Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; Beschwerde; Rechtsschutzbedürfnis;...

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung; Beschwerde; Rechtsschutzbedürfnis; Erledigung; Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung der Zwangsvollstreckung; Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens; vorläufige Sicherung des Anspruchs; keine abschließende bzw. rechtsgrundsätzliche Klärung von Rechtsfragen; Aufrechterhaltung des Abweisungsantrags trotz Erledigung; Sachbescheidungsinteresse; Beschwerdebegründung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 12.09.2012
Aktenzeichen OVG 6 S 33.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 1 S 4 VwGO, § 123 VwGO, § 146 Abs 4 S 1 VwGO

Leitsatz

Ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in der Hauptsache erledigt, wenn der Antragsgegner den behaupteten Anspruch lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfüllt hat und dies auch bei abweichender Be-schwerdeentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die Antragsgegnerin kann nach Erledigung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Aufrechterhaltung ihres Abweisungsantrags keine Sachentscheidung erreichen.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 2012 werden verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerin und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über Zielvereinbarungen mit verschiedenen Sportverbänden des Beigeladenen betreffend Medaillen und Platzierungen bezogen auf die Olympischen Spiele 2010, 2012 und 2014 zu erteilen. Hiergegen haben sowohl die Antragsgegnerin als auch der Beigeladene Beschwerde erhoben. Nach Erlass einer Zwangsgeldandrohung durch das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin die geforderten Auskünfte erteilt.

Die Beschwerden sind unzulässig.

1. Für die eingelegten Beschwerden besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.

Nachdem die Antragsgegnerin die erbetenen Auskünfte erteilt hat, ist das vorläufige Rechtsschutzverfahren erledigt. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin die Auskünfte lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erteilt hat. Zwar führt die nur unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erfolgte Erfüllung eines klageweise geltend gemachten Anspruchs nicht zur Erledigung des Klageverfahrens, weil der Streit der Parteien über das Bestehen des Anspruchs durch diese Leistung nicht gegenstandslos geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1985 - IVa ZR 138/83 -, BGHZ 94, 268, Rn. 26 bei juris). Gegenstand des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist aber nicht der materielle Anspruch des Antragstellers, sondern lediglich dessen vorläufige Sicherung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1995 - 7 VR 16/94 -, DVBl. 1995, 520, Rn. 27 bei juris; zu § 80 Abs. 5 VwGO vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Juni 2012 - OVG 2 S 36.12 -, juris Rn. 2; vgl. außerdem Vollkommer in Zöller, ZPO 29. Aufl. § 91a Rn. 58, Stichwort „Arrest und einstweilige Verfügung“). Nachdem die Antragsgegnerin die begehrten Auskünfte vollständig erteilt hat und dies auch im Fall einer von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichenden Beschwerdeentscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, besteht für eine vorläufige Sicherung des vom Antragsteller behaupteten presserechtlichen Auskunftsanspruchs kein Bedarf mehr, der Anordnungsgrund (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO) ist entfallen.

Das von der Antragsgegnerin geltend gemachte besondere Sachbescheidungsinteresse rechtfertigt des Weiteren nicht, trotz eingetretener Erledigung eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Zwar kann bei Vorliegen eines berechtigten Interesses der Beklagte in einem Klageverfahren in analoger Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO seinen Klageabweisungsantrag aufrechterhalten, um trotz Erledigung der Hauptsache eine Sachentscheidung zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1969 - VIII C 37.67, VIII C 38.67 -, BVerwGE 31, 318, Rn. 13 bei juris; BVerwG, Urteil vom 13. November 2006 - 6 C 22/05 -, NVwZ-RR 2007, 330, Rn. 13 bei juris). In einem Eilverfahren ist die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aber nicht anwendbar. Sie gilt unmittelbar lediglich für Urteile in Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Auch eine analoge Anwendung auf Verfahren nach § 123 VwGO scheidet aus, denn das Feststellungsinteresse, das einen solchen Antrag allein rechtfertigen könnte, kann in einem Eilverfahren nicht befriedigt werden. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO stellt auf das Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ab; ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren führt aber nicht zu einer rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versagung des begehrten Verwaltungsaktes (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1995, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; VGH Mannheim, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 3 S 375/11 -, NVwZ-RR 2011, 932, Rn. 17 bei juris). Außerdem rechtfertigen die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gründe ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht. Die Antragsgegnerin begründet ihr Sachbescheidungsinteresse ausschließlich damit, dass sie die Klärung der Frage einer notwendigen Beiladung Dritter sowie der Voraussetzungen für einen Anordnungsgrund und die Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache begehrt; die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrten Auskünfte hat, die Ablehnung mithin rechtswidrig war, wird von ihm insoweit nicht angesprochen.

2. Die Beschwerde des Beigeladenen ist darüber hinaus deshalb unzulässig, weil dieser keine Begründung eingereicht hat. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichts dem Beilgeladenen am 2. August 2012 zugestellt; die Frist zur Begründung der Beschwerde ist mithin am 3. September 2012 abgelaufen, ohne dass eine Begründung eingereicht worden wäre.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Dem Beigeladenen waren die Kosten des Verfahrens anteilig aufzuerlegen, weil er selbst Beschwerde eingelegt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).