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(Umfang der Unterrichtungspflicht beim Betriebsübergang)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 9. Kammer Entscheidungsdatum 30.04.2010
Aktenzeichen 9 Sa 480/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 613a Abs 5 BGB

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.11.2009 – 37 Ca 9999/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Klägerin durch einen wirksamen Widerspruch gegen einen Betriebsübergang einen Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber verhindern konnte, und in diesem Zusammenhang vor allem über den Inhalt der Unterrichtungspflicht.

Die 1961 geborene, verheiratete und 2 Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin war seit 1. September 1977 bei der Deutschen Telekom AG (DTAG) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Gemäß einer tariflichen Sonderregelung genießt sie besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, wonach ihr Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund oder bei andauernder Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit durch Kündigung beendet, oder zum Zwecke der Änderung des Arbeitsvertrags gekündigt werden kann, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen nicht mehr möglich ist. Ihr Arbeitsvertrag enthält das Recht des Arbeitgebers, sie innerhalb des Unternehmens auch an einem anderen Ort zu beschäftigen.

Zum 1. Juni 2005 wechselte sie unter Anrechnung ihrer Beschäftigungszeiten zur Beklagten, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG, und war seitdem als Callcenter-Agentin in Vollzeit tätig. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2008 wurde sie von der Beklagten und der TELDAS Servicecenter Berlin GmbH (künftig: TELDAS) darüber unterrichtet, dass zum 1. Dezember 2008 ein Betriebsübergang auf das letztgenannte Unternehmen stattfinden solle. Die Klägerin widersprach dem zunächst nicht und führte ihre Tätigkeiten ab 1. Dezember 2008 für den neuen Arbeitgeber, ein Konzernunternehmen der D+S europe, fort. Unter dem 2. April 2009 kündigte die TELDAS auf einer Betriebsversammlung an, dass sie den Berliner Standort schließen und den Betrieb nach Frankfurt/Oder verlagern wolle. Hierauf widersprach die Klägerin dem Betriebsübergang mit Schreiben vom 5. Mai 2009 und erklärte zugleich ihre Bereitschaft, am neu errichteten Standort Hennigsdorf der Beklagten zu den bisherigen Vertragsbedingungen weiterzuarbeiten. Die Beklagte wies den Widerspruch als verspätet zurück und lehnte einen Einsatz der Klägerin am Standort Hennigsdorf ab. Kurz darauf vereinbarte die Klägerin mit dem Betriebserwerber die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2009 und schloss ab 1. Juli 2009 ein neues Arbeitsverhältnis mit einem anderen Konzernunternehmen der D+S europe am Standort Frankfurt/Oder.

Mit der vorliegenden, am 28. Mai 2009 erhobenen und später noch erweiterten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Betriebsübergangs zum 1. Dezember 2008 beendet ist, sondern unbefristet über den 1. Dezember 2008 hinaus zu den bisherigen Vertragsbedingungen als Callcenter-Agentin fortbesteht, und ihre Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits am Standort Hennigsdorf verlangt. Sie hat sich auf eine inhaltlich unzutreffende, unvollständige und unklare Unterrichtung zum Betriebsübergang berufen mit der Folge, dass die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang noch nicht begonnen habe, weshalb dieser als rechtzeitig angesehen werden müsse.

Mit Urteil vom 11. November 2009 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei durch Betriebsübergang am 1. Dezember 2008 auf die TELDAS übergegangen, weil der Widerspruch der Klägerin verspätet sei. Das gemeinsame Informationsschreiben der Beklagten sowie der TELDAS vom 25. Oktober 2008 erfülle die Voraussetzungen des § 613a Abs. 5 BGB und habe die Widerspruchsfrist von einem Monat nach Zugang im Sinne von § 613a Abs. 6 S. 1 BGB ausgelöst. Insbesondere sei in dem Schreiben ausreichend über die Person des Betriebserwerbers und den Grund für den Betriebsübergang informiert worden, die Angaben zur Geltung von Firmentarifverträgen seien hinreichend klar und nicht widersprüchlich, ebenso die Hinweise auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den sogenannten Gleichstellungsabreden und den dynamischen Verweisungen. Gleiches gelte für die Hinweise bezüglich der Geltung etwaiger Konzernbetriebsvereinbarungen und zur Absenkung der Gesamtvergütung. Es sei auch ausreichend über das Widerspruchsrecht belehrt worden, und eines Hinweises auf den Standort Hennigsdorf der Beklagten habe es nicht bedurft.

Gegen das ihr am 4. Februar 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. März 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und zugleich begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die wesentlichen Grundsätze der in § 613a Abs. 5 BGB festgelegten Informationspflichten verkannt, wie sie von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts interpretiert worden seien. Für den Inhalt der Unterrichtung sei unter anderem entscheidend der Umstand, dass alle Arbeitsverträge der bei der Beklagten angestellten Arbeitnehmer nach Gründung der Beklagten im Jahr 2004 abgeschlossen wurden und darin die Anwendbarkeit der betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart worden sei. Der Hinweis auf eine Gleichstellungsklausel sei daher irreführend, die Unterrichtung lückenhaft, weil sie z.B. tarifgebundene Arbeitnehmer, die auch diese Tarifwechselklausel vereinbart hätten, nicht erfasse. Die Unterrichtung sei auch deshalb unzureichend, weil sie offen lasse, ob die TELDAS in den Anwendungsbereich einer Konzernbetriebsvereinbarung fällt, und auch keinen Hinweis darauf enthalte, ob bzw. wo solche eingesehen werden könnten. Ferner sei die Formulierung hinsichtlich des Entgeltanspruchs unklar. Schließlich seien auch die Informationen über die Folgen des Widerspruchs unzureichend. Weil sich die Beklagte in allen Verträgen ein unternehmensbezogenes Versetzungsrecht vorbehalten habe, hätte die Möglichkeit bestanden, widersprechende Arbeitnehmer an einen der vier noch verbliebenen Standorte zu versetzen, wie es auch verschiedentlich geschehen sei. Daher sei der Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit einer betriebsbedingten Beendigungskündigung ebenso falsch wie die Ausführungen zu tariflich Unkündbaren. Das Widerspruchsrecht sei auch nicht verwirkt, weil die Klägerin bereits vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages Widerspruch eingelegt habe. Eine vorläufige Weiterbeschäftigung komme am Standort Hennigsdorf in Betracht, weil dort nach wie vor etwa 80 externe Arbeitnehmer in Zeit- und Leiharbeit beschäftigt würden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund Betriebsübergangs zum 1.12.2008 beendet ist, sondern unbefristet über den 1. Dezember 2008 hinaus zu den bisherigen Vertragsbedingungen als Callcenter-Agentin fortbesteht und
2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Callcenter-Agentin am Standort Hennigsdorf weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt darüber hinaus aus, dass sie die von der Klägerin aufgeführten Lücken bei der Unterrichtung, die in der Praxis ohnehin nicht relevant seien, für eine Überspannung der Anforderungen halte. Die Klägerin habe verkannt, dass der Arbeitnehmer eine gewisse Pflicht habe, sich selbst zu informieren und hierfür auch ein Auskunftsrecht in Anspruch nehmen könne. Hinsichtlich der Belehrung über das Widerspruchsrecht sei die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag nicht relevant, weil sie eine betriebsbedingte Kündigung nicht ausschließe. Eine Belehrung über die kündigungsschutzrechtliche Situation könne nicht verlangt werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I .

Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden und erweist sich damit als zulässig.

II.

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil der Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht rechtzeitig erfolgt und damit unbeachtlich ist. Zwar hat die Klägerin das Widerspruchsrecht nicht verwirkt. Die Unterrichtung der Beklagten über den Betriebsübergang war aber ordnungsgemäß, weshalb Fristbeginn für den Widerspruch der Zugang des Unterrichtungsschreibens war. Da der Widerspruch erst mehr als sechs Monate danach erfolgt ist, war er verfristet.

1.

Das Widerspruchsrecht der Klägerin war bei dessen Ausübung nicht verwirkt.

Zwar hat die Klägerin mehr als sechs Monate nach dem Informationsschreiben verstreichen lassen, bis sie den Widerspruch erklärte. Damit ist das sogenannte Zeitmoment der Verwirkung ohne weiteres gegeben. Es fehlt aber am sogenannten Umstandsmoment. Dieses setzt voraus, dass ihre Untätigkeit bei der Beklagten den Eindruck erweckt hat, dass sie ihr Recht überhaupt nicht mehr geltend machen wolle, weshalb sich die Beklagte darauf einstellen durfte und Vertrauensschutz in Anspruch nehmen darf. Dafür hat die Klägerin indes keinen Anlass gegeben.

2.

Der Widerspruch ist dennoch unbeachtlich, weil er nicht fristgerecht erklärt worden ist.

Auch nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Unterrichtung der Klägerin über den Betriebsübergang durch das gemeinsame Schreiben der Beklagten und der TELDAS vom 25. Oktober 2008 ordnungsgemäß und setzte deshalb die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 in Gang.

a) Gem. § 613a Abs. 5 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten. Gemäß § 613a Abs. 6 kann der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5 schriftlich widersprechen.

Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteile vom 13.07.2006 – 8 AZR 303/05 und 305/05 – AP Nr. 311 und 312 zu § 613a BGB; 14.12.2006 – 8 AZR 763/05 – AP Nr. 318 zu § 613a BGB; 31.01.2008 – 8 AZR 1116/06 – AP Nr. 2 zu § 613a BGB Unterrichtung; 20.03.2008 – 8 AZR 1016/06 – NZA 2008, 1354-1359; 24.07.2008 – 8 AZR 73/07 – juris; 23.07.2009 – 8 AZR 538/08 – AP Nr. 10 zu § 613a BGB Unterrichtung) erfordert eine Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB eine verständliche, arbeitsplatzbezogene und zutreffende Information. Sie muss unter anderem Angaben über die Identität des Erwerbers, den Gegenstand und den rechtlichen Grund des Betriebsübergangs sowie eine korrekte Darstellung der rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer enthalten. Eine reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts genügt nicht, erforderlich ist eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache. Eine individuelle Unterrichtung der einzelnen vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, eine standardisierte Information muss jedoch etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen. Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung.

Die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB ist weder auf das Arbeitsverhältnis jedes einzelnen vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmers zuzuschneiden, noch sind die Folgen des Betriebsübergangs für alle individual- oder kollektivvertraglichen Rechte auszuführen. Die Konsequenzen des Betriebsübergangs für die Arbeitnehmer sind vielmehr nur dort darzulegen, wo es zu wesentlichen Änderungen kommt.

Über welche rechtlichen Folgen belehrt werden muss, richtet sich ebenfalls nach dem Zweck der Unterrichtungspflicht und dem Kenntnisstand der Unterrichtungsverpflichteten zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Auf jeden Fall gehören dazu die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen, wie der Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, auf die Gesamtschuldnerschaft des Übernehmers und des Veräußerers nach § 613 Abs. 2 BGB und grundsätzlich auch die kündigungsrechtliche Situation, so denn Kündigungen im Raum stehen.

Zu den bei dem Übernehmer geltenden Rechten und Pflichten gehören weiter die Anwendbarkeit tariflicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden. Dabei ist keine detaillierte Bezeichnung einzelner Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen nötig, da sich der Arbeitnehmer selbst näher erkundigen kann. Notwendig ist aber ein Hinweis darauf, ob die Normen kollektivrechtlich oder individualrechtlich fortwirken. Die Hinweise über die rechtlichen Folgen müssen präzise sein und dürfen keine juristischen Fehler beinhalten. Eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen ist im Rahmen des § 613 Abs. 5 BGB dann nicht fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber bei angemessener Prüfung der Rechtslage, die gegebenenfalls die Einholung von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung beinhaltet, rechtlich vertretbare Positionen gegenüber dem Arbeitnehmer kund tut.

Hinsichtlich der in Aussicht gestellten Maßnahmen gilt, dass diese frühestens dann vorliegen, wenn sie in einem Stadium konkreter Planungen sind.

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze war die Unterrichtung der Klägerin ausreichend.

aa) Die Arbeitnehmer, darunter auch die Klägerin, wurden in dem Standardschreiben über den geplanten Zeitpunkt des Betriebsübergangs und auch über dessen Grund informiert. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig.

bb) Streit besteht aber zunächst über die ordnungsgemäße Belehrung hinsichtlich der Folgen und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang.

(1) Dazu enthält das Unterrichtungsschreiben folgende hier inhaltlich als fehlerhaft gerügte Passagen:

„II. Folgen und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang

…..

2. Soweit sich aus dem Folgenden nichts anderes ergibt, geht Ihr Arbeitsverhältnis mit allen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die TELDAS über.

(1) Die in Ihrem Arbeitsvertrag unmittelbar getroffenen Regelungen gehen inhaltlich unverändert über.

(2) Bei der TELDAS sind momentan keine Tarifverträge anwendbar. Die TELDAS hat bisher weder Firmentarifverträge abgeschlossen noch sind auf die TELDAS kraft Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband Tarifverträge anwendbar. Es ist auch nicht beabsichtigt, Firmentarifverträge abzuschließen oder einem Arbeitgeberverband beizutreten.

Soweit auf Ihr Arbeitsverhältnis daher vor dem Übergang unmittelbar Tarifverträge anwendbar waren und Sie tarifgebundener Arbeitnehmer sind, werden die in diesen Tarifverträgen geregelten Arbeitsbedingungen nach dem Betriebsübergang grundsätzlich nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Ihnen und der TELDAS und wirken wie arbeitsvertragliche Regelungen fort; sie können innerhalb eines Jahres nach dem Übergang nicht zu Ihrem Nachteil geändert werden. Diese Sperre gilt allerdings dann nicht, soweit bei der TELDAS zum selben Regelungskomplex Tarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen werden. In diesem Fall lösen die Regelungen bei der TELDAS die bisher geltenden Regelungen der VCS ab. Dies gilt für tarifgebundene Arbeitnehmer aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Die tariflichen Regelungen gelten mit dem Inhalt, den sie zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges haben.

Sofern tarifliche Regelungen für Ihr Arbeitsverhältnis bislang aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel gegolten haben, entscheidet die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge darüber, ob zukünftige etwaige Tarifverträge der TELDAS Anwendung finden oder es bei einer Geltung der bisherigen tarifvertraglichen Regelung bleibt. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass nach der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sog. dynamische Verweisungen auf die einschlägigen Tarifverträge in Arbeitsverträgen, die vor dem 01. Januar 2002 abgeschlossen wurden, als sog. Gleichstellungsabrede zu bewerten sind, mit der Folge, dass diese Regelung im Zeitpunkt des Betriebsüberganges ihre Dynamik verlieren und statisch fortgelten. In später abgeschlossenen Arbeitsverträgen (also seit dem 01. Januar 2002) behalten solche Regelungen nach der o. g. Rechtsprechung ihre Dynamik.

(3) Die TELDAS behält sich vor, die bisherigen Entgeltbedingungen und damit die Gesamtvergütung ab dem 1. Dezember 2009 abzusenken. Die Einzelheiten werden zu gegebener Zeit mit den Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern erörtert. Es ist vereinbart, dass jeder Arbeitnehmer bis zum 1. Dezember 2009 - berechnet auf der Grundlage der gleichen Dauer der Arbeitszeit und unveränderter Stellenbeschreibung - monatlich mindestens ein Brutto-Entgelt erhält, das seinem individuellen monatlichen Entgeltanspruch gegenüber der VCS zum 30. November 2008 (einschließlich sämtlicher – z. B. tariflicher oder individualvertraglicher – Entgeltbestandteile, Zuschläge und durchschnittlicher leistungsabhängiger Vergütung in den zwölf Monaten vor dem 1. Dezember 2008) entspricht. Es ist darüber hinaus vereinbart worden, dass bis zum Ablauf des 30. November 2013 das Brutto-Mindestentgelt für übergehende Agenten nicht unter 25.000 Euro brutto jährlich, für übergehende Teamleiter nicht unter 29.000 Euro brutto jährlich abgesenkt wird. …

3. Die TELDAS beschäftigt derzeit noch keine Arbeitnehmer und verfügt derzeit noch über keinen Betrieb; es besteht somit auch kein Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat. Demzufolge sind derzeit bei der TELDAS auch keine Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarungen in Kraft. Im D+S-europe-Konzern gelten Konzernbetriebsvereinbarungen, die auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden werden, sofern die TELDAS in den Anwendungsbereich der Konzernbetriebsvereinbarung fällt. …

4. Die in Ihrem Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen gelten auch nach dem Betriebsübergang als Betriebsvereinbarungen (kollektivrechtlich) für Sie weiter, soweit sie nicht durch Konzernbetriebsvereinbarungen des D+S-europe-Konzerns geändert oder ersetzt werden. Soweit Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen gelten, gelten diese als Betriebsvereinbarungen mit der nunmehrigen Zuständigkeit eines Betriebsrates fort, soweit sie nicht durch Konzernbetriebsvereinbarungen des D+S-europe-Konzerns geändert oder ersetzt werden. …

9. Wichtigste Komponente für den erfolgreichen Betrieb des Standortes sind für Tell das die Mitarbeiter, künftig also Sie. Engagierte und motivierte Mitarbeiter, die höchste Zufriedenheit und eine optimale Wertschöpfung bei unseren Kunden erzielen, sind das Fundament für den erfolgreichen Betrieb des Standortes. Um das Ziel der Kundenzufriedenheit zu erreichen, ist eine laufende Überprüfung der Abläufe und Prozesse am Standort sowie gegebenenfalls deren Optimierung unerlässlich. Noch unentdeckte Potenziale zur verbesserten Wirtschaftlichkeit müssen erkannt und fortentwickelt werden. Diese Fortentwicklung ist eine ständige Herausforderung für jeden Mitarbeiter am Standort. Nach dem Betriebsübergang wird kälter sind die bestehenden Abläufe und Prozesse prüfen und etwaige Optimierungen veranlassen. Konkrete Maßnahmen sind derzeit aber noch nicht geplant.

Des Weiteren ist die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Standortes wesentlich von seiner Konkurrenzfähigkeit im vorhandenen Marktumfeld abhängig. Nach Einschätzung von TELDAS diese notwendige Konkurrenzfähigkeit gegenwärtig noch nicht gegeben. Daher wird TELDAS Maßnahmen ergreifen müssen, die auf die Herstellung der Konkurrenzfähigkeit des Standortes ausgerichtet sind.

Trotz vorrangiger Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Prozessoptimierung zeichnet sich daher ab, dass Maßnahmen zur Anpassung des Entgeltniveaus an ein marktgerechtes Entgeltniveau innerhalb der in 2. (3) dargestellten Grenzen erforderlich werden. Hierbei setzt TELDAS vorrangig auf freiwillige Maßnahmen. In diesem Zusammenhang wird kälter es ihnen den Abschluss neuer Arbeitsverträge anbieten. Eine Pflicht zum Abschluss neuer Arbeitsverträge besteht nicht. Sollte es aber zum Neuabschluss von Arbeitsverträgen kommen, so hat der Neuabschluss rechtlich zur Folge, dass der bisherige Arbeitsvertrag durch den neuen Arbeitsvertrag ersetzt wird. Wirtschaftlich und sozial hat der Neuabschluss von Arbeitsverträgen jeweils zur Folge, dass der bisherige einzelvertraglich und kollektivrechtlich gewährter Leistungsumfang verringert wird. ...

Diese in Aussicht genommenen Maßnahmen werden von TELDAS unter Berücksichtigung der in 2. (3) beschriebenen Entgeltbindung in Einzelfällen und nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen auch vor dem Ablauf von einem Jahr nach dem Vollzugstag ergriffen werden.

Darüber hinaus liegen keine das zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse dazu vor, ob die in Aussicht genommenen Maßnahmen ausreichen werden, um die notwendige Wirtschaftlichkeit am Standort zu erreichen. Daher sind außerdem von TELDAS in Aussicht genommenen Maßnahmen gegenwärtig für den Zeitraum nach Ablauf von einem Jahr nach dem Vollzugstag auch keine weiteren Maßnahmen konkret geplant. …“

(2) Insoweit rügt die Klägerin, dass hinsichtlich der Geltung von Firmentarifverträgen die Ausführungen widersprüchlich und unklar seien, zumal alle vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer Arbeitsverträge aus dem Jahr 2004 hätten, und dass die Voraussetzungen der Anwendbarkeit von Konzernbetriebsvereinbarungen und deren Inhalt offen bleibe. Auch die Absenkung der Gesamtvergütung sei widersprüchlich und unklar dargestellt, die angekündigten Maßnahmen zur Herstellung der Überlebensfähigkeit blieben unklar, da nicht mitgeteilt werde, welche Maßnahmen ergriffen würden, wenn der Arbeitnehmer freiwillige Vereinbarungen nicht zu treffen bereit ist. Der „Rahmen des rechtlich Zulässigen“ werde nicht erläutert.

(3) Diese Rügen der Klägerin sind nicht berechtigt.

(a) Was die Anwendbarkeit von Tarifverträgen für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer angeht, mögen zwar die Ausführungen zur Auslegung einer Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede überflüssig sein, wenn – was unterstellt werden kann – alle Arbeitsverträge der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer nach dem 31. Dezember 2001 abgeschlossen wurden. Das macht die Ausführungen jedoch nicht falsch, sondern allenfalls überflüssig. Die Situation der Klägerin ist in jedem Fall erfasst durch den letzten Satz des 2. Absatzes Unterabsatz (2). Dass die Formulierung für juristische Laien verwirrend sein mag, ist nicht den Verfassern anzulasten, sondern der Kompliziertheit der Materie.

Für die tarifgebundenen Arbeitnehmer heißt es im Übrigen, dass der Abschluss von Firmentarifverträgen nicht beabsichtigt sei, und keineswegs, dass sich TELDAS den Abschluss etwa vorbehalte. Nur für den Fall, dass es wider Erwarten doch zu einem solchen Abschluss kommen sollte, sind dann die Ausführungen zu den Tarifgebundenen relevant.

(b) Auch die Passagen über Betriebsvereinbarungen sind nicht zu beanstanden. Unmissverständlich wird dargestellt, dass Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarungen bei der TELDAS nicht in Kraft sind. Der Hinweis auf die mögliche Geltung von Konzernbetriebsvereinbarungen reicht aus, weil den Arbeitnehmern insoweit eine Erkundigungspflicht obliegt, die sie mit den gegebenen Informationen ohne weiteres auch wahrnehmen konnten. Wie die Beklagte noch ausgeführt hat, gab es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auch nur zwei Konzernbetriebsvereinbarungen, die für die Arbeitsverhältnisse der Callcenter-Agenten jedoch keine Bedeutung hatten.

(c) Schließlich sind auch die Passagen zur Absenkung der Gesamtvergütung nicht widersprüchlich oder unklar. Ihnen ist zu entnehmen, dass jedenfalls bis zum 30. November 2009 alles beim Alten bleibt. Dann vorzunehmende Maßnahmen sollten in jedem Fall erst mit den Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern erörtert werden und gegebenenfalls in neu abzuschließende Arbeitsverträge münden. Das wäre entgegen der Ansicht der Klägerin auch kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot.

c) Die Klägerin rügt auch eine fehlerhafte Information über die Folgen des Widerspruchs, weil nicht klargestellt werde, dass die tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nur durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gekündigt werden könnten.

aa) Die maßgebliche Passage lautet wie folgt:

„III. Widerspruchsrecht

Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die TELDAS innerhalb eines Monats ab Zugang dieses Schreibens zu widersprechen. Ein Widerspruch hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt.

Wir weisen allerdings darauf hin, dass die Arbeitsplätze an Ihrem Standort unabhängig von Ihrem Widerspruch von der VCS auf die TELDAS übergehen und demnach die entsprechenden Arbeitsplätze bei der VCS nicht mehr vorhanden sind. Im Falle eines Widerspruchs können Sie daher bei der VCS auf Ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden.

Sollten Sie dem Übergang widersprechen, wird die VCS Ihnen gegenüber – nach Prüfung der individuellen Voraussetzungen – voraussichtlich eine betriebsbedingte Beendigungskündigung aussprechen müssen. Dem steht nicht die oben unter Ziffer 8 angesprochene Gesetzesregelung des § 613a Absatz 4 S. 1 BGB entgegen, da eine solche Kündigung nicht wegen des Betriebsüberganges, sondern wegen der gegebenenfalls fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erfolgen würde. Die Vorschrift des § 613a Absatz 4 Satz 2 BGB lässt die Kündigung aus einem anderen Grund als dem Betriebsübergang ausdrücklich zu.

In diesem Zusammenhang weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass der arbeitgeberseitige Verzicht auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen nach § 9 UTV VCS im Falle eines solchen Widerspruchs nicht eingreift, da keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des UTV vorliegt. Eine solche würde den „Wegfall eines Arbeitsplatzes“ voraussetzen, was hier nicht der Fall ist. Ihr Arbeitsplatz fällt nicht weg, sondern geht in der jetzigen Form auf die TELDAS über.

Eine betriebsbedingte Beendigungskündigung kommt vorbehaltlich einer individuellen Prüfung sowohl für ordentlich kündbare Mitarbeiter als auch für ältere Mitarbeiter mit einem besonderen Kündigungsschutz (für diese jedoch ebenfalls nur unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist) in Betracht. Wir weisen unabhängig davon darauf hin, dass – wie Ihnen bekannt ist – demnächst beabsichtigt ist, weitere Standorte der VCS zu veräußern. ...“

bb) Diese Belehrung ist nach Ansicht der erkennenden Kammer auch unter Berücksichtigung des unternehmensweiten Versetzungsrechts und hinsichtlich der Mitarbeiter mit einem besonderen Kündigungsschutz, wie ihn auch die Klägerin hat, ausreichend. Sie enthält keine falschen Aussagen; insbesondere ist nur davon die Rede, dass Kündigungen „in Betracht kommen“ könnten und dies „nach individueller Prüfung“. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht in jedem Fall und quasi automatisch eine Kündigung erfolgen werde, aber damit zu rechnen ist. Nach Auffassung der Kammer ist es nicht Aufgabe der Belehrenden, die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung im Einzelnen darzulegen; dies bliebe einem gegebenenfalls zu führenden Kündigungsschutzprozess vorbehalten. Die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes ergeben sich im Übrigen aus den schon bisher geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen der Beklagten, auf die die Klägerin schon mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 hingewiesen worden und deren Kenntnis damit vorauszusetzen war.

3.

Damit verbleibt es bei der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.