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Nachversicherung; Säumniszuschlag; Verjährung; Vertrauenstatbestand


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat Entscheidungsdatum 10.11.2011
Aktenzeichen L 16 R 221/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 24 Abs 1 SGB 4, § 184 Abs 1 S 1 SGB 6, § 144 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im Streit steht die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Säumniszuschlags i.H.v. 9.462,- € wegen verspäteter Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Nachversicherung.

Der im Jahr 1967 geborene V B (im Folgenden: Versicherter) war bei dem Kläger vom 1. Oktober 1994 bis 31. Mai 1997 als Beamter tätig und schied ohne Anspruch auf Versorgung aus dem Beamtenverhältnis aus. Die Nachversicherungsstelle des Klägers übersandte der Beklagten nach Vorlage der Erklärung des Versicherten zur Nachversicherung die Bescheinigung über die Nachversicherung vom 10. Dezember 2003. Das nachzuversichernde Entgelt bezifferte der Kläger mit 128.611,41 €. Mit Wertstellung vom 16. Dezember 2003 ging der Nachversicherungsbeitrag i.H.v. 14.303,29 € bei der Beklagten ein. Nach entsprechender Korrektur des Nachversicherungsbeitrags auf 14.353,17 € überwies der Kläger auch den Differenzbetrag i.H.v. 49,88 € (Wertstellungsdatum 3. Mai 2004).

Nach Anhörung des Klägers erhob die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2004 gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) Säumniszuschläge i.H.v. 9.462,- €, wobei sie 76 Monate der Säumnis, gerechnet ab 1. September 1997, zugrunde legte. Die Höhe der Nachversicherungsschuld am 1. September 1997 wurde mit 12.472,14 € (120.164,44 DM = 61.439,10 €, davon 20,3 %) beziffert.

Die hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobene Klage (Urteil vom 11. Januar 2011)blieb erfolglos. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe die bezifferten Säumniszuschläge gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV zu Recht erhoben. Der Anspruch der Beklagten auf Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen sei unstreitig entstanden und erst mit Wertstellung am 16. Dezember 2003 erfüllt worden. Die Fälligkeit der Beitragszahlung sei jedoch nach § 23 Abs. 4 SGB IV i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) bereits am 1. Juni 1997 eingetreten, da der Versicherte mit Ablauf des 31. Mai 1997 unversorgt aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und ein Aufschubtatbestand nicht ersichtlich sei. Die Höhe der errechneten Säumniszuschläge sei nicht zu beanstanden und zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig. Eine unverschuldete Unkenntnis des Klägers von der Beitragspflicht i.S.v. § 24 Abs. 1 SGB IV liege nicht vor. Auch sei der Beitragsanspruch nicht verjährt i.S.v. § 25 SGB IV. Denn vorliegend gelte eine Verjährungsfrist von 30 Jahren, weil der Kläger vorsätzlich die Beiträge vorenthalten habe. Auch eine Verwirkung der Beitragsansprüche sei nicht erkennbar (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R - juris).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Die Erhebung der Säumniszuschläge sei zumindest für die Zeit bis Ende März 2003 treuwidrig und rechtsmissbräuchlich. Für den Kläger sei ein Vertrauenstatbestand dadurch geschaffen worden, dass die Beklagte bis März 2003 in vergleichbaren Fällen von der Möglichkeit, Säumniszuschläge zu erheben, keinen Gebrauch gemacht habe. Erst mit Schreiben vom 28. März 2003 habe die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass sie ihre bisherige Verwaltungspraxis aufgeben und künftig Säumniszuschläge erheben werde. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Juli 2010 (- B 13 R 67/09 R -) zum Fehlen des Vertrauensschutzes in derartigen Fällen sei nicht nachvollziehbar. Auch dem Urteil des BSG vom 17. April 2008 (- B13 R 123/07 R -) könne hinsichtlich der Geltung der 30-jährigen Verjährungsfrist nicht gefolgt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere liegt keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden vor (§ 144Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG, so dass es auch bei der vorliegenden Beschwer von unter 10.000,- € keiner Zulassung der Berufung bedurfte. Zwar sind an dem Rechtsstreit zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt. Es handelt sich jedoch um keinen Erstattungsanspruch; es geht nicht darum, "Leistungs-"Vorgänge wirtschaftlich rückgängig zu machen, um den erstattungsberechtigten Träger so zu stellen, wie er stünde, wenn er keine Auslagen (Kosten, Leistungen) erbracht hätte (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 14 S 37 m.w.N.). Säumniszuschläge dienen vor allem dem Zweck, der Säumnis bei Erfüllung von Zahlungspflichten entgegenzuwirken. Sie sind Druckmittel zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R = SozR 4-2400 § 24 Nr. 5; BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 4; BSGE 35, 78 = SozR Nr. 1 zu § 397a RVO; BSG, Urteil vom 23. Oktober 1987 - 12 RK 11/86 - ZIP 1988, 984).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klage ist zwar zulässig, ohne dass es der Durchführung eines Vorverfahrens vor Erhebung der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) bedurfte. Der Kläger führt die Klage als Land i.S. von § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG. Zu Recht hat die Beklagte die geforderten Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt festgesetzt. Der für die Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge wie auch die Erhebung von Säumniszuschlägen durch Verwaltungsakt einzufordern (vgl. BSG SozR 2400 § 124 Nr. 6 S 18).

Die Beklagte hat die in Rede stehenden Säumniszuschläge indes beanstandungsfrei festgesetzt. Die Voraussetzungen für den Anspruch der Beklagten auf Erhebung des Säumniszuschlags sind erfüllt. Einen Fall unverschuldeter Unkenntnis von der Zahlungsverpflichtung hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 28. März 2003 kann der Kläger weder eine Zusicherung noch einen Verzicht herleiten. Weder verstößt die Geltendmachung des Säumniszuschlags gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) noch liegt eine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Der Anspruch der Beklagten ist auch nicht verjährt.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf 50,- € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.

Die Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten waren seit 1. Juni 1997 fällig. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (§ 184 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV - mit Wirkung vom 1. Januar 2008 eingefügt -, die spezielle Regelungen zum Beginn der Säumnis i.S. von § 24 SGB IV enthalten, sind vorliegend nicht anzuwenden). Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorliegen. Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist der Kläger als ehemaliger Dienstherr des Versicherten. Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu entrichten (vgl. BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2, RdNr 10 ff; BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr. 2, RdNr 16). Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (hier Beamtenverhältnis) vor (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Der Versicherte war mit Ablauf des 31. Mai 1997 aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden, so dass die Nachversicherungsschuld am 1. Juni 1997 entstanden war. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB VI, §184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI)lagen nicht vor und sind von dem Kläger auch nicht behauptet worden. Damit entstand die Nachversicherungsschuld grundsätzlich am Folgetag des unversorgten Ausscheidens des Nachzuversichernden (vgl. BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2, RdNr 23; - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr. 1, RdNr 27; vgl. auch BSG SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 S 7 m.w.N.).Der hiervon abweichend festgesetzte spätere Beginn der Säumnis (1. September 1997) begünstigt den Kläger und ist daher nicht zu beanstanden. Die Nachversicherungsbeiträge sind erst am 16. Dezember 2003, also verspätet, bei der Beklagten eingegangen.

Der Erhebung der Säumniszuschläge steht auch keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Nachversicherungsbeiträge entgegen.

Seit der mit Wirkung vom 1. Januar 1995 eingefügten Neufassung von § 24 Abs. 1 SGB IV sind Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen und ist ihre Erhebung nicht mehr - wie noch nach der Vorläufervorschrift - in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt. Die Neufassung lehnt sich an § 240 der Abgabenordnung an (vglBT-Drucks 12/5187 S 30; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, Stand 2007, K § 24 RdNr 2). Gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV ist ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift dient der Vermeidung unbilliger Härten (vgl. BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2, RdNr 24 unter Bezugnahme auf Udsching a.a.O. RdNr 10). Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten i.S.v. § 276 BGB entgegen. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich - und werden vom Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen -, dass dieser unverschuldet keine Kenntnis von seiner Nachversicherungspflicht gehabt haben könnte. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen (S. 6 Zeile 1 letzter Absatz bis S. 7 letzte Zeile erster Absatz). Dem Kläger wäre es im Übrigen auch im Hinblick darauf, dass der Versicherte das Schreiben vom 7. Mai 1997 unbeantwortet ließ, durch einfache organisatorische Maßnahmen möglich und zumutbar gewesen, sich zeitnah die notwendige Kenntnis über das Vorliegen bzw. Fehlen etwaiger Aufschubtatbestände zu verschaffen. Er hätte die Bearbeitung des Nachversicherungsvorgangs durch geeignete Maßnahmen so vorantreiben können, dass die Nachversicherung innerhalb jener drei Monate erledigt worden wäre, die die Beklagte bei Ermittlung des für den Säumniszuschlag maßgebenden Zeitraums von vornherein unberücksichtigt gelassen hat. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in dem Schreiben vom 7. Mai 1997 darauf hingewiesen hatte, die Nachversicherung bei Nichteingang einer gegenteiligen Nachricht bis zum 30. Juni 1997 durchzuführen. Den Kläger trifft die Pflicht, die gesetzlichen Voraussetzungen der Nachversicherung aufzuklären (§ 184 Abs. 1 Satz1 SGB VI), über Aufschubtatbestände zu entscheiden (§ 184 Abs. 2 und 3 SGB VI) und die Beiträge zur Nachversicherung zu zahlen (§ 185 SGB VI). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Beitragsschuld und deren Fälligkeit selbst zu ermitteln (vgl. BSGE 92, 150, 156 = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2 RdNr 33)und bei Fälligkeit umgehend zu zahlen hat. Nur so sind Defizite im Haushalt des Rentenversicherungsträgers zu vermeiden (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R -).

Auch das Schreiben vom 28. März 2003 steht dem Anspruch der Beklagten nicht entgegen. Das Schreiben enthält weder eine Zusicherung noch einen Verzicht (vgl. hierzu BSG a.a.O.). Schließlich widerspricht die Geltendmachung der Säumniszuschläge auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Es liegt keine Verwirkung vor (vgl. BSG a.a.O.).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl. BSGE 7, 199, 200; 34, 211, 213; 41, 275, 278; 59, 87, 94 = SozR 2200 § 245 Nr. 4 S 22 f; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6 S 17 f)und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl. BSGE 17, 173, 174 f; 21, 52, 55 f; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 15; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr. 2, RdNr 35). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB,69. Aufl. 2010, § 242 RdNr 87)voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 32, 305; BVerwGE 44, 339, 343; BFHE 129,201, 202; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 95 m.w.N.). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 15 m.w.N.; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 §1303 Nr. 6 S 18; BVerwGE 44, 339, 343 f).

Ein “bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl. BSG SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S 17; BSG vom 23.5.1989 - HV-Info 1989, 2030). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei der Klägerin das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde auch fortan keine Säumniszuschläge erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es - entgegen ihrer Gesetzesbindung (Art 20 Abs. 3 GG)- unterlassen, die seit 1995 bestehende zwingende Gesetzespflicht zur Erhebung von Säumniszuschlägen flächendeckend in die Praxis umzusetzen. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte die Klägerin das “bloße Nichtstun“ der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, nicht zu Säumniszuschlägen herangezogen zu werden (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R -). Auf die zutreffenden Ausführungen des BSG in dem zitierten Urteil, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Auch eine Anwendung der geänderten Praxis der Beklagten nur für künftige Sachverhalte kommt nicht in Betracht. Denn die rechtswidrige frühere Praxis der Beklagten verdient keinen Vertrauensschutz (vgl. BSG a.a.O.).

Die Ansprüche der Beklagten sind auch nicht verjährt. Denn der Kläger hat die Beiträge vorsätzlich vorenthalten i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, und zwar im Sinne bedingten Vorsatzes. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen (S. 7 Absatz 2 erste Zeile bis S. 8 zweiter Absatz letzte Zeile). Das BSG, dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat hierzu bereits entschieden, dass jedenfalls dann, wenn - wie hier - feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, dies den iSv § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz indiziert. Dann mag der Schuldner besondere, im Einzelnen zu prüfende Umstände vortragen, die diesen Vorwurf aus seiner Sicht entkräften und ein ähnliches Gewicht haben wie eine Zahlungsunfähigkeit oder ein nicht zuzurechnendes Verschulden Dritter. Auf dieser Grundlage aber muss es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens iS des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei einer juristischen Person oder aber einer Körperschaft öffentlichen Rechts ausreichen, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird. Denn ebenso wie bei der Frage, ob § 24 SGB IV auf Körperschaften öffentlichen Rechts als Nachversicherungsschuldner anzuwenden ist, besteht auch im Rahmen des § 25 SGB IV kein Grund zu ihrer Bevorzugung (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2008 - B 13 R 123/07 R = SozRE 4-2400 § 25 Nr. 2). Die Verlängerung der Verjährungsfrist gilt auch für Säumniszuschläge (vgl. BSG a.a.O.). Der Kläger verkennt bei seiner Argumentation im Berufungsverfahren, dass es im Hinblick auf die Zurechenbarkeit auch bei einer juristischen Person ausreicht, dass ihr die Kenntnis von der Beitragspflicht - die der Kläger gar nicht bestreitet, sonst hätte er den Versicherten nicht schon 1997 auf seine Nachversicherungspflicht hingewiesen - zugerechnet wird. Dass diese Rechtsprechung des BSG nach Auffassung des Klägers auf „aus der Luft gegriffenen….Unterstellungen“ basiere, ist weder nachvollziehbar noch entscheidungsrelevant.

Die Höhe des Anspruchs hat die Beklagte - ausgehend von dem von ihr zugrunde gelegten, den Kläger begünstigenden Säumnisbeginn (1. September 1997) - zutreffend berechnet (Anzahl der Säumnismonate - 76 - x 1 v.H. von 12.450,- €). Hierüber besteht auch kein Streit der Beteiligten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Der Kläger trägt gemäß § 154 Abs. 2, 162 Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 197a Abs. 1 Halbs. 3 SGG auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Als Land ist er von der Zahlung der Gerichtskosten gemäß § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz befreit.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.