Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 20.03.2013 | |
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Aktenzeichen | 12 W 1/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30. November 2012 gegen den Beschluss des Landgericht Frankfurt (Oder) vom 9. November 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache über das Vorliegen von Baumängeln an einem Objekt der Beklagten. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat hierzu im Rahmen der Beweisaufnahme angeordnet, ein gerichtliches Sachverständigengutachten über die von den Beklagten behaupteten Baumängel zu erheben. Mit der Begutachtung hat die Kammer den Sachverständigen Prof. Dr. Ing. M… R… beauftragt. Der Sachverständige hat sein erstes schriftliches Gutachten unter dem 12.07.2011 erstellt. Hierzu hatten die Beklagten Ergänzungsfragen, die durch das Landgericht zugelassen worden waren. U. a. sollte der Sachverständige zu folgender Frage ergänzend Stellung nehmen:
„Sind die Angaben in dem Gutachten vom 12.07.2011 so zu verstehen, dass bei einer unterstellten Annahme, der Spitzboden ist ein Aufenthaltsraum, eine unzulässige Durchbiegung der Kehlbalken vorliegen?“
Hierauf ging der Sachverständige in seinem ersten Ergänzungsgutachten vom 25.04.2012 ein. Hiergegen brachten die Beklagten weitere Ergänzungsfragen vor. Insbesondere sei nach ihrer Ansicht die vorgenannte Beweisfrage nicht beantwortet worden. Mit Beschluss vom 17.07.2012 beauftragte die Kammer den Sachverständigen erneut, ergänzend zu den Fragen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 27.06.2012 Stellung zu nehmen. Darin war die vorgenannte Frage erneut enthalten. In seinem Gutachten vom 08.08.2012 erklärte er im Hinblick auf die vorgenannte Beweisfrage Folgendes:
„Der Spitzboden ist kein Aufenthaltsraum.
Die genehmigten Planungsunterlagen weisen den oberen Dachraum als einen Spitzboden aus, der zwar zugängig aber nicht für Wohnzwecke geeignet ist.
Auf falls Teile des Spitzbodens höher als 1,80m sind, bleibt es ein Spitzboden und wird nicht automatisch ein Aufenthaltsraum.
Die Berechnung einer Durchbiegung unter der hypothetischen Annahme, der Spitzboden sei ein Aufenthaltsraum, ist im Rahmen dieses gerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich.
Auch die Beantwortung weiterer Fragen unter dieser hypothetischen Annahme ist im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich.“
Das vorgenannte Sachverständigengutachten ist den Beklagten am 17.08.2012 zugestellt worden. Ihnen wurde hierzu seitens der Kammer eine Gelegenheit zur Stellungnahme von zwei Wochen gewährt. Mit beim Landgericht am 30.08.2012 eingegangenem Schriftsatz haben die Beklagten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass im Laufe des Verfahrens sich für sie konkrete Anhaltspunkte ergeben hätten, die das Misstrauen rechtfertigten, dass die gutachterliche Bewertung nicht objektiv vorgenommen worden sei. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass der Sachverständige die vom Gericht hinsichtlich des Durchbiegens der Kehlbalken angeordneten Fragen nicht beantwortet bzw. sie in der Sache für hypothetisch gehalten habe. Obwohl die Beklagten die besondere Eigenschaft des Spitzbodens als nach ihrer Ansicht nach Aufenthaltsraum mehrfach deutlich hervorgehoben hätten, habe der Sachverständige die dahingehend gerichtete Frage nicht beantwortet und als hypothetisch bezeichnet. Er sei daher nicht gewillt, die gerichtlichen Fragen zu beantworten, was aus objektiver Sicht die Besorgnis der Befangenheit begründe. Insbesondere stelle der Sachverständige seine eigenen Rechtsauffassungen über die des Gerichts und die der Parteien.
Darüber hinaus wenden sich die Beklagten gegen die inhaltlichen Feststellungen des Sachverständigen unter Ziffer 2.5 seines Gutachtens, wo es um die Bewehrung der Erdgeschossdecke gehe. Hier habe sich der Sachverständige nicht ausreichend mit den Feststellungen des von ihnen eingeholten Privatgutachtens auseinandergesetzt.
Die Kammer hat den Sachverständigen zu den Vorwürfen der Beklagten angehört. Der Sachverständige hat in seiner Stellungnahme zum Befangenheitsantrag unter dem 10.10.2012 ausgeführt, dass er sich nicht für befangen halte. Er sei mit den Prozessbeteiligten weder bekannt noch habe er ein sonst irgendwie geartetes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Er erläutert, dass der Spitzboden nach der vorliegenden Baugenehmigung nicht ausgebaut werden sollte. Zwischen dem Dachgeschoss und dem Spitzboden befinde sich die Kehlbalkendecke, die also die Belastung eines nicht ausgebauten und für Wohnzwecke nicht geeigneten Spitzbodens aufnehme. Aus seiner Sicht stelle sich die Frage, ob der Dachboden hätte ausgebaut werden sollen und die Kehlbalkendecke damit die Lasten eines ausgebauten Spitzbodens hätte tragen sollen, als hypothetisch dar. Solche hypothetischen Fragen seien im Rahmen eines Gerichtsverfahrens jedoch notwendigerweise nicht zu beantworten.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2012 haben die Beklagten einen weiteren, gleichlautenden Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen angebracht. Sie wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag. Auch aus der Stellungnahme des Sachverständigen zeige sich, dass der Sachverständige nicht gewillt sei, die gerichtlicherseits angeordneten Fragen zu beantworten.
Die Klägerin ist dem Befangenheitsantrag der Beklagten entgegengetreten. Sie ist der Meinung, auf der Grundlage des eigenen Vortrages sei der Befangenheitsantrag verspätet angebracht. Die Beklagten räumen selber ein, dass sie bereits nach der ersten schriftlichen Begutachtung durch den Sachverständigen Bedenken an der Unparteilichkeit des Sachverständigen gehabt hätten, in diesem Falle wäre jedoch ein sofortiges Befangenheitsgesuch geboten gewesen. Im Übrigen stimme sie dem Sachverständigen dahingehend zu, dass es sich bei der gestellten Beweisfrage allein um hypothetische Überlegungen handele, auf die im Rahmen es Sachverständigengutachtens nicht einzugehen sei.
Mit Beschluss vom 09.11.2012 hat das Landgericht den Antrag der Beklagten zurückgewiesen. Es hat zum einen ausgeführt, dass die Ablehnung des Sachverständigen nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO verspätet und diese Verspätung nicht hinreichend entschuldigt worden sei.
Die Beklagten hätten sich rügelos auf die ersten beiden gutachterlichen Stellungnahmen des Sachverständigen eingelassen und innerhalb der ihnen hierzu nachgelassenen Stellungnahmefrist keine Ablehnungsgründe vorgetragen. Es sei ihnen daher gegenwärtig verwehrt, nunmehr ein Befangenheitsgesuch aus den gleichen Gründen anzubringen. Darüber hinaus habe der Sachverständige aber auch nicht in unzulässiger Weise rechtliche Würdigungen vorgenommen, welche im Übrigen auch für sich genommen, keinen Ablehnungsgrund begründen könnten. Vielmehr habe der Sachverständige die Fragen des Beweisbeschlusses ausgelegt und die Grundlagen seiner Annahme dargelegt. Auch sei eine gegebenenfalls fehlerhafte oder unzureichende Beantwortung der Beweisfragen nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Auch eine unterlassene Begehung der Baustelle durch den Sachverständigen begründe keinen Vorwurf der Befangenheit, da sich der Sachverständige hier in zutreffender Weise an die Planungsunterlagen halten konnte.
Der Beschluss des Landgerichts ist den Beklagten am 16.11.2012 zugestellt worden. Hiergegen haben sie mit beim Landgericht am 30.11.2012 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie sind der Auffassung, dass die Ablehnung des Sachverständigengutachtens nicht nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO verspätet sei, weil es sich hierbei auf einen zeitlichen Ablauf beziehe, der zwar seine Ursache in dem ersten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen finde, jedoch erst die nachhaltige Nichtbeantwortung der gestellten Fragen eine Befangenheit tragfähig begründen könne. Im Übrigen wiederholen und vertiefen sie die bereits in den vorangegangenen Schriftsätzen vorgetragene Rüge, dass sich der Sachverständige nicht mit den Fragen des Landgerichts auseinandergesetzt habe.
Mit Beschluss vom 13.12.2012 hat das Landgericht Frankfurt (Oder) der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie ist am letzten Tag der zweiwöchigen Beschwerdefrist beim Landgericht Frankfurt (Oder) eingegangen. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Ablehnungsgesuch der Beklagten ist nicht bereits unzulässig. Nach § 406 Abs. 2 S.1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf denen die Ablehnung des Sachverständigen beruht, erst zu einem späteren Zeitpunkt, sind die Ablehnungsgründe nach der Rechtsprechung des Senats gem. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich unverzüglich geltend zu machen. Das bedeutet, die Geltendmachung muss ohne schuldhaftes Zögern, innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist erfolgen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, 12 W 27/08, Beschl. v. 24.07.2008, zitiert nach juris, Tz. 10).
Nach diesen Grundsätzen ist das Ablehnungsgesuch der Beklagten nicht verspätet angebracht worden. Auch wenn die Beklagten hier möglicherweise schon mit dem Ausgangsgutachten des Sachverständigen inhaltlich nicht einverstanden gewesen seien und auch erst Ergänzungsfragen gestellt haben, die vom Landgericht zugelassen worden sind, ist dies jedenfalls noch nicht der Grund gewesen, auf den sie ihre nunmehr gestützte Befangenheit begründen. Aus ihrer Sicht stelle das beharrliche Gesamtverhalten des Sachverständigen, die von ihnen gestellten Fragen nicht beantworten zu wollen, den Befangenheitsgrund dar. Sie waren insoweit zunächst auch aus ihrer Sicht verpflichtet, den Sachverständigen zur Nachbesserung aufzufordern, was auch durch die Beweisbeschlüsse des Landgerichts zunächst geschehen ist.
Das Befangenheitsgesuch ist jedoch unbegründet. Die Ablehnung eines Sachverständigen gem. § 406 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, NJW-RR 1987, S. 893). Zwar kann eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründet sein, wenn der Sachverständige auf Einwendungen und Kritik gegen sein Gutachten unsachlich oder abwertend reagiert (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 08.07.2010, 12 W 17/10, zitiert nach juris, Tz. 10). Der Senat verkennt auch nicht, dass eine Partei vernünftigerweise Zweifel an der Unbefangenheit des Sachverständigen haben kann, wenn dieser seinen Gutachtenauftrag überschreitet, sich ersichtlich vom erkennenden Gericht nicht anleiten lässt, gerichtliche Anordnungen etwa ignoriert oder gar eigenmächtig in Ermittlungen oder Sachverhaltsaufklärungen eintritt, die von den Parteien schon nicht zum Gegenstand des Sachvortrags gemacht worden waren.
So liegt der Fall indessen hier nicht. Der Sachverständige hat hier weder seine Kompetenzen überschritten noch die Beweisfragen eigenmächtig abgeändert. Da er sich mit der Frage etwaige Baumängel auseinanderzusetzen hatte, war er vielmehr gehalten, anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen, hierzu zählen insbesondere die Vertragsunterlagen aber auch der Bauantrag und etwaige Genehmigungsplanungen, bei seiner Begutachtung zugrunde zu legen. Im konkreten Fall hat das Gericht den Sachverständigen zwar gebeten, ergänzend zu den Fragen der Beklagten Stellung zu nehmen. Der Sachverständige hat jedoch deutlich gemacht, dass es sich hierbei seines Erachtens um lediglich hypothetische Fragestellungen handelt. Dies stützt er nachvollziehbar und plausibel darauf, dass er hier die Baugenehmigung zugrunde legt, die hierzu die von ihm ausgewerteten Angaben macht. Er hat damit seinen Beurteilungsmaßstab offengelegt. Sollte dieser Beurteilungsmaßstab unzutreffend sein oder sollte der Sachverständige hier - entgegen seiner Annahmen - dennoch eine aus seiner Sicht hypothetische Frage beantworten müssen, so das wäre die Kammer gehalten gewesen, dies durch eine entsprechend klaren Auftrag an den Sachverständigen deutlich zu machen. Die schlichte Wiederholung bereits gestellter Fragen, bei denen das Gericht diese lediglich an den Sachverständigen ohne eine eigene Lenkung vorzunehmen, weiterleitet, stellt eine solche klare Anweisung nicht dar.
Soweit die Beklagten in ihrem Befangenheitsgesuch und auch im Rahmen der sofortigen Beschwerde darauf hinweisen, dass aus ihrer Sicht das vorgelegte Sachverständigengutachten Rechtsausführungen enthalte oder inhaltlich fehlerhaft sei, führt auch dies nicht zur Besorgnis der Befangenheit. In der Rechtsprechung, der sich auch der Senat anschließt, ist anerkannt, dass ein Sachverständigengutachten, das Rechtsausführungen enthält, keinen durchgreifenden Verdacht der Befangenheit begründet (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1994, S. 725; OLG Nürnberg MDR 2002, 291; vgl. hierzu auch Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 406 Rn. 9). Im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit des Sachverständigengutachtens ist die dies rügende Partei gehalten, entsprechende Einwendungen vorzubringen, den Sachverständigen gegebenenfalls zu befragen und sich hiermit im Rahmen des Parteivortrags substanziiert auseinanderzusetzen. Darauf hat das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung auch hingewiesen. Im Übrigen besteht die Möglichkeit gem. § 411 Abs. 3 ZPO darauf hinzuwirken, dass der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutere.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Zwar handelt es sich bei dem Verfahren betreffend die Sachverständigenablehnung grundsätzlich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren, so dass außergerichtliche Gebühren grundsätzlich nicht erstattet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gilt dies jedoch nicht, wenn der Beschwerdegegner zur Stellungnahme im Beschwerdeverfahren aufgefordert worden war und auch zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen hat (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, OLG-NL 2002, S. 183; Senat, Beschl. v. 08.07.2010, 12 W 17/10, zitiert nach juris, Tz. 13). Hier hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.12.2012 im Beschwerdeverfahren Stellung genommen.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 8.000,00 € festgesetzt, §§ 48 Abs. 1, 42 Abs. 1, Abs. 4 GKG, 3 ZPO. Der Senat bemisst den Wert für das Beschwerdeverfahren in Bezug auf eine Sachverständigenablehnung mit einem Bruchteil von 1/3 des Wertes des Hauptsacheverfahrens (so auch BGH AGS 2004, S. 159; OLG Koblenz OLGR 2005, S. 466; OLG Düsseldorf OLGR 2004, S. 372; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. vom 18.10.2012, 12 W 45/12).