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Kostenfestsetzung; Änderung; Beschwerde; Einigungsgebühr; finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Jahresurlaub; "Musterverfahren" beim Bundesverwaltungsgericht; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 B 10.12 -; Umsetzung des "Musterverfahrens" auf den vorliegenden Fall; besonderes Bemühen des Rechtsanwalts um Einigung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 17.12.2014
Aktenzeichen OVG 6 K 128.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Nr 1002 RVG-VV

Leitsatz

1. Zum Entstehen einer Einigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG bedarf es einer anwaltlichen Mitwirkung, die über das hinausgeht, was von dem Anwalt allgemein im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten ist, und die durch die bis dahin entstandenen Gebühren noch nicht als abgegolten angesehen werden kann (An-schluss an BVerwG, Beschluss vom 28. November 2011 - 6 B 34.11 -, Rn. 4 bei juris).

2. Ein solches Bemühen ist grundsätzlich nicht anzunehmen, wenn die Erledigung des Verfahrens aus der Umsetzung eines gleichgelagerten "Musterverfahrens" folgt.

Tenor

Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1. Die Beteiligten streiten über den Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 ff. VV RVG.

Im zu Grunde liegenden Erkenntnisverfahren hat der Erinnerungsführer als Beamter im Landesdienst begehrt, ihm eine finanzielle Abgeltung für nicht genommenen Jahresurlaub nach Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG für die Jahre 2008 bis zum 31. Oktober 2010, dem Tag seiner Zurruhesetzung, zu gewähren, weil es ihm aufgrund von Dienstunfähigkeit nicht möglich war, den ihm zustehenden Jahresurlaub anzutreten. Das Verfahren wurde im Hinblick auf gleich gelagerte Verfahren im Einverständnis der Beteiligten ausgesetzt. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - in einem solchen gleich gelagerten Verfahren entschieden hatte, setzte der Beklagte dies mit dem Ergebnis um, dass dem Klagebegehren zum großen Teil entsprochen wurde. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat die Kosten des Verfahrens im Einverständnis der Beteiligten dem Erinnerungsführer zu 58,89 % und dem Erinnerungsgegner zu 41,11 % auferlegt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kosten ohne Berücksichtigung der beantragten Einigungsgebühr festgesetzt. Die dagegen eingelegte Erinnerung ist erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Erinnerungsführer könne weder die geltend gemachte Einigungsgebühr noch eine Erledigungsgebühr beanspruchen. Die teilweise Klaglosstellung des Erinnerungsführers im Ausgangsverfahren beruhe ersichtlich darauf, dass der Erinnerungsgegner die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in einem gleich gelagerten Verfahren entsprechend umgesetzt habe. Auch das Vorbringen des Erinnerungsführers, er habe seinen Mandanten durch eingehende Erörterung und Erläuterung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dazu bewogen, sich mit der teilweisen Klaglosstellung zufriedenzugeben und den Rechtsstreit insgesamt in der Hauptsache für erledigt zu erklären, vermöge das Anfallen einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG nicht zu begründen. Die vorliegend in Rede stehende prozessuale Situation entspreche derjenigen einer Klagerücknahme, bei der das entsprechende Bemühen des Anwalts, seinen Mandanten von der Fortführung des Klageverfahrens abzubringen, nicht besonders vergütet werde.

2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass vorliegend eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG nicht angefallen ist. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Hierfür bedarf es einer anwaltlichen Mitwirkung, die über das hinausgeht, was von dem Anwalt allgemeinem im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten ist, und die durch die bis dahin entstandenen Gebühren noch nicht als abgegolten angesehen werden kann (vgl. BVerwG Beschluss vom 28. November 2011 - 6 B 34.11 -, Rn. 4 bei juris; Senatsbeschluss vom 17. September 2014 - 6 K 106.14 - m.w.N.). Als Erfolgsgebühr stellt sie ein Honorar für Prozessbevollmächtigte dar, die durch ihre Mitwirkung erreicht haben, dass eine streitige Entscheidung des Gerichts in der Sache nicht mehr ergehen muss. Mithin sollen mit der Erledigungsgebühr die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert werden (OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Januar 2008 - 10 OA 250/07 -, NVwZ-RR 2008, S. 500, Rn. 9 bei juris). Ein solches Bemühen ist vorliegend nicht dargelegt oder erkennbar. Insbesondere ist der Umstand, dass der Erinnerungsführer den Rechtsstreit nicht weitergeführt hat, obgleich eine Klaglosstellung lediglich teilweise erfolgte, nicht einem derartigen Bemühen seines Verfahrensbevollmächtigten geschuldet.

Nach der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 stand vielmehr fest, in welchem Umfang dem Erinnerungsführer die mit dem Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche zustehen. Es war evident, dass eine Weiterführung des Klageverfahrens hinsichtlich des Teils des Streitgegenstandes, der nicht von der Klaglosstellung erfasst war, erfolglos sein würde. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in jenem Verfahren über den Umfang der Ansprüche des Klägers gleichsam mitentschieden. Das zeigt sich auch daran, dass es sich dabei zwar nicht formal, aber im materiellen Sinne um ein Musterverfahren gehandelt hat. Davon waren auch die Beteiligten ausgegangen, als sie der Anordnung des Ruhens des Verfahrens zugestimmt haben. Welches Bemühen des Verfahrensbevollmächtigten des Erinnerungsführers angesichts dieses Befundes zu einer unstreitigen Erledigung notwendig gewesen und erbracht worden sein soll, erschließt sich daher nicht. Soweit er auf eine Telefonnotiz vom 30. Juli 2013 verweist, aus der hervorgeht, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Erinnerungsführers diesem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 und deren Umsetzung auf den Sachverhalt des hiesigen Ausgangsverfahrens erläutert hat, ist hierin kein Bemühen zu sehen, das über das mit der allgemeinen Verfahrensgebühr bereits abgegoltene Bemühen hinaus ginge. Vielmehr geht auch daraus hervor, dass die Frage, in welchem Umfang dem Erinnerungsführer die mit dem Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche zustehen, abschließend durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt waren, wenn es darin heißt: „wird abgeklärt, dass EU 2008 tatsächlich weg ist, da ist auch nichts mehr zu machen, bei 18 Monaten hat sich die Rechtsprechung jetzt eingependelt, alles vorherige war wohl `über das Ziel hinaus geschossen´, das merkte man auch am EuGH, daher werden wir es beenden, sobald Gericht fragt, aber Prüfung Geldeingang und Berechnung machen wir noch“.

Ohne Erfolg greift die Beschwerde die Auffassung des Verwaltungsgerichts an, dieses schließe sich der in der Rechtsprechung und im Schrifttum mehrheitlich geäußerten Auffassung nicht an, wonach auch ein nach teilweiser Klaglosstellung erfolgtes Einwirken des Rechtsanwalts auf den Kläger, den gesamten Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, als ausreichend angesehen werden könne, um eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG auszulösen. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob dieser Einwand zutrifft; einer solchen Auffassung ist hier jedenfalls aus den dargestellten Gründen nicht zu folgen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).