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Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlich versicherte Beschäftigung; Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau; Anrechnung von Arbeitslosengeld als Einkommen; Hinzuverdienstgrenzen; zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze; atypischer Fall wegen behördlichen Fehlverhaltens


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 28.04.2011
Aktenzeichen L 4 R 1880/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 96a SGB 6, § 45 SGB 10, § 48 SGB 10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit welchem die Beklagte die Bewilligung seiner Rente für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2006 wegen des zeitgleichen Bezugs von Arbeitslosengeld teilweise aufgehoben und den überzahlten Betrag zurückgefordert hat.

Mit Bescheid vom 30. November 2005 bewilligte die Beklagte dem 1956 geborene Kläger ab dem 1. Juni 2005 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlich versicherten Beschäftigung, die in den hier streitbefangenen Monaten einen monatlichen Zahlbetrag von 459,99 € hatte. Unter „Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten“ ist in dem Bescheid unter anderem ausgeführt, die maßgebende Hinzuverdienstgrenze sei auch dann zu beachten, wenn anstelle von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen, zum Beispiel Arbeitslosengeld, bestehe. Für die Höhe des Hinzuverdienstes sei nicht die Sozialleistung selbst, sondern das dieser Leistung zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen maßgebend.

Unter dem 7. Februar 2006 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger für die Zeit vom 3. Januar 2006 bis zum 1. November 2007 auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von täglich 92,53 € Arbeitslosengeld in Höhe eines Leistungsbetrags von täglich 33,60 €.

Ausweislich eines bei den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindlichen Aktenvermerks erschien der Kläger am 13. Februar 2006 in der Cottbuser Auskunfts- und Beratungsstelle. Auf einem entsprechenden Vordruck ist handschriftlich vermerkt: „Nach eigenen Aussagen sollte beilieg. Bescheid abgegeben werden. 13.02.06 Sch.“. Die folgende Seite im Verwaltungsvorgang der Beklagten ist eine Ablichtung des genannten Bewilligungsbescheids der Bundesagentur für Arbeit, auf welcher sich ein Stempel der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten befindet. Dem Stempelaufdruck nach wird die Übereinstimmung der Fotokopie mit dem Original bestätigt. Handschriftlich folgt „Cb.“ als Abkürzung für Cottbus, mit einem Datumsstempel ist das Datum „13. FEB. 2006“ hinzugefügt. Unter dem Stempelaufdruck findet sich erneut die Unterschrift Sch..

Unter demselben Datum, dem 13. Februar 2006, erließ die Beklagte einen Bescheid, in welchem es heißt, die Berechnungsgrundlagen hätten sich geändert, weshalb die Rente neu berechnet worden sei. Für die Zeit ab dem 1. April 2006 würden laufend monatlich 461,24 € gezahlt. Für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. März 2006 betrage die Nachzahlung 11,62 €.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juni 2005 eine unbefristete Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau, die ihm in den hier streitbefangenen Monaten in Höhe von zwei Dritteln zustand und damit einen monatlichen Zahlbetrag von 38,71 € hatte. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Unter dem 4. Mai 2006 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe an. In dem Schreiben heißt es, er habe Arbeitslosengeld erhalten, dem in der Zeit vom 3. bis zum 31. Januar 2006 Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in Höhe von 2.683,37 € und vom 1. Februar 2006 an in Höhe von 2.775,90 € zugrunde gelegen habe. Dies stelle einen Hinzuverdienst dar, der sich auf die Höhe der zu leistenden Rente auswirke. Die individuellen Hinzuverdienstgrenzen seien der Anlage 19 des Rentenbescheides zu entnehmen. Aufgrund der Hinweise sei ihm zum einen bekannt gewesen, dass Hinzuverdienst auf seine Rente angerechnet werde, zum anderen sei er dadurch in der Lage gewesen nachzuvollziehen, wie sich der Hinzuverdienst auf die Höhe seiner Rente auswirke. Mit seinem Hinzuverdienst halte er in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2006 nur noch die Hinzuverdienstgrenze für die Rente für Bergleute in Höhe von zwei Dritteln (2.916,83 €) ein. Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2006 werde voraussichtlich eine Überzahlung in Höhe von 2.112,65 € entstehen, deren Rückforderung beabsichtigt sei. Aus der dem Schreiben anliegenden Berechnung ist ersichtlich, dass der sich Betrag durch Multiplikation des monatlichen Zahlbetrags der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (461,24 €) mit der Anzahl der Monate (5) abzüglich des monatlichen Zahlbetrags der Rente für Bergleute (38,71 €) mit der Anzahl der Monate (5) ergibt.

Ausweislich eines weiteren auf einem entsprechenden Formular erstellten Vermerks über eine Vorsprache des Klägers erschien dieser am 8. Mai 2006 in der Cottbuser Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten. In dem Vermerk heißt es: “Anhörung vom 6.5. wurde erläutert: Der Versicherte schlägt vor, die Rentenzahlung einzubehalten, bis die ÜZ erledigt ist“. Darunter findet sich zwei Unterschriften, unter anderem die des Klägers. Dem Vermerk nachgeheftet ist ein mit handschriftlichen Eintragungen und der Unterschrift des Klägers versehener Fragebogen zur Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2006 hob die Beklagte den Bescheid vom 30. November 2005 wie in dem Anhörungsschreiben angekündigt teilweise auf. In dem Bescheid heißt es zudem, die maßgebenden Fristen für die Aufhebung seien gewahrt. Einwände, die zu einer anderen Entscheidung Anlass hätten geben können, seien im Rahmen der Anhörung nicht vorgetragen worden. Es sei in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2006 eine Überzahlung von 2.112,65 € entstanden. Zur Erstattung derselben sei der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet. Sein Einverständnis vorausgesetzt, sei die Rente zum 1. Juni 2006 begrenzt worden, um eine höhere Überzahlung zu vermeiden.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 13. Juni 2006 Widerspruch ein, und trug vor, er habe keine Unterlagen von der Beklagten bekommen, aus denen zu erkennen sei, wie hoch die Hinzuverdienstgrenze sei. Er sei seiner Mitteilungspflicht nachgekommen, indem er am 8. Februar 2006 die Berechnung seines Arbeitslosengeldes abgegeben habe. Trotzdem habe er am 13. Februar 2006 eine neue Rentenberechnung bekommen. Da es ihm nicht möglich sei, die Summe im Ganzen zurückzuzahlen, bitte er um Ratenzahlung in Höhe von 50,- €. Zum 1. Juni 2006 sei ihm außerdem noch einmal die volle Rente überwiesen worden.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, in dem Fall, dass es sich bei dem Hinzuverdienst um Arbeitslosengeld handele, sei das zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (Bemessungsentgelt) zu berücksichtigen. Sofern der Sozialleistungsträger ein tägliches oder wöchentliches Entgelt mitteile, sei dieses in monatliches umzurechnen. Dieses geschehe beim täglichen Entgelt durch Multiplikation mit 30. Das wöchentliche Entgelt sei mit 52 zu multiplizieren und durch 12 zu dividieren. Als Bemessungsentgelt seien hier täglich 92,53 € heranzuziehen. Danach ergebe sich ein Bemessungsentgelt für den Monat Januar 2006 in Höhe von 2.683,37 € und ab dem 1. Februar 2006 in Höhe von 2.775,90 € monatlich. Im Ergebnis der Gegenüberstellung des erzielten Hinzuverdienstes mit der monatlichen Hinzuverdienstgrenze sei festzustellen, dass die Höhe des zu berücksichtigenden Bemessungsentgelts sowohl die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in voller Höhe (1.941,43 €) als auch die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in Höhe der Hälfte (2.419,75 €) ab dem 1. Januar 2006 überstiegen habe. Ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze sei zwar zweimal im Jahr bis zum doppelten Betrag der Hinzuverdienstgrenze zulässig, allerdings setze dies voraus, dass die Höhe des Hinzuverdienstes variiere. Da der Hinzuverdienst des Klägers gleich bleibend hoch sei, könne es ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze im Sinn der Vorschrift nicht geben. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2006 zum Ruhen gelangt (Null-Rente) und somit ein Zahlbetrag nicht entstanden sei. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Rentenbewilligung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, denn der Kläger habe durch die Bewilligung des Arbeitslosengeldes Einkommen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Den Nachweis zum Bezug des Arbeitslosengeldes ab dem 3. Januar 2006 habe der Kläger am 13. Februar 2006 persönlich eingereicht. In der Folge sei festgestellt worden, dass für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 der Anspruch auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht mehr bestanden habe. Aufgrund dessen sei der Kläger zu dem Sachverhalt angehört und schließlich der nun angegriffene Bescheid erteilt worden. Die maßgeblichen Aufhebungsfristen nach § 48 Abs. 4 SGB X seien gewahrt worden. Zur Erstattung des festgestellten Betrags der Überzahlung in Höhe von 2.112,65 € sei der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet. Eine besondere Härte, die es dem Versicherungsträger nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ermögliche, in atypischen Fällen im Rahmen des Ermessens von einer Aufhebung für die Vergangenheit ganz oder teilweise abzusehen, liege nicht vor. Insbesondere sinke das Einkommen bei der rückwirkenden Aufhebung im Nachhinein nicht unter den Sozialhilfesatz ab.

Daraufhin hat der Kläger am 29. November 2007 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben, um sein Begehren weiter zu verfolgen. Er hat insbesondere vorgetragen, er sei seiner Mitteilungspflicht unverzüglich nachgekommen. Wie im Widerspruchsschreiben vom 11. Juni 2006 mitgeteilt, habe er den Bescheid vom 7. Februar 2006 bereits am 8. Februar 2006 bei der Beklagten eingereicht. Einer mit Schriftsatz vom 28. Februar 2008 in Ablichtung übersandten vom 28. Januar 2008 datierenden Erklärung des Klägers zufolge hat er den Arbeitslosengeldbescheid am 8. Februar 2006 bekommen und ihn am 9. Februar 2006 in Servicepunkt der Rentenversicherung abgegeben.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen, dass der Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit erst am 13. Februar 2006 vorgelegt worden sei, im Übrigen komme es darauf aber auch nicht an. Soweit der Kläger Zweifel hinsichtlich des Grundes der Neuberechnung am 13. Februar 2006 gehabt habe, hätte er rückfragen können.

Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage durch Urteil vom 10. Oktober 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, auf die Frage, an welchem Tag der Kläger den Bescheid der Bundesagentur bei der Beklagten abgegeben habe, komme es letztlich nicht an. Jedenfalls sei er seinen Mitteilungspflichten nachgekommen. Rechtsgrundlage für den angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Der Bescheid vom 30. November 2005 sei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben gewesen, weil der Kläger nach Erlass des Bescheides Einkommen erzielt habe, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruch geführt haben würde. Zum Einkommen im Sinne der Vorschrift gehörten auch Sozialleistungen. Der Bezug des Arbeitslosengeldes habe auch zur Minderung des Anspruchs auf Rente geführt. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X sei eine Sollvorschrift; die Behörde habe den Verwaltungsakt danach in aller Regel rückwirkend aufzuheben. Nur in Ausnahmefällen, sogenannten atypischen Fällen, komme eine Aufhebung allein für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit in Betracht. Ein solcher liege hier nicht vor. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden sei. Der Kläger sei mithin verpflichtet, einen Betrag in Höhe von 2.112,65 € zu erstatten. Die Höhe der Erstattungsforderung sei zutreffend berechnet worden und auch überdies vom Kläger nicht beanstandet worden.

Gegen das ihm am 27. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. November 2008 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, in seinem Fall habe es sich um einen atypischen gehandelt. Zum einen habe er weder Mitwirkungspflichten verletzt noch Kenntnis von der drohenden Leistungskürzung gehabt. Er sei unmittelbar nach Erhalt des Arbeitslosengeldbescheides mit diesem bei der Beklagten vorstellig geworden, nämlich am 8. Februar 2006. Die Beklagte habe also die Möglichkeit gehabt, den Bezug von Arbeitslosengeld in den Neuberechnungsbescheid vom 13. Februar 2006 einzuarbeiten. Er habe nicht damit rechnen können, dass dies nicht geschehen sei. Für ihn sei vielmehr offensichtlich gewesen, dass die Beklagte den Arbeitslosengeldbescheid bereits berücksichtigt habe. Stattdessen habe sie in Kenntnis der geänderten Fakten einen Rentenbescheid erlassen, den sie zwar bei falscher Berechnung wieder aufheben könne, jedoch nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft. Es sei hier ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen worden, an dem sich die Beklagte festhalten lasse müsse. Auch das hier wohl mitwirkende Fehlverhalten der Beklagten rechtfertige das Vorliegen eines atypischen Falls.

Die dem Kläger gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlich versicherten Beschäftigung wurde durch Bescheid vom 9. September 2010 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. April 2008, also auch für den streitbefangenen Zeitraum, neu berechnet. Danach stand sie dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2006 in Höhe der Hälfte zu; der sich aus dieser Änderung ergebende Nachzahlungsbetrag beläuft sich auf 575,76 € (Multiplikation des hälftigen monatlichen Zahlbetrags der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit [230,63 €] mit der Anzahl der Monate [3] abzüglich des monatlichen Zahlbetrags der Rente für Bergleute (38,71 €) mit der Anzahl der Monate [3]). Mit Bescheid vom 27. April 2011 hat die Beklagte den angegriffenen Bescheid entsprechend geändert; der von dem Kläger zurückgeforderte Betrag reduziert sich danach auf 1.536,89 €.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. Oktober 2008 sowie den Bescheid vom 2. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2007, geändert durch den Bescheid vom 27. April 2011, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR

04 161156 G 001) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zwar statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet, denn das Sozialgericht Cottbus hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zu Recht hat die Beklagte den die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Aufgabe der knappschaftlich versicherten Beschäftigung bewilligenden Bescheid vom 30. November 2005 insoweit aufgehoben, als sie den Leistungsbetrag für den streitbefangenen Zeitraum wegen des Hinzuverdienstes in Gestalt von Arbeitslosengeld reduziert hat. Nachdem sie mit Bescheid vom 9. September 2010 eine auch den hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2006 betreffende Neuberechnung der Rente des Klägers vorgenommen und in der Folge den angegriffenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids teilweise aufgehoben hat, beträgt die Höhe des streitigen Betrags nun statt ursprünglich 2.112,65 € nur noch 1.536,89 €.

Rechtsgrundlage für die Maßnahme der Beklagten ist, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat nach Erlass des Bescheides vom 30. November 2005, nämlich ab dem 3. Januar 2006, Einkommen erzielt; zum Einkommen im Sinne der Vorschrift gehören auch Sozialleistungen (vgl. von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 7. Auflage 2010, § 48 Rdnr. 25 m.w.N.) wie das Arbeitslosengeld nach §§ 117 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Das Einkommen des Klägers hätte auch für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 2006 zum Wegfall und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2006 zur Minderung des Anspruchs geführt, denn nach § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Nach § 96a Abs. 1a Nr. 1 SGB VI in der hier anzuwenden, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I Seite 3019) wird eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung abhängig vom erzielten Hinzuverdienst in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte geleistet. Zum Hinzuverdienst im Sinne der Vorschrift gehört auch das Arbeitslosengeld (vgl. das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 9. Dezember 2010, B 13 R 10/10 R, zitiert nach juris). Nach § 96a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in der hier anzuwenden, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung betrug die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe das 20,7fache, in Höhe der Hälfte das 25,8fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI in der für den maßgeblichen Zeitraum anzuwendenden, bis zum 11. Dezember 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004, BGBl. I Seite 1791), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens mit 1,5 Entgeltpunkten. Für die hier maßgebliche Zeit ab dem 1. Januar 2006 ergeben sich so für den Kläger, der den Hinzuverdienst in den alten Bundesländern erzielt hat, als Hinzuverdienstgrenzen Beträge in Höhe von 2.208,51 € (20,7 x 26,13 € [aktueller Rentenwert] x 4,0831 [Entgeltpunkte]) bzw. 2.752,64 € (25,8 x 26,13 € [aktueller Rentenwert] x 4,0831 [Entgeltpunkte]). Für den Kläger ist im Januar 2006 ein Hinzuverdienst in Höhe eines Betrags von 2.683,37 € zu berücksichtigen. Dieser liegt über der Grenze für die Rente in voller Höhe (2.208,51 €), jedoch unter der Grenze für die Rente in Höhe der Hälfte (2.752,64 €). Ab Februar 2006 ist monatlich ein Hinzuverdienst in Höhe eines Betrags von 2.775,90 € zu berücksichtigen, der beide Grenzen überschreitet. Ob die Beklagte bei der Neuberechnung im September 2010 zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Überscheitung der Grenze für die Rente in Höhe der Hälfte (2.752,64 €) in den Monaten Februar und März 2006 aufgrund der Regelung in § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI unschädlich ist, kann dahinstehen, weil die mit Bescheid vom 9. September 2010 erfolgte Anwendung dieser Vorschrift, die letztlich zu einer Verringerung des Rückforderungsbetrages geführt hat, für den Kläger nicht von Nachteil und von ihm auch nicht angegriffen worden ist. Dass die Rente ab dem 1. April 2006 nicht zu zahlen war, weil der Hinzuverdienst alle Grenzen überschritt, hat die Beklagte zutreffend festgestellt. Die Höhe der überzahlten Beträge ist zutreffend berechnet und überdies vom Kläger nicht beanstandet worden.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X setzt, darauf hat das Sozialgericht zu Recht hingewiesen, weder ein Verschulden des Betroffenen noch seine Bösgläubigkeit voraus (vgl. Kasseler Kommentar/Steinwedel, SGB X, Kommentar, Stand Oktober 2010, § 48 Rdnr. 51). Auf die Ausführungen des Klägers zum Zeitpunkt der Abgabe des Arbeitslosengeldbescheides braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden. An welchem Tag er ihn in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten vorgelegt hat, ist ohne Belang.

Liegen, wie hier, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor, so soll der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das Wort „soll“ ist in diesem Zusammenhang nach ganz allgemeiner Meinung (vgl. dazu Kasseler Kommentar/Steinwedel, SGB X, Kommentar, Stand Oktober 2010, § 48 Rdnr. 36 mit zahlreichen Nachweisen höchstrichterlicher Rechtsprechung) dahingehend zu verstehen, dass der Leistungsträger den Verwaltungsakt in aller Regel rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X signifikant abweicht. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die allgemein mit der rückwirkenden Aufhebung verbundene Rückzahlungspflicht den Leistungsempfänger in einer besonderen Weise trifft, ob er durch sie in untypischer Weise stärker belastet wird als im Normalfall. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn das Einkommen des Betreffenden durch die rückwirkende Aufhebung unter den Sozialhilfesatz sinken würde (vgl. etwa das Urteil des BSG vom 29. November 1989, 7 RAr 138/88, zitiert nach juris).

Derartiges ist hier nicht der Fall. Soweit der Kläger meint, die Beklagte treffe ein Mitschuld an der eingetretenen Überzahlung, weil sie die Rente mit Bescheid vom 13. Februar 2006 neu berechnet, dabei aber den Bezug von Arbeitslosengeld nicht berücksichtigt habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Es ist offensichtlich, dass eine Behörde der Massenverwaltung eine derartige Neuberechnung nicht am selben Tag bzw. innerhalb weniger Werktage vornehmen kann. Ein sich im Rahmen der Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, zu berücksichtigendes behördliches Fehlverhalten liegt hier nicht vor. Soweit der Kläger meint, er habe in Anbetracht des Erhalts des Neuberechnungsbescheides vom 13. Februar 2006 darauf vertrauen dürfen und auch vertraut, dass die Beklagte den Bezug von Arbeitslosengeld bereits berücksichtigt habe, vermag der Senat dem ebenfalls nicht beizupflichten. Die mit dem Bescheid aus anderen Gründen vorgenommene Neuberechnung führte zu einer - geringfügigen - Erhöhung der Rente. Dass ein Hinzuverdienst in der hier zu berücksichtigenden Höhe diesen Effekt nicht würde haben können, bedarf keiner Erläuterung. Dem Kläger muss, wie das Sozialgericht ausgeführt hat, bewusst gewesen sein, dass er ab dem 3. Januar 2006 für denselben Zeitraum zwei Einnahmen aus dem „sozialen Netz“ hatte und das Hinzutreten der einen Leistung nicht zur Erhöhung der anderen führen konnte. Im Übrigen war er, auch wenn er dies heute bestreitet, durch die Anlage 19 zu dem Bescheid vom 30. November 2005 über die Bedeutung und die Höhe von Hinzuverdienstgrenzen informiert.

Dass erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ein Ermessen steht der Behörde insoweit nicht zu.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.