Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 11.03.2019 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 30/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0311.9UF30.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 21. Januar 2019 – Az. 5 F 608/18 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die miteinander verheirateten Eltern der im Rubrum benannten Kinder, die sie nach der räumlichen Trennung zu Beginn des Jahres 2018 zu etwa gleichen Anteilen betreut haben. Im Zusammenhang mit einer streitigen Auseinandersetzung der Eltern um ein neues Betreuungs-/Umgangsmodell hat die Mutter am 19. November 2018 mit Suizid gedroht. Dies hat der Vater zum Anlass genommen, beim Familiengericht um Erlass einer einstweiligen Anordnung nachzusuchen, mit der ihm das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder übertragen werden sollte. Das Amtsgericht hat daraufhin ohne Anhörung der Mutter mit Beschluss vom 22. November 2018 dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und insoweit das Jugendamt … zum Ergänzungspfleger bestellt. Das Jugendamt hat nach einem Gespräch mit der Mutter keine Kindeswohlgefährdung gesehen und beginnend ab 7. Dezember 2018 die Einrichtung einer Betreuung der Kinder im wöchentlichen Wechselmodell zu erreichen gesucht, ist damit aber an der Ablehnung des Kindesvaters gescheitert. Dieser hat - gestützt zunächst auf die seines Erachtens nicht ausgeräumten Bedenken wegen psychischer Beeinträchtigungen der Mutter und später zusätzlich auf eine behauptete Gefahr eines Absetzens von Mutter und Kindern in die Ukraine – eine Beteiligung der Mutter an der Kinderbetreuung abgelehnt und persönliche Kontakte der Kinder zur Mutter nur in seiner oder sonstiger Begleitung zulassen wollen. Umgekehrt hat die Mutter keinen Anlass für derartige Beschränkungen ihres Umgangsrechts gesehen. Es gab deshalb in der Zeit seit dem 19. November 2018 nur sehr wenige persönliche Kontakte zwischen der Mutter und den Kindern, die zudem von Streitigkeiten der Eltern begleitet waren. Die Mutter hat - gestützt auf die ihrer Ansicht nach zutage getretene Bindungsintoleranz des Vaters - seit dem 6. Dezember 2018 auf die Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 22. November 2018 gedrängt und die künftige Betreuung der Kinder nach Maßgabe des Vorschlages des Ergänzungspflegers, also im Wege eines wöchentlichen Wechselmodells erreichen wollen. Zuletzt hat sie dieses Modell nur noch hilfsweise beantragt und vorrangig die Übertragung des alleinigen Sorgerechts insgesamt auf sich erstrebt. Der Vater hat unter Wiederholung seiner Befürchtungen den Ausgangsbeschluss verteidigt und einen ständigen Aufenthalt der Kinder in seinem Haushalt als am besten für das Wohl der Kinder bezeichnet.
Nach Anhörung der Beteiligten und der betroffenen Kinder am 21. Januar 2019 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tage den Beschluss vom 22. November 2018 aufgehoben und den Lebensmittelpunkt beider Kinder mit näherer Konkretisierung der Modalitäten dahin bestimmt, dass diese sich im wöchentlichen Wechsel bei Mutter und Vater aufhalten. Die äußeren Rahmenbedingungen für ein solches Doppelresidenzmodell lägen ebenso vor wie die persönlichen Voraussetzungen beider Eltern, auch in ihrer jeweiligen Beziehung und Bindung an die Kinder. Trotz der Eskalation seit November letzten Jahres sei die gemeinsame Elternverantwortung noch nicht gescheitert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 30. Januar 2019 zugestellte Entscheidung wendet sich die Mutter mit ihrer am 1. Februar 2019 eingelegten Beschwerde. Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ihr allein das gesamte Sorgerecht für die beiden Kinder zu übertragen,
hilfsweise ihr allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen und daran anknüpfend den Umgang der Kinder mit dem Vater dahin zu regeln, dass dieser 14-tägig am Wochenende von Freitag nach dem Hort/der Kita bis montags zu Schul- bzw. Kitabeginn stattfindet.
Sie wiederholt und vertieft hierzu ihr Vorbringen aus erster Instanz und betont, der Vater habe seine Bindungsintoleranz nachhaltig unter Beweis gestellt und sei – anders als sie selbst - im Übrigen aufgrund seiner Arbeitszeiten gar nicht zu einer persönlichen Betreuung der Kinder in der Lage, sondern vielmehr auf die umfangreiche Unterstützung seiner Eltern angewiesen.
Der Vater, der Verfahrensbeistand und das Jugendamt verteidigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
II.
Die gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde der Mutter ist form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt (und begründet) worden. Das somit zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der Senat sieht sich veranlasst ausdrücklich voranzuschicken, dass er die anhaltend seit dem 6. Dezember 2018 wiederholte inhaltliche Kritik der Mutter an dem Ausgangsbeschluss vom 22. November 2018 teilt. Zwar darf sich ein Elternteil, der eine Suiziddrohung als Druckmittel für Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft des anderen Elternteils in Angelegenheiten der gemeinsamen Kinder einsetzt, nicht wundern, wenn der andere Elternteil diese zum Anlass nimmt, um die psychische Konstitution des anderen und damit auch das Wohl der Kinder in der persönlichen Kontaktpflege mit dem anderen Elternteil ernsthaft besorgt zu sein und deshalb auch eine familiengerichtliche Eilentscheidung sorgerechtlicher Art anstrebt. Allerdings darf dies umgekehrt im hier vorliegenden Fall gemeinsamer elterlicher Verantwortung nicht dazu führen, dass der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig entzogen und dieses auf einen Ergänzungspfleger übertragen wird. Anders als das Amtsgericht ausweislich der Beschlussgründe meint, ist im Falle einer möglichen Kindeswohlgefährdung durch einen Elternteil stets erstrangig eine Entscheidung nach § 1671 BGB zu treffen; nur für den Fall, dass durch Übertragung des alleinigen Sorgerechts (für bestimmte Teilbereiche) der angenommenen Kindeswohlgefährdung nicht wirksam begegnet werden kann, kommt ein Eingriff in das elterliche Sorgerecht nach § 1666 BGB in Betracht. Unzulässig ist es, einem Elternteil das elterliche Sorgerecht (in Teilen) zu entziehen und – ohne Rücksicht auf das dann kraft Gesetzes bestehende alleinige Sorgerecht des anderen Elternteiles – Ergänzungspflegschaft anzuordnen. Der vorliegende Fall zeigt eindrucksvoll, welche Verwerfungen die dadurch unzulässigerweise geschaffene gleichrangige Verantwortung von Ergänzungspfleger und Vater für das Aufenthaltsbestimmungsrecht – nicht zuletzt für die betroffenen Kinder und ihre Beziehung zur Mutter - zeitigt.
Die aus diesen Rechtsgründen prinzipiell berechtigte und insoweit auch nachvollziehbare Kritik an der ursprünglichen Ausgangsentscheidung (die allerdings auch den wesentlichen Inhalt der Beschwerde[begründung] bildet) verhilft allerdings dem Rechtsmittel gegen den abändernden Beschluss des Familiengerichts vom 21. Januar 2019 nicht zum Erfolg. Das Amtsgericht hat damit schließlich selbst den Ausgangsbeschluss vom 22. November 2018 aufgehoben, das gemeinsame Sorgerecht der Eltern auch für den Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts wiederhergestellt und zugleich eine gleichrangige Betreuung der Kinder durch die Eltern in den jeweiligen Haushalten im Wege eines Doppelresidenzmodells mit wöchentlichem Wechsel angeordnet. Diese auf §§ 1671, 1697a BGB gründende gerichtliche Anordnung einer paritätischen Betreuung ist grundsätzlich höchstrichterlich gebilligt (BGH FamRZ 2017, 532 – Rdnr. 24 bei juris) und im Streitfall zu Recht ergangen und wird von dem Senat nach eigener Bewertung des Sach- und Streitstandes sowohl im Ergebnis wie auch in der Begründung geteilt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.
Für die weiterhin begehrte Übertragung des gesamten Sorgerechts für beide Kinder auf die Mutter allein im Wege einer einstweiligen Anordnung ist schon kein Anordnungsanspruch und noch weniger Anordnungsgrund vorgetragen oder sonst ersichtlich.
Jenseits dessen hat das Amtsgericht mit seiner Anordnung vom 21. Januar 2019 unter zutreffender Würdigung der insoweit zu berücksichtigenden Kindeswohlaspekte das von den Eltern nach der Trennung in fortbestehender gemeinsamer Verantwortung für die beiden Kinder informell vereinbarte Modell einer im Wesentlichen gleichmäßigen Betreuung durch Mutter und Vater aufgegriffen und damit die für das Wohl von … und … vorläufig beste Entscheidung getroffen.
Das Amtsgericht hat dabei zu Recht beide Elternteile in die Verantwortung für die insbesondere auch für die Kinder belastenden Ereignisse in den zwei Monaten zwischen dem 19. November 2018 und der erstinstanzlichen Anhörung und Entscheidung am 21. Januar 2019 genommen. Beide Eltern haben sich – ausgehend von einer unüberlegten, als Mittel der Auseinandersetzung unverantwortlichen (eben nicht auf Anhieb erkennbar leeren) Suiziddrohung – vorübergehend in eine Eskalationsspirale treiben lassen, in der sie beide wenig Feinfühligkeit für die Bedürfnisse ihrer Kinder an der kontinuierlichen Aufrechterhaltung ihrer Bindung zur Mutter gezeigt haben. Der Vater hat sich hinter einem Wall aus - spätestens seit Dezember 2018 objektiv nicht mehr überzeugend zu begründenden – Sorgen um das Wohlergehen der Kinder verschanzt, während die Mutter ihrerseits sich darauf beschränkt hat, die daraus abgeleitete Bindungsintoleranz des Vaters zu beklagen und ihrerseits stur auf ihrem Recht zu uneingeschränktem Umgang mit den Kindern zu beharren mit der Folge, dass sie lieber auf persönliche Begegnungen mit den Kindern verzichtet hat, als sich übergangsweise auf eine Umgangsbegleitung einzulassen. Beiden Eltern sind hier über dem gerichtlichen Verfahren zeitweise die Bedürfnisse ihrer Kinder aus dem Blick geraten.
Das Amtsgericht hat darüber hinaus nicht minder zutreffend festgestellt, dass aus dieser krisenhaften Episode keine hinreichend tragfähigen Anhaltspunkte dafür abzuleiten sind, dass es dringend geboten sein könnte, das zuvor bestehende gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht aufzulösen und einem Elternteil allein zu übertragen mit der Folge, dass für die Kinder ein fester Lebensmittelpunkt begründet wird und der Kontakt zum anderen Elternteil nur noch in Form einer Umgangsgestaltung ohne intensive Teilhabe an dem Alltagsleben der Kinder gepflegt werden kann/soll.
Im Streitfall liegen – auch nach dem jüngsten (innerörtlichen) Umzug der Mutter - die äußeren Rahmenbedingungen wie auch die persönlichen Voraussetzungen beider Eltern für die Durchführung des hier angeordneten Doppelresidenzmodells vor. Auch insoweit tritt der Senat den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich bei. Soweit die Mutter im Beschwerdeverfahren (erneut) einen beruflich bedingten Mangel an Möglichkeiten einer persönlichen Betreuung durch den Vater und dessen Bindungsintoleranz ins Feld führt, überzeugt das nicht. Der Vater hat im Verfahren wiederholt erläutert und im Beschwerdeverfahren durch eine Arbeitgeberbestätigung zusätzlich untermauert, dass er seine Arbeitszeit reduzieren und in bestimmten Grenzen flexibel gestalten kann, so dass er – auch unter Inanspruchnahme von Homeoffice-Zeiten – in „seiner“ Betreuungswoche die damit einhergehende Betreuung, Versorgung und Erziehung der Kinder persönlich wahrnehmen kann. Wenn er dabei zuweilen auch auf Unterstützung durch seine Eltern, die den Kindern vertraut und lieb sind, zurückgreift, ist das nicht zu beanstanden und rechtfertigt die Begründung eines Lebensmittelpunktes bei der – durch Ausbildung, anstehende Prüfung und daran anschließende (geplante) Teilzeittätigkeit beruflich auch nicht unerheblich eingespannten – Mutter nicht. Der Senat vermag auch dem Umstand, dass der Vater in der hier zugrunde liegenden Krise tatsächlich den Kontakt zwischen den Kindern und der Mutter nur in seiner oder der Begleitung Dritter zulassen wollte, obwohl dafür objektiv keinerlei tragfähige Gründe (mehr) vorlagen, keine entscheidungserhebliche Bedeutung beizumessen. Die hier zugrunde liegende Fehleinschätzung gestattet nicht den Rückschluss auf eine grundsätzlich erheblich eingeschränkte Bindungstoleranz des Vaters. Die - unbestritten enge und von Liebe und Zuwendung getragene Beziehung und Bindung beider Kinder zur/an die Mutter – hat durch diese rund zweimonatige Krise keine nachhaltige Beeinträchtigung erfahren. Auch … hat in der jüngsten (richterlichen) Anhörung am 21. Januar 2019 ihrer Freude über das Wiedersehen mit der Mutter Ausdruck verliehen und keinerlei Präferenzen für einen Elternteil und noch weniger Ablehnung der Mutter erkennen lassen. Es sind im Beschwerderechtszug auch keinerlei Hinweis darauf vorgetragen oder sonst erkennbar geworden, die darauf schließen ließen, dass der Vater das mit der angefochtenen Entscheidung uneingeschränkt wiederhergestellte Betreuungsrecht der Mutter und eine ungestörte Mutter-Kinder-Beziehung auch nur in Frage stellen oder in sonstiger Weise untergraben würde.
Der Senat verkennt nicht, dass die soziale Basis der Eltern durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit aktuell nicht unerheblich beeinträchtigt und auch weiterer Klärungsbedarf in (zuletzt immer wieder angesprochenen) finanziellen Fragen besteht. Gleichwohl bietet auch dieser Umstand keinen dringenden Anlass für eine Auflösung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern. Wie das Familiengericht geht nämlich auch der Senat davon aus, dass es den Eltern möglich sein kann und – ggf. mit den ihnen abzuverlangenden Anstrengungen insoweit auch - wird, zu einer umfassend gemeinsam getragenen Elternverantwortung zurückzufinden. Wesentliche, unüberwindbar scheinende Streitpunkte in besonderen (sorgerechtlichen) Angelegenheiten die Kinder betreffend sind nicht zutage getreten. Mit der hier getroffenen Entscheidung ist die – den Kern der Auseinandersetzung bildende - Frage der künftigen Betreuung der Kinder geklärt, und zwar in einer Weise, die ein Aufeinanderzugehen auf Augenhöhe gestattet, weil sie auf Elternebene keine (vermeintlichen) Gewinner oder Verlierer zurücklässt, sondern die gemeinsame bzw. geteilte elterliche Verantwortung für die Kinder betont, denen umgekehrt eine intensive Beziehungsgestaltung auch im Alltag und damit ein ungeschmälerter Erhalt ihrer guten und tragfähigen Bindung an beide Elternteile gewährleistet wird. Diese Ausgangslage bietet für alle Beteiligten eine gute Grundlage für einen Neuanfang. Die Eltern seien an dieser Stelle daran erinnert, dass sie im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht noch am 21. Januar 2019 übereinstimmend ihre Bereitschaft zu einer (außergerichtlichen) Mediation erklärt haben. Sie sollten diese oder auch geeignete andere Beratungsleistungen, die das Jugendamt zur Verfügung stellen kann, um – in allererster Linie im Interesse der doch noch recht jungen Kinder - ihre zurzeit unbestreitbar gestörte soziale Basis und damit ein tragfähiges Fundament für eine dauerhaft gemeinsame Elternverantwortung wieder herzustellen.
Der Senat hat gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne erneute persönliche Anhörung der Beteiligten entschieden. Eine solche hat – ebenso wie eine Anhörung der beiden Kinder – bereits erstinstanzlich und erst am 21. Februar 2019 stattgefunden. Zusätzliche für die Beschwerdeentscheidung erhebliche Erkenntnisse sind von einer erneuten mündlichen Erörterung vor dem Senat nicht zu erwarten, zumal die Beteiligten hinreichend Gelegenheit hatten, ihre Standpunkte schriftsätzlich darzustellen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergeht nach §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 41 FamGKG.
Diese Entscheidung ist gemäß § 70 Abs. 4 FamFG unanfechtbar.