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Entscheidung BRH (OP) 2/14


Metadaten

Gericht LG Potsdam Kammer für Rehabilitierungssachen Entscheidungsdatum 26.06.2014
Aktenzeichen BRH (OP) 2/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 10. Dezember 2009, Az.: 4220 E - 2415 OP, wird aufgehoben

Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

I.

Durch Beschluss des Bezirksgerichts Potsdam vom 7. Juli 1993 (Az.: 3 BRH 2675/91) wurden die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens im Jahr 1972 gegen den Betroffenen angeordneten Zwangsmaßnahmen, insbesondere die Anordnung der Untersuchungshaft, sowie die gegen ihn ergangenen Urteile des Kreisgerichts Brandenburg-Stadt vom 19. September 1973 (Az.: S 388/73) und des Kreisgerichts Potsdam-Stadt vom 20. Dezember 1979 (Az.: 221-11/80 StA) für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Ferner wurde festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit von Juni 1972 bis zum 25. Oktober 1972, vom 24. Juni 1973 bis zum 23. Dezember 1974 und vom 3. Dezember 1979 bis zum 24. November 1982 zu Unrecht in Haft war.

Auf seinen Antrag vom 10. Dezember 1993 setzte der Präsident des Landgerichts Potsdam mit Bescheid vom 25. Mai 1994 (Az.: 3 BRH 2675/91) gemäß § 17 StrRehaG eine Kapitalentschädigung in Höhe von 18.000,00 DM zugunsten des Betroffenen fest. Auf seinen Antrag vom 14. Februar 2000 wurde dem Betroffenen mit Bescheid vom 27. September 2000 eine Nachzahlung in Höhe von weiteren 18.000,00 DM gewährt.

Mit Schreiben vom 7. November 2007 stellte der Betroffene einen Antrag auf Gewährung einer monatlichen besonderen Zuwendung (Opferpension) gemäß § 17a Abs. 1 Satz 1 StrRehaG, die mit Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2008 (Az.: 4220 E - 2415 OP) vorbehaltlich einer noch ausstehenden Auskunft der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) bewilligt wurde. Eine Auszahlung erfolgte letztlich nicht.

Am 27. November 2008 ging die Auskunft der BStU, aus der sich eine Zusammenarbeit des Betroffenen mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ergibt, beim Landgericht Potsdam ein. Wegen der Einzelheiten der Auskunft wird auf das Schreiben der BStU nebst Anlagen vom 24. November 2008 Bezug genommen. Am 6. März 2009 teilte der Präsident des Landgerichts dem Antragsteller mit, dass aufgrund der Auskunft der BStU eine Rücknahme der obengenannten Zuwendungsbescheide aufgrund von Ausschließungsgründen wegen der Zusammenarbeit des Antragstellers mit der Staatssicherheit in Betracht komme, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraufhin nahm der Antragsteller persönlich am 27. April 2009 Akteneinsicht und nahm mit Schreiben vom 8. Mai 2009 detailliert Stellung zu den ihm gemachten Vorwürfen. Sodann nahm der Präsident des Landgerichts Potsdam mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 seine Bescheide hinsichtlich der Festsetzung der Entschädigungsleistung vom 25. Mai 1994, hinsichtlich der Festsetzung der weiteren Kapitalentschädigung (Nachzahlung) vom 27. September 2000 und hinsichtlich der Gewährung einer Opferpension vom 28. Oktober 2008 zurück. Die gezahlte Kapitalentschädigung und die Nachzahlung wurden nebst Zinsen zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in der Person des Betroffenen wegen dessen Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit Ausschließungsgründe gemäß § 16 Abs. 2 StrRehaG vorlägen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 10. Dezember 2009 verwiesen.

Gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2009, der dem Betroffenen am 18. Januar 2010 zugestellt wurde, wendete er sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16. Februar 2010. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14. Juni 2010 im Wesentlichen damit begründet, dass der Betroffene nicht freiwillig mit dem MfS zusammengearbeitet habe, sondern dass der Betroffene die Verpflichtungserklärungen unter dem Druck einer erneuten Inhaftierung abgegeben habe; Gleiches gelte für die von ihm erstatteten Berichte. Im Übrigen seien bei der Rücknahmeentscheidung die damalige psychosoziale Situation des Betroffenen als ehemaliges Heimkind und sein jugendliches Alter von 22 Jahren bei der ersten Verpflichtungserklärung nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Mit Beschluss vom 11. November 2011 bestätigte die Kammer den Rücknahmebescheid des Präsidenten des Landgerichts und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Betroffene mehrere Jahre lang für das Dezernat I/4 der Kriminalpolizei gearbeitet und in dieser Zeit auch über Fluchtabsichten namentlich genannter Personen berichtet habe, so dass der Ausschluss von der Kapitalentschädigung und die Verweigerung der Opferpension gemäß § 16 Abs. 2 StrRehaG gerechtfertigt seien.

Gegen die ihm am 14. Dezember 2011 zugestellte Entscheidung des Landgerichts legte der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten am 11. Januar 2012 Beschwerde ein. Zur Begründung trug der Betroffene insbesondere vor, dass er zum Zeitpunkt seiner ersten Anwerbung in der Vollzugsanstalt Rummelsburg aufgrund seiner vorherigen Fluchtversuche und Inhaftierungen eine vollkommen gebrochene Persönlichkeit gewesen sei. Er sei als ehemaliges Heimkind bewusst für eine Anwerbung ausgewählt worden, die aufgrund der Androhung einer weiteren Strafverfolgung wegen eines vor seiner Inhaftierung zur Vorbereitung der Flucht begangenen Waffendiebstahls nicht auf freiwilliger Basis erfolgt sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er sich „die eine oder andere Information auch schon mal ausgedacht“ habe, um endlich seine Ruhe zu haben. Auch habe er zum Ende des Jahres 1977 seine Treffen unter Angabe von Ausreden reduziert, bis es schließlich Ende des Jahres 1982 zum endgültigen Bruch mit den Organen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR gekommen sei.

Hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung (Verjährung von bis zum 9. Dezember 2006 entstandenen Zinsansprüchen) war die Beschwerde erfolgreich; im Übrigen – und damit ganz überwiegend – wies das Brandenburgische Oberlandesgericht die Beschwerde mit Beschluss vom 29. August 2012 zurück. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer nicht unfreiwillig mit den Sicherheitsorganen zusammengearbeitet habe. Insbesondere sei den Unterlagen nicht zu entnehmen, dass ihm mit dem Vorwurf des Waffendiebstahls bzw. Waffenbesitzes eine Verlängerung der Strafhaft oder eine neuerliche Bestrafung angedroht worden sei. Eine gegen den Beschluss vom 29. August 2012 erhobene Anhörungsrüge des Betroffenen wies das Oberlandesgericht durch Beschluss vom 3. Januar 2013 zurück.

Mit einer am 22. Januar 2013 beim Verfassungsgericht des Landes Brandenburg erhobenen Verfassungsbeschwerde rügte der Antragsteller, durch die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Artikel 52 Abs. 3 Alternative 2 der Landesverfassung (LV) verletzt zu sein, weil er weder vom Landgericht noch vom Oberlandesgericht mündlich angehört worden sei. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg sah darin tatsächlich eine Gehörsverletzung. Dementsprechend hob es die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts durch Urteil vom 24. Januar 2014 auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurück.

Der Betroffene wiederholt nunmehr seinen gegen den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 10. Dezember 2009 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16. Februar 2010 und beantragt erneut, den Bescheid aufzuheben. Zur Begründung verweist der Betroffene zunächst auf seinen gesamten Sach- und Rechtsvortrag in dem anhängigen Verfahren. Zusammenfassend führt er nochmals aus, dass er sich am 31. August 1976 nicht freiwillig dazu verpflichtet habe, die Sicherheitsorgane der ehemaligen DDR zu unterstützen. Vielmehr hätten die Sicherheitsorgane eine Aussage seines Freundes I. D., mit dem er im Frühjahr 1973 eine Republikflucht geplant und zu deren Vorbereitung er eine Waffe gestohlen gehabt habe, zum Anlass genommen, ihn in erpresserischer Weise zur Mitarbeit zu bewegen. Sie hätten ihm wörtlich gedroht: „Entweder Sie arbeiten jetzt mit uns zusammen oder Sie bekommen weitere acht bis zehn Jahre wegen Waffenbesitzes, Diebstahls und der Vorbereitung einer bewaffneten Republikflucht.“ Auch seine erneute Verpflichtungserklärung nach der Haftentlassung habe er unter dem gleichen Druck abgegeben. Trotz seiner fortbestehenden Nötigungslage habe er sich zunehmend und im Ergebnis erfolgreich bemüht, sich den eingegangenen Verpflichtungen zu entziehen. Entgegen den positiven Berichten über ihn und ungeachtet der Geldbeträge, die er erhalten habe, enthielten die Unterlagen über ihn immer wieder Hinweise darauf, dass er sich seinen Berichtspflichten zu entziehen versucht habe und unter unterschiedlichen Vorwänden nicht zu vereinbarten oder angeordneten Treffen erschienen sei.

Insbesondere der Bericht zu einem Treffen vom 30. Mai 1979 habe den Hintergrund, dass er zwischenzeitlich von Brandenburg nach Berlin umgezogen sei und man ihm dort klar gemacht habe, dass man in Berlin nicht so „lasch“ wie in Brandenburg sei und man von ihm mehr erwarte, wenn er weiter von dem Strafverfahren wegen illegalen Waffenbesitzes verschont bleiben wolle. Dieser zunehmende Druck habe ihn dann auch zu dem weiteren Fluchtversuch am 3. Dezember 1979 veranlasst. Die Ambivalenz zwischen seinen Berichten auf der einen Seite, die so weit gegangen seien, dass er auch Angaben über Fluchtabsichten konkret bezeichneter Personen gemacht habe, und seinen vielfältigen Versuchen, den Berichtspflichten im Rahmen von Treffen mit dem Führungsoffizier zu entgehen oder nur wenig Konkretes zu berichten, auf der anderen Seite, erkläre sich aus der Zwickmühle, in der er sich befunden habe. Einerseits habe er unter erheblichem Nötigungsdruck gestanden, habe „liefern“ müssen und sei immer wieder an seine Pflicht zur Zusammenarbeit erinnert worden. Andererseits habe er sich dem Druck und den Berichtspflichten soweit wie möglich entziehen wollen. Das ergebe sich aus weiteren Unterlagen des MfS.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Antragsvorbringens wird auf das Schreiben vom 17. März 2014 Bezug genommen.

II.

Der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 StrRehaG statthafte, fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat in der Sache Erfolg. Die Zuwendungsbescheide vom 25. Mai 1994 (Kapitalentschädigung), vom 27. September 2000 (Nachzahlung) und vom 28. Oktober 2008 (Operpension) sind durch den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts vom 10. Dezember 2009 zu Unrecht zurückgenommen worden.

Nach § 16 Abs. 2 StrRehaG werden die betreffenden sozialen Ausgleichsleistungen nicht gewährt, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat. Dem Ausschließungsgrund des § 16 Abs. 2 StrRehaG liegt die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, denjenigen Personen soziale Ausgleichsleistungen vorzuenthalten, die selbst an nicht rechtsstaatlichen Ausprägungen der Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik beteiligt waren (Bruns/Schröder/Tappert-Tappert, StrRehaG, § 16 Rn. 20; OLG Rostock, Beschluss vom 10. Februar 2004, Az.: I WsRH 3/03; OLG Jena, NJ 2002, 324, 325; Hellmann, Die Auslegung von Ausschlussklauseln in Wiedergutmachungsgesetzen, VIZ 1995, 201, 203). Derjenige, der gleichsam als Stütze eines totalitären Systems zur Aufrechterhaltung rechtsstaatswidriger Verhältnisse nicht unwesentlich beigetragen und dadurch anderen Schaden zugefügt hat, etwa in Gestalt politischer Verfolgung, soll nicht in den Genuss sozialer Ausgleichsleistungen gelangen. Anderenfalls würden Sinn und Zweck des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ins Gegenteil verkehrt.

An diesem Normzweck gemessen wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit in der Regel angenommen, wenn eine Prüfung des Einzelfalls ergibt, dass der Betroffene erhebliche Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung begangen hat, die regelmäßig anzunehmen sind, wenn der Antragsteller freiwillig und gezielt, namentlich durch das Eindringen in die Privatsphäre anderer und den Missbrauch persönlichen Vertrauens, Informationen über Mitbürger gesammelt und an den auch in der Deutschen Demokratischen Republik für seine repressive und menschenverachtende Tätigkeit bekannten Staatssicherheitsdienst weitergegeben hat (BVerwG, ZOV 2006, 178, 180). Gerade diese Spitzeltätigkeit eines Inoffiziellen Mitarbeiters für das Ministerium für Staatssicherheit unter Inkaufnahme einer Drittschädigung sah der Gesetzgeber als Hauptanwendungsfall des in § 16 Abs. 2 StrRehaG normierten Ausschlusstatbestands an (BVerwG, ZOV 2006, 178, 180; OLG Jena, NJ 2002, 324, 325; LG Berlin, VIZ 2002, 184, 186; Pfister/Mütze-Mütze, Rehabilitierungsrecht, § 16 StrRehaG Rn. 51; Bruns/Schröder/Tappert-Tappert, StrRehaG, § 16 Rn. 26). Da indes in einer Jahrzehnte bestehenden Diktatur geringfügige Verstrickungen in das politische System keine Seltenheit, sondern gewissermaßen flächendeckend und systemimmanent sind, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausschlussgründe des § 16 Abs. 2 StrRehaG nur bei Vorliegen konkreter und besonders gravierender Verstöße zur Anwendung kommen (BT-Drucksache 12/1608, S. 15, 24; KG, VIZ 2002, 184; OLG Dresden, VIZ 1996, 110).

Insoweit kann ein Ausschlussgrund nicht angenommen werden, wenn die vom Inoffiziellen Mitarbeiter an die Organe der Staatssicherheit im Zuge der Zusammenarbeit im Einzelnen abgelieferten Berichte verhältnismäßig farblose, nichtssagende oder bedeutungsarme Schilderungen enthalten, die nicht oder jedenfalls kaum wahrscheinlich zu Schädigungen von Personen geführt haben (OLG Jena, NJ 2002, 324, 325; OLG Dresden, VIZ 1996, 110, 111). Angesichts der weitreichenden Folgen, die mit einem Ausschluss sozialer Ausgleichsleistungen seit Einführung der sogenannten Opferpension für den Betroffenen verbunden sind, sind an den Ausschlussgrund des § 16 Abs. 2 StrRehaG strenge Anforderungen zu stellen. Entscheidend für das Gewicht des Handelns des Antragstellers ist insbesondere die Frage, inwieweit dessen Mitarbeit geeignet war, rechtsstaatswidrige Maßnahmen gegen Dritte auszulösen und inwieweit er hiervon Kenntnis hatte oder haben musste. Ferner ist von Bedeutung, aus welchen Motiven heraus der Antragsteller mit den Sicherheitsorganen zusammengearbeitet hat. Drohten ihm oder seinen Angehörigen bei einer Verweigerung der Mitarbeit unzumutbare Folgen, spricht dies gegen einen Ausschluss der Ausgleichsleistungen. Insbesondere handelte nicht ohne weiteres vorwerfbar, wer eine Verpflichtung zur Spitzeltätigkeit unter dem Druck einer Freiheitsentziehung oder Fortdauer derselben durch den Staatssicherheitsdienst eingegangen ist und bei fortbestehendem Druck abgegeben hat (Pfister/Mütze-Mütze, a.a.O. § 16 Rn. 59).

Dabei kommt es zur Annahme des § 16 Abs. 2 StrRehaG nicht darauf an, ob die inoffizielle Mitarbeit des Betroffenen tatsächlich die strafrechtliche Verfolgung oder gar Bestrafung des Bespitzelten zur Folge hatte. Vielmehr reicht es in der Regel aus, dass eine konkrete Gefahrenlage heraufbeschworen wurde, indem über einen konkret bezeichneten Dritten politisch erhebliche Tatsachen berichtet wurden, die generell geeignet waren, zu persönlichen oder beruflichen Nachteilen zu führen. Denn dagegen konnten sich die Betroffenen unter den in der Deutschen Demokratischen Republik obwaltenden politischen Verhältnissen ohnehin kaum wehren. Für die Frage des Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze ist es daher unbeachtlich, ob derartige Schäden in Einzelfällen auch tatsächlich und nachweislich verursacht worden sind (BVerwG, ZOV 2007, 178, 179; ZOV 2006, 178, 180; OLG Jena, NJ 2002, 324, 325; KG, NJW 1998, 1729).

Die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausschlussgrundes müssen bewiesen sein. Bloße Wahrscheinlichkeiten oder Vermutungen reichen nicht aus (KG, VIZ 2002, 184; Pfister/Mütze-Mütze, Rehabilitierungsrecht, § 16 StrRehaG Rn. 68). In Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 StrRehaG gilt im Falle der Nichtaufklärbarkeit das sogenannte verwaltungsrechtliche Normbegünstigungsprinzip (Bruns/Schröder/Tappert-Tappert, StrRehaG, § 25 Rdn. 9; Stelkens/Bonk/Sachs-Kallerhoff, VwVfG, 7. Auflage, § 24 Rn. 55). Danach trägt die Gewährungsbehörde die materielle Beweislast des Ausschlussgrundes.

Gemessen an den vorstehenden Maßstäben ist nach erneuter Überprüfung der Unterlagen, insbesondere der nunmehr mit dem anwaltlichen Schriftsatz vom 17. März 2014 von dem Betroffenen zusätzlich vorgelegten Berichte und Protokolle aus den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, letztlich nicht mehr mit der eine Versagung der sozialen Ausgleichsleistungen erfordernden Sicherheit festzustellen, dass der Betroffene durch sein Verhalten in massiver Art und Weise gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat.

Zwar geht aus der im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskunft der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) vom 24. November 2008 hervor, dass der Betroffene sich am 31. August 1976 verpflichtete, mit den Sicherheitsorganen der DDR unter dem Decknamen „Tabor“ zusammenzuarbeiten. Es ist auch dokumentiert, dass der Antragsteller in der Folgezeit dem Dezernat I/4 der Kriminalpolizei bzw. bis 1979/1980 der Kriminalpolizei berichtete. Dabei berichtete der Betroffene mündlich und schriftlich über Probleme und Vorkommnisse in der Haftanstalt, allgemeine Kriminalität sowie über einzelne Mithäftlinge, und nach seiner Haftentlassung berichtete er über sein soziales Umfeld. Das hat der Betroffene auch eingeräumt. Seine Berichte, insbesondere diejenigen vom 22. Juni 1977 und vom 30. Mai 1979, waren auch generell geeignet, die Bespitzelten weiterer Verfolgung auszusetzen, weil der Betroffene insoweit – wenngleich verhältnismäßig wenig konkret – über Fluchtabsichten namentlich bezeichneter Personen und somit über politisch erhebliche Tatsachen berichtet hat. Das reicht aber letztlich nicht zur Feststellung einer hinreichend intensiven, freiwilligen Zusammenarbeit mit dem MfS aus, um die Rückforderung der Kapitalentschädigung bzw. den Ausschluss der Opferpension zu rechtfertigen. Zum einen hat der Betroffene zwar vereinzelt über politisch erhebliche Tatsachen berichtet, im Wesentlichen aber lediglich allgemeine Informationen über Personen und Hinweise zu allgemeinen Straftaten gegeben, was im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 StrRehaG nicht maßgeblich ist. Zum anderen kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass sich der Betroffene durch seine Berichterstattung gleichsam als Stütze des totalitären Systems erwiesen hat.

Denn der Betroffene hat durch die Vorlage von weiteren bei der BStU dokumentierten Unterlagen des MfS plausibel dargelegt, dass er durch die Androhung einer weiteren Haftstrafe wegen Waffendiebstahls und Vorbereitung einer bewaffneten Republikflucht zur Abgabe der Verpflichtungserklärungen und zu der weiteren Zusammenarbeit gedrängt worden ist. Sein Vorbringen fügt sich in den aus den schriftlichen Unterlagen dokumentierten Geschehensablauf ein. So bestand ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen seiner Verpflichtungserklärung vom 31. August 1976 und seiner auf den 30. August 1976 datierten, von ihm unterzeichneten Sachverhaltsschilderung, die das zur Ausübung von Druck auf ihn taugliche Eingeständnis des Waffendiebstahls enthielt. In dem Bericht über die Werbung des Betroffenen vom 1. September 1976 wurde offenbar auf dieses Geständnis Bezug genommen, indem ausgeführt wurde, er habe „den Sachverhalt einer noch offenen, von ihm begangenen Straftat schriftlich“ niedergelegt. Zwar lässt sich aus den schriftlichen Unterlagen nicht konkret entnehmen, dass dem Betroffenen offen gedroht worden ist. Allerdings wurde ihm ausweislich des Treffberichts vom 5. Januar 1977 „in aller Klarheit“ gesagt, „daß er für begangene Straftaten jederzeit zur Verantwortung gezogen wird“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Daraus resultiert, daß ein gutes Vertrauen und Offenheit gegenüber seinem Sachbearbeiter die beste Garantie sind, sich vor erneuter Straffälligkeit zu schützen.“ Durch die Verknüpfung des Hinweises auf vergangene Straftaten mit dem Verhalten gegenüber seinem „Sachbearbeiter“ als dem zuständigen Mitarbeiter bei der Staatssicherheit erscheint diese Formulierung vor dem Hintergrund des ungesühnten Waffendiebstahls zumindest als verschleierte Drohung, wegen des Waffendiebstahls verfolgt zu werden, falls der Betroffene sich nicht im Sinne des MfS wohl verhalte, also seiner Verpflichtung entsprechend berichte. Insofern ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass dem Betroffenen entsprechend seinem Vorbringen im persönlichen Gespräch mündlich gedroht wurde.

Aus den mit dem Schriftsatz vom 17. März 2014 von dem Betroffenen weiter eingereichten, bisher nicht aktenkundigen Unterlagen ergeben sich darüber hinaus Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene sich nach seiner Haftentlassung – als jedenfalls der Druck der fortdauernden Haft nicht mehr bestand – zunehmend bemühte, entgegen seiner positiven Einschätzung und ungeachtet der Geldbeträge, die er erhielt und die in der BStU-Auskunft vom 24. November 2008 dokumentiert sind, der Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit zu entziehen. Diese Umstände deuten darauf hin, dass seine Darstellung, sich nicht freiwillig verpflichtet und dem MfS nur unter Androhung weiterer Strafverfolgung berichtet zu haben, glaubhaft ist. So blieb er nach seiner Haftentlassung Treffterminen vielfach unter Verwendung verschiedener Ausreden fern. Das ergibt sich aus den Treffberichten aus der Zeit nach der Haftentlassung im Juni 1977, die dem Schriftsatz vom 17. März 2014 als Anlagen 1 bis 8 beigefügt sind. So enthalten auch die informatorischen Treffberichte aus dieser Zeit – abgesehen von dem Bericht vom 30. Mai 1979, in dem über die Anfrage nach einer Möglichkeit zur Schleusung durch eine namentlich bezeichnete Person informiert wurde – im Wesentlichen pauschale Informationen und Hinweise zur allgemeinen Kriminalität, also keine politisch erheblichen Tatsachen, wie etwa die Information über eine Kontaktaufnahme mit Bürgern Westberlins und das verdächtige Verhalten eines BRD-Bürgers in unmittelbarer Nähe eines Objektes der sowjetischen Armee in dem Bericht über Maßnahmen zur weiteren Zusammenarbeit vom 15. September 1977. Es werden dort keine konkreten Namen genannt, so dass eine Verfolgung der betreffenden Personen schon aus diesem Grund unwahrscheinlich war. Auch der Bericht über eine namentlich bezeichnete Frau mit Ausländerkontakten war zwar geeignet, sie in den Focus des MfS zu bringen. Allerdings erscheint es nicht ohne weiteres wahrscheinlich, dass sie allein aufgrund dieser Information zu Schaden gekommen ist. Im Hinblick auf die Chronologie und der Mehrzahl der Berichte, die dafür sprechen, dass der Betroffene zu vermeiden versucht hat, dem MfS konkrete, personenbezogene politisch erhebliche Tatsachen zu berichten, wofür im Übrigen auch spricht, dass sich sein Aufgabengebiet ab Ende Oktober 1978 auf die Schwerpunkte Garderoben- und Mopeddiebstähle bzw. deren unbefugte Benutzung konzentrierte (Treffbericht vom 20. Oktober 1978), ist die Darstellung des Betroffenen glaubhaft, nur unter der ständigen Drohung, wegen des ungesühnten Waffendiebstahls strafrechtlich verfolgt zu werden, weiter berichtet zu haben. Unter diesen Umständen ist das Vorliegen von Ausschlussgründen, die es rechtfertigen, die ihm bewilligten sozialen Ausgleichsleistungen zu versagen, zumindest nicht abschließend feststellbar.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 25 Abs. 1 Satz 4, 14 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StrRehaG.