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Aspiranturzeiten in der UdSSR als Beitragszeiten


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 29.03.2012
Aktenzeichen L 3 R 44/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 149 Abs 5 SGB 6, § 256b SGB 6, § 44 SGB 10, § 15 FRG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 08. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren die Anerkennung einer Beitragszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Der 1951 in K geborene und durch Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) als Spätaussiedler (§ 4 BVFG) anerkannte Kläger absolvierte in der Zeit vom 31. Dezember 1975 bis zum 30. Dezember 1978 eine 3-jährige Aspirantur in der UdSSR am Lehrstuhl für Bodenbearbeitungs- und Sämaschinen der Hochschule für Mechanisierung und Elektrifizierung der Landwirtschaft T. In diesem Zeitraum erhielt er ein Stipendium von 100 Rubel monatlich, wovon 88 Rubel an ihn ausgezahlt wurden. Nach Abschluss der Aspirantur war der Kläger im Landwirtschaftsinstitut W tätig, und zwar u. a. als Ingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Dozent und Ober-Hochschullehrer am Lehrstuhl für Arbeitsschutz und Produktionsausbildung und am Lehrstuhl für Nutzung des Maschinen- und Fahrzeugparks und Arbeitsschutz, später als Leiter des Lehrstuhls für Sicherung der Lebenstätigkeit, bis er am 20. Dezember 1995 auf eigenen Wunsch entlassen wurde.

Auf seinen Antrag auf Kontenklärung hatte die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 1999 u. a. die Anerkennung der Zeit der Aspirantur am Lehrstuhl in T abgelehnt, weil keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe. Die Zeit könne auch nicht als Anrechnungszeit anerkannt werden, weil sie nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, er habe von seiner während der Aspirantur erhaltenen Vergütung von 100 Rubel monatliche Rentenbeiträge gezahlt. Außerdem habe er in dieser Zeit noch Projektarbeiten durchgeführt, die nicht angerechnet worden seien. Beigefügt war eine Bescheinigung der Hochschule für Mechanisierung und Elektrifizierung der Landwirtschaft T vom 01. Oktober 1979, wonach der Kläger vom 01. Mai bis zum 31. Dezember 1977 mit einer monatlichen Bezahlung von 50 Rubel und vom 15. Mai bis zum 31. Dezember 1978 mit einer monatlichen Bezahlung von 56 Rubel als wissenschaftlicher Assistent gearbeitet habe.

Auf Nachfrage der Beklagten zu den näheren Umständen der wissenschaftlichen Aspirantur teilte der Kläger unter Vorlage einer Archivbescheinigung der Universität T vom 19. November 1999 mit, er sei ab dem 31. Dezember 1975 zur Aspirantur immatrikuliert gewesen, habe für den Zeitraum der Ausbildung ein an sein früheres Gehalt (125 Rubel, von dem 12 Rubel einbehalten worden seien) angepasstes Stipendium i. H. v. 100 Rubel erhalten, von denen monatlich 88 Rubel ausgezahlt worden seien, und sei am 30. Dezember 1978 aufgrund der Beendigung der Aspirantur exmatrikuliert worden. 12 Rubel seien als Steuern und Beiträge eingezahlt worden.

Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 21. Juli 2000 nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Zeiten vom 01. Mai bis zum 31. Dezember 1977 und vom 15. Mai bis zum 31. Dezember 1978 als weitere nach dem FRG glaubhaft gemachte Beitragszeiten in der Rentenversicherung der Angestellten in der ehemaligen Sowjetunion (Qualifikationsgruppe 1, Bereich 19 der Anlage 14 zum SGB VI, Teilzeitbeschäftigung, 56, 94 % der vollen Arbeitszeit) fest.

Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser eine unzureichende Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen rügte, wies die Beklagte - soweit sie dem Widerspruch nicht abhalf - mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2000 als unbegründet zurück. Der Kläger habe nur für die Zeiten vom 01. Mai bis zum 31. Dezember 1977 und vom 15. Mai bis zum 31. Dezember 1978 eine entgeltliche Beschäftigung neben der Aspirantur nachgewiesen, für die übrigen Zeiten würden keine Unterlagen über ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegen.

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht Berlin (SG) Klage u. a. wegen Nichtberücksichtigung der vollen Aspirantur-Zeiten erhoben (S 7 RA 5335/00) und u. a. Ablichtungen aus dem „Russischen Handbuch der Steuern und Abgaben, Kapitel ’Einkommensteuer der Bevölkerung’“ vorgelegt, wonach Steuern von Stipendien der Studenten und Aspiranten erhoben würden.

Das SG hat nach Beiziehung eines in einem anderen Sozialgerichtsstreit erstellten Rechtsgutachtens des Institutes für Ostrecht der Universität zu Köln (Dr. S) vom 29. Juni 1999 zur Problematik der Aspirantur in der ehemaligen UdSSR die Klage mit Urteil vom 12. November 2001 abgewiesen. Die Aspirantur sei nicht als Beitragszeit vorzumerken gewesen, denn es habe sich um ein durch Stipendium abgesichertes Ausbildungsverhältnis an einer Hochschule nach abgeschlossenem Studium mit dem Ziel, einen akademischen Grad zu erwerben, gehandelt. Ein Nachweis über die geltend gemachte Beitragszeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 FRG) und insbesondere die Beitragsabführung liege nicht vor. Der Kläger verfüge über keinerlei Versicherungsunterlagen mehr. Die vorgelegte Bescheinigung vom 19. November 1999 sei für die Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, unergiebig, sie belege nur die spezielle planmäßige Aspirantur des Klägers und den Bezug des Stipendiums von 100 Rubel sowie die Auszahlung der 88 Rubel, lasse aber nicht genau erkennen, wofür diese 12 Rubel einbehalten worden seien. Hier dürfte es sich ausweislich des vom Kläger vorgelegten Auszuges aus dem Handbuch für Steuern und Abgaben, der die Stipendien der Aspiranten als zu versteuernde Zahlungen angebe, um Steuern gehandelt haben.

Dem Kläger sei auch eine Glaubhaftmachung der behaupteten Tatsachen (§ 4 FRG) nicht gelungen. Aus dem Gutachten des Institutes für Ostrecht sei zu entnehmen, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis mit der Zulassung zur Aspirantur beendet werde, der Aspirant ein Stipendium erhalte, für das Sozialversicherungsbeiträge nicht zu zahlen gewesen seien. Der Kläger habe ausweislich der Bescheinigung vom 19. November 1999, während der max. 3-jährigen Aspirantur ein Stipendium von 100 Rubel bezogen, welches sozialversicherungsfrei gewesen sei. Stipendiaten, die vor der Zulassung zur Aspirantur in einem Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten, seien lediglich im Hinblick auf die Leistungen aus der Sozialversicherung den Arbeitern und Angestellten gleichzustellen. Die Zeiten der Aspirantur hätten als Überbrückungszeiten gegolten. Dass die Aspirantur weder eine Beitragszeit noch eine Ausbildungsanrechnungszeit sei, habe das Bundessozialgericht (BSG) für die ehemalige DDR bereits entschieden. Zwar sei die Aspirantur Hochschulausbildung (§ 248 Abs. 3 Satz 2 SGB VI), es handele sich aber nicht um eine Anrechnungszeit (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI), da diese nur bis zum Bestehen der erstmaligen Abschlussprüfung in Betracht komme. Soweit der Kläger in der Aspirantur ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis, für das Beiträge gezahlt worden seien, wahrgenommen habe, habe die Beklagte diese Teilzeiträume auch als Beitragszeit aufgenommen.

Im Rahmen seiner hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Berlin erhobene Berufung (L 5 RA 2/02) hat der Kläger eine weitere Bescheinigung der Universität T vom 25. November 2001 vorgelegt, in der in Ergänzung der Archivbescheinigung vom 19. November 1999 mitgeteilt wird, dass in der Summe der angegebenen Steuererhebungen neben der Einkommensteuer auch die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge inbegriffen seien. Bei Bezügen über 91 Rubel bis 100 Rubel gelte ein monatlicher Steuerbetrag von 7,12 Rubel zzgl. 12 % der Geldsumme, die 91 Rubel übersteige.

Im Rahmen weiterer Ermittlungen hat die Beklagte mitgeteilt, dass ihre Anfrage beim Rentenfond der russischen Förderation ergeben habe, dass die Zahlung von Renten aus den jährlich dem Staatshaushalt der UdSSR zugewiesenen Mitteln gesichert worden sei, u. a. aus Mitteln des Budgets der staatlichen Sozialversicherung, die aus den Beiträgen der Betriebe, Einrichtungen, Organisationen gebildet worden seien ohne Abzüge vom Verdienst. Versicherungsbeiträge für Stipendien auf Kosten eines Betriebes oder einer Organisation an leistungsstarke, zur Ausbildung an Hoch- und Fachschulen und zur Aspirantur in Vollzeit delegierte Studierende und Aspiranten seien nicht berechnet worden (Schreiben vom 17. Februar 2004).

Das LSG hat im Rahmen von Amtsermittlungen den Prorektor der Staatlichen Universität für Agraringenieurwesen T um Auskunft zu den vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen vom 19. November 1999 und vom 25. November 2001 gebeten.

Ausweislich des Antwortschreibens der Universität T vom 17. Februar 2004 habe es sich bei den Summen der ausgewiesenen Belastungen laut Bescheinigung vom 19. November 1999 nicht um eine Einkommenssteuer und eine Abführung an den staatlichen Sozialversicherungsfond gehandelt, sondern um einbehaltene Beträge für den Aufenthalt des Klägers in einem Wohnheim in Höhe von 12 Rubel pro Monat.

In einem weiteren, vom LSG eingeholten Rechtsgutachten des Institutes für Ostrecht der Universität zu Köln (Dr. S) vom 05. Januar 2004 wird ausgeführt, dass Aspiranten beitragsfrei rentenversichert und Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen gewesen seien. Im Fall einer mindesten zweijährigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung unmittelbar vor Antritt der Aspirantur seien die Zeiten einer Aspirantur jedoch im Hinblick auf die Leistungen aus der Sozialversicherung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt gewesen, d. h. Rentenleistungen hätten den Aspiranten in gleicher Weise wie Arbeitern und Angestellten, und damit wie bei Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, zugestanden. Da der Kläger laut Auskunft der Universität T vom 19. November 1999 während der Aspirantur keinen Arbeitslohn, sondern ein Stipendium erhalten habe, was auch durch die Eintragungen im Arbeitsbuch bestätigt werde, seien für ihn grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen gewesen. Die anders lautende Auskunft der Universität vom 25. November 2001 sei nicht nachvollziehbar. Gem. Artikel 100 Abs. 2 der Grundlagen der Arbeitsgesetzgebung von 1970 seien die Sozialversicherungsbeiträge von Betrieben und sonstigen Institutionen ausdrücklich ohne jedwede Abzüge von den Löhnen zu entrichten gewesen. Auch die Höhe der vom Kläger angegebenen Abzüge (12 Rubel) spreche dafür, dass es sich allein um zu entrichtende Steuern gehandelt habe. Stipendien seien lediglich bis zu einem monatlichen Betrag von 37 Rubel von der Einkommensteuer und sonstigen Steuer befreit gewesen. Bei einem Einkommen von 90 Rubel seien nach der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung der Regierung 6,81 Rubel Einkommensteuer und 5,33 Rubel Kinderlosensteuer zu entrichten gewesen, womit ein Abzug von mindestens 12 Rubel bei einem Stipendium von 100 Rubel erklärt werden könne.

Mit Urteil vom 11. Juni 2004 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der gesamten Aspiranturzeit vom 31. Dezember 1975 bis zum 30. Dezember 1978 als Beitragszeit i. S. v. § 15 Abs. 1 FRG habe. Auch nach den weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass es sich bei der Aspiranturzeit um eine Beitragszeit auf Grund einer Beitragsleistung bei einem Rentenversicherungsträger in einer Rentenanwartschaft begründenden Tätigkeit gehandelt habe, für die Beiträge für die Rentenversicherung auch tatsächlich entrichtet worden seien. Der Kläger sei im Rahmen einer Betriebsaspirantur an der Landwirtschaftshochschule T tätig gewesen und habe hierfür ein Stipendium von 100 Rubel monatlich erhalten, wovon 12 Rubel abgeführt worden seien. Es sei nicht erwiesen, dass es sich dabei um Sozialversicherungsbeiträge gehandelt habe. Die dies bestätigende Bescheinigung der Universität T vom 25. November 2001 sei durch das Ergebnis der weiteren Ermittlungen fraglich geworden und weise die Beitragsentrichtung nicht nach.

Ebenso wenig sei die Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung glaubhaft gemacht. Die Sachverständige Dr. S habe in ihrem Gutachten vom 05. Januar 2004 nachvollziehbar dargelegt, dass für den Kläger während der Aspirantur, die der Ausbildung wissenschaftlicher Kader habe dienen sollen und für die er ein Stipendium und keinen Arbeitslohn erhalten habe, grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen gewesen seien. Bestätigt werde diese Aussage durch die Angaben im Schreiben des Rentenfonds der russischen Förderation vom 17. Februar 2004, wonach für Stipendien an Aspiranten Versicherungsbeiträge nicht berechnet worden seien. Auch aus der jüngsten Bescheinigung der Universität T vom 17. Februar 2004 ergebe sich, dass von den 100 Rubel monatlich jedenfalls keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Es spreche daher mehr dafür, dass von dem Stipendium keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Dem widerspreche nicht, dass der Kläger während seiner Aspirantur im gewissen Umfang den Schutz der Sozialversicherung genossen habe, denn hierbei habe es sich um eine Folge seiner vorangegangenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gehandelt.

Die Regelung des § 15 Abs. 3 Satz 1 FRG, wonach Zeiten einer Beschäftigung, die bei ihrer Zurücklegung nach dem zu dieser Zeit geltenden Recht als Beitragszeiten im Sinne des Abs. 1 anrechnungsfähig gewesen, für die aber keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden seien, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich stünden, soweit für sie nach Bundesrecht Beiträge zu zahlen gewesen wären, sei auf den Kläger schon deshalb nicht anwendbar, weil eine im Verlauf einer Aspirantur durchlaufende Hochschulausbildung keinen Erwerbstatbestand für Beitragszeiten darstelle (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996, 4 RA 121/95; BSG, Urteil vom 30. August 2000, B 5/4 RA 87/97 R, beide in juris).

Mit Überprüfungsantrag vom 04. Oktober 2005 machte der Kläger erneut die Anerkennung seiner Zeiten der Aspirantur als Beitragszeiten geltend und führte aus, dass die Rentenkasse in der ehemaligen UdSSR sich im Unterschied zur BRD aus dem staatlichen Budget (Etat), das aus der Einkommenssteuer der Bevölkerung und anderen gesellschaftlichen Mitteln geschaffen worden sei, gebildet habe. Dies habe auch die Bescheinigung des Rentenfonds der russischen Förderation bestätigt. Es selbst habe Einkommenssteuern gezahlt und außerdem Steuern für Kinderlose, sodass er auch Sozialversicherungsbeiträge in Form von Kinderlosenbeiträge entrichtet habe. Dem Schreiben beigefügt waren Auszüge aus dem „Kommentar zur Verordnung über das Verfahren bei der Bewilligung und Zahlung staatlicher Renten, Moskau juristische Literatur 1983“, ferner Auszüge aus dem „Gesetz über die staatlichen Renten“ (Drucksache Bl. 6/7) I. Allgemeine Bestimmungen, II. Altersrenten, sowie VIII. Berechnung der Beschäftigungszeit Punkt, 109 (Drucksache Bl. 282, 283).

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen belegten keine Beitragszahlung zur Rentenversicherung während der Aspirantur-Zeiten, sondern lediglich die bekannte Tatsache, dass die Rentenversicherungsbeiträge pauschal vom Arbeitgeber an den Staatshaushalt der UdSSR (nachfolgend K) überwiesen und aus diesen regelmäßig Rentenleistungen erbracht worden seien. Mit der Zahlung von Steuern seien keine Beiträge zur Rentenversicherung geleistet worden. Eine leistungsrechtliche Berücksichtigung von Zeiten einer Aspirantur im Herkunftsgebiet im Rahmen des FRG komme nicht in Betracht.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die vor dem SG Berlin erhobene Klage, mit der der Kläger vorgetragen hat, aus den von ihm vorgelegten Dokumenten werde deutlich, wie die Rentenkasse in der Sowjetunion funktioniert habe und dass seine Beiträge dem Gesetz entsprechend regelmäßig von seiner Vergütung abgeführt worden seien.

Mit Gerichtsbescheid vom 08. Oktober 2008 hat das SG Berlin die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides vom 15. Dezember 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) abgewiesen. Die streitentscheidenden Sach- und Rechtsfragen seien bereits in den Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin (S 7 RA 5335/00) und vor dem LSG Berlin (L 5 RA 2/02) geprüft und mit überzeugender Begründung abgewiesen worden. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen belegten lediglich noch einmal die Verfahrensweise der Zahlung und Finanzierung der staatlichen Renten in der UdSSR. Neue Erkenntnisse zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeiten der Aspirantur ergäben sich daraus nicht. Soweit der Kläger geltend mache, durch die Zahlung von Einkommenssteuern während der Zeit der Aspirantur sei eine Beitragszeit nach § 15 FRG nachgewiesen, sei bereits in den vorangegangenen Verfahren festgestellt worden, dass vom Stipendium zwar Steuern, jedoch keine Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden seien. Dass Rentenleistungen in der UdSSR womöglich aus dem teilweise durch Steuern finanzierten Staatshaushalts erbracht worden seien, biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung von Steuern der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gleichzustellen wäre. Hiergegen spreche allein schon die auch im dortigen Rechtssystem vorgenommene Differenzierung zwischen Beiträgen und Steuern.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung macht der Kläger geltend, dass der Gerichtsbescheid im groben Verstoß gegen das Grundgesetz ergangen sei. Eine öffentliche Verhandlung sei verweigert worden. Früher seien Dolmetscher eingesetzt worden, die weder sprachlich noch fachlich von der Materie etwas verstünden, und genauso fehlerhaft sei das Gutachten von Frau S gewesen. Nach seinen Protesten habe sie ihr Gutachten korrigiert, vom Gericht sei dies aber nicht bemerkt worden. Aus drei widersprüchlichen Bescheiden der Universität T sei eine Auskunft ausgewählt worden, die schon auf den ersten Blick falsch gewesen sei, aber sie habe dem Gericht gepasst. Er selbst habe sowohl Steuern gezahlt als auch SV-Abgaben entrichtet, dass hätten sowohl die Uni als auch die Expertin bestätigt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 08. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 13. September 1999 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 06. Dezember 1999 und vom 21. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2000 zu verpflichten, die Zeiten der Aspirantur vom 31. Dezember 1975 bis zum 30. Dezember 1978 in seinem Versicherungsverlauf als Beitragszeiten vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeiten der Aspirantur vom 31. Dezember 1975 bis zum 30. Dezember 1978 in seinem Versicherungsverlauf als Beitragszeiten.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, als sie die Aspirantur-Zeiten nicht im Vormerkungsbescheid vom 21. Juli 2000 feststellte.

Nach § 149 Abs. V Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn das Versicherungskonto geklärt ist oder der Versicherte dem Inhalt des Versicherungsverlaufs innerhalb von sechs Monaten nach seiner Versendung nicht widersprochen hat. Zu den vorzumerkenden, rentenrechtlichen Zeiten zählen vorrangig die Zeiten, für die nach Bundesrecht Beiträge gezahlt worden sind (§§ 54 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Nach § 15 Abs. 1 Satz FRG, der auf den Kläger als anerkannter Spätaussiedler anwendbar ist (§ 1 a FRG), stehen aber auch solchen Beitragszeiten, die bei einem nicht deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden sind, die nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Beitragszeiten sind Zeiten, die von dem Anspruchsberechtigten auf Grund einer Beitragsleistung bei einem Rentenversicherungsträger in einer rentenanwartschaftsbegründenden Tätigkeit zurück gelegt worden sind.

Die Beklagte hat sich entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben verhalten, als sie mit Vormerkungsbescheid vom 21. Juli 2000 nach § 149 Abs. 5 SGB VI die glaubhaft gemachten Beschäftigungszeiten während der Aspirantur vom 01. Mai bis zum 31. Dezember 1977 und vom 15. Mai bis zum 31. Dezember 1978 als Beitragszeiten in der Rentenversicherung der Angestellten in der ehemaligen Sowjetunion berücksichtigte. Darüber hinaus aber hat der Kläger keinen Anspruch auf Vormerkung der Aspiranturzeit als Beitragszeit i. S. v. § 15 Abs. 1 FRG. Dies haben bereits das SG Berlin (S 7 RA 5335/00) und das LSG Berlin (L 5 RA 2/02) in ihren, die diesbezüglichen Bescheide der Beklagten (vom 13. September und 06. Dezember 1999 und vom 21. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2000) bestätigenden Urteilen vom 12. November 2001 und vom 11. Juni 2004 mit überzeugender Begründung entschieden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zunächst auf die Entscheidungsgründe der genannten Urteile sowie auf diejenigen des im vorliegenden Verfahren ergangenen Gerichtsbescheides des SG Berlin vom 08. Oktober 2008 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist anzumerken, dass auch im Berufungsverfahren ein Nachweis über die geltend gemachte Beitragszeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 FRG) und die Beitragsabführung, etwa in Form von Versicherungsunterlagen, nicht geführt wurde, so dass sie nicht als nachgewiesen gelten können.

Die geltend gemachte Beitragszeit und insbesondere die Beitragsabführung ist auch nicht glaubhaft gemacht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 FRG). Glaubhaftmachung bedeutet, dass Beitragszeit und Beitragsabführung nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1980, 12 RK 42/80, in juris). Die Wahrscheinlichkeit, dass Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden sind, ist jedoch den vorgelegten Bescheinigungen der Universität T nicht zu entnehmen, denn sie sind widersprüchlich. So sagt die Bescheinigung vom 19. November 1999 aus, dass von den 100 Rubel monatlichem Stipendium jedenfalls keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, dagegen bestätigt diejenige vom 25. November 2001 die Abführung von Abgaben wie Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, wogegen diejenige vom 17. Februar 2004 schließlich von Wohnheimkosten spricht. Diese Unterlagen sind auch in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der Senat kann nicht allein die die Angaben des Klägers bestätigende Bescheinigung vom 25. November 2001 zugrunde legen, denn für ihre Richtigkeit spricht nicht mehr als für die Richtigkeit der anderen Bescheinigungen. Vielmehr unterliegt die Bescheinigung vom 25. November 2001 bereits deshalb Bedenken, weil sie in ihrer Aussage den Feststellungen der eingeholten Gutachten des Institutes für Ostrecht der Universität zu Köln zur Problematik der Aspirantur in der ehemaligen UdSSR widerspricht. So wird in dem Rechtsgutachten vom 29. Juni 1999 ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis mit der Zulassung zur Aspirantur beendet worden sei, der Aspirant ein Stipendium erhalten habe, für das Sozialversicherungsbeiträge nicht zu zahlen gewesen seien, was wiederum der Auskunft der Staatlichen Universität für Agraringenieurwesen T vom 19. November 1999 entspricht. Stipendiaten, die vor der Zulassung zur Aspirantur in einem Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten, seien lediglich im Hinblick auf die Leistungen aus der Sozialversicherung den Arbeitern und Angestellten gleichzustellen.

Auch dem vom LSG Berlin eingeholten Rechtsgutachten vom 05. Januar 2004 zur Sozialversicherungspflicht des Klägers lässt sich entnehmen, dass der Kläger, der laut Auskunft der Universität T vom 19. November 1999 während der Aspirantur von der Arbeit entlassen und nicht mit Lohnfortzahlung freigestellt gewesen sei (Ziffer 2 des Arbeitsbuches) und keinen Arbeitslohn, sondern ein Stipendium erhalten habe, beitragsfrei rentenversichert gewesen sei. Sozialversicherungsbeiträge seien nicht abzuführen gewesen, jedoch seien die Zeiten einer Aspirantur im Hinblick auf die Leistungen aus der Sozialversicherung grundsätzlich einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt gewesen. Während der Aspirantur-Zeit hätten Aspiranten, denen nicht vom bisherigen Arbeitgeber der Lohn fortgezahlt worden sei, ein Stipendium von 85 Rubel monatlich bzw. den Stipendienhöchstsatz von 100 Rubeln erhalten, wie im Fall des Klägers, der vor Antritt der Aspirantur mehr als zwei Jahre als Arbeiter/Angestellter und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Das Gutachten führt für den Senat nachvollziehbar aus, auf welchen rechtlichen Grundlagen die Aspirantur des Klägers beruhte, welchen Zweck sie hatte und in welchem sozialversicherungsrechtlichen Zusammenhang sie stand. Weil der Kläger während der Aspirantur, die der Ausbildung wissenschaftlicher Kader dienen sollte, ein Stipendium und keinen Arbeitslohn erhalten habe, seien für ihn grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen gewesen. Demgegenüber sei die anderslautende Auskunft der Universität vom 25. November 2001 nicht nachvollziehbar. Nach den Grundlagen der Arbeitsgesetzgebung von 1970 seien die Sozialversicherungsbeiträge von Betrieben und sonstigen Institutionen ausdrücklich ohne jedwede Abzüge von den Löhnen zu entrichten gewesen. Auch die Höhe der angegebenen Abzüge (12 Rubel) spreche dafür, dass es sich allein um zu entrichtende Steuern gehandelt habe. Stipendien seien lediglich bis zu einem monatlichen Betrag von 37 Rubel von der Einkommensteuer und sonstigen Steuer befreit gewesen. Bei einem Einkommen von 90 Rubel seien 6,81 Rubel Einkommensteuer und 5,33 Rubel Kinderlosensteuer zu entrichten gewesen, womit ein Abzug von mindestens 12 Rubel bei einem Stipendium von 100 Rubel erklärt werden könne. Der Senat hält die diesbezüglichen, mit Zitaten aus russischer arbeitsrechtlicher Literatur belegten Ausführungen in dem Gutachten vom 5. Januar 2004 für schlüssig und überzeugend. Auch decken sie sich mit der Auskunft der Universität T vom 19. November 1999 sowie auch mit dem Schreiben von Seiten des Rentenfonds der russischen Förderation vom 17. Februar 2004 und der jüngsten Bescheinigung der Universität Tvom 17. Februar 2004. Schließlich besteht auch durchaus Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers, er habe Einkommen- und Kinderlosensteuer entrichtet. Dieser Umstand belegt jedoch aus den dargelegten Gründen nicht die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, auch wenn die Rentenleistungen in der UdSSR aus dem teilweise steuerfinanzierten Staatshaushalt erbracht worden sein soll. Auch im Rechtssystem der UdSSR wurde durchaus zwischen Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern unterschieden.

Anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Kopien aus Gesetzen und Kommentaren. Dem „Kommentar zur Verordnung über die Bestimmung und Auszahlung von staatlichen Renten“, Artikel 11, ist zu entnehmen, dass zu den Einnahmen des Staatshaushaltes der UdSSR u. a. die Steuern der Bevölkerung gehören. Nach dem „Gesetz über die staatlichen Renten“ (Drucksache Bl. 6/7) Artikel 6, erfolgte die Rentenversorgung im sowjetischen Staat vollständig aus staatlichen und gesellschaftlichen (öffentlichen) Mitteln aus dem Staatshaushalt der UdSSR, unter anderem aus Mitteln des Budget der staatlichen Sozialversicherung, das seinerseits aus den Beiträgen der Betriebe, Einrichtungen und Organisationen ohne irgendwelche Abzüge vom Verdienst gebildet wurde. Eine Beitragspflicht und eine Beitragsabführung an die Rentenkasse für Aspiranten ergibt sich daraus aber gerade nicht.

Da der Kläger mithin keinen Anspruch auf Vormerkung der Aspiranturzeit als Beitragszeit i. S. v. § 15 Abs. 1 FRG hat, war seine Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.