Gericht | OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 12.10.2015 | |
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Aktenzeichen | 15 WF 176/15 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes in Ehesachen sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Bis auf die Einkommensverhältnisse beider Ehegatten, ist die Bewertung aller übrigen einzubeziehenden Faktoren in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Wertfestsetzung kann vom Beschwerdegericht nur dahin geprüft werden, ob von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist.
2. Staatliche Sozialleistungen und Kindergeld sind bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für Ehesachen und für Versorgungsausgleichssachen als Einkommen i.S.v. § 43 Abs. 2 bzw. § 50 Abs. 1 FamGKG zu berücksichtigen. Werden einem Ehegatten und den mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Kindern staatliche Sozialleistungen gezahlt, so ist auch der für den Unterhaltsbedarf der Kinder geleistete Betrag als Einkommen des Ehegatten in die Wertbemessung einzubeziehen.
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Eberswalde vom 16. Februar 2015 - 3 F 348/12 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. April 2015, soweit er die Festsetzung des Verfahrenswertes betrifft (Ziff. IV. Abs. 2 des Tenors), wie folgt abgeändert:
Der Verfahrenswert für das Scheidungsverbundverfahren in erster Instanz wird auf 8.426,90 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Wert für das Scheidungsverbundverfahren der Beteiligten auf insgesamt 6.305,- € (3.789,- € für die Ehesache, zzgl. 1.000,- € für die Folgesache Versorgungsausgleich und jeweils 758,- € für die Folgesachen Sorgerecht und Umgangsrecht) festgesetzt.
Gegen diese Wertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, mit der diese eine zu geringe Bewertung des Verfahrens rügen und die Festsetzung eines Verfahrenswertes von 12.805,40 € beantragen.
Zwar habe das Amtsgericht der Berechnung des Verfahrenswertes zu Recht die von beiden Ehegatten bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (ALG II) als Einkommen zugrunde gelegt. Der Antragsgegner habe in den letzten drei Monaten vor Einreichung der Scheidungsantragsschrift monatlich 667,- € erhalten, die Antragstellerin 1.164,19 € sowie zusätzlich 773,- € Kindergeld. Soweit das Amtsgericht für die Wertberechnung das Gesamteinkommen der Antragstellerin von 1.937,19 € (1.164,19 € + 773,- €) um den Betrag des Kindergeldes (773,- €) und den Anteil des ALG II, der nach dem Leistungsbescheid auf den Lebensbedarf der vier im Haushalt der Antragstellerin lebenden Kinder entfällt (568,84 €), gekürzt habe, sei diese Kürzung indes nicht angemessen. Vielmehr sei der Wert der Ehesache ausgehend von dem dreifachen Betrag der Summe des monatlichen Einkommens beider Ehegatten und einem pauschalen Abzug für den Kindesunterhalt wie folgt zu berechnen:
Einkommen der Ehefrau: | ||
ALG II | 1.164,19 €, | |
Kindergeld | 773,00 €, | |
Einkommen des Ehemannes: | ||
ALG II | 667,00 €, | |
Pauschaler Abzug für Kindesunterhalt: | ||
4 Kinder á 300,- € | 1.200,00 €, | |
abzgl. Einkommen Kinder | 216,00 €, | |
Zwischensumme: | 1.620,19 €. | |
Der dreifache Betrag des monatlichen | ||
Darüber hinaus sei auch der Verfahrenswert für die Folgesache Versorgungsausgleich zu gering bemessen. Beide Ehegatten hätten sowohl angleichungs- als auch regeldynamische Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, sodass der Verfahrenswert für die Folgesache Versorgungsausgleich nicht lediglich mit 1.000,- €, sondern richtigerweise mit 1.944,40 € (4.861,00 € x 10 % x 4 Anrechte] anzusetzen sei.
Schließlich habe das Amtsgericht auch den Verfahrenswert für die Folgesachen Sorgerecht und Umgangsrecht unzutreffenderweise lediglich mit 20% des Wertes für die Ehesache bemessen. Gemäß § 44 Abs. 3 FamGKG erscheine es angesichts dessen, dass das Scheidungsverbundverfahren annähernd 2 1/2 Jahre gedauert habe, sowohl in der Folgesache Sorgerecht als auch in der Folgesache Umgangsrecht drei Kinder beteiligt waren, deren unterschiedliche Belange in zwei Anhörungsterminen hätten erörtert werden müssen, und zwei Jugendamtsberichte auszuwerten gewesen seien, unbillig, diese Folgesachen lediglich mit dem Regelwert zu bewerten; vielmehr sei ein Wert von jeweils 3.000,00 € anzunehmen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Es entspreche der obergerichtlichen Rechtsprechung bei der Ermittlung des Verfahrenswertes in Ehesachen, Aufwendungen der Ehegatten für Kindesunterhalt zu berücksichtigen, indem das beiderseitige Nettoeinkommen einschließlich des Kindergeldes um einen angemessenen Betrag pro Kind gekürzt werde. Angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten und des Umstandes, dass die auf die Kinder entfallenden Anteile des von der Antragstellerin bezogenen ALG II ohnehin lediglich der Deckung des existentiellen Mindestbedarfs der Kinder dienten, sei es gerechtfertigt, anstatt des Abzuges eines Pauschalbetrages vom Einkommen bei der Einkommensermittlung die auf die Kinder entfallenden Sozialleistungen und das Kindergeld unberücksichtigt zu lassen.
Für die Bewertung der Folgesache Versorgungsausgleich seien das Ost- und das Westanrecht der Beteiligten in der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils als ein Anrecht i.S.v. § 50 Abs. 1 FamGKG zu betrachten.
Der Verfahrenswert für die Folgesachen Sorgerecht und Umgangsrecht betrage gem. § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG 20% des Wertes der Ehesache. Weder der Umfang noch die Schwierigkeit dieser Folgesachen würden eine Werterhöhung gem. § 44 Abs. 3 FamGKG gebieten. Dem Sorgerechtsantrag der Antragstellerin habe der Antragsgegner, wie von ihm zuvor dem Jugendamt gegenüber angekündigt, zugestimmt. In der Folgesache Umgang sei es bereits im ersten der beiden Anhörungstermine zu einem Vergleich der Beteiligten gekommen, die auch im weiteren Verlauf des Verfahrens bekundet hätten, dass ein Regelungsbedürfnis nicht bestehe. Schließlich begründe auch die Dauer des Scheidungsverbundverfahren nicht eine Erhöhung des Verfahrenswertes für diese Folgesachen, da die Verzögerung ausschließlich darauf beruht habe, dass der Versorgungsträger des Antragsgegners die Auskunft über die Rentenanwartschaften erst mit erheblicher Verspätung erteilt habe.
II.
1.
Die gem. § 32 Abs. 2 RVGi.V.m. § 59 FamGKG zulässige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2.
Für die Wertberechnung des Scheidungsverbundverfahrens gelten gem. § 44 Abs. 1 FamGKG alle in den Verbund einbezogenen Familiensachen (§ 137 FamFG) als ein Verfahren. Der Verfahrenswert ist dabei gem. § 44 Abs. 2 FamGKG in der Weise zu ermitteln, dass zunächst die Einzelwerte aller in den Verbund einbezogenen Verfahren zu ermitteln und danach zu addieren sind.
a) Gem. § 43 Abs. 1 FamGKG bestimmt sich der Verfahrenswert für die Ehesache unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach dem Ermessen des Gerichts. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Einzelfall soll die Festsetzung angemessener Gebühren nach sozialen Gesichtspunkten ermöglichen (BVerfG, NJW 1989, 1985). Dieser Zielstellung entsprechend ist für die Wertberechnung zunächst als Anknüpfungspunkt vom dreifachen Nettoeinkommen der Ehegatten bzw. Lebenspartner auszugehen und der so ermittelte Wert in Abhängigkeit von den übrigen Umständen im Rahmen einer Gesamtabwägung nach oben bzw. nach unten zu korrigieren (BVerfG, NJW 2005, 2980).
Bis auf die in die Bewertung einzubeziehenden Einkommensverhältnisse, für die § 43 Abs. 2 FamGKG eine konkrete Berechnungsgrundlage vorgibt, nämlich die Summe der Nettoeinkommen, die beide Ehegatten in drei Monaten erzielt haben, ist die Bewertung der übrigen Bemessungsfaktoren in das Ermessen des Gerichts gestellt.
Diese Ermessensentscheidung ist durch das Beschwerdegericht lediglich dahin zu prüfen, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Denn der Sinn der Ermessensgewährung würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt oder verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Stattdessen kann das Beschwerdegericht die Entscheidung nur auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht hat. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen oder von seinem Ermessen auf Grund fehlerhafter Gesetzesanwendung nicht oder nicht in gesetzlicher Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, FamRZ 2007, 893; OLG Celle, JAmt 2012, 40; OLG Saarbrücken, B. v. 19.07.2012 - 6 WF 360/12 –, zit. n. juris, mit zust. Anm. Többen, jurisPR-FamR 25/2012, Anm. 7).
Danach ist die vom Amtsgericht vorgenommene Bemessung des Wertes für die Ehesache im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Es ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass es dem Sinn und Zweck des § 43 FamGKG entspricht, Unterhaltsverpflichtungen der Ehegatten bei der Gesamtbetrachtung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse in der Weise zu berücksichtigen, dass entsprechend der Anzahl der Unterhaltsberechtigten oder der Höhe der Unterhaltsverpflichtung Abschläge von dem gem. § 43 Abs. 2 FamFG zu ermittelnden Einkommensbetrag vorgenommen werden, wobei zur Höhe der abzusetzenden Beträge unterschiedliche Ansichten bestehen (vgl. OLG Celle, BeckRS 2014, 00301; OLG Karlsruhe, AGS 2013, 472; OLG Dresden, FamRZ 2010, 1939; OLG München, FamRZ 2009, 1703; OLG Nürnberg, FamRZ 2009, 1619; OLG Köln, FamRZ 2008, 2051; OLG Karlsruhe, FamRZ 2008, 2050; OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, 807; OLG Nürnberg, MDR 2006, 597; OLG Schleswig, FamRZ 2009, 75; OLG Jena, FamRZ 2010, 1934; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 755; OLG Hamm, FamRZ 2006, 718; OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 2052; KG, FamRZ 2009, 1854; OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 453; OLG Köln, FamRZ 2009, 638; OLG Hamburg, FamRZ 2003, 1681; OLG Celle, NdsRpfl 1998, 175).
Ob die Berücksichtigung von Unterhaltslasten bei der Wertfestsetzung in Ehesachen zur Wahrung des gesetzgeberischen Ziels unumgänglich ist, kann vorliegend dahinstehen. Es ist jedenfalls nicht unbillig, statt dessen bei der Festsetzung des Verfahrenswertes einer Ehesache staatliche Leistungen wie Kindergeld oder auf den Lebensbedarf der Kinder entfallende Leistungen nach dem SGB II in der Höhe, in der sie einem Ehegatten mit Rücksicht auf seine gesetzliche Unterhaltspflicht seinen Kindern gegenüber gewährt werden, vom Nettoeinkommen abzusetzen.
Zwar sind daher weder die Erwägungen des Amtsgerichts über die Berücksichtigung und Bemessung der Kindesunterhaltsbelastung bei der Verfahrenswertbemessung noch das rechnerische Ergebnis, zu dem es unter Beachtung dieser Erwägungen gelangt ist, zu beanstanden, sodass es bei dem vom Amtsgericht festgesetzten Verfahrenswert für die Ehesache zu verbleiben hat. Gleichwohl ist dem Amtsgericht in seinem Rechenweg, mit dem es zu diesem Ergebnis gelangt ist, nicht zu folgen. Anders als das Amtsgericht meint, ist der im Hinblick auf die Kindesunterhaltsbelastung zu berücksichtigende Betrag nicht bereits bei der Ermittlung des beiderseitigen Nettoeinkommensbetrages gem. § 43 Abs. 2 FamFG zu berücksichtigen.
Erschien es nach der bis zum Inkrafttreten des FamGKG geltenden Rechtslage ohne praktische Auswirkung, ob einzelne Abzugspositionen wie beispielweise Unterhaltsbelastungen bei der Ermittlung des Nettoeinkommens nach § 48 Abs. 3 GKG a.F. oder als „sonstige Umstände“ i.S.v. § 48 Abs. 2 GKG a.F. in die Wertberechnung einflossen, hat sich dies mit Inkrafttreten des FamGKG zum 1.9.2009 geändert. Eine Abgrenzung des Nettoeinkommensbegriffs von den übrigen Bewertungskriterien ist mit Inkrafttreten des FamGKG unumgänglich geworden, da der Gesetzgeber das für die Wertberechnung nach § 43 FamGKG heranzuziehende Nettoeinkommen – und nur dieses – gem. § 50 FamGKG auch zum Bewertungsmaßstab für Versorgungsausgleichssachen gemacht hat (BT-Drs. 16/10144, 111; Volpert, ZFE 2010, 181).
Im Ansatz zutreffend ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das von beiden Ehegatten bezogene ALG II Einkommen i.S. v. § 43 Abs. 2 FamGKG ist.
Da eine kostenrechtliche Definition des Nettoeinkommensbegriffs nicht existiert und ein Rückgriff auf die Definition dieses Begriffes in anderen Vorschriften wie z.B. in § 40 Abs. 2 StGB, in § 30 Abs. 8 BVG oder in § 10 USG wegen derer vom Kostenrecht unterschiedlichen Zielrichtung ausscheidet (vgl. BeckOK KostR/Neumann, 11. Ed., FamGKG, § 43, Rn. 16), ist von dem allgemeinen Verständnis dieses Begriffes als der Betrag auszugehen, der nach Anrechung aller auf die Einkünfte entfallenden Abzüge wie Steuern, Abgaben und Kosten zum Verbrauch verbleibt (v. König/ Bischof, Kosten in Familiensachen, Rn. 64; Schmidt, AnwBl 1977, 442; Nierhaus, AnwBl 1975, 35 (38); 1976, 375; Mümmler, JurBüro 1975, 863 (866)). Da § 43 Abs. 2 FamGKG eine Beschränkung auf Erwerbseinkünfte nicht vorsieht, sind vom Nettoeinkommensbegriff sämtliche, dem Lebensunterhalt der Ehegatten dienenden Einkünfte erfasst. Dies ist in Literatur und Praxis anerkannt. Allerdings ist die Berücksichtigung staatlicher Transferleistungen umstritten.
Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass staatliche Transferleistungen wie Sozialhilfe, Grundsicherung oder ALG II als Einkommen bei der Wertberechnung nicht zu berücksichtigen sind (OLG Karlsruhe, FuR 2015, 422; OLG Frankfurt a. M., NZFam 2015, 686; OLG Oldenburg, MDR 2014, 1154; OLG Celle, JurBüro 2014, 244; OLG Saarbrücken, FuR 2013, 666; OLG Hamm, FamRB 2012, 149; FamRZ 2012, 240; ASR 2011, 210; OLG Naumburg, FuR 2012, 207; OLG Bremen, FamRZ 2012, 239; OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1810; OLG Hamm, FamRZ 2012, 987; NJW 2011, 1235; OLG Köln, AGS 2013, 588; FamRZ 2009, 1703; OLG Schleswig, FamRZ 2009, 1178; FamRZ 2010, 1939; KG, FamRZ 2009, 780; OLG Rostock, FamRZ 2007, 1760). Nach dieser Ansicht handele es sich bei subsidiären Sozialleistungen nicht um Einkommen im kostenrechtlichen Sinne, weil solche Leistungen voraussetzen, dass der Bedürftige kein Einkommen erziele, und sie deshalb in der Unterhaltsberechnung auch nicht bedarfsdeckend seien.
Nach der Gegenmeinung sind staatliche Transferleistungen wie Sozialhilfe, Grundsicherung oder ALG II als Einkommen i.S.v § 43 Abs. 2 FamGKG zu berücksichtigen (OLG Brandenburg, FamRZ 2013, 2009; FamRZ 2011, 1423; OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 992; NJW 2011, 1235; OLG Celle, NJW 2010, 3587; OLG Köln, FamRZ 2009, 638; OLG Schleswig, FamRZ 2009, 75; OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 453; OLG Oldenburg, FamRZ 2009, 1177; OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2008, 535; OLG Hamm, FamRZ 2006, 632; Meyer, FamGKG, 14. Aufl., Rn. 13; Schneider/ Volpert/Fölsch/Türck-Brocker, FamGKG, 2. Aufl., Rn. 47; BeckOK KostR/Neumann, a.a.O., Rn. 38; Schneider/Herget/Thiel, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 7138, 7244, 7146 ff., 7169 f.; Schneider, Gebühren in Familiensachen (2010), Rn. 1036; Nickel, FuR 2013, 255; Thiel, AGS 2013, 588; 2011, 143; FamFR 2011, 518; Kroiß, NJW 2011, 498; 2012, 501).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Sie beruft sich zu Recht darauf, dass die Wertvorschrift des § 43 FamGKG ersichtlich auf die finanziellen Mittel abstellt, die den Eheleuten bzw. Lebenspartnern für die alltäglichen Ausgaben zur Verfügung stehen und die ihren Lebensstandard bestimmen, und zwar unabhängig davon, welchen Einkommensquellen sie entspringen, insbesondere, ob es sich um Erwerbs- oder Nichterwerbseinkünfte handelt. Da staatliche Sozialleistungen wie andere Einkünfte auch den Lebensstandard bestimmen, gibt es keinen Grund, beim Bezug solcher Leistungen kostenrechtlich einen unterschiedlichen Maßstab anzulegen. So wäre es mit dem gesetzgeberischen Ziel, durch die Berücksichtigung des Nettoeinkommens eine gerechte und sozialverträgliche Staffelung der Gerichtsgebühren (und damit auch der Verfahrenskosten) zu schaffen, unvereinbar, das Verfahren in einem Fall mit dem Mindestwert zu bewerten, weil die Einkünfte der Beteiligten aus Sozialleistungen bestehen, bei gleich hohen Erwerbseinkünften aber zu einem wesentlich höheren Wert zu gelangen. Hinzu kommt, dass selbst bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beteiligten für die Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe staatliche Transferleistungen als unmittelbar einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen sind (BGH, FamRZ 2010, 1324; 2008, 781). Dann aber kann für das kostenrechtliche Einkommensverständnis, das neben sozialen auch andere Belange zu berücksichtigen hat, nichts anderes gelten. Deshalb scheidet auch ein Rückgriff auf die unterhaltsrechtliche Beurteilung staatlicher Transferleistungen, welche im Wesentlichen auf den unterhaltsrechtlichen Auswirkung subsidiärer Leistungen beruht, im Kostenrecht, in denen der subsidiäre Charakter der Transferleistungen keine Rolle spielt, aus.
Soweit das Amtsgericht allerdings lediglich den Anteil des von der Antragstellerin bezogenen ALG II als Nettoeinkommen i.S.v. § 43 Abs. 2 FamGKG berücksichtigt hat, der ihr im Hinblick auf ihren eigenen Lebensbedarf geleistet worden ist, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr ist das gesamte, an die Antragstellerin als Inhaberin des Leistungsanspruchs gezahlte ALG II anzusetzen. Wie auch bei sonstigen Einkünften kommt es bei staatlichen Transferleistungen für die Berechnung des den Ehegatten zufließenden Nettoeinkommens nicht darauf an, wofür sie geleistet oder verwendet werden. Deshalb ist es unerheblich, inwieweit hierin Leistungen oder sonstige Vergünstigungen enthalten sind, die im Hinblick auf bestehende Unterhaltsverpflichtungen gewährt werden, wie z.B. die Leistung von Familienzuschlägen oder die Berücksichtigung von Ausbildungsfreibeträgen.
Dann aber ist auch das an die Ehefrau ausgezahlte Kindergeld Einkommen i.S.v. § 43 Abs. 2 FamGKG (so auch OLG Karlsruhe, AGS 2013, 472; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 755; 2008, 1206; OLG Jena, FamRZ 2010, 1934; OLG Köln, FamRZ 2008, 205; OLG Dresden, FamRZ 2006, 1053; OLG Hamm, FamRB 2012, 149; FamRZ 2006, 806; OLG Zweibrücken, FamRZ 2008, 2052; Schneider, a. a. O.; Oestreich/Hellstab/Trenkle, FamGKG, Anhang zum FamGKG, Stichwort Ehesachen, Rn. 8; BeckOK KostR/Neumann, a.a.O., Rn. 32; Schneider/Herget/Thiel, a.a.O., Rn. 7169 f., 7177; Schewe, NZFam 2014, 176; Nickel, FuR 2013, 255).
Mithin berechnet sich der Verfahrenswert der Ehesache wie folgt:
In drei Monaten erzieltes Nettoeinkommen
der Ehegatten (§ 43 Abs. 2 FamGKG):- monatliche Einkünfte der Ehefrau:
ALG II
1.164,19 €,
Kindergeld
773,00 €,
- monatliche Einkünfte des Ehemannes:
ALG II
667,00 €,
monatliches Gesamtnettoeinkommen
2.604,19 €,
dreifacher Nettoeinkommensbetrag beider Ehegatten
7.812,57 €.
Abzusetzen hiervon ist der dreifache vom Amtsgericht
im Hinblick auf die Unterhaltsbelastung der
Ehegatten für ihre vier Kinder als angemessenen
erachtete Monatsbetrag von 1.341,84 € (773,- € +568,84 €),mithin 1.341,84 € x 3 Monate
4.025,52 €.
Danach ergibt sich ein Verfahrenswert für die Ehesache von
3.787,05 €.
b) Hinsichtlich der Bewertung der Folgesache Versorgungsausgleich ist das Amtsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass gem. § 50 Abs. 1 FamGKG für jedes Anrecht 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der beteiligten Ehegatten anzusetzen sind.
Der Betrag des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten ist allerdings nicht identisch mit dem Verfahrenswert der Ehesache. Wie oben dargelegt, ist die vom Amtsgericht vorgenommene Berechnung des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der beteiligten Ehegatten dahin zu korrigieren, dass sich der maßgebliche Nettoeinkommensbetrag auf 7.812,57 € beläuft.
Nicht zu folgen ist der angefochtenen Entscheidung überdies, soweit der Ermittlung des Verfahrenswertes lediglich ein Anteil von 20 % des Einkommensbetrages zugrunde gelegt wird.
Die Bewertung des Verfahrens in Versorgungsausgleichssachen erfolgt in Abhängigkeit von der Anzahl der verfahrensgegenständlichen Anrechte. Bei der Bestimmung des Verfahrenswerts ist jedes Anrecht zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn mehrere Anrechte bei ein und demselben Versorgungsträger in den Ausgleich einzubeziehen sind. Wie die Beschwerdeführer zutreffend ausführen, handelt es sich deshalb bei den West- und Ost-Anrechten der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht etwa um jeweils ein Anrecht, sondern um jeweils zwei Anrechte, sodass bei der Wertberechnung insgesamt von vier Anrechten auszugehen ist.
Allerdings wird die Frage, ob mehrere Anrechte auch dann gesondert zu bewerten sind, wenn sie bei ein und demselben Versorgungsträger bestehen, in der Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
Während vereinzelt die Ansicht vertreten wird, für die gesonderte Berücksichtigung bei der Wertberechnung komme es nicht darauf an, ob einzelne Anrechte gesondert auszugleichen sind, sondern darauf, ob die Anrechte eine einheitliche Versorgungsart betreffen, aus der eine einheitliche Rente zu leisten ist (OLG Brandenburg, BeckRS 2013, 14513; AGS 2011, 393; BeckRS 2011, 26245; FamFR 2012, 14; Keuter, FamRZ 2011, 1026), geht die ganz überwiegend vertretene Gegenansicht (OLG Celle, FamRZ 2012, 1311; OLG Brandenburg, FamRZ 2015, 529; FuR 2013, 721; NJW-RR 2011, 1575; JurBüro 2012, 588; OLG Jena, FamRZ 2011, 585; 2010, 2099; OLG Nürnberg, AGS 2010, 401; 2011, 393; OLG Dresden, FamRZ 2010, 588; Thiel, AGS 2012, 248; 2011, 393; FamFR 2010, 409; Grabow, FamRB 2010, 93; Krause, FamRB 2011, 356; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 4. Aufl., § 50 FamGKG, Rn. 6e; Schneider/Herget/Thiel, a. a. O., Rn. 8812; BeckOK KostR/Neumann, a.a.O., § 50, Rn. 28; Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein/Keske, Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht, 9. Aufl., Rn. 111; Viefhues, FuR 2012, FUR 388) davon aus, dass nach dem Wortlaut des § 50 Abs. 1 FamGKG für die Wertberechnung jedes Anrecht und nicht etwa nur die Versorgungsart oder das Versorgungssystem maßgeblich ist.
Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Die gesonderte Bewertung von Ost- und Westanrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht dem gesetzgeberischen Ziel des § 50 Abs. 1 FamGKG, dem Prinzip des Einzelausgleichs nach dem VersAusglG Rechnung zu tragen und den Verfahrenswert am Aufwand, der mit der Beurteilung „jedes einzelnen Anrechts“ verbunden ist, zu bemessen, um so auch die Bedeutung des Ausgleichs einzelner Anrechte in den Vordergrund zu stellen (BT-Drs. 16/10144, 111). Mithin ist das Erfordernis des gesonderten Ausgleichs eines Anrechts, nicht aber die Versorgungsart oder das Versorgungssystem, dem sie zugehören, maßgebliches Kriterium für die Bewertung nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Ein gesonderter Ausgleich aber ist bei Anrechten, die sich hinsichtlich ihrer wertbildenden Faktoren, insbesondere ihrer Dynamik, von anderen Anrechten unterscheiden - wie gerade die Ost- von den Westanrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung -, immer erforderlich (BGH, NJW 2012, 312).
Dass im Leistungsfall eine aus den einzelnen, unterschiedlichen Entwicklungen unterliegenden Rentenbestandteilen ermittelte Gesamtrente in einer Summe ausgezahlt wird, ändert nichts daran, dass jede der voneinander zu unterscheidenden Anwartschaften als einzelnes Anrecht im Versorgungsausgleich gesondert zu betrachten und auszugleichen ist (BGH, FamRZ 2012, 189).
Danach beträgt der Wert für die Folgesache Versorgungsausgleich 3.125,03 € (7.812,57 € x 10 % x 4 Anrechte].
Der Umstand, dass mit der Beschwerde ein hinter diesem Betrag zurückbleibender Wert für die Folgesache Versorgungsausgleich geltend gemacht worden ist, ist unbeachtlich, da es sich insoweit lediglich um einen Rechenposten für die Bildung des Gesamtwertes des Scheidungsverbundverfahrens handelt und der Gesamtwert immer noch hinter dem mit der Beschwerde geltend gemachten Gesamtwert zurückbleibt. Darauf, dass der Senat auch im Hinblick auf § 55 Abs. 3 Ziff. 2 FamGKG nicht gehindert wäre, bei der Wertfestsetzung über den Antrag der Beschwerdeführer hinauszugehen, kommt es nicht an.
c) Hinsichtlich der Bemessung des Verfahrenswertes für die Folgesachen Sorgerecht und Umgangsrecht ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.
Ist eine der in § 137 Abs. 3 FamFG genannten Kindschaftssachen, zu denen auch die Sorge- und Umgangsrechtssachen gehören, in den Scheidungsverbund einbezogen, so beträgt der Wert dieser Kindschaftssache unabhängig von der Anzahl der betroffenen Kinder 20% des Wertes der Scheidungssache, jedoch nicht mehr als 3.000,- € (§ 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG). Ausgehend von dem in der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zutreffend festgesetzten Wert für die Ehesache ist mithin von einem Wert der Folgesachen Sorgerecht und Umgangsrecht in Höhe von jeweils 757,41 € (3.787,05 € x 20%) auszugehen.
Dieser Wert kann gem. § 44 Abs. 3 FamGKG nur dann nach oben korrigiert werden, wenn er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig erscheint. Die Entscheidung, ob eine Erhöhung des nach § 44 Abs. 2 FamGKG ermittelten Wertes geboten ist, unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, welches vom Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Ermessensfehler lässt die sorgfältig begründete Entscheidung hinsichtlich der Wertfestsetzung für die Kindschaftsfolgesachen nicht erkennen. Allein der Umstand, dass die Sorge- und Umgangssache mehrere Kinder betraf, genügt nicht (§ 45 Abs. 2 FamGKG). Zwar kann die Beteiligung mehrerer Kinder zu einem erheblich vom Normalfall abweichenden Arbeitsaufwand führen, der die Anhebung des Wertes rechtfertigt (KG, FamRZ 2006, 438). Dass die für jedes einzelne Kind maßgeblichen Belange gesondert dargelegt und erörtert werden müssen, stellt dabei jedoch den Regelfall dar und rechtfertigt nicht von vornherein eine Werterhöhung. Auch die Durchführung zweier Anhörungstermine stellt für sich genommen keinen derart erheblichen Mehraufwand dar, der den Ansatz des Regelwerts als unbillig erscheinen ließe. Allenfalls dann, wenn umfangreiche Ermittlungen anzustellen sind (z.B. wiederholte Vernehmungen und Anhörungen von Zeugen, Verfahrensbeiständen und Sachverständigen; außergewöhnlich umfangreiche Erörterungen) oder ein das übliche Maß deutlich überschreitender Schriftverkehr auszuwerten ist, kann eine Werterhöhung in Betracht kommen (OLG Frankfurt a. M., FuR 1999, 437). Hierfür ist jedoch im vorliegenden Fall, so wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, nichts ersichtlich.
Für das Verbundverfahren sind die Werte der Scheidungssache und der Folgesachen gem. § 44 FamGKGzu addieren:
Ehesache | 3.787,05 €, | |
Versorgungsausgleich | 3.125,03 €, | |
Sorgerecht | 757,41 €, | |
Umgangsrecht | 757,41 €, | |
Scheidungsverfahren insgesamt | 8.426,90 € |
Die Wertfestsetzung des Familiengerichts war mithin auf diesen Betrag zu ändern. Soweit die Beschwerdeführer die Festsetzung eines höheren Wertes geltend gemacht haben, bleibt ihr Rechtsmittel ohne Erfolg.
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.
2.
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde, die allerdings im Hinblick auf die dargestellte Kasuistik einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung dienlich wäre, ist dem Senat von Rechts wegen verwehrt (§ 59 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 57 Abs. 7 FamGKG).