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Entscheidung 9 AR 9/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 02.11.2010
Aktenzeichen 9 AR 9/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Zum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht – Familiengericht – Nauen bestimmt.

Gründe

1.

Die Anwendbarkeit des FamFG folgt daraus, dass hier die Regeln des neuen, ab dem 1. September 2009 geltenden Rechts auf den vorliegenden, ursprünglich nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG ausgesetzten und nunmehr wiederaufgenommenen Versorgungsausgleich Anwendung finden. Sämtliche vor dem 01. September 2009 ausgesetzte Verfahren zum Versorgungsausgleich, die ab dem 1. September 2009 wieder aufgenommen werden, unterfallen dem neuen Verfahrensrecht des FamFG sowie den Regeln des VersAusglG, Art. 111 Abs. 3 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG.

2.

Da das Amtsgericht Nauen zuerst mit dem Verfahren befasst war, folgt die Zuständigkeit des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aus § 5 Abs. 2 FamFG.

3.

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Nauen folgte daraus, dass dieses Amtsgericht ursprünglich für das Scheidungsverbundverfahren, innerhalb dessen der Versorgungsausgleich Folgesache war, sachlich und örtlich zuständig war.

a.

Die einmal begründete Zuständigkeit des Amtsgerichts Nauen bleibt auch nach Wiederaufnahme des Verfahrens über den Versorgungsausgleich erhalten, wie im Übrigen auch aus § 2 Abs. 2 FamFG folgt. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Nauen findet § 218 FamFG insoweit keine (erstmalige) Anwendung, vielmehr bedarf es bei Wiederaufnahme des Verfahrens einer solchen Zuständigkeitsprüfung nicht. Nach Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG gilt das hiesige Verfahren als selbständige Familiensache. Daran ändert auch nichts, dass der Versorgungsausgleich im vorliegenden Fall ausgesetzt wurde. Auch die Aussetzung des Versorgungsausgleiches – hier gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG a.F. – innerhalb des Scheidungsverbundes führt zur Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund, soweit nachfolgend die Ehescheidung erfolgt (vgl. auch Götsche, FamRB 2009, 317, 319 f.).

Unter Beachtung des Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG entfällt insoweit der Status der Folgesache Versorgungsausgleich als Verbundsache. Ob darüber hinaus die Versorgungsausgleichsache ihren Folgesachencharakter vollständig verliert, d.h. in jeglicher Hinsicht selbständig wird, oder ob der selbständig gewordene Versorgungsausgleich Folgesache bleibt, wie der Senat es vertritt (Brandenburgisches OLG – 1. Familiensenat -, Beschl. v. 26. Oktober 2010 – 9 WF 276/10), kann an dieser Stelle dahinstehen. Gleich welcher Meinung man sich insoweit anschließt, stellt die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleiches jedenfalls nicht die erneute Einleitung der Versorgungsausgleichssache dar; und nur bei einer solchen wäre eine Zuständigkeitsprüfung gemäß § 218 FamFG erforderlich. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es sich bei der hier erfolgten Aussetzung des Versorgungsausgleiches nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG um eine bloße, das Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht beendende Zwischenentscheidung gehandelt hat (allgemein dazu BGH FamRZ 2003, 1005; Brandenburgisches OLG, OLGR 2006, 477, 478; Götsche, FamRZ 2009, 2047, 2052 m.w.N. in Fn. 45). Die spätere Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichs – gleich aus welchen Gründen – stellt sich daher allein als Fortführung der bereits eingeleiteten und betriebenen Versorgungsausgleichssache dar, mag diese nunmehr auch als selbständiges Verfahren außerhalb des Verbundes fortgesetzt werden. Dies hat der Senat auch bereits entschieden (Brandenburgisches Oberlandesgericht – 1. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 06.09.2010 – 9 AR 7/10).

Dann aber folgt zwingend die örtliche Zuständigkeit des ursprünglichen, für das Scheidungsverfahren und damit die Verbundsache Versorgungsausgleich örtlich zuständigen Gerichtes aus § 2 Abs. 2 FamFG. Nach dieser Vorschrift bleibt die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes auch bei Veränderung der sie begründenden Umstände erhalten, sogenannter Grundsatz des perpetuatio fori. Die einmal begründete Zuständigkeit bleibt also bestehen und kann nicht mehr nachträglich entfallen (vgl. auch bereits BGH, NJW-RR 1993, 1091). Dies war bereits für das frühere Recht des FGG, das eine gesetzliche Vorschrift in diesem Sinne nicht enthielt, allgemein anerkannt (vgl. nur BGH, a.a.O.). Im neuen Recht des FamFG ist dies gerade aus diesem Grunde in § 2 Abs. 2 FamFG gesetzlich normiert worden.

b.

Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im hiesigen Fall folgt nichts Anderes daraus, dass sich das Amtsgericht Nauen hier mit Beschluss vom 2. August 2010 für örtlich unzuständig erklärt hat.

Insoweit handelt es sich nicht um einen Beschluss im Sinne des § 3 Abs. 3 FamFG, der unanfechtbar und für das als zuständig bestimmte Amtsgericht Berlin Tempelhof-Kreuzberg bindend wäre. Eine Bindungswirkung könnte nur dann hergestellt werden, soweit das Amtsgericht Nauen tatsächlich eine Entscheidung nach § 3 Abs. 1 FamFG in dem vorgenannten Beschluss getroffen hätte. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Amtsgericht Nauen aber die Verweisung auf § 218 FamFG gestützt, wie insbesondere aus dem Tenor seiner Entscheidung hervorgeht. Ein auf fehlerhafter Rechtsgrundlage erfolgender Verweisungsbeschluss entfaltet aber nicht die Bindungswirkung des § 3 Abs. 3 FamFG bzw. § 281 Abs. 2 ZPO (vgl. für die Verweisung nach § 281 ZPO anstelle von § 17 a Abs. 2 GVG OLG Brandenburg, OLG-NL 2003, 163).

c.

Selbst wenn jedoch der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 8. Juli 2010 als ein solcher nach § 3 Abs. 1 FamFG auszulegen wäre, würde daraus in der Sache nichts Anderes folgen. Die Bindungswirkung aus § 3 Abs. 3 FamFG entfällt, wenn sich der Beschluss als objektiv willkürlich darstellt, d. h. wenn ihm jegliche rechtliche Grundlage fehlt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Verweisungsbeschluss eine offenkundige, die eigene Zuständigkeit begründende Norm nicht erörtert (KG Berlin, NJW-RR 2008, 1023). Erforderlich ist also, dass sich das Familiengericht mit der Frage der eigenen Zuständigkeit auseinandergesetzt hat (vgl. auch OLG Frankfurt, FamRB 2010, 203, 204). Die auf der Hand liegende Norm des § 2 Abs. 2 FamFG hat das Amtsgericht aber zu keinem Zeitpunkt erörtert, vielmehr ohne jegliche weiterführende Überlegung die Anwendbarkeit des § 218 FamFG in einem bereits langjährig laufenden Verfahren bejaht. Weshalb jedoch die bereits begründete Zuständigkeit wieder entfallen sein sollte, begründet das Amtsgericht nicht. Soweit das Amtsgericht dagegen in diesem Zusammenhang Zöller-Lorenz, ZPO, 28. Aufl. 2010 § 218 FamFG Rn. 3 zitiert, ändert dies an der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Entfallen der eigenen Zuständigkeit nichts. Der dort (am Ende der zitierten Rn.) gegebene Hinweis darauf, dass nach rechtskräftiger Ehescheidung bei abgetrennter Folgesache die Zuständigkeit nicht mehr nach § 218 Nr. 1 FamFG begründet werde, bezieht sich erkennbar auf neu eingeleitete Familiensachen, nicht dagegen auf die weiterhin anhängige und abgetrennte Folgesache. Von einem Wechsel in bzw. der Neubestimmung der Zuständigkeit der abgetrennten Folgesache ist dort keinesfalls die Rede.

d.

Nichts anderes folgt daraus, dass im Zusammenhang mit Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG das Versorgungsausgleichsverfahren nunmehr selbständig ist und insoweit Unsicherheiten in dem Umgang mit dieser Selbständigkeit bestehen. Soweit darum gestritten wird, inwieweit der Folgesachencharakter des selbständig gewordenen Versorgungsausgleiches erhalten bleibt bzw. inwieweit dieser entfallen ist, knüpft dies gerade an die Problematik der Selbständigkeit einer Sorge- bzw. Umgangssache als Folgesache im Scheidungsverbund bzw. als Kindschaftssache nach neuem Recht (vgl. § 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO a. F. bzw. § 137 Abs. 5 Satz 2 FamFG n. F.) an. Die Vertreter der (vormals herrschenden) Ansicht, die das Entfallen des Folgesachencharakters im Falle des Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG befürworten, haben dies letztendlich aus der zu § 623 Abs. 2 S. 3 ZPO a. F. ergangenen Rechtsprechung und Literatur, die für die inhaltsgleiche Norm des § 137 Abs. 5 Satz 2 FamFG fortgeführt wird (vgl. auch Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO/FamFG, 31. Aufl. 2010 § 138 FamFG Rn. 27), vertreten. Für die nach altem Recht auf dieselbe Weise selbständig gewordenen Kindschaftssachen findet sich aber – soweit bekannt – kein Vertreter für die Ansicht, dass sich dadurch auch zugleich die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes für die isoliert gewordene Kindschaftssache verändert hätte bzw. diese nunmehr neu zu bestimmen wäre; deshalb wird auch nach neuem Recht die Fortgeltung der Zuständigkeit nach wie vor bejaht (vgl. nur Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 2009, § 137 Rn. 42). Daher kann auch nicht mit den Problemen in der Auslegung des Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG die Willkürlichkeit der Entscheidung verneint werden (so aber in der Tendenz KG Berlin, Beschluss vom 6. August 2010 – 18 AR 37/10 sowie 18 AR 41/10 -). Letztendlich kann dies aber wegen der vorherigen Ausführungen (3. b. und 3. c.) hier offenbleiben.