Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 18.11.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 S 67.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 16 BImSchG, § 18 Abs 1 Nr 1 BImSchG, § 18 Abs 3 BImSchG, § 31 Abs 2 VwVfG, § 36 BauGB |
Eine in der Anlagengenehmigung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gesetzte Frist für die Errichtung der Anlage beginnt mit dem auf die Bekanntgabe folgenden Tag zu laufen, soweit die Genehmigungsbehörde nichts abweichendes bestimmt. Fußt eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG auf einer tatsächlich bereits erloschenen originären Anlagengenehmigung, kann die drittbetroffene Gemeinde, deren Einvernehmen die Genehmigungsbehörde im Änderungsgenehmigungsverfahren für entbehrlich gehalten hat, schon deshalb eine Verletzung ihrer Beteiligungsrechte nach § 36 BauGB geltend machen.
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. November 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Beigeladene.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 25.000,- EUR festgesetzt.
I.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2002 erteilte der Rechtsvorgänger des Antragsgegners, das Amt für Immissionsschutz Brandenburg an der Havel, der E. die Genehmigung nach § 4 BImSchG zur Errichtung und zum Betrieb einer Windfarm, bestehend aus vier Windkraftanlagen in der Gemarkung Glindow, Flur 1, Flurstück 871/1. Der Bescheid enthält unter IV.B.1.3 die Nebenbestimmung: "Die Genehmigung erlischt, wenn nach Erhalt dieses Bescheides mit der Errichtung der Anlage nicht innerhalb von 12 Monaten begonnen und die Anlage nicht innerhalb von weiteren 12 Monaten in Betrieb genommen worden ist." Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 12. Juni 2002 Widerspruch ein und erhob nachfolgend am 9. Dezember 2002 Klage vor dem Verwaltungsgericht jeweils mit der Begründung, dass das von ihr verweigerte gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB rechtswidrig ersetzt worden sei. Ihren zeitgleich mit dem Widerspruch gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. September 2002 (4 L 566/02) ab; die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg mit Beschluss vom 16. September 2003 (3 B 315/02) zurück. Mit Schreiben vom 15. Mai 2003 beantragte die E., die unter IV. B. 1.3 des Genehmigungsbescheides verfügte Frist für den Beginn der Bauarbeiten um ein weiteres Jahr bis zum 23. Mai 2004 zu verlängern. Hierauf antwortete das Amt für Immissionsschutz mit Schreiben vom 12. Juni 2003, dass die Genehmigung angefochten sei und eine umfassend wirkende Erklärung zur sofortigen Vollziehung nicht existiere, die Genehmigung also in ihrer Vollziehung gehemmt sei. Nach einer Kommentierung zum BImSchG beginne die Frist erst zu laufen, wenn die Genehmigung unanfechtbar oder für sofort vollziehbar erklärt worden sei. Die Erteilung einer Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG sei danach zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht relevant, da nicht erforderlich. Durch Urteil vom 3. Juni 2005 (4 K 4249/02) hat das Verwaltungsgericht den Genehmigungsbescheid in der Gestalt des ihn bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 5. November 2002 mit der Begründung aufgehoben, dass das von der Antragstellerin verweigerte gemeindliche Einvernehmen nicht nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 90 Abs. 1 und 3 BbgBauO 1998 hätte ersetzt werden dürfen. Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen hat der beschließende Senat das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. Juni 2005 durch Urteil vom 14. Dezember 2006 geändert und die Klage abgewiesen.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2007 meldete sich die Beigeladene bei dem Antragsgegner als neue Bauherrin, zeigte unter Berufung auf § 15 BImSchG die Änderung des Anlagentyps an und beantragte diesbezüglich eine Freistellungserklärung. Mit Bescheid vom 29. November 2007 stellte der Antragsgegner gegenüber der Beigeladenen fest, dass für die angezeigte Änderung ein Genehmigungsverfahren gemäß § 16 BImSchG erforderlich sei. Am 16. Januar 2008 beantragte die Beigeladene daraufhin, die Änderung des Anlagentyps gemäß § 16 BImSchG zu genehmigen.
Durch Bescheid vom 6. Juni 2008 verlängerte der Antragsgegner die im Genehmigungsbescheid vom 31. Mai 2002 unter IV.B.1.3 genannte Frist für den Errichtungsbeginn für die WKA 2 und 4 bis zum 8. März 2011. In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a.: Das Urteil des beschließenden Senats vom 20. Dezember 2006 sei am 6. und 8. Februar 2007 zugestellt und am 8. März 2007 rechtskräftig geworden. Am 6. Februar 2008 habe die Beigeladene mit der Begründung, dass der ursprünglich genehmigte Anlagentyp nicht mehr hergestellt werde, die Verlängerung der Frist für den Errichtungsbeginn der Windkraftanlagen um 36 Monate beantragt, diesen Antrag hinsichtlich der WKA 1 und 3 jedoch am 20. Mai 2008 zurückgenommen. Eine frühere Errichtung der Windkraftanlagen sei nicht möglich gewesen, weil die E. aufgrund der fehlenden Bestandskraft der Genehmigung keine Bankfinanzierung für ihr Projekt erhalten habe. Der Fristverlängerung stünden keine bauordnungsrechtlichen Belange entgegen; bauplanungsrechtliche Belange würden ebenfalls nicht verletzt. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 zurück. Die hiergegen erhobene Klage (VG 4 K 1018/09) ist bei dem Verwaltungsgericht anhängig.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2009 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die von ihr noch für zwei Windkraftanlagen begehrte Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG. Der dagegen erhobene Widerspruch der Antragstellerin ist noch nicht beschieden.
Durch Bescheid vom 31. Juli 2009 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Fristverlängerung vom 6. Juni 2008 sowie der Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009 an. Auf den daraufhin von der Antragstellerin gestellten Antrag nach § 80a Abs. 2, 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage VG 4 K 1018/09 der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 6. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2009 und des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009 wiederhergestellt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob eine Verlängerung der Frist zur Errichtung der beiden allein noch streitgegenständlichen Windkraftanlagen nicht bereits deshalb ausgeschlossen sei, weil der Fristverlängerungsantrag nicht innerhalb von 12 Monaten nach Erhalt des Genehmigungsbescheides vom 23. Mai 2002, sondern erst am 5. Februar 2008 gestellt worden sei. Wegen der von der Antragstellerin um die ursprüngliche Anlagengenehmigung geführten Rechtsstreitigkeiten könnte die behördlich nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gesetzte Frist zum Errichtungsbeginn allerdings analog § 204 BGB gehemmt gewesen sein. Ob als Zeitraum einer Hemmung die Dauer der gerichtlichen Hauptsacheverfahren oder, wofür aus Sicht der Kammer mehr spreche, die Dauer der von des Antragstellerin erfolglos geführten vorläufigen Rechtschutzverfahren anzusetzen sei und ob mit Blick darauf ein wichtiger Grund im Sinne von § 18 Abs. 3 BImSchG zu bejahen sei, bedürfe indessen keiner vertieften Erörterung. Die behördlich gesetzte Frist habe jedenfalls wegen einer zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 6. Juni 2008 in bauplanungsrechtlicher Hinsicht maßgeblich geänderten Rechtslage nicht verlängert werden dürfen. Denn am 30. April 2008 sei der sachliche Teilplan "Windenergienutzung" der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming mit Wirkung zum 1. Mai 2008 erneut bekannt gemacht worden, der die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen, die, wie die hier streitgegenständlichen, außerhalb der ausgewiesenen Eignungsgebiete lägen, in der Regel ausschließe. Aufgrund des Widerspruchs zu der raumordnerischen Zielvorgabe sei auch die Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009 zu beanstanden. Ungeachtet dessen setze die Erteilung der Änderungsgenehmigung denknotwendig den Fortbestand der Vorgenehmigung voraus. Diese sei jedoch erloschen, da sie nach § 18 Abs. 3 BImSchG jedenfalls nicht in rechtmäßiger Weise habe verlängert werden können. Insoweit stelle sich die Änderungsgenehmigung faktisch als Neugenehmigung dar. Wie der beschließende Senat in seinem Urteil vom 14. Dezember 2006 zutreffend dargelegt habe, könne die Antragstellerin dem Vorhaben der Beigeladenen auch Gesichtspunkte der Regionalplanung entgegenhalten.
II.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet, weil deren Begründung im Ergebnis keine Änderung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigt.
1. Ohne Erfolg beruft sich die Beigeladene darauf, dass die durch Bescheid des Antragsgegners vom 6. Juni 2008 nach § 18 Abs. 3 BImSchG verfügte Verlängerung der Errichtungsfrist gemäß Nebenbestimmung IV.B.1.3 des Genehmigungsbescheides vom 23. Mai 2002 die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletze. Sie macht insoweit geltend, dass der Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG gegebenenfalls insoweit Drittschutz unterlegt werden könne, als sich ein im Einwirkungsbereich der Anlage wohnender Nachbar gegen die Verlängerung der Genehmigung wende, dies für die drittbetroffene Gemeinde jedoch nicht gelte. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorliegend für das Vorhaben das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 BauGB bereits bestandskräftig ersetzt worden sei, könne sich die Antragstellerin nur auf solche durch das Selbstverwaltungsrecht geschützten öffentlich-rechtlichen Belange stützen, die nach Eintritt der Bestandskraft der Anlagengenehmigung entstanden seien (vgl. VGH Mannheim, Urt. vom 21. Juni 1994 - 10 S 966/94 -, Juris, Rn. 7).
Diesem Ansatz kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Verlängerung der Errichtungsfrist hier im Kontext der Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009 gesehen werden muss. Da die Beigeladene bereits unter dem 31. Oktober 2007 die Änderung des Anlagentyps angezeigt und aufgrund des Feststellungsbescheides des Antragsgegners vom 29. November 2007 mit Schreiben vom 16. Januar 2008 eine Änderungsgenehmigung gemäß § 16 BImSchG beantragt hatte, konnte die am 5. Februar 2008 beantragte Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG ersichtlich nur den Zweck haben, die ursprüngliche Anlagengenehmigung vom 23. Mai 2002 als Grundlage einer Änderungsgenehmigung zu erhalten. Anderenfalls hätte die Beigeladene für die Errichtung und den Betrieb der neuen Windkraftanlagen eine originäre Anlagengenehmigung nach § 4 BImSchG beantragen müssen. Das erschließt sich auch aus der in die Begründung der Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009 teilweise wörtlich eingerückten Erwiderung des Antragsgegners vom 20. Mai 2009 auf die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens der Antragstellerin vom 10. November 2008. Darin heißt es u.a.: Eine detaillierte planungsrechtliche Prüfung des Antragsgegners habe ergeben, dass im Rahmen des vorliegenden Genehmigungsverfahrens zur Änderung von zwei Windkraftanlagen am Standort Glindow ein Ersetzen des gemeindlichen Einvernehmens nicht erforderlich sei. In einem Genehmigungsverfahren zur Änderung von Anlagen sei sicherzustellen, dass die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vorliegen. Die Notwendigkeit einer planungsrechtlichen Prüfung nach §§ 30 ff. BauGB ergebe sich daraus, ob die beantragte Änderung des Anlagentyps der beiden genehmigten Windkraftanlagen einem Vorhaben nach § 29 Abs. 1 BauGB zuzuordnen sei. Dafür sei entscheidend, ob durch die beabsichtigte Änderung neue städtebauliche Belange (d.h. Belange, die erstmals oder in einer anderen Form auftreten würden, als sie bei der Ursprungsgenehmigung berücksichtigt worden seien) berührt würden. Das sei bei dem beantragten Vorhaben nicht der Fall. Es sei geplant, die beiden genehmigten Windkraftanlagen am selben Standort durch einen neuen Windkraftanlagentyp zu ersetzen, der keine erhöhte städtebauliche Relevanz aufweise. Der neue Anlagentyp sei etwas kleiner und habe einen geringeren Rotordurchmesser; es könnten also im Vergleich zur Ursprungsgenehmigung keine nachteiligen Auswirkungen in Bezug auf den Schattenwurf sowie das Landschaftsbild auftreten; auch sei eine Erhöhung der Lärmbeeinträchtigung ausgeschlossen. Eine Neugenehmigung nach § 4 BImSchG und damit eine vollständige planungsrechtliche Überprüfung des Vorhabens sei nicht notwendig. Damit könne sich die Prüfung auf die Fragen beschränken, die durch die Änderung aufgeworfen würden. Dies seien keine planungsrechtlichen Belange. Diese Argumentation setzt den Fortbestand der Ursprungsgenehmigung notwendig voraus. Wäre deren Geltungsdauer durch den Bescheid des Antragsgegners vom 6. Juni 2008 nicht wirksam verlängert worden, entfiele die Grundlage der Änderungsgenehmigung und es hätte zwingend einer Neugenehmigung nach § 4 BImSchG bedurft, die selbst nach der Auffassung des Antragsgegners eine vollständige planungsrechtliche Überprüfung und damit auch die Einholung des gemeindlichen Einvernehmens der Antragstellerin nach § 36 BauGB erfordert hätte. Folglich wären die Rechte der Antragstellerin in diesem Fall schon deshalb verletzt, weil das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB weder durch sie selbst erteilt noch durch den Antragsgegner ersetzt wurde, dieser Letzteres vielmehr für entbehrlich hielt.
2. Nach summarischer Prüfung spricht ganz Überwiegendes dafür, dass die durch den Bescheid des Antragsgegners vom 6. Juni 2008 verfügte Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG und folglich auch die Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009 rechtswidrig sind und nach den oben stehenden Ausführungen die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Das schließt die Annahme eines überwiegenden Interesses an der sofortigen Vollziehung dieser Bescheide aus.
a) Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erlischt die Genehmigung, wenn innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde gesetzten angemessenen Frist nicht mit der Errichtung oder dem Betrieb der Anlage begonnen worden ist. Nach § 18 Abs. 3 BImSchG kann die Genehmigungsbehörde auf Antrag die Fristen nach Abs. 1 aus wichtigem Grunde verlängern, wenn hierdurch der Zweck des Gesetzes nicht gefährdet wird. Das setzt zwingend voraus, dass die Frist nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG jedenfalls zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrags noch nicht abgelaufen war, weil anderenfalls die Genehmigung bereits erloschen wäre, wohingegen auf einen vor Fristablauf gestellten Antrag die Frist auch noch nach Fristablauf verlängert werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2005 - 7 C 25/04 -, BVerwGE 124, 156 sowie Juris, Rz. 15). Die im Genehmigungsbescheid vom 23. Mai 2002 enthaltene Nebenbestimmung IV.B.1.3 knüpft die darin bestimmte zwölfmonatige Frist für die Errichtung der Anlage ebenso wie die daran anschließende ebenfalls zwölfmonatige Frist für die Inbetriebnahme der Anlage, nach deren Verstreichen die Genehmigung jeweils erlischt, ausdrücklich an den „Erhalt“ des Genehmigungsbescheides. Dies war ebenfalls der 23. Mai 2002, da die Genehmigung der E. noch an diesem Tag ausgehändigt wurde. Zwar hatte die E. nach dem Vorbringen der Beigeladenen bereits mit Schreiben vom 15. Mai 2003 eine Verlängerung der Gültigkeitsfrist des Genehmigungsbescheides beantragt. Sie gab sich jedoch mit der Auskunft des Rechtsvorgängers des Antragsgegners vom 12. Juni 2003 zufrieden, dass eine Fristverlängerung „zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht relevant, da nicht erforderlich“ sei, und verfolgte den Antrag nicht weiter. Im Übrigen zielte der Antrag vom 15. Mai 2003 nur auf eine Fristverlängerung um ein weiteres Jahr bis zum 23. Mai 2004. Auch bis zu diesem Zeitpunkt hatte die E. mit der Anlagenerrichtung noch nicht begonnen. Folglich war der Genehmigungsbescheid vom 23. Mai 2002 bei Stellung des erneuten Verlängerungsantrags der Beigeladenen vom 6. Februar 2008 bereits geraume Zeit erloschen.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen war der Fristenlauf nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Genehmigungsbescheides vom 23. Mai 2002 gehemmt. Gemäß § 31 Abs. 2 VwVfG beginnt der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird. Hier ist der Beginn der nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gesetzten Fristen weder an die Bestandskraft des Genehmigungsbescheides (wie etwa im Falle des Beschlusses des OVG Magdeburg vom 19. November 2008 - 2 M 201/08 -, bei Juris, Rz. 9) noch an dessen sofortige Vollziehbarkeit geknüpft (vgl. dazu VGH München, Urteil vom 13. Mai 2005 - 22 A 96. 40091 -, NVwZ-RR 2006, 456, 457; VGH Kassel, Beschluss vom 22. April 2002 - 2 TG 713/02 -, bei Feldhaus, ES, BImSchG § 18 – 3 sowie bei Juris, dort nur Leitsatz; ebenso Feldhaus, § 18 BImSchG, Rz. 21), sondern es ist vielmehr ausdrücklich ein der gesetzlichen Regelung entsprechender Fristbeginn verfügt worden.
In diesem Zusammenhang verweist die Beigeladene ohne Erfolg auf die baurechtliche Rechtsprechung zur Geltungsdauer der Baugenehmigung. Wie der Senat mit Urteil vom 20. Juni 2006 - OVG 11 B 7.05 - (bei Juris, Rz. 32) dargestellt hat, wird zwar in der baurechtlichen Rechtsprechung vertreten, dass die in den Landesbauordnungen geregelte Frist für die Geltung einer Baugenehmigung (vgl. z.B. § 69 BbgBO) auch dann durch Widerspruch und Anfechtungsklage eines Nachbarn unterbrochen werde, wenn die Baugenehmigung sofort vollziehbar ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 25. März 1999 - 8 S 218/99 -, NvWZ-RR 2000, 485; OVG Münster, Beschluss vom 22. Juni 2001 - 7 A 3553/00 -, bei Juris; OVG Magdeburg, Urteil vom 15. April 1999 - A 2 S 363/97 -, ebenfalls bei Juris). So sei der Bauherr in einem solchen Fall rechtlich zwar nicht daran gehindert, von der Baugenehmigung schon vor Eintritt der Bestandskraft Gebrauch zu machen. Vielmehr sei es gerade der Sinn des Sofortvollzugs, dem Bauherrn einen sofortigen Baubeginn ohne Rücksicht auf den noch nicht beschiedenen Widerspruch oder eine noch anhängige Klage zu ermöglichen. Solange die ihm erteilte Baugenehmigung nicht bestandskräftig sei, müsse er jedoch damit rechnen, dass der Nachbar mit seinem Widerspruch oder einer sich ggf. anschließenden Klage Erfolg habe und die Baugenehmigung aufgehoben werde. Die somit bestehende Unsicherheit werde noch dadurch erhöht, dass § 50 VwVfG die Vertrauensschutzvorschriften der §§ 48, 49 VwVfG für die Rücknahme bzw. den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts während des Widerspruchsverfahrens oder eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für nicht anwendbar erkläre. Ein Bauherr, der bereits vor Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung mit den Bauarbeiten beginne, setze sich damit dem Risiko aus, dass er die bereits erstellten Bauteile wieder abbrechen oder unter Umständen kostspielige Umbaumaßnahmen vornehmen müsse. Diese Rechtsprechung ist auf die Frist nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG jedoch nicht übertragbar. Während die Landesbauordnungen die Geltungsdauer der Bauerlaubnis unmittelbar normativ regeln, stellt § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sowohl das Ob als auch die Bemessung der Fristen für den Beginn der Errichtung und des Betriebs der Anlage in das pflichtgemäße Ermessen der Genehmigungsbehörde. Der Anlagenbetreiber kann bereits mit dem Genehmigungsantrag darauf hinwirken, dass eine entsprechende Fristbestimmung unterbleibt oder dass die Frist ausreichend bemessen wird. Darüber hinaus kann er nach Erhalt des Bescheides gegen die Fristbestimmung vorgehen (vgl. Giesberts/Reinhart, Beck'scher Online Kommentar, BImSchG, § 18, Rz. 8; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 18 BImSchG, Rz. 14,50). Schließlich kann er rechtzeitig auf eine Verlängerung der Frist nach § 18 Abs. 3 BImSchG hinwirken.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat der Antragsgegner die in der Nebenbestimmung IV. B. 1.3 getroffene Fristbestimmung auch nicht nachträglich durch sein Schreiben vom 12. Juni 2003 geändert. Bei diesem Schreiben handelt es sich lediglich um eine formlose Rechtsauskunft, die sich bei näherer Prüfung als unzutreffend erweist. Das Schreiben hat weder äußerlich die Form eines Bescheides noch lässt sich seinem Inhalt der behördliche Wille entnehmen, den Genehmigungsbescheid teilweise zu ändern.
b) Infolge des Erlöschens der Anlagengenehmigung vom 23. Mai 2002 fehlt es an der Grundlage der Änderungsgenehmigung vom 8. Juli 2009. Vielmehr bedarf es einer neuen originären Anlagengenehmigung nach § 4 BImSchG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).