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Rechtsqualität der Aufforderung zur Vorlage von Behandlungsdokumentationen; Erledigung des Begehrens auf Akteneinsicht


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 28.06.2011
Aktenzeichen L 7 KA 50/11 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 25 SGB 10, § 31 SGB 10, § 44a VwGO, QPRL

Leitsatz

1.) Die Mitteilung an einen Vertragsarzt, dass die Qualität der von ihm durchgeführten Substitutionsbehandlung geprüft werden solle und er genau bezeichnete Behandlungsdokumentationen für namentlich benannte Patienten innerhalb einer ihm bestimmten Frist vorzulegen habe, ist kein Verwaltungsakt.

2.) Ein Verwaltungsverfahren nach der Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung für ein Quartal endet mit der Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für dieses Quartal und der Anordnung einer neuen Qualitätsprüfung im folgenden Quartal.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Verfahrensgegenstand wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2011 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, das ihn betreffende Qualitätsprüfungsverfahren für den Leistungsbereich Substitutionsbehandlungen Opiatabhängiger im Quartal I/2010 auszusetzen, bis die Antragsgegnerin ihm gegen Kostenerstattung Unterlagen vorgelegt habe, aus denen sich seine Heranziehung nach einem statistisch gesicherten Verfahren i.S.v. § 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu Auswahl, Umfang und Verfahren bei Qualitätsprüfungen im Einzelfall nach § 136 Abs. 2 SGB V („Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung“ vom 18. April 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 S. 5141, in Kraft getreten am 1. Januar 2007) ergebe, rechtsfehlerfrei abgelehnt. Denn dem Antragsteller fehlt für sein Rechtsschutzbegehren jedes schutzwürdige rechtliche Interesse.

1.) Zu Unrecht beruft er sich mit der Beschwerde zur Begründung der Zulässigkeit seines Antrages darauf, dass die Aufforderungen durch die Antragsgegnerin vom 24. November und 29. Dezember 2010, für 12 namentlich benannte Patienten Unterlagen zur Dokumentation der von ihm durchgeführten Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger vorzulegen, selbständig anfechtbare Verwaltungsakte darstellten. Denn diese Schreiben sind weder nach ihrem Inhalt noch nach der ihnen als Rechtsgrundlage zu Grunde liegenden Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung auf die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtwirkung nach außen i. S. von § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) gerichtet und deshalb keine Verwaltungsakte. Zwar ist dem Antragsteller entsprechend der normativen Regelung in § 4 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung durch die genannten Schreiben mitgeteilt worden, dass die Qualität der von ihm durchgeführten Substitutionsbehandlung im Quartal I/2010 geprüft werden solle und er genau bezeichnete Behandlungsdokumentationen für namentlich benannte Patienten innerhalb einer ihm bestimmten Frist vorzulegen habe. Diese Verpflichtung dient jedoch nur der Vorbereitung der in § 6 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung vorgesehenen Stichprobenprüfung. Deren Ergebnis hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung zusammen mit den von ihr nach § 6 Abs. 3 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessen auf der Grundlage der Ergebnisniederschrift der Qualitätssicherungs-Kommission zu treffenden Maßnahmen in einem schriftlichen Bescheid mitzuteilen. Kommt der zur Qualitätsprüfung ausgewählte Arzt der Aufforderung zur Vorlage der Dokumentationen innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nach, soll nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung eine Erinnerung erfolgen. Werden die Dokumentationen aus Gründen, die der Arzt zu vertreten hat, innerhalb einer Frist von weiteren vier Wochen nach Zugang der Erinnerung erneut nicht eingereicht, wird vermutet, dass alle im betreffenden Prüfquartal abgerechneten Leistungen des zu überprüfenden Leistungsbereichs nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen. In diesem Falle kann die Kassenärztliche Vereinigung entscheiden, diese Leistungen nicht zu vergüten oder die geleisteten Vergütungen zurückzufordern (§ 5 Abs. 2 Satz 2 und 3 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung). Außerdem werden beim betreffenden Arzt im Folgequartal nochmals Dokumentationen nach Absatz 1 angefordert (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung). Aus der Systematik dieser Regelungen folgt, dass die bloße Weigerung eines Vertragsarztes, die verlangten Dokumentationen vorzulegen, unmittelbar keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Nur wenn die Nichtvorlage der Dokumentation aus Gründen erfolgt, die der Arzt zu vertreten hat, darf die Antragsgegnerin weitere Maßnahmen gegen ihn ergreifen. Hierzu gehört an erster Stelle die Entscheidung, alle im betreffenden Prüfquartal abgerechneten Leistungen des zu überprüfenden Leistungsbereichs nicht zu vergüten. Diese Entscheidung steht allerdings im Ermessen der Antragsgegnerin, die deshalb von dieser Maßnahme auch absehen darf. Ob der Antragsteller aus seiner Weigerung, die von ihm verlangten Behandlungsdokumentationen vorzulegen, überhaupt Rechtsfolgen ausgesetzt ist, hängt deshalb von den von der Antragsgegnerin vorzunehmenden und inzwischen auch vorgenommenen Entscheidungen nach § 5 Abs. 2 und 3 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung ab. Im Rahmen dieser Prüfung ist erstmals auch über alle weiteren vom Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfragen durch eine bestandskraftfähige Entscheidung im Sinne des § 31 SGB X zu entscheiden. Aus der Systematik der Regelungen der Richtlinie des GBA folgt weiter, dass die Aufforderungen nach § 4 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung nicht selbständig durchsetzbar und damit nicht vollstreckbar sind, wie der Antragsteller behauptet. Denn wie das der Antragsgegnerin von der Richtlinie zugebilligte Ermessen zeigt, sind die in § 5 Abs. 2 und 3 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung vorgesehenen Maßnahmen selbständige (Grund-)Verwaltungsakte und keine Vollziehungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen der Aufforderung zur Vorlage von Behandlungsdokumentationen.

Würde es sich bei den Aufforderungsschrieben um Verwaltungsakte handeln, wie der Antragsteller meint, wäre sein Antrag im Übrigen auch deshalb unzulässig, weil er sein Rechtsschutzbegehren dann mit einem Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG mit dem Ziel hätte verfolgen müssen, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Aufforderungsschreiben festzustellen.

2.) Ob der Zulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über die Folgen der Weigerung des Antragstellers, Behandlungsdokumentationen vorzulegen, der aus § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu entnehmende Rechtsgedanke entgegengehalten werden konnte, dass Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, bedarf hier keiner Entscheidung mehr. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Qualitätsprüfungsverfahrens bis zur Vorlage der vom Antragsteller verlangten Unterlagen ist jedenfalls deswegen unzulässig geworden, weil die Antragsgegnerin inzwischen durch Bescheid vom 11. Mai 2011 dem Grunde nach gemäß § 5 Abs. 2 und 3 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung über die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars entschieden und eine neue Qualitätsprüfung des Antragstellers im Quartal II/2010 angeordnet hat. Damit ist das Qualitätsprüfungsverfahren für das Quartal I/2010, in dem der Antragsteller Akteneinsicht nach § 25 Abs. 5 SGB X begehrte, abgeschlossen (vgl. auch § 8 letzter Halbsatz SGB X). Das Begehren des Antragstellers auf Gewährung von Akteneinsicht vor Ergehen einer Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 5 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung ist damit gegenstandslos geworden und sein Rechtsschutzbedürfnis sowohl für die Klage als auch das sich daran anknüpfende vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren entfallen. Denn vor einer Entscheidung der Antragsgegnerin über die Folgen der Nichtvorlage der vom Antragsteller geforderten Behandlungsdokumentationen und dem sich daraus ergebenden Abschluss des Qualitätssicherungsverfahrens für das Quartal I/2010 kann Akteneinsicht nicht mehr gewährt werden. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Heranziehung zum Qualitätssicherungsverfahren für dieses Quartal kann der Antragsteller nunmehr nur noch nachträglich erreichen. Dafür steht ihm der Rechtsschutz gegen die ergangene Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 5 Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung vom 11. Mai 2011 zur Verfügung (in diesem Sinne die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 1990, 1 BvR 1028/90 RdNr. 15-17), gegen die der Antragsteller nach seinem Vorbringen Widerspruch eingelegt hat.

3.) In diesem Widerspruchsverfahren wird sich zunächst die Antragsgegnerin und in einem sich ggf. anschließenden Klageverfahren auch das Sozialgericht u.a. mit der Rechtsfrage auseinandersetzen müssen, welche Auswirkungen der mit Wirkung zum 1. April 2007 neu gefasste § 299 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) auf das Qualitätssicherungsverfahren nach der Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung hat. Denn diese Vorschrift schreibt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten von Versicherten für Zwecke der Qualitätssicherung u.a. nach § 136 Abs. 2 SGB V vor, dass die versichertenbezogenen Daten durch den Vertragsarzt nach einem in der Qualitätssicherungsrichtlinie nach § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB V vorgesehenen, unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik festgelegten Verfahren pseudonymisiert und die betroffenen Versicherten in geeigneter Weise eine qualifizierte Information erhalten sollen (§ 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V). Die im Jahre 2006 erlassene und mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Qualitätsprüfungs-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung sieht entsprechende Verfahrensregelungen nicht vor. Soweit die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Richtlinie in der geltenden Fassung deshalb gegen § 299 SGB V verstößt, hätte sie trotz fortbestehender Bindung an die Richtlinie die Möglichkeit, ihre Anpassung an das geltende Recht des SGB V beim GBA anzuregen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO sowie auf §§ 52 und 53 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).