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Trinkwasseranschlussbeitrag; Verjährung; Verfassungsmäßigkeit des geänderten Kommunalabgabengesetzes; Rückwirkung; rechtliches Gehör; Änderungsantrag; Verfahrensaussetzung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 13.05.2014
Aktenzeichen OVG 9 S 11.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 7 VwGO, § 94 VwGO, § 8 Abs 7 S 2 KAG BB, § 19 Abs 1 KAG BB, § 20 Abs 2 KAG BB

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 31. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 6.354,75 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragstellerin gehört das mehr als 95 ha große Flurstück 3.... Auf einer Teilfläche befinden sich Gebäude, die früher militärisch bzw. für eine internationale Rundfunkstation genutzt wurden; die Antragstellerin nutzt das Grundstück für landwirtschaftliche Zwecke (Rinderzucht).

Mit Bescheid vom 29. Mai 2012 hat der Antragsgegner einen Trinkwasseranschlussbeitrag betreffend eine Teilfläche des Grundstücks der Antragstellerin gefordert. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2013 (VG 8 L 372/12) zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 5. März 2014 (OVG 9 S 20.13) zurück.

Anschließend hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht beantragt, den Beschluss vom 31. Januar 2013 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs nunmehr anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 31. März 2014 zurückgewiesen. Gegen den ihr am 1. April 2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 4. April 2014 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

II.

1. Die Antragstellerin hat beantragt, das vorliegende Eilverfahren in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO bis zur Erledigung der Nichtzulassungsbeschwerde- oder etwaigen Revisionsverfahren in Bezug auf die Streitverfahren OVG 9 B 34 und 35.12 auszusetzen. Hierzu besteht kein Anlass. Zwar hat der erkennende Senat eine Reihe von Berufungszulassungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO ausgesetzt, bis das Bundesverwaltungsgericht über Nichtzulassungsbeschwerden oder etwaige Revisionen gegen die am 14. November 2013 ergangenen Urteile in den Verfahren OVG 9 B 34 und 35.12 (juris) entschieden hat (vgl. u. a. den Aussetzungsbeschluss vom 10. April 2014 - OVG 9 N 162.12 - unveröffentlicht). Die insoweit für die Aussetzung maßgeblichen Gründe sind indessen hier nicht gegeben. Die am 14. November 2013 in den Verfahren OVG 9 B 34 und 35.12 ergangenen Urteile haben jeweils einen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus zum Gegenstand. Beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist eine ganze Serie von Berufungszulassungsverfahren anhängig, in denen es ebenfalls um Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheide des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus geht. Die Aussetzungsbeschlüsse sind in einem bestimmten Teil dieser Verfahrensserie ergangen. In den ausgesetzten Verfahren stellen sich - bis auf etwaige Detailfragen wie die Größe und bauliche Ausnutzbarkeit des jeweils veranlagten Grundstücks - nahezu durchgängig dieselben Fragen wie in den beiden schon vom Senat entschiedenen Streitsachen, so etwa überall dieselben Fragen zur öffentlichen Anlage und zur Beitragskalkulation. Zudem hat auch das Verwaltungsgericht in den ausgesetzten Verfahren jeweils im Wesentlichen gleich argumentiert. Die Aussetzungen sind aus Gründen einer ökonomischen Behandlung des betreffenden Teils der Verfahrensserie erfolgt. Soweit die gleichlautende Begründung der Aussetzungsbeschlüsse beispielhaft ("u. a.") bestimmte verfassungsrechtliche Fragen anspricht, die sich in allen Verfahren gleichermaßen stellen, mag das die umfassenderen Überlegungen zur Aussetzung nicht ganz richtig zum Ausdruck bringen. Deshalb stellt der Senat klar, dass allein der Umstand, dass sich in einem gerichtlichen Verfahren dieselben verfassungsrechtlichen Fragen stellen wie in den Verfahren OVG 9 B 34 und 35.12, für den Senat kein Grund ist, das betreffende Verfahren entsprechend § 94 VwGO auszusetzen. Dementsprechend hat der erkennende Senat auch keine Aussetzungen vorgenommen oder erwogen, soweit sich in einem Verfahren lediglich dieselben verfassungsrechtlichen Fragen stellen wie in den Verfahren OVG 9 B 34 und 35.12, aber sonst keine Deckungsgleichheit der zu beantwortenden Fragen besteht. Wie ausgeführt sind noch nicht einmal alle Verfahren der Verfahrensserie betreffend Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheide aus Cottbus ausgesetzt worden.

2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

a) Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss vom 31. März 2014 (im Folgenden: angegriffener Beschluss) keinen Anlass gesehen, seinen ursprünglichen Eilbeschluss vom 31. Januar 2013 (im Folgenden ursprünglicher Eilbeschluss) gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen zu ändern. Der angegriffene Beschluss ist insoweit schon nicht beschwerdefähig (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Juli 2012 - OVG 9 S 34.12 -, S. 5 EA; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. März 2012 - 10 S 17.11 -, Juris Rn. 7 m.w.N.).

b) Das Verwaltungsgericht hat es in dem angegriffenen Beschluss sinngemäß auch abgelehnt, seinen ursprünglichen Eilbeschluss nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Antrag der Antragstellerin abzuändern. Diese Entscheidung ist beschwerdefähig. Insoweit ist die Beschwerde aber unbegründet.

Beschwerden in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Die Begründung muss unter anderem die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese geben keinen Anlass zur Änderung der angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung.

aa) Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgericht vor, bei Erlass des angegriffenen Beschlusses eine Gehörsverletzung begangen zu haben. Das greift ungeachtet der Frage des tatsächlichen Vorliegens einer Gehörsverletzung für sich genommen nicht. Hat das Verwaltungsgericht die Abänderung eines Eilbeschlusses abgelehnt und bei Erlass seiner Ablehnungsentscheidung eine Gehörsverletzung begangen, so bedeutet das für sich genommen nicht, dass der ursprüngliche Eilbeschluss nunmehr doch abzuändern wäre; vielmehr muss sachlich ein Abänderungsgrund gegeben sein.

bb) Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Dies setzt allerdings voraus, dass es sich um entscheidungserhebliche Umstände handelt (vgl. Beschluss des Senats vom 28. Februar 2014 - OVG 9 S 47.13 -, S. 4 EA in Sachen derselben Beteiligten; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 80 Rn. 185). Diese müssen eine andere Eilentscheidung angezeigt sein lassen. Solche Umstände macht die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht geltend.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss einen Beschluss des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 21. September 2012 (VfGBbg 46/11 - juris) in Bezug genommen. Die Beschwerde sieht in dem Beschluss vom 21. September 2012 eine politische Entscheidung und bemängelt die Mitwirkung eines bestimmten Verfassungsrichters. Das greift nicht, weil es nichts an der inhaltlichen Überzeugungskraft des Beschlusses vom 21. September 2012 ändert, mit dem im Übrigen die Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. grundlegend: Urteil vom 12. Dezember 2007 - OVG 9 B 45.06 -, Juris; nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 - BVerwG 9 B 22.08 -, Juris) bestätigt worden ist. Auch der Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 5/08 - juris) greift insoweit nicht. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (a. a. O., Rn. 72 ff.) ist wie der erkennende Senat (a. a. O., Rn. 52 ff. ) davon ausgegangen, dass die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG nicht nur klarstellenden, sondern konstitutiven Charakter hat, aber eben nicht in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreift; warum dies im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 anders zu sehen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Richtig ist allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08 - juris) das Erfordernis postuliert hat, dass der Gesetzgeber Regelungen treffen muss, die sicherstellen, dass die Grundstückseigentümer nicht noch beliebig lange nach Erlangung des tatsächlichen Vorteils zu einem Anschluss- oder Ausbaubeitrag herangezogen werden können. Dieses Erfordernis hat weder das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in seinem Beschluss vom 21. September 2012 noch der erkennende Senat in seinen Entscheidungen, die er vor Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 getroffen hat, im Blick gehabt. Angesichts des vom Bundesverfassungsgericht postulierten Erfordernisses hat das Kommunalabgabengesetz auch aus Sicht des erkennenden Senats für bestimmte Fallgestaltungen gegen das Grundgesetz verstoßen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 10. Januar 2014 - OVG 9 S 64.13 -, Juris Rn. 15 und vom 26. März 2014 - OVG 9 S 37.13 -, S. 4 f. EA). Allerdings hat der Landesgesetzgeber diesen Grundgesetzverstoß durch Einfügung von Regelungen zu einer absoluten zeitlichen Obergrenze für die Beitragserhebung (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 KAG) beseitigt. Diese Regelungen sind aus Sicht des erkennenden Senats verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Beschluss des Senats vom 10. Januar 2014 - OVG 9 S 64.13 -, Juris Rn. 15). Anders als die Beschwerde meint, verstößt ihre Einfügung in das Kommunalabgabengesetz auch ihrerseits nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Die eingefügten Regelungen belasten die Grundstückseigentümer nicht, sondern schützen sie nunmehr vor zeitlich unbegrenzter Inanspruchnahme. Soweit den Grundstückseigentümern durch die Einfügung der Regelungen die Möglichkeit genommen wird, gegen eine Heranziehung zu Beiträgen den bislang gegebenen Grundgesetzverstoß des Kommunalabgabengesetzes einzuwenden, besteht kein schutzwürdiges Vertrauen. Vielmehr mussten die Grundstückseigentümer im Land Brandenburg damit rechnen, dass der Landesgesetzgeber den Grundgesetzverstoß beseitigen würde. Soweit die Beschwerde meint, die Beitragsfestsetzung gegen die Antragstellerin sei nach den allgemeinen Verjährungsregelungen bereits verjährt, hat der Landesgesetzgeber ihr diese Position, wenn sie denn gegeben sein sollte, durch die Einfügung der §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 KAG nicht genommen; die Bestimmungen schränken die Geltung der allgemeinen Regelungen über die Festsetzungsverjährung nicht ein. Der Frage, ob die Beitragsforderung gegen die Antragstellerin bei Erlass des angegriffenen Beitragsbescheides bereits verjährt gewesen ist, ist hier nicht nachzugehen. Eine etwaige Verjährung wäre im Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht zu berücksichtigen, weil es sich jedenfalls weder um einen neuen noch um einen bisher unverschuldet nicht geltend gemachten Umstand handelt. Ob bei Bescheiderlass bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war, muss der Senat auch nicht unter dem Blickwinkel einer Änderung des ursprünglichen Eilbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 31. Januar 2013 auf der Grundlage des § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO prüfen. Die in § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO geregelte Befugnis, eine Eilentscheidung von Amts wegen zu ändern, steht nur dem Gericht der Hauptsache zu, hier also nur dem Verwaltungsgericht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).