Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer | Entscheidungsdatum | 31.05.2017 | |
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Aktenzeichen | 15 TaBV 1979/16, 15 TaBV 2010/16, 15 TaBV 2049/16 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2017:0531.15TABV1979.16.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 Abs 1 BetrVG, § 23 Abs 1 BetrVG, § 78 BetrVG |
1. Ein Arbeitgeber ist antragsberechtigt im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG, soweit der Antrag auf eine Pflichtverletzung gestützt wird, die das Verhältnis einzelner Betriebsratsmitglieder oder des gesamten Betriebsrats zu ihm betrifft. Keine Antragsberechtigung liegt hinsichtlich solcher Pflichtverletzungen vor, die im Verhältnis der Betriebsratsmitglieder untereinander oder im Verhältnis zur Belegschaft erfolgen.
2. Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls eine leichtfertig erstattete Strafanzeige oder ein leichtfertig gestellter Strafantrag eines Betriebsratsmitgliedes gegen den Arbeitgeber oder seine Repräsentanten eine Verletzung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) darstellen, wenn ein Bezug zum Handeln als Betriebsrat besteht.
3. Dies kann nach den allgemeinen Grundsätzen zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint. (hier verneint)
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und zu 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 21.09.2016 – 3 BV 11/15 – abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
II.
Die Kostenanträge des Beteiligten zu 3) werden zurückgewiesen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten auf Antrag der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) darüber, ob der langjährige Betriebsratsvorsitzende (Beteiligter zu 3) aus dem Betriebsrat (Beteiligter zu 2) auszuschließen ist.
Die Arbeitgeberin betreibt ein kommunales Krankenhaus in Brandenburg. Die letzte Wahl zum Betriebsrat fand am 24.03.2014 statt. Es wurden 13 Mitglieder gewählt, von denen drei freigestellt sind. Zu den freigestellten Betriebsratsmitgliedern gehört auch der Betriebsratsvorsitzende. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat führen seit Jahren zahlreiche Beschlussverfahren.
Am 01.04.2015 fand ein befristeter Streik zur Erzwingung eines Haustarifvertrages bei der Arbeitgeberin statt. Unter dem 09.04.2015 unterzeichnete Frau R., ein Betriebsratsmitglied, einen Aktenvermerk (Bl. 15ff d.A.). Dieser enthält Anschuldigungen gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden bezogen auf den 07.04.2015. Noch am 09.04.2015 erstattete die Arbeitgeberin, vertreten durch den Personalleiter, zusammen mit Frau R. Strafanzeige und Strafantrag gegen den Betriebsratsvorsitzenden und auch ein weiteres freigestelltes Betriebsratsmitglied (Bl. 394 d.A.). Mit E-Mail vom 9.04.2015, 16:58 Uhr, forderte der Personalleiter der Arbeitgeberin u.a. den Betriebsratsvorsitzenden zur Stellungnahme zu den Vorwürfen von Frau R. bis zum 14.04.2015 auf. Dieser äußerte sich unter dem 13.04.2015 (Bl. 19f d.A.).
Unter dem 13.04.2015 unterzeichnete Frau Sch., eine Beschäftigte, einen Aktenvermerk mit Anschuldigungen auch gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden hinsichtlich eines Vorfalls aus dem Frühjahr 2010 (Bl. 13f d.A.). Am 15.04.2015 hörten die Geschäftsführerin und der Personalleiter der Arbeitgeberin die Betriebsratssekretärin zu dem Geschehnis am 07.04.2015 an. Frau R. wurde am 16.04.2015 mit den Stellungnahmen der freigestellten Betriebsratsmitglieder konfrontiert und blieb bei ihrer Darstellung.
Mit dem am 22.04.2015 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangenen und dem Betriebsrat am 24.04.2015 zugestellten Antrag begehrt die Arbeitgeberin den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat. Sie hat dies ursprünglich mit dem Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden im Frühjahr 2010 und am 07.04.2015 begründet. Kurze Zeit nach Zustellung der Antragsschrift intervenierte Herr T., der zuständige Tarifsekretär der Gewerkschaft verdi, bei einem Vertreter des Arbeitgeberverbandes mit dem Ziel, den Betriebsfrieden wiederherzustellen, also eine Rücknahme des Ausschließungsantrages zu erreichen.
Am 28.04.2015 war der Betriebsratsvorsitzende in der Zeit von 8:00 Uhr bis 8:30 Uhr und von 18:00 Uhr bis 20:53 Uhr vor Ort anwesend. In der Zwischenzeit hatte er eine Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht besucht und an weiteren Besprechungen außerhalb des Klinikums teilgenommen. Diese Zwischenzeiten erfasste er nicht als Arbeitszeiten.
Am 07.05.2015 vereinbarte der Personalleiter mit der Kriminalpolizei für den 28.05.2015 eine Begehung der Betriebsratsräume. Mit E-Mail vom 27.05.2015 teilte der Personalleiter dies dem Betriebsrat mit. Da sämtliche freigestellten Betriebsratsmitglieder und auch die Sekretärin des Betriebsrats für den Besichtigungstag nicht in Brandenburg gewesen wären, widersprach der Betriebsrat einer solchen Besichtigung. Mit weiterer E-Mail von 27.05.2015 um 16:11 Uhr schlug der Personalleiter vor, dass die Besichtigung von den Betriebsratsmitgliedern R. und K. hätte begleitet werden können. Noch am 27.05.2015 führte der Betriebsrat um 21:30 Uhr eine Sondersitzung durch und beschloss, den Zutritt ohne richterliche Verfügung zu untersagen. Dies wurde der Geschäftsführerin der Arbeitgeberin um 23:00 Uhr mitgeteilt. Der Notschlüssel für die Betriebsratsräume, der bei der Krankenhauspforte hinterlegt war, wurde vom Betriebsrat vorübergehend in Verwahrung genommen. Am nächsten Tag waren die Schlösser zum Betriebsratsbüro versiegelt und mit dem Beschluss des Betriebsrats versehen (Foto Bl. 145 der Akte).
Der Betriebsrat setzt sich aus Mitgliedern von vier Listen zusammen. Er hat auch einen Dienstplanausschuss gebildet. Diesem Ausschuss gehören jedoch nur Mitglieder der Listen 2 und 4 an, die die meisten Stimmen erhalten hatten. Frau R. und Frau K. sind über eine Liste gewählt worden, die dem Dienstplanausschuss nicht angehört.
Unter dem 13.07.2015 erstattete der Betriebsratsvorsitzende durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten Strafanzeige gegen Frau R., Frau Sch. und den Personalleiter (Bl. 358ff d.A.). Nachdem in verschiedenen Zeitungen Artikel über das Krankenhaus und den Betriebsratsvorsitzenden erschienen (Bl. 526ff d.A.), die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin unter dem 23.7.2015 einen 11-seitigen Brief u.a. an die Fraktionsvorsitzenden des Stadtverordnungsversammlung und die Mitglieder des Aufsichtsrates versandt hatte(Bl 515ff d.A.), in dem sie unter anderem auf Rechtskosten mit dem Betriebsrat i.H.v. 1,16 Millionen € hinwies, ließ der Betriebsratsvorsitzende unter dem 24.08.2015 die Strafanzeige auch gegenüber der Geschäftsführerin der Arbeitgeberin erweitern (Bl. 384ff d.A.).
Im Februar oder März 2016 erhielten die Rechtsvertreter der Arbeitgeberin und des Personalleiters Akteneinsicht hinsichtlich der Strafanzeigen durch den Betriebsratsvorsitzenden. Mit Schreiben vom 17.03.2016 (Bl. 395ff der Akte) wurde der Betriebsratsvorsitzende zu seinem Anzeigeverhalten angehört. Er antwortete hierauf mit Schreiben vom 29.03.2016 (Bl. 401ff der Akte). Am 08.02.2016 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Betriebsratsvorsitzenden eingestellt. Mit Schreiben vom 19.04.2016 stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführerin und den Personalleiter der Arbeitgeberin ein. Mit Schriftsatz vom 01.09.2016, der am 05.09.2016 beim Arbeitsgericht einging, führte die Arbeitgeberin als weiteren Ausschließungsgrund die Strafanzeigen des Betriebsratsvorsitzenden in das hiesige Verfahren ein.
Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, das Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden rechtfertige in den geschilderten Fällen einen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Die Darstellungen von Frau Sch. und Frau R. seien glaubwürdig. Der Betriebsratsvorsitzende habe gegen das ihm bekannte Neutralitätsverbot bei Arbeitskämpfen verstoßen, indem er Herrn T. einschaltete. Die Bildung des Dienstplanausschusses stelle eine Behinderung der Betriebsratsarbeit zulasten von Frau K. und Frau R. dar. Der Betriebsratsvorsitzende habe den Notschlüssel entgegengenommen und verwahrt. Er habe die Diensträume versiegelt. Dies stelle eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsverfassungsrecht dar. Die Räume seien dem Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung gestellt worden. Der Betriebsratsvorsitzende habe sie hingegen für seine privaten Zwecke eingesetzt und verwendet, mithin der Nutzung durch den Betriebsrat und durch die Betriebsratsmitglieder entzogen. Das Strafverfahren sei nicht gegen den Betriebsrat oder gegen den Betriebsratsvorsitzenden in dessen anderen Funktion geführt worden, sondern gegen die Privatperson. Am 28.04.2015 hätte der Betriebsratsvorsitzende nicht einfach abwesend sein dürfen. Er habe seine Anwesenheitspflicht verletzt. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn er als Ausgleich eine Nachtschicht durchgearbeitet hätte. Mit den beiden Strafanzeigen durch den Betriebsratsvorsitzenden sei das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzt worden. Es hätte keinerlei Anlass bestanden, anzunehmen, dass der Personalleiter die beiden Beschäftigten zu einer falschen Aussage oder einem Prozessbetrug angestiftet hätte.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
Herrn R. S. aus dem Betriebsrat des Städtischen Klinikums B. GmbH auszuschließen.
Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben das Verfahren für politisch motiviert gehalten. Insofern haben Sie darauf verwiesen, dass es schon einen erfolglosen Versuch der Arbeitgeberin gegeben habe, den Betriebsratsvorsitzenden ausschließen zu lassen. Die Vorwürfe von Frau Sch. und Frau R. seien unzutreffend. Bis zum 28.04.2015 sei ein Fernbleiben von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nur dann beantragt worden, wenn sie einen ganzen Tag gefehlt hätten. Eine Abwesenheit von einzelnen oder mehreren Stunden sei in der Vergangenheit nie beanstandet worden. Insofern wird auf die Anl. 27 (Bl. 152ff der Akte) verwiesen. Herr T. sei aus eigenem Entschluss tätig geworden. Es sei zu vermuten, dass der Personalleiter die Dienstreiseanträge am 11.05.2015 in dem Bewusstsein unterschrieben habe, die drei freigestellten Betriebsratsmitglieder würden dann am Besichtigungstermin der Kriminalpolizei nicht anwesend sein können. Hinsichtlich der beiden erstatteten Anzeigen sei zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Initiative nicht vom Betriebsratsvorsitzenden ausgegangen sei. Dieser habe sich nur gewehrt. Es hätten äußerst dubiose Aussagen von zwei Zeuginnen vorgelegen. Die Asymmetrie von Motiv und Nutzen lasse sich bei lebensnaher Betrachtungsweise nicht mehr erklären. Daher bestünde mindestens die tatsachenbasierte Möglichkeit einer nicht lediglich heteronom indizierten Falschanzeige. Es liege durchaus der Grad eines Anfangsverdachts und nicht bloß eine willkürliche Mutmaßung vor.
Mit Beschluss vom 21.09.2016 hat das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel dem Antrag stattgegeben und den Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Bezogen auf die Strafanzeige gegen den Personalleiter hätten diese Anschuldigungen auf keinerlei objektiven Maßstab beruht. Sie hätten ausschließlich auf Vermutungen basiert. Dadurch habe der Betriebsratsvorsitzende das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit in einem Maß verletzt, dass das notwendige Vertrauen in eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit und Amtsführung zumindest schwer erschüttert worden sei. Er sei für eine weitere Amtsausübung untragbar.
Hiergegen richten sich die Beschwerden des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden.
Der Betriebsratsvorsitzende meint, eine Strafanzeige könne allenfalls dann einen Ausschließungsgrund aus dem Betriebsrat darstellen, wenn diese absichtlich auf falscher Tatsachenbasis oder missbräuchlich erstattet worden sei. Andernfalls stünde er schlechter da als jeder Normalbürger. Für das hiesige Verfahren fehle ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Strafverfahren eingestellt worden seien. Der Antrag der Arbeitgeberin sei verwirkt, da sie sich selbst unlauter verhalten und ein betriebsratsfeindliches Klima erzeugt habe. Dies ergebe sich z.B. aus dem Schreiben der Geschäftsführerin von 23.7.2015. Der Personalleiter hätte die Fakten zu den Örtlichkeiten gekannt. Im hätte klar gewesen sein müssen, dass die Aussage von Frau R. nicht stimmen könne. Nach Verkündung eines Freispruchs gegen den Betriebsratsvorsitzenden hätte der staatsanwaltliche Sitzungsvertreter gegen Frau R. und den Personalleiter ein Verfahren einleiten müssen. Eine Verurteilung von Frau R. wäre wenigstens wahrscheinlich gewesen. Zweifel an der Richtigkeit der Aussage von Frau R. ergäben sich auch aus der Entstehungsgeschichte. Sie habe sich erst nach der Unterhaltung mit dem Personalleiter zu einer Strafanzeige entschlossen. Insofern ergäben sich Anhaltspunkte, dass der Personalleiter das Anzeigenverhalten befördert oder beeinflusst habe. Durch das Schreiben vom 23.03.2015 und die erhobenen Vorwürfe unter anderem in den verschiedenen Zeitungsartikeln werde belegt, dass die Arbeitgeberin unlautere Schritte unternommen habe. Hieraus könne aus seiner Sicht die Bereitschaft der Arbeitgeberin abgeleitet werden, ihn mit allen – auch unlauteren – Mitteln aus dem Betriebsrat auszuschließen. Jedenfalls könne ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden. Er habe durch die von der Arbeitgeberin erstattete Strafanzeige, die Durchsuchung der Amtsräume und die veröffentlichten Zeitungsartikel unter Druck gestanden. Mit Einstellung des Strafverfahrens sei seine Unschuld erwiesen. Pflichtverletzungen hätten sich allenfalls im unteren schuldrelevanten Bereich ergeben. Es bestünden auch Bedenken, ob erstinstanzlich ein faires Verfahren durchgeführt worden sei. Auch deswegen müsse die Entscheidung aufgehoben werden.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit richte sich nur an das Betriebsratsgremium insgesamt. Die Anzeige sei durch den Betriebsratsvorsitzenden als Privatperson erstattet worden. Auch der Personalleiter sei als Privatperson von der Anzeige betroffen gewesen. Dieser habe sich durch seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zuvor juristisch beraten lassen. Das Arbeitsgericht habe jedenfalls nicht berücksichtigt, dass bei der Abwägung die Umstände des Einzelfalles heranzuziehen gewesen wären. So seien die Strafverfahren schon im April 2016 eingestellt worden, während die hiesigen Vorwürfe erst im September 2016 erhoben wurden. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Arbeitgeberin durch den Artikel in der Bild-Zeitung die strafrechtlichen Ermittlungen öffentlich gemacht habe. Die Arbeitgeberin habe selbst das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit missachtet, indem sie eine Strafanzeige erstattete, ohne die Stellungnahmen der beschuldigten Betriebsratsmitglieder oder der Sekretärin des Betriebsrats einzufordern und abzuwarten. Dass die Arbeitgeberin die vertrauensvolle Zusammenarbeit störe, ergebe sich auch daraus, dass sie nach Bekanntwerden der erstinstanzlichen Entscheidung mit Schreiben vom 30.09.2016 versucht habe, den freigestellten Betriebsratsvorsitzenden in die Rettungsstelle zu versetzen, obwohl dieser Beschluss noch gar nicht rechtskräftig gewesen sei. Auch weil Frau R. als Mitarbeiterin der Personalabteilung erst nach Beratung mit dem Personalleiter zu dem Ergebnis gekommen sei, eine Strafanzeige zu erstatten, habe dies zu dem Eindruck geführt, dass all dies auf einem Plan beruhe.
Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 21.09.2016 – 3 BV 11/15 – abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3 beantragt zusätzlich,
der Beteiligten zu 1 aufzugeben, ihn von dem Anspruch auf Zahlung der Kosten für die anwaltliche Vertretung in dem Beschlussverfahren 15 TaBV 2010/16 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg i.H.v. 1971,35 € an Rechtsanwalt Sch. freizustellen;
hilfsweise
die Beteiligte zu 1 zu verurteilen, die Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Brandenburg und in dem Berufungsverfahren zu tragen.
Die Beteiligte zu 1 beantragt,
die Beschwerden und den Kostenantrag des Beteiligten zu 3 zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Dem Betriebsratsvorsitzenden fehle jede Selbstreflexion. Als Arbeitgeberin hätte man sich um die Vorwürfe der Beschäftigten R. und Sch. kümmern müssen. Der Betriebsratsvorsitzende trage immer wieder auch in der Beschwerdebegründung gebetsmühlenartig vor, der Personalleiter habe die Zeuginnen R. und Sch. zu Falschaussagen verleitet und damit zu Verleumdungen bzw. falschen Verdächtigungen angestiftet, um ein Ausschlussverfahren erfolgreich durchführen zu können. Dies mache ihn endgültig als Vorsitzenden des Betriebsrats ungeeignet. Der Antrag auf Ausschließung aus dem Betriebsrat sei nicht deswegen verwirkt, weil man zwischenzeitlich vernünftig miteinander umgehe. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass der Ausschluss aus dem Betriebsrat noch nicht rechtskräftig feststehe. Da der Betriebsratsvorsitzende sich anwaltlich vor der Anzeigenerstattung habe beraten lassen, könne er sich nicht darauf zurückziehen, nur einfacher Krankenpfleger zu sein. Er hätte sich darauf beschränken müssen, eine Gegenanzeige nur gegen die Anzeigenerstatter zu stellen. Inzwischen erhalte man Presseanfragen im Hinblick auf Verlautbarungen eines Solidaritätskreises, von denen der Betriebsratsvorsitzende sich nicht distanziere.
II.
Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie sind daher zulässig. In der Sache haben sie auch Erfolg. Es liegt kein Grund vor, den Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat auszuschließen. Daher waren die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und der Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen. Die vom Betriebsratsvorsitzenden gestellten Kostenanträge hatten jedoch keinen Erfolg.
1. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann unter anderem der Arbeitgeber in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten kann zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (BAG 27. 7. 2016 – 7 ABR 14/15 – NZA 2017,136 Rn. 21). Ob ein Pflichtverstoß grob ist, beurteilt sich danach, ob die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden (BAG 22. 06.09.1993 – 1 ABR 62/92 – juris Rn. 53).
Der Arbeitgeber ist antragsberechtigt im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG, soweit der Antrag auf eine Pflichtverletzung gestützt wird, die das Verhältnis einzelner Betriebsratsmitglieder oder des gesamten Betriebsrats zu ihm betrifft. Keine Antragsberechtigung liegt hinsichtlich solcher Pflichtverletzungen vor, die im Verhältnis der Betriebsratsmitglieder untereinander oder im Verhältnis zur Belegschaft erfolgen (ErfK-Koch § 23 BetrVG Rn 8; Fitting u.a. § 23 BetrVG Rn 10).
Zum Ausschluss aus dem Betriebsrat können nur Pflichtverletzung führen, die in der aktuellen Wahlperiode begangen wurden (BAG 27.07.2016 – 7 ABR 14/15 – NZA 2017,136).
2. Bei Anwendung dieser Kriterien reichen die aufgeführten Vorfälle nicht aus, um den Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat auszuschließen.
2.1. Der Vorfall mit Frau Sch. aus dem Jahre 2010 kann schon deswegen den Ausschluss nicht rechtfertigen, weil er sich nicht in der aktuellen Wahlperiode ab 2014 zugetragen hat.
2.2. Ein möglicherweise fehlerhaftes Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden gegenüber Frau R. am 07.04.2015 kann den Antrag der Arbeitgeberin ebenfalls nicht rechtfertigen. Betroffen ist das Verhalten zweier Betriebsratsmitglieder untereinander, nicht jedoch eine Pflichtverletzung gegenüber der Arbeitgeberin.
2.3. Die Intervention des Gewerkschaftssekretärs T. zu Gunsten des Betriebsratsvorsitzenden lässt keinerlei Pflichtverletzung erblicken.
Die Arbeitgeberin meint insofern, der Betriebsratsvorsitzende hätte seine Neutralitätspflicht bei Arbeitskampfmaßnahmen verletzt. Er habe den Gewerkschaftsfunktionär instrumentalisiert. Die Arbeitgeberin übersieht, dass es auch jedem Betriebsratsmitglied freisteht, andere Personen (Rechtsanwälte/Gewerkschaftsfunktionäre) zu bitten, Rechtsstreitigkeiten zu seinen Gunsten außergerichtlich beizulegen. Eine Verletzung der gebotenen Neutralitätspflicht in Arbeitskampfmaßnahmen hätte allenfalls dann in Betracht kommen können, wenn dieses Begehren mit tarifpolitischen Zielen im Rahmen der Auseinandersetzung um den Haustarifvertrag verknüpft worden wäre. Dies behauptet die Arbeitgeberin jedoch nicht. Eine solche Verknüpfung ist auch nicht ersichtlich. Im Übrigen unterstellt die Arbeitgeberin – ohne nähere Anhaltspunkte – dass diese Person nur auf Initiative des Betriebsratsvorsitzenden und nicht aus eigenem Antrieb tätig geworden sein könnte.
2.4. Es kann offen bleiben, ob das Fernbleiben des Betriebsratsvorsitzenden am 28.04.2015 eine Pflichtverletzung darstellen könnte. Die Arbeitgeberin hat ein solches Fernbleiben, soweit es nicht ganze Tage betrifft, in der Vergangenheit toleriert. Dies ergibt sich aus der Anl. 27 (Bl. 152 d.A.). Ohne einen näheren Hinweis der Arbeitgeberin, dass man dies künftig anders verlange, stellt dies jedenfalls keinen ausreichenden Ausschließungsgrund dar. Es fehlt schon ein grober Verstoß.
2.5. Die Handlungen am 27./28.05.2015 stellen ebenfalls keinen Pflichtenverstoß des Betriebsratsvorsitzenden gegenüber der Arbeitgeberin dar.
Der Personalleiter teilte dem Betriebsrat einen Tag vor der beabsichtigten Begehung mit, dass er mit einem Kriminalkommissar die Betriebsratsräume im Beisein weiterer Betriebsratsmitglieder begehen wolle. Schon diese kurzfristige Mitteilung musste dem Betriebsrat misstrauisch machen. Geradezu als Provokation musste der spätere Vorschlag gesehen werden, das Betriebsratsmitglied Frau R. und der Personalleiter könnten die Begehung begleiten. Damit wären ausschließlich die beiden Anzeigenden vom 09.04.2015 bei der Begehung dabei, jedoch keines der beschuldigten Betriebsratsmitglieder. Diese hatten – zu diesem Zeitpunkt bekannt – für diesen Tag einen Auswärtstermin. Betriebsräten steht das Hausrecht an den von Ihnen genutzten Räumen zu (Fitting § 40 BetrVG Rn. 112). Insofern durfte der Betriebsrat diese Räume gegenüber der Benutzung durch Fremde versiegeln. Angesichts der ungewöhnlichen Vorschläge der Arbeitgeberin hält die Kammer es auch für keinen Pflichtverstoß, dass der Betriebsrat den Notschlüssel vorübergehend an sich nahm, zumal er gleichzeitig mitgeteilt hatte, wie telefonisch dieser Schlüssel jederzeit zu erhalten gewesen wäre. Da ein Pflichtenverstoß nicht festgestellt werden kann, kann offen bleiben, ob nach der Behauptung der Arbeitgeberin der Betriebsratsvorsitzende hier gehandelt hat. Selbst wenn dies so gewesen wäre kann weiterhin ungeklärt bleiben, ob dies dann rechtlich nicht durch die Beschlüsse des Betriebsrats gedeckt gewesen wäre.
2.6. Soweit die Arbeitgeberin in der Bildung des Dienstplanausschusses eine Benachteiligung der Mitglieder der Listen 1 und 3 sieht, insbesondere von Frau R. und Frau K., kann dies schon deswegen ihrem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen, weil es allenfalls um Pflichtverletzungen zwischen Betriebsratsmitgliedern geht.
2.7. Die Strafanzeige des Betriebsratsvorsitzenden vom 13.07.2015 gegenüber Frau R. und Frau Sch. betrifft jedenfalls kein Verhalten oder eine mögliche Pflichtverletzung gegenüber der Arbeitgeberin, so dass der beantragte Ausschluss hierdurch nicht gerechtfertigt werden kann.
2.8. Die Strafanzeige und der Strafantrag des Betriebsratsvorsitzenden vom 24.08.2015 gegenüber der Geschäftsführerin rechtfertigen ebenfalls keinen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Es fehlt schon eine Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten.
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat sich immer wieder mit der Frage beschäftigt, wann eine den Arbeitgeber betreffende Anzeige oder ein Strafantrag des Arbeitnehmers eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen kann. Das BAG (15.12.2016 – 2 AZR 42/16 – juris Rn. 13f) geht davon aus, dass die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlichen strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte darstellt. Hiermit lässt sich regelmäßig keine Kündigung rechtfertigen. Etwas anderes gilt dann, wenn wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden. Bei Vorliegen dieser Ausnahmekonstellation kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Eine Kündigung kommt unter anderem aber auch dann in Betracht, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist. All dies wird als Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB gesehen. Die Stellung eines Strafantrages kann ebenfalls eine unverhältnismäßige, die vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme verletzende Reaktion darstellen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sachverhalts – der erhobene Vorwurf, es sei durch ein bestimmtes Verhalten ein Straftatbestand verwirklicht worden, völlig haltlos ist (a.a.O. Rn 15f).
Diese Gedanken und Erwägungen lassen sich auf das Verhalten einzelner Betriebsratsmitglieder übertragen. Nach § 2 I BetrVG arbeiten Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zusammen. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit konkretisiert für die Betriebsverfassung den allgemeinen, in § 242 BGB normierten Grundsatz von Treu und Glauben (Fitting § 2 BetrVG Rn. 16), somit auch die gegenseitigen Rücksichtspflichten. Im Gegensatz zur Auffassung des Betriebsrats verpflichtet das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht nur das Gremium insgesamt, sondern auch einzelne Betriebsratsmitglieder (BAG 21.02.1978 – 1 ABR 54/76 – juris Rn. 80). Daher ist davon auszugehen, dass jedenfalls eine leichtfertig erstattete Strafanzeige oder ein leichtfertig gestellter Strafantrag eines Betriebsratsmitgliedes gegen den Arbeitgeber oder seine Repräsentanten eine Verletzung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) darstellen, wenn ein Bezug zum Handeln als Betriebsrat besteht. Dies kann nach den allgemeinen Grundsätzen zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.
Die erstattete Strafanzeige hatte einen Bezug zum Handeln als Betriebsrat. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Strafvorwurf der Behinderung der Betriebsratsarbeit erhoben wurde.
Die Anzeige ist jedoch nicht leichtfertig oder gar völlig haltlos erstattet worden. Aus Sicht des Betriebsratsvorsitzenden gab es hierfür nachvollziehbare Gründe.
Der Begriff der Behinderung der Betriebsratsarbeit ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts umfassend zu verstehen. Eine Behinderung kann sich schon aus Äußerungen des Arbeitgebers zur Betriebsratsarbeit und deren Folgen ergeben. Macht der Arbeitgeber in der Öffentlichkeit Angaben zu der Höhe der Kosten, die durch die Betriebsratsarbeit verursacht werden, muss er nach Art und Inhalt erkennen lassen, dass der Arbeitgeber von Gesetzes wegen nur für die Kosten der Betriebsratsarbeit einzustehen und diese zu tragen hat, soweit sie für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich im Verhältnis zur größeren Leistungsfähigkeit des Betriebes nicht unverhältnismäßig sind. Andernfalls wird nicht hinreichend deutlich, dass der Betriebsrat nicht nach eigenem Gutdünken über die durch seine Amtsführung verursachten Kosten bestimmen kann. Der Betriebsrat wird so unter Rechtfertigungsdruck gesetzt, was nicht ohne Auswirkungen auf seine Amtsführung bleibe (BAG 12.11.1997 – 7 ABR 14/97 – juris Rn. 12).
An diese Vorgaben hat die Geschäftsführerin sich nicht gehalten. Sie hatte schon in ihrem Schreiben vom 23.07.2015 an die Fraktionsvorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung und Aufsichtsratsmitglieder die vom Betriebsrat verursachten Kosten mit 1,12 Millionen € angegeben. In dem Zeitungsartikel vom 06.08.2015 (Bl. 526 d.A.) wird diese Angabe wiederholt. Im Übrigen wird sie mit der Aussage zitiert:
„Die Kosten tragen wir allein“, klagt Geschäftsführerin G. W. (54). „Für das Geld könnten wir Dutzende neue Pfleger einstellen.“
Damit wird suggeriert, dass bei weitgehend anderer Amtsführung – wie z.B. in den angesprochenen anderen Konzernunternehmen – diese Kosten entfielen und man stattdessen Personal einstellen könnte. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass darauf hingewiesen wird, dass die eingeleiteten Verfahren überwiegend zu Lasten des Betriebsrats ausgegangen seien. Angesichts dieser Äußerungen konnte der Betriebsratsvorsitzende mit guten Gründen annehmen, dass Anhaltspunkte für den Straftatbestand der Behinderung der Betriebsratsarbeit vorhanden waren.
Auch hinsichtlich der übrigen Vorwürfe (Verleumdung/Beleidigung) hat der Betriebsratsvorsitzende nicht leichtfertig eine Strafanzeige erstattet. Die Geschäftsführerin hatte ihm im Schreiben vom 23.07.2015 „perfide Indoktrination“ von Frau Sch. vorgeworfen. Schon diese Wortwahl bietet Anhaltspunkte für eine Strafanzeige. Unerheblich ist nach der Rechtsprechung, ob die Anzeige letztendlich Erfolg hatte. Ähnliches gilt für den Vorwurf der rechtswidrigen Übermittlung von personenbezogenen Daten. Der Landesdatenschutzbeauftragte hatte insofern jedenfalls eine Ordnungswidrigkeit angenommen, wobei die Arbeitgeberin hiergegen Widerspruch erhoben hat.
2.9. Die durch den Betriebsratsvorsitzenden erstattete Strafanzeige vom 13.07.2015 gegen den Personalleiter rechtfertigt im Ergebnis ebenfalls keinen Ausschluss aus dem Betriebsrat.
Es liegt ein Handeln auch im Hinblick auf das Betriebsratsamt vor. Dies ergibt sich schon daraus, dass in der Strafanzeige ein Zusammenhang mit dem hiesigen Ausschlussverfahren hergestellt wird. Der Personalleiter ist auch nicht nur irgendein Angestellter der Arbeitgeberin, sondern deren herausgehobener Repräsentant. Er vertritt die Arbeitgeberin in sämtlichen Streitigkeiten mit dem Betriebsrat. Er hat auch die Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden im Namen der Arbeitgeberin unterzeichnet.
Die hiesige Kammer teilt auch die Einschätzung des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel, wonach durch diese Strafanzeige gegen das betriebsverfassungsrechtliche Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen wurde. Der Vorwurf, der Personalleiter habe die beiden Frauen wissentlich zu einer Falschaussage angestiftet, um das hiesige Ausschlussverfahren erfolgreich durchführen zu können, ist durch den Betriebsratsvorsitzenden leichtfertig erhoben worden. Hierfür gab es keinerlei objektive Anhaltspunkte. Der Eindruck des Betriebsratsvorsitzenden mag möglicherweise gerechtfertigt erscheinen, wonach die Arbeitgeberin und der Personalleiter jede Gelegenheit nutzten, ihn aus dem Betriebsrat ausschließen zu lassen. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass sie auch bereit waren, selbst zu illegalen Mitteln zu greifen. Selbst wenn sich die Vorwürfe der beiden Frauen nicht als zutreffend erwiesen hätten, konnte hieraus nicht geschlussfolgert werden, sie hätten bewusst die Unwahrheit gesagt. Auch bei juristischen Laien ist die Erkenntnis durchaus vorhanden, dass eine identische Situation von beteiligten Personen völlig unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Insofern bedarf der Vorwurf der bewussten Täuschung ausreichender Anhaltspunkte. Diese fehlten hier.
Soweit das Arbeitsgericht angenommen hat, allein wegen dieses Umstandes könne eine grobe Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten bejaht werden, entspricht dies nicht den Kriterien der Rechtsprechung. Eine Pflichtverletzung kann nicht isoliert betrachtet werden. Die Umstände des Einzelfalls müssen berücksichtigt werden. Insbesondere müssen die betrieblichen Gegebenheiten und der Anlass der Pflichtverletzung beurteilt werden (BAG 22. 06.09.1993 – 1 ABR 62/92 – juris Rn. 53).
Vorliegend ist jedenfalls in die Abwägung der Umstände des Einzelfalls einzubeziehen, dass die Arbeitgeberin zuerst Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden erstattet hat. Dieser fühlte sich hierdurch und durch weitere Vorwürfe in unberechtigter Weise unter starken Druck gesetzt. Dies lässt den Vorwurf der leichtfertigen Anzeigenerstattung nicht verschwinden, mildert ihn aber ab. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Arbeitgeberin, vertreten durch den Personalleiter, mit der Strafanzeige vom 09.04.2015 selbst gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen hat. Die Arbeitgeberin hat für sich in Anspruch genommen, auf Basis des Vermerks von Frau R. vom 09.04.2015 hätte sie eine Fürsorgepflicht gegenüber dieser Arbeitnehmerin zu erfüllen gehabt. Dies ist zutreffend. Sie hat aber auch Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden einzuhalten. Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann sie sich nicht einseitig auf Aussagen und Einschätzungen einer Arbeitnehmerin verlassen, zumal keinerlei Zeitdruck bestand. Die nebenvertragliche Fürsorgepflicht verpflichtet den Arbeitgeber, vor einer Anzeigenerstattung dem beschuldigten Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Eufinger NZA 2017, 619, 622). Dies gilt im Verhältnis zum Betriebsrat mindestens genauso. Hieran hatten sich die Arbeitgeberin und der Personalleiter nicht gehalten. Die hiesige Kammer geht daher davon aus, dass der Pflichtverstoß des Betriebsratsvorsitzenden durch die leichtfertige Anzeigenerstattung daher nicht so schwer wiegt, dass unter Berücksichtigung der Vorgeschichte die weitere Amtsausübung dieses Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.
Unabhängig hiervon und darüber hinaus führen auch weitere Umstände dazu, dass die künftige Amtsausübung als Betriebsratsmitglied nicht untragbar erscheint. So hat die Arbeitgeberin auch nach genauerer Kenntnis der Strafanzeigen des Betriebsratsvorsitzenden über sechs Monate abgewartet, um diese Vorfälle dann erst zwei Wochen vor dem angesetzten Anhörungstermin überhaupt zum Gegenstand im hiesigen Ausschlussverfahren zu machen. Bei einer derart langen Verzögerung durch die Arbeitgeberin spricht viel dafür, dass sie selbst in dem Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden keinen ausreichenden Anlass gesehen hat, der die weitere Amtsausübung untragbar erscheinen lassen könnte. Auch muss berücksichtigt werden, dass der hiesige Betriebsratsvorsitzende – anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall (27.07.2016 – 7 ABR 14/15 – NZA 2017,136) – kein Jurist ist. Daher kann offen bleiben, welche Auskünfte er damals vor Anzeigenerstattung von seinem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, einem Fachanwalt für Straf- und Arbeitsrecht, erhielt und inwiefern er sich hierauf hätte verlassen dürfen. Offen bleiben kann auch, ob ein möglicher Ausschließungsgrund jedenfalls durch die Entschuldigung des Betriebsratsvorsitzenden im Anhörungstermin vom 31.5.2017, die allerdings nicht zu Protokoll genommen worden war, an Wirkung verloren hat.
2.10. Auch eine Gesamtschau der Pflichtverstöße rechtfertigt keinen Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat. Der am schwersten wiegende Pflichtverstoß durch die Anzeige vom 13.07.2015 erhält durch den einzigen weiteren Pflichtverstoß vom 28.04.2015, der sich im untersten Bereich bewegte, kein derartiges Gewicht, dass eine weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds als untragbar anzunehmen wäre.
3. Die Zahlungsanträge, die vom Betriebsratsvorsitzenden zusätzlich verfolgt werden, sind als Erweiterung des Streitgegenstandes zulässig, da die betroffene Arbeitgeberin sich hierauf rügelos eingelassen hat. In der Sache sind Sie jedoch nicht begründet.
Der Hauptantrag ist schon deswegen unbegründet, weil im Moment noch gar nicht feststeht, wie hoch der Verfahrenswert anzusetzen ist. Ein entsprechendes Verfahren zu Ermittlung des Verfahrenswertes kann erst nach Abschluss der hiesigen Instanz und nach Anhörung auch der Arbeitgeberin durchgeführt werden. Der hilfsweise gestellte Leistungsantrag ist unzulässig, da er der Höhe nach nicht bestimmt ist.
4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert.