Gericht | FG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 28.09.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 V 3202/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Vollziehung des Bescheides für 2007 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 22. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2012 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 3 K 3179/12 mit der Maßgabe ausgesetzt, dass negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 74.350 € festgestellt werden.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragstellerin im Jahr der Veräußerung des Grundstücks die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 Fördergebietsgesetz – FördG - mit dem vollen Jahresbetrag oder nur zeitanteilig (pro rata temporis) zusteht.
Die Antragstellerin – eine zweigliedrige Grundstücksgemeinschaft – erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Vermietung eines Mehrfamilienhauses in C…, B…, das sie mit Nutzen- und Lastenwechsel zum 30. April 2007 veräußerte.
Die Antragstellerin hatte das Grundstück im Jahre 1994 erworben und zwischen den Jahren 1994 und 1998 im Volumen von 1.400.630 DM von Grund auf modernisieren lassen. Die letzte Modernisierungsmaßnahme erfolgte am 31. Mai 1998 (siehe Feststellungs-Akte, Fach 1999). Hinsichtlich der Modernisierungsmaßnahmen nahm die Antragstellerin in den Jahren von 1994 bis 1998 Sonderabschreibungen gemäß § 4 FördG in Höhe von insgesamt 641.666 DM (328.129 €) sowie im Jahre 1998 zeitanteilig beginnend ab Mai 1998 normale Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz –EStG - in Höhe von 18.675 DM (9.548,37 €) in Anspruch. Beginnend mit dem auf die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung folgenden Jahr 1999 schrieb die Antragstellerin den Restwert im Sinne von § 4 Abs. 3 FördG in Höhe von 740.189 DM (378.454 €) über den verbleibenden Abschreibungszeitraum von neun Jahren mit jeweils 1/9 in Höhe von jährlich 82.244 DM (42.051 €) ab. Mit ihrer Feststellungserklärung für 2007 machte die Antragstellerin dem folgend die volle Restwertabschreibung in Höhe von 42.051 € letztmals geltend. Mit Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 22. Oktober 2009 gewährte der Beklagte die Restwertabschreibung für 2007 nur zeitanteilig für vier Monate in Höhe von 14.017 € und stellte die Verluste aus Vermietung und Verpachtung auf 43.316 € fest.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. In seiner Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2012 führte der Beklagte aus, dass die Restwertabschreibung nach § 4 Abs 3 FördG nur zeitanteilig bis zum Verkauf der Immobilie im April 2007 berücksichtigt werden könne.
Mit Verfügung vom 3. August 2012 (Bl. 2 Streitakte) lehnte er außerdem den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Die Antragstellerin hat in der Hauptsache Klage erhoben, die bei dem beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen 3 K 3179/12 geführt wird und über die bislang nicht entschieden ist.
Mit ihrem bei Gericht am 8. August 2012 eingegangenen Antrag vom 7. August 2012 begehrt die Antragstellerin nunmehr auch vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz. Sie macht geltend, dass ihr im Streitjahr die volle Restwertabschreibung zustehe. Der Kürzung des Jahresbetrages stehe die Sonderregelung des § 4 Abs. 3 FördG entgegen. Danach handele es sich bei der Restwertabschreibung um eine Sonderabschreibung, die nicht zeitanteilig, sondern in voller Höhe gewährt werden müsse.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich (sinngemäß),
die Vollziehung des Bescheides für 2007 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 22. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2012 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 3 K 3179/12 mit der Maßgabe auszusetzen, dass die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 74.350 € festgestellt werden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren geäußerten Rechtsauffassung fest und verweist im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
Dem beschließenden Senat haben bei seiner Entscheidungsfindung neben je einem Band –Bd.- Streitakten zum vorliegenden Eilverfahren sowie zum Hauptsacheverfahren 3 K 3179/12 außerdem zwei Bde. Feststellungsakten des Antragsgegners zur Steuernummer …/…/….. vorgelegen, auf deren Inhalte ergänzend Bezug genommen wird.
II.
Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung für das Eilverfahren erfüllt (§ 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -), denn der Antragsgegner hat mit Verwaltungsakt vom 3. August 2012 eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grundlagenbescheides abgelehnt.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen, gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (Bundesfinanzhof –BFH-, Beschluss vom 13. Juli 1994, I B 93/94, Bundessteuerblatt –BStBl.- II 1995, 65) oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen aufwerfen (BFH, Beschluss vom 12. November 1992, XI B 69/92, BStBl. II 1993, 263 m.w.N. - ständige Rechtsprechung). Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ein summarisches Verfahren, in dem wegen der grundsätzlichen Eilbedürftigkeit nur auf Basis des vorliegenden Akteninhalts und aufgrund präsenter Beweismittel entschieden wird. Der das finanzgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschende Untersuchungsgrundsatz wird insoweit eingeschränkt (Tipke/Kruse, FGO, Tz 122 zu § 69).
Soweit der Antragsgegner im Streitjahr die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG nicht mit dem vollen Jahresbetrag, sondern nur zeitanteilig für vier Monate bis zur Veräußerung des Vermietungsobjekts mit Nutzen- und Lastenwechsel zum 30. April 2007 zum Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugelassen hat, bestehen nach der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides.
Nach Auffassung des beschließenden Senats bestehen Bedenken an der vom Antragsgegner vertretenen einschränkenden Auslegung des § 4 Abs. 3 FördG. Der erkennende Senat legt den Tatbestand des § 4 Abs. 3 FördG dahingehend aus, dass bei unterjähriger Veräußerung des Förderobjekts dem Investor für dieses Jahr der volle Jahresbetrag der Restwertabschreibung zusteht. Für eine ungekürzte Berücksichtigung der Restwertabschreibung im Streitjahr sprechen folgende Erwägungen:
Nach § 4 Abs. 3 FördG ist der Restwert von dem Jahr an, in dem die Sonderabschreibungen nicht mehr vorgenommen werden können, spätestens vom fünften, auf das Jahr der Beendigung der Herstellungsarbeiten folgenden Jahr an bis zum Ende des neunten Jahres nach dem Jahr der Beendigung der Herstellungsarbeiten, in gleichen Jahresbeträgen abzusetzen. Ein Anhalt für eine zeitanteilige Restwertabschreibung im Jahr der Veräußerung des Modernisierungsobjekts lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Ebenso spricht die Überschrift des § 4 FördG („Sonderabschreibungen“) wie auch die Entstehungsgeschichte des Fördergebietsgesetzes dafür, dem Investor durch Gewährung besonderer steuerlicher Anreize eine optimale Förderung seiner Investition zuzubilligen.
Zur gesetzgeberischen Motivation bei Schaffung des Fördergebietsgesetzes hat der BFH (u.a.) ausgeführt (vgl. Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 20/03, BStBl. II 2005, 33):
„Sonderabschreibungen gemäß §§ 1, 3, 4 FördG sollen einen Anreiz dafür geben, die dringend erforderlichen Neubauten sowie Maßnahmen zum Ausbau, zur Erweiterung und zur Modernisierung von Gebäuden im Fördergebiet unverzüglich vorzunehmen (BTDrucks 12/562, S. 72). … Die steuerrechtlichen Lenkungsnormen der §§ 1, 3, 4 FördG konzentrieren durch ihr Gestaltungsangebot, einen erheblichen Teil der Herstellungskosten vorab geltend zu machen, die steuerliche Entlastungswirkung, um den Steuerpflichtigen dadurch zu Investitionen i.S. von § 3 FördG zu veranlassen. Sie nehmen die steuerrechtlichen Wirkungen vorweg, die sonst erst im Laufe der Nutzung dieses Wirtschaftsguts im Zusammenhang mit einer Einkunftsart eintreten würden. ….“
Gegen die vom Antragsgegner befürwortete einschränkende Auslegung spricht außerdem, dass § 4 Abs. 3 FördG eine Sonderregelung für die Restwertabschreibung bei Modernisierungsmaßnahmen darstellt (vgl. Töben, Das Fördergebietsgesetz, 2. Aufl. 1996, Rz. 743, Seite 249). Im Vergleich zur „normalen“ Restwertabschreibung gem. § 7a Abs. 9 EStG sind Modernisierungsmaßnahmen bei Objekten im Fördergebiet nicht nur durch die Höhe der Sonderabschreibungen gegenüber anderen Immobilieninvestitionen begünstigt, sondern auch durch die besondere Restwertabschreibung. Während § 7a Abs. 9 EStG bestimmt, dass nach Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen die Restwertabschreibung so zu berechnen ist, dass der Restwert auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes verteilt wird (regelmäßig 45 Jahre), ist die Restwertabschreibung für Modernisierungsmaßnahmen gem. § 4 Abs. 3 FördG so zu bemessen, dass die gesamten Kosten der Modernisierungsmaßnahme innerhalb von zehn Jahren abgeschrieben werden. Außerdem besteht noch ein Unterschied: Während normalerweise die Restwertabschreibung erst mit Ablauf des fünfjährigen Begünstigungszeitraums beginnt, beginnt die Restwertabschreibung bei Modernisierungsmaßnahmen bereits mit Ablauf des Jahres, in dem der Investor die Sonderabschreibung ausgeschöpft hat. Hieraus ergibt sich kein fester Prozentsatz für die Restwertabschreibung, sondern einem diesem Wahlrecht angepasste unterschiedliche Höhe. Auch die darin begründete Privilegierung der Restwertabschreibung bei Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Restwert-AfA i. S. d. § 7a Abs. 9 EStG deutet deshalb ebenfalls darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der streitgegenständlichen Vorschrift eine besondere Privilegierung schaffen wollte, die es nahelegt, die Restwertabschreibung im Jahr der Veräußerung des Modernisierungsobjekts in voller Höhe zum Werbungskostenabzug zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht hat die Beschwerde zum BFH zugelassen, weil zu der vorliegend streitigen Rechtsproblematik – soweit ersichtlich - keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert (§ 128 Abs. 3 i.V.m. 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).