folglich könne er seine Altersvorsorge nicht weiter ausbauen und sei auf die ungekürzte Rente angewiesen. Dies begründet jedoch keine grobe Unbilligkeit im Sinne der Härteklausel.

Eine Unbilligkeit im Sinne von § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. lässt sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht schon daraus herleiten, dass die künftige Entwicklung bei einer bis zum Rentenalter fortdauernden Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu einer höheren Versorgung der ausgleichsberechtigten Antragstellerin als auf seiner Seite führen kann.

Wird der Versorgungsausgleich zulasten des Antragsgegners durchgeführt, so würden sich -nach dem Stand der Auskunft der Beteiligten vom 20.7.2009 - die bestehenden Anwartschaften der Antragstellerin aus allen Zeiten von 37,51 € (nichtangleichungsdynamisch) und 214,70 € (angleichungsdynamisch) auf (37,51€ + 101,19 € =) 138,70 € bzw. (214,70 € + 104,43 €=) 319,13 € erhöhen. Damit würde die Antragstellerin bei einer (sofortigen) ungekürzten Durchführung des Versorgungsausgleichs aber immer noch nicht über ausreichend hohe Anwartschaften verfügen, um ihren den Lebensverhältnissen der Parteien entsprechenden Unterhalt im Alter zu decken. Die künftige Entwicklung rechtfertigt den vom Antragsgegner geltend gemachten Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht. Gegenstand der Beurteilung ist in erster Linie, ob die tatsächlichen Verhältnisse die Durchführung des Versorgungsausgleichs als grob unbillig erscheinen lassen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1999, 499). Welche Rentenanwartschaften der Antragstellerin zum voraussichtlichen Rentenbeginn im Jahr 2017 (§ 36 SGB VI) auf Grund ihrer eigenen Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zustehen werden, lässt sich derzeit nicht zuverlässig feststellen. Aus der ungewissen weiteren Entwicklung ihrer Rentenanwartschaften kann daher zu ihren Lasten kein Argument für die Anwendung der Härteklausel hergeleitet werden (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1990, 1341). In diesem Zusammenhang lässt sich von einer groben Unbilligkeit des Ausgleichsergebnisses erst dann ausgehen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich die sichere Prognose getroffen werden kann, dass der Ausgleichsberechtigte über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Alterversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig angemessen abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die von ihm ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2005, 696). Es fehlt hier aber an der für die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. erforderlichen Prognosesicherheit über die künftige Einkommensentwicklung auf Seiten der Antragstellerin und den zukünftigen Erwerb von Rentenanwartschaften nach der Scheidung bis zum Bezug der Regelaltersrente im Jahr 2017. Allein der Umstand, dass die künftige Entwicklung zu einer höheren Versorgung des Ausgleichsberechtigten als des Ausgleichspflichtigen führen kann, reicht für sich genommen nicht aus.

Im Übrigen rechtfertigt nicht jede Ungleichheit in der Versorgung die Anwendung der Härteklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1999, 497). Unter den gegebenen Umständen lässt sich aus heutiger Sicht eine etwaige bestehende Ungleichheit in der Versorgung im Zeitpunkt des Renteneintritts der Antragstellerin jedenfalls nicht als grob unbillig bewerten. Denn ein solches Ergebnis würde widerspiegeln, dass der Antragsgegner bereits im Jahr 2000 im Alter von nur 46 Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, während die Antragstellerin im Jahr 2017 bis zu ihrem 67. Lebensjahr gearbeitet hätte. Dass die ausgleichsberechtigte Antragstellerin unter Entwicklungen, wie sie hier möglich sind, insgesamt eine höhere Versorgung erlangen kann als der ausgleichspflichtige Antragsgegner stellt sich dann lediglich als Ergebnis der unterschiedlichen Dauer des beiderseitigen Arbeitslebens dar und veranlasst für sich genommen nicht zu einer Herabsetzung oder einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs unter Anwendung der Härteklausel. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner infolge der Durchführung des Versorgungsausgleichs auf Leistungen der Grundsicherung (§§ 41 ff. SGB XII) oder der Sozialhilfe angewiesen sein könnte, vermag keine grobe Unbilligkeit im Sinne der Härteklausel zu begründen (vgl. hierzu Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl., § 1587 c, Rn. 23).

Der Hinweis des Antragsgegners auf die etwaige Begründung einer Unterhaltsabhängigkeit von der ausgleichsberechtigten Antragstellerin im Falle der Durchführung des Versorgungsausgleichs rechtfertigt es ebenfalls nicht, die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs als grob unbillig anzusehen. Es kann zwar eine Wechselbeziehung zwischen dem Unterhaltsanspruch und Versorgungsausgleich auf Seiten des Ausgleichspflichtigen bestehen, die das Interesse des Berechtigten an der Durchführung des Versorgungsausgleichs verringert oder sogar ausschließt (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2005, 696; FamRZ 1981, 756). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann allein durch die Durchführung des Versorgungsausgleichs gegenwärtig eine Unterhaltsverpflichtung der Antragstellerin nicht begründet werden.

Die ausgleichsberechtigte Antragstellerin bezieht keine Rentenleistungen. Der ausgleichspflichtige Antragsgegner ist daher nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassungen des § 101 Abs. 3 SGB VI bis zum Eintritt des Rentenfalls auf Seiten der Antragstellerin durch das so genannte Rentnerprivileg vor einer Rentenkürzung geschützt. Ob die Begründung einer Unterhaltspflicht zugunsten des Antragsgegners zum Zeitpunkt des Renteneintritts der Antragstellerin mit Blick auf die unterhaltsrechtliche Eigenverantwortung des Antragsgegners gemäß § 1569 BGB sowie wegen fehlender ehebedingter Nachteile (vgl. § 1578 b BGB) überhaupt noch in Betracht kommt, bleibt abzuwarten. Die von den Parteien vorgetragenen Umstände sprechen dagegen. Die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs hat danach für sich genommen keine Auswirkungen auf die Frage einer Unterhaltsabhängigkeit des formal ausgleichspflichtigen Antragsgegners von der formal ausgleichsberechtigten Antragstellerin.

Sonstige Umstände, die Anlass für die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB geben könnten, macht der Antragsgegner nicht geltend. Sie sind auch nach den Umständen nicht zu erkennen.

Aus den vorstehend dargestellten Gründen ist daher auch das Prozesskostenhilfegesuch des Antragsgegners mangels Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels im Sinne von § 114 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.