Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 22.02.2011 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 170/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 30. Juli 2010 unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller 1.685 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.332 € seit dem 2. März 2010 und aus 353 € seit dem 1. April 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz hat der Antragsteller zu 3/25, der Antragsgegner zu 22/25, die Kosten der zweiten Instanz hat der Antragsteller zu ¼, der Antragsgegner zu ¾ zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 2.235 €.
I.
Der Antragsteller macht aus übergegangenem Recht einen Anspruch der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit vom 8.12.2009 bis zum 30.4.2010 geltend.
Der Antragsgegner und Frau M… B… haben am 21.7.1990 geheiratet. Aus der Ehe ist der Sohn P…, geboren am ….12.1988, hervorgegangen. Die Trennung erfolgte im Januar 2008. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 8.12.2009 (2.2 F 20/09), rechtskräftig seit diesem Tag, geschieden.
Der Antragsgegner arbeitet seit August 1990 als Netzwart bei den Stadtwerken ….
Seine geschiedene Ehefrau ist gelernte Friseurin, hat diesen Beruf jedoch nur bis zum Beginn der 90er Jahre ausgeübt. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit machte sie sich 1995 selbstständig und betrieb ein Geschäft für Lederwaren, das sie 1998 wieder aufgab. Danach arbeitete sie in einer Textilreinigung, von Dezember 2004 bis Juli 2006 in dem ursprünglich von ihr eröffneten, von ihrer Mutter fortgeführten Ledergeschäft. Nach erneuter Arbeitslosigkeit geht die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners derzeit einer Teilzeitbeschäftigung als Regalauffüllerin in einem …-Markt nach. Der Antragsteller gewährte ihr seit Juni 2009 Leistungen nach SGB II, seit Dezember 2009 in Höhe von monatlich 553,71 €. Davon unterrichtete er den Antragsgegner durch Schreiben vom 16.12.2009 und forderte ihn auf, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen, um seine Unterhaltsverpflichtung zu prüfen.
Der Antragsteller hat durch Schriftsatz vom 22.2.2010, dem Antragsgegner zugestellt am 2.3.2010, das vorliegende (Stufen-)Verfahren eingeleitet. Nach Beendigung der Auskunftsstufe und Rücknahme des Antrags in Höhe eines Teilbetrags von 319,33 € hat er nachehelichen Unterhalt aus übergegangenem Recht für die Zeit von Januar bis April 2010 in Höhe von monatlich 479 €, insgesamt 1.916 €, nebst Zinsen verlangt.
Durch den Beschluss vom 30.7.2010 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe nicht hinreichend dargetan, dass die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners ihren Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht selber habe decken können.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor:
Der Antragsgegner erziele ein anrechenbares Einkommen von rund 1.774 €. Die Ehefrau habe seit Dezember 2004 nur auf 400 € -Basis gearbeitet. Derzeit erhalte sie bei einem Stundenlohn von 5 € monatlich nur 291,22 €. Mit diesem Stundenlohn seien allenfalls 691,40 € im Monat erzielbar, von denen 5 % für berufsbedingte Aufwendungen abzusetzen seien.
Im Hinblick auf die 19 Jahre dauernde Ehe und die Pflege des gemeinsamen Sohnes könne die geschiedene Ehefrau jedenfalls für rd. 5 Monate ab Rechtskraft der Scheidung Unterhalt verlangen. Eine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner habe in dem streitigen Zeitraum nicht bestanden.
Der Antragsteller hat seinen Antrag wiederum um Unterhalt von 319,33 € für die Zeit vom 8. bis zum 31.12.2009 erweitert und beantragt nunmehr,
den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 30.7.2010 zu verpflichten, an ihn 2.235,33 € (= 319,33 € + 479 € x 4) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt Beschwerdezurückweisung. Er trägt vor:
Seine geschiedene Ehefrau, die auch während der Ehe gearbeitet habe, sei gehalten, ihren Unterhalt selbst abzusichern. Sie habe langjährige Berufserfahrung in ihrem erlernten Beruf, diese handwerkliche Fähigkeit gehe nicht verloren. Daher könne sie als Friseurin höheres Einkommen, als sie es tatsächlich erhalte, erzielen. Im Übrigen lebe sie seit August 2008 in einer neuen Lebensgemeinschaft. Sein Einkommen sei zu kürzen, weil er für den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes aufkomme und rückständigen Trennungsunterhalt zahlen müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Bei seiner Anhörung durch den Senat hat der Antragsgegner erklärt:
Bei der Arbeit trage ich einen „Blaumann“, den allerdings mein Arbeitgeber bezahlt. Ich wohne etwa 5 km von meinem Arbeitsplatz entfernt. Meistens fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit.
II.
Die gemäß §§ 58, 63, 117 FamFG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Antragsteller kann vom Antragsgegner nachehelichen Unterhalt aus übergegangenem Recht gemäß §§ 1573 Abs. 2 BGB, 33 Abs. 1 SGB II verlangen, und zwar für die Zeit vom 8.12.2009 bis einschließlich April 2010 in Höhe von insgesamt 1.685 €.
Da der Antragsteller den Antragsgegner durch Schreiben vom 16.12.2009 zur Erteilung der Auskunft über sein Einkommen aufgefordert hat, um den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt berechnen zu können, und der Scheidungsausspruch am 8.12.2009 rechtskräftig geworden ist, sodass von diesem Tag an nachehelicher Unterhalt verlangt werden kann (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., § 1569, Rz. 7), beginnt der Unterhaltszeitraum am 8.12.2009. Der Antragsteller kann somit für die Zeit ab 8.12.2009 und damit auch für den antragserweiternd geltend gemachten Zeitraum vom 8. bis 31.12.2009 Unterhalt verlangen. Der Höhe nach besteht allerdings nur ein Anspruch auf monatlichen Unterhalt von 353 €.
Auf Seiten des Antragsgegners ist von dem unstreitigen Einkommen von 1.774 € auszugehen. Die Raten von 500 €, die er auf rückständigen Trennungsunterhalt zahlt, sind nicht zu berücksichtigen. Denn nicht rechtzeitige Unterhaltszahlungen können dem Unterhaltsschuldner bei der Ermittlung des in einem späteren Zeitraum zu zahlenden Unterhalts nicht zugute kommen. Unterhalt für den Sohn ist ebenfalls nicht abzuziehen. Denn der Sohn ist volljährig und gehalten, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen. Dass er gleichwohl einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater hat, ist nicht dargelegt.
Vom Einkommen des Antragsgegners sind auch keine berufsbedingten Aufwendungen abzuziehen. Denn er hat hinreichende Anhaltspunkte hierfür nicht vorgetragen (vgl. dazu Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts).
Der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners ist fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit zuzurechnen. Denn sie darf sich grundsätzlich nicht mit einer Teilzeitbeschäftigung begnügen, sondern muss, wovon auch der Antragsteller ausgeht, vollschichtig arbeiten. Gehörige Bemühungen um eine solche Tätigkeit sind nicht dargelegt. Die angegebenen Bewerbungen seit Juli 2009 genügen nicht. Denn durchschnittlich zwei Bewerbungen im Monat reichen schon zahlenmäßig nicht aus (vgl. dazu Büttner/Niepmann/ Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Aufl., Rz. 714; Verfahrenshandbuch Familiensachen- FamVerf- /Schael, 2. Aufl., § 1, Rz. 241). Daher ist der geschiedenen Ehefrau ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit zuzurechen.
Bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist allerdings nicht von dem erzielbaren höheren Einkommen auszugehen, das eine Friseurin mit mehrjähriger Berufserfahrung bekommen könnte. Denn die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners hat seit rund 19 Jahren nur als ungelernte Hilfskraft gearbeitet. Sie mag zwar die handwerkliche Fertigkeit einer Friseurin nicht verlernt haben, hat aber keine ständige Übung und kann nicht auf fortlaufende Weiterentwicklung im Beruf verweisen. Angesichts all dessen ist ein anrechenbares Einkommen von 950 € (vgl. dazu BGH, FamRZ 2009, 314) in die Unterhaltsberechnung einzustellen.
Damit ergibt sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch von rd. 353 € [= (1.774 € - 950 €) x 3/7]. Dieser ist, nachdem der Antragsteller der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners in der Zeit von Dezember 2009 bis April 2010 höhere Zahlungen erbracht hat, gemäß § 33 Abs. 1 SGB II vollständig auf den Antragsteller übergegangen. Die Gesamtforderung für die Zeit vom 8.12.2009 bis 30.4.2010 beläuft sich auf 1.685 € (= (353 € x 24/31) + (353 € x 4)].
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Allerdings ist, weil Rechtshängigkeit am 2.3.2010 eingetreten und der Unterhalt für April 2010 erst am 1.4.2010 fällig geworden ist, §§ 1585 Abs. 1 Satz 2, 186, 192 BGB, der Teilbetrag von 353 € für April 2010 erst ab 1.4.2010 zu verzinsen.
Dem Anspruch steht die Regelung des § 1578 b BGB nicht entgegen. Danach kann der nacheheliche Unterhalt zwar zeitlich befristet werden, wenn sich die den Unterhaltsanspruch auslösende Einkommensdifferenz nicht als ehebedingter Nachteil darstellt. Dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten ist aber in jedem Fall eine Übergangsfrist zuzubilligen (vgl. zum Ganzen Büttner/Niepmann/Schwamb, a.a.O., Rz. 1066 ff.). Diese kann hier schon im Hinblick auf die Dauer der Ehe von rd. 19 Jahren jedenfalls nicht kürzer als mit fünf Monaten, für die Unterhalt verlangt wird, bemessen werden.
Der Unterhaltsanspruch ist auch nicht im Hinblick auf die vom Antragsgegner behauptete Lebensgemeinschaft der geschiedenen Ehefrau entfallen. Voraussetzung hierfür ist nach § 1579 Nr. 2 BGB nämlich, dass es sich um eine verfestigte Lebensgemeinschaft handelt, von der allenfalls nach etwa zwei- bis dreijährigem Bestehen ausgegangen werden kann (vgl. Büttner/Niepmann/Schwamb, a.a.O., Rz. 1114). Eine solche liegt nach den Angaben des Antragsgegners nicht vor. Denn seit der behaupteten Aufnahme der Lebensgemeinschaft im August 2008 waren zu Beginn des Unterhaltszeitraums am 8.12.2009 noch keine zwei Jahre vergangen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 243 FamFG. Eine Anordnung des sofortigen Vollzuges gemäß 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG scheidet aus. Vorliegend geht es ausschließlich um rückständigen Unterhalt, der zudem nicht von der eigentlichen Unterhaltsgläubigerin sondern vom Antragsteller als Gläubiger aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs geltend gemacht wird (BT-Drucks. 16/6308, S. 224; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 417; Keidel/Weber, FamFG, 16. Aufl., § 116, Rz. 10).