Gericht | LG Potsdam 3. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 22.12.2014 | |
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Aktenzeichen | 3 T 116/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Grundlage der Herausgabevollstreckung nach § 885a ZPO kann jeglicher Räumungstitel sein, also auch Titel außerhalb von Mietverhältnissen und damit auch ein Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 21.11.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.
I.
Die Gläubiger betreiben gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Ihnen wurde durch Beschluss des AG Luckenwalde vom 12.6.2014 der Zuschlag für das im Besitz der Schuldnerin befindliche Grundstück erteilt. Am 3.7.2014 erhielten sie hiervon eine vollstreckbare Ausfertigung zum Zwecke der Räumung.
Die Gläubiger beauftragten am 28.6.2014 den Obergerichtsvollzieher T. mit der Zwangsvollstreckung „gemäß § 885a ZPO“. Mit Schreiben vom 22.7.2014 lehnte der Obergerichtsvollzieher die Durchführung des Räumungsauftrags ab, da nach seiner Auffassung nur die komplette Räumung mit anschließender Unterbringung der einzulagernden Sachen in der Pfandkammer möglich sei. Eine Inbesitznahme ohne Übergabe der beweglichen Sachen an die Schuldnerin oder Einlagerung dieser Sachen könne er nicht vornehmen
Gegen dieses ablehnende Schreiben legten die Gläubiger am 30.7.2014 Erinnerung ein. Nach § 885a ZPO sei es möglich, den Antrag auf die Herausgabe zu beschränken.
Mit Beschluss vom 21.11.2014 hat das Amtsgericht Zossen der Erinnerung stattgegeben und den Gerichtsvollzieher angewiesen, die Räumung gemäß § 885a ZPO beschränkt auf die Maßnahmen nach § 885 Abs. 1 ZPO durchzuführen. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, dass die zum 1.5.2013 eingeführte Vorschrift des § 885a ZPO die Räumung auch ohne Behandlung der beweglichen Sachen ermögliche. Ein Vermieterpfandrecht sei nicht erforderlich, so dass auch ein Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG Grundlage der Vollstreckung sein könne.
Der Beschluss ist der Schuldnerin am 27.11.2014 zugestellt worden.
Hiergegen hat die Schuldnerin mit Schreiben vom 4.12.2014 – bei Gericht am 8.12.2014 eingegangen – „Widerspruch“ eingelegt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie müsse sich einen kompetenten juristischen Beistand suchen, zudem befinde sie sich seit Juni 2009 in einem Insolvenzverfahren. Schließlich habe sie bislang vergeblich versucht, eine Anstellung als Apothekerin zu finden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht vorgelegt. Die Akten sind hier am 17.12.2014 eingegangen.
II.
Der „Widerspruch“ ist als sofortige Beschwerde zu deuten. Eine solche sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht den Gerichtsvollzieher angewiesen, die Zwangsvollstreckung nach den §§ 885a, 885 Abs. 1 ZPO, beschränkt auf die Herausgabe des Grundstücks, durchzuführen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Art der Zwangsvollstreckung liegen vor.
1.
Insbesondere ist der Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG ein tauglicher Titel hierfür.
a)
Zwar war nach der vor dem 1.5.2013 geltenden Gesetzeslage eine auf die bloße Herausgabe eines Grundstücks und/oder Gebäudes gerichtete Zwangsvollstreckung nach dem sogenannten „Berliner Modell“ nur dann möglich, wenn der Gläubiger an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend machte. Da bei einer Zwangsvollstreckung aus einem Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG ein solches Mietverhältnis und Vermieterpfandrecht nicht besteht, verneinte die Rechtsprechung in diesen Fällen die Möglichkeit dieser auf die Herausgabe der unbeweglichen Sache beschränkten Zwangsvollstreckung (vgl. zuletzt BGH v. 2.10.2012, I ZB 78/11).
b)
Zum 1.5.2013 ist jedoch eine Gesetzesänderung in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat zu diesem Stichtag eine Vielzahl mietrechtlicher Regelungen verändert und dabei auch den § 885a ZPO eingefügt. In der Gesetzesbegründung heißt es dabei u.a., dass diese Vorschrift „die in der Praxis entwickelte sogenannte Berliner Räumung auf eine gesetzliche Grundlage“ stelle (BT-Drucksache 17/10485, Seite 15). Ferner heißt es dann, dass „abweichend von der Konstruktion der Berliner Räumung“ die vereinfachte Räumung nicht voraussetze, „dass der Gläubiger sein Vermieterpfandrecht an den in die Räume eingebrachten Gegenständen des Schuldners ausübt“ (BT-Drucksache 17/10485, Seite 31). Damit beschränkten sich die Regelungen in der ZPO auf die zwangsweise Durchsetzung des Herausgabeverlangens.
Sowohl diese Gesetzeshistorie als auch bereits der Wortlaut, nach dem pauschal auf die „Maßnahmen nach § 885 Abs. 1 ZPO“ verwiesen wird, sprechen damit eindeutig dafür, dass Grundlage der Herausgabevollstreckung nach § 885a ZPO jeglicher Räumungstitel sein kann, also auch Titel außerhalb von Mietverhältnissen und damit auch ein Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG. Diese Lesart des Gesetzes entspricht auch, soweit ersichtlich, bislang der einhelligen Meinung in der Literatur (so u.a. Musielak-Lackmann, 11.A., § 885a ZPO Rn. 1; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 11.A., § 885a ZPO, Rn. 5; Beck´scher Online-Kommentar-Stürner, § 885a ZPO Rn. 2; Zöller-Stöber, 30.A., § 885a ZPO Rn. 2; vgl. auch Lehmann-Richter, Vollstreckung mietrechtlicher Ansprüche nach neuem Recht, in NZM 2014, 257, 261).
2.
Die von der Schuldnerin erhobenen Einwände hindern die Vollstreckung nicht.
Soweit sie darauf verweist, sie müsse sich „kompetenten juristischen Beistand“ suchen, hätte dies binnen der gesetzlichen Beschwerdefrist von zwei Wochen geschehen müssen. Die Schuldnerin hat weder Gründe vorgetragen, warum es ihr trotz der schon seit längerem anstehenden Räumung nicht möglich gewesen sein sollte, juristischen Beistand zu finden, noch hat sie insoweit eine – mit einer entsprechenden Begründung versehene – Fristverlängerung für die Begründung ihrer Beschwerde begehrt.
Auch der pauschale Verweis darauf, dass sie sich „seit Juni 2009“ in einem Insolvenzverfahren befinde, ist rechtlich unerheblich. Wie bereits das im Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens betriebene Zwangsversteigerungsverfahren zeigt, berührt ein Insolvenzverfahren das Recht der Gläubiger zur abgesonderten Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen nach dem ZVG nicht (§ 49 InsO). Für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin ist im Übrigen allein entscheidend, dass sie in der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung vom 3.7.2014 als Schuldnerin benannt wurde.
Dass die Schuldnerin bislang keine Anstellung als Apothekerin gefunden hat, spielt für das vorliegende Vollstreckungsverfahren keine Rolle.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.