Gericht | AG Potsdam | Entscheidungsdatum | 13.06.2013 | |
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Aktenzeichen | 31 C 7/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und Streithelfer zu 1.) bis 8.) als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Klägerin war bis 31.12.2014 zur Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage bestellt. Mit Schreiben vom 13.11.2012 forderten die beklagten Wohnungseigentümer sie auf, einen Beschluss zu ihrer Abberufung als Verwalterin zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung am 11.12.2012 zu setzen. Unter Top 7 fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft folgenden Beschluss:
„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, die Verwaltung aus wichtigem Grund fristlos abzuberufen, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Weiterhin wird der Verwaltervertrag mit der Firma fristlos gekündigt, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.“
Bei 13 Ja- und 12 Nein-Stimmen wurde der Beschluss mit Stimmenmehrheit angenommen.
Klägerin und Streithelfer zu 1.) bis 8.) beantragen,
den Beschluss der Eigentümer zu „Top 7“ in der Eigentümerversammlung vom
11.12.2013 für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Klage ist am 11.01.2013 bei Gericht eingegangen. Mit bei Gericht am 08.02.2013 eingegangenem Schreiben haben die Streithelfer zu 1.) bis 6.) erklärt, sie träten der Anfechtungsklage im Wege der Nebenintervention bei, die Streithelfer zu 7.) und 8.) mit bei Gericht am 11.02.2013 eingegangenem Schriftsatz.
In ihrer Klageschrift hat die Klägerin angegeben, ein Ersatzzustellungsvertreter sei nicht bestellt und eine Wohnungseigentümerliste beigefügt. Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 28.01.2013 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und angekündigt, gegebenenfalls Herrn ….. als Ersatzzustellungsvertreter zu bestellen. Am 31.01.2013 ist die Zustellungsurkunde für die Wohnungseigentümerin ….. als unzustellbar zurückgekommen. Die Klage ist an sie unter anderer Anschrift am 14.02.2013 zugestellt worden. Da auch Beklagte wohnhaft bzw. geschäftsansässig im Ausland sind, hatte das Gericht eine Auslandszustellung veranlasst. Aufgrund der Tatsache, dass die Parteien anderweitig ein Verfahren bei der zuständigen Abteilungsrichterin geführt haben, hat das Gericht alle Wohnungseigentümer zur Frage, ob Herr … zum Ersatzzustellungsvertreter bestellt werden kann, in der Sitzung vom 14.02.2013 anhören können. Die Klage ist dann aufgrund Beschlusses vom 19.02.2013 an den Ersatzzustellungsvertreter am 25.02.2013 zugestellt worden.
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Einwendungen der Klägerin und damit auch der Streithelfer sind bereits unzulässig, da die Klägerin die Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG zur Klageerhebung versäumt hat.
1.) Vorab war allerdings festzustellen, wer auf Klägerseite, wer auf Beklagtenseite streitet. So hatten die Streithelfer zu 1. bis 8) angegeben, als Nebenintervenienten auf Klägerseite beizutreten.
In analoger Anwendung von § 66 Abs.1 ZPO ist eine „Nebenintervention“ der ursprünglich auf Beklagtenseite genannten Streithelfer zu 1.) bis 8.) zulässig. § 66 Abs. 1 ZPO ist seinem Wortlaut nach zwar unanwendbar. Denn nach dieser Norm kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.
Zwar führen hier nicht „Dritte“ einen Rechtsstreit, dem die Streithelfer zu 1-8) beitreten wollten. Vielmehr nannte die Klägerin sie in ihrer Klageschrift als Beklagte, da sie Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sind. Aufgrund des Wortlautes wäre deshalb ein Beitritt auf Klägerseite nicht zulässig (so der BGH, Urteil vom 26.10.2012, V ZR 7/12). Jedoch ist aufgrund der verbandsmäßigen Besonderheiten und Interessen von Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine analoge Anwendung von § 66 Abs.1 ZPO gerechtfertigt (so im Ergebnis auch der BGH, Urteil vom 27.03.2009 V ZR 196/08; Landgericht München I, Urteil vom 08.08.2011 Az: 1 S 809/11 (ZMR 2012, S. 133 ff.)).
Die Voraussetzungen für eine Analogie sind gegeben.
Es liegen vergleichbare Sachverhalte vor. Die ursprünglich beklagten Wohnungseigentümer haben ein rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Vom Wortlaut der Norm her können sie jedoch nicht auf Klägerseite mitstreiten, da sie Beklagte sind. Dabei fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Besonderheiten gesehen hat, die bei der Anfechtungsklage von Wohnungseigentümern oftmals vorliegen.
Grundlage einer Anfechtungsklage, wie hier, ist ein Wohnungseigentümerbeschluss, der regelmäßig mit oder zumindest ohne Willen aller Wohnungseigentümer gefasst worden ist. Wenn ein Wohnungseigentümer sodann binnen der Klagefrist keine Anfechtungsklage erhebt, mag dies darauf zurückzuführen sein, dass er sich und den übrigen Wohnungseigentümern Streit und Kosten ersparen möchte. Wenn allerdings zumindest eine Person eine Anfechtungsklage erhebt, sind Streit und Kosten „im Raum“. Unter diesen Umständen ist es gerechtfertigt, wenn Wohnungseigentümer, die zuvor friedvolles Verhalten einem Rechtsstreit mit den weiteren Wohnungseigentümern vorzogen, die Entscheidung zu ermöglichen, den Rechtsstreit auf der einen oder anderen Seite zu fördern.
Bei einer Anfechtungsklage sind die beklagten Wohnungseigentümer notwendige Streitgenossen (s. hierzu z.B. BT-Drucksache 16/887 S. 73, zit. nach Bärmann, WEG, 10. Auflage, § 46 Rn. 62)
So wäre ihnen eine Flucht in die Säumnis nicht möglich, vielmehr gelten sie nach wohl h.M. als durch die übrigen Streitgenossen als vertreten angesehen (§62 Abs. 1 ZPO). Auch ein Anerkenntnis der Klageforderung ist nicht ohne weiteres bindend möglich – zumindest kann ein Urteil gegen die Beklagten nur einheitlich ergehen (s. hierzu Bärmann, a.a.O., § 46 Rn. 62), wobei Anerkenntnisse in die Würdigung „mit einbezogen werden“ können sollen (so Bärmann, a.a.O.).
Dies erscheint wenig konsequent und den Interessen der Wohnungseigentümer nicht angemessen. Wenn ein Wohnungseigentümer die Auffassung eines anderen Anfechtungsklägers teilt, muss es ihm möglich sein, auf dessen Seite mitzustreiten.
Dabei ist es ebenso wenig angemessen, dass nach § 66 Abs.2 ZPO eine Nebenintervention – oder besser: ein Seitenwechsel, eine „Kontravention“ - durch ursprünglich beklagte Wohnungseigentümer zeitlich unbegrenzt möglich ist. Ein zeitlich unbefristet zulässiger Seitenwechsel führte dazu, dass z.B. bei absehbarem Unterliegen nach umfangreicher Beweisaufnahme ggf. alle Beklagten auf Klägerseite mitstreiten könnten. Insoweit ist es geboten, die Zulässigkeit des Beitritts entgegen § 66 Abs.2 ZPO zeitlich zu begrenzen. Zudem bedarf es der Rechtssicherheit und -klarheit. Zweckmäßig ist insoweit, die Frist des § 46 Abs.2 S2 2.Hs WEG ergänzend bei § 66 Abs. 2 ZPO anzuwenden. So ist es zulässig, dass zunächst als Beklagte geführte Wohnungseigentümer innerhalb von 2 Monaten nach Beschlussfassung angeben, wenn sie die Parteirolle wechseln möchten und als „unselbständige“ Kläger, die ggf. selbst die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage nicht eingehalten haben, fungieren wollen.
Auch der Fall, dass alle zunächst Beklagten angeben, auf Klägerseite Streithilfe leisten zu wollen, ist unproblematisch dahingehend zu lösen, dass die Erklärung der Beklagten, die diese Erklärung erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erklären, die Klageforderung anerkennen. Es ist dann entsprechendes Anerkenntnisurteil zu erlassen.
Mit dieser Analogie von § 66 Abs.1 ZPO samt teleologischer Reduktion von § 66 Abs.2 ZPO wird den Besonderheiten des Treueverhältnisses von Wohnungseigentümern untereinander und den Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes Rechnung getragen. Es entsteht Rechtssicherheit und dennoch wird keiner in eine Position gedrängt, die seinem Willen zuwiderläuft. Binnen eines Monats steht fest, ob angefochten wird, und binnen zweier Monate steht fest, wer auf welcher Seite auftritt. Zugleich werden auch nicht Wohnungseigentümer in die Situation gedrängt, binnen Monatsfrist ab Beschlussfassung Klage einreichen zu müssen, um zu vermeiden bei Anfechtung durch andere auf Beklagtenseite zu stehen.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien war eine „Kontravention“ - eine analoge Nebenintervention als Wechsel von Beklagten- auf Klägerseite – hier noch möglich. Die Streithelfer zu 1.) bis 8.) erklärten innerhalb der zweimonatigen Klagebegründungsfrist nach § 46 Abs. 1 S. 2, 2.Hs WEG, sie wollten auf Klägerseite mitstreiten, was zulässig war.
2.) Die Klage ist nach § 46 Abs. 2 S. 2 1 Hs. WEG verspätet erhoben (s. hierzu BT-Drucksache 16/887 S. 38). Denn die Klage hätte innerhalb eines Monats nach Beschlussabfassung erhoben werden müssen. Dabei gilt die Klage gemäß § 253 Abs. 1 ZPO mit Zustellung der Klageschrift als erhoben. Nach § 167 ZPO wird die Frist bereits mit Eingang des Antrags bzw. der Klage bei Gericht als gewahrt angesehen, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Eine Zustellung gilt nur dann als „demnächst“ erfolgt, wenn in einer den Umständen nach angemessenen Frist zugestellt wird ohne von der Partei zu vertretende Verzögerung (vgl. BGH VersR 1999, 218, IV ZR 248/97 v. 30.09.2008). § 167 ZPO soll einen Kläger vor Verzögerungen schützen, auf die er keinerlei Einfluss hat, an denen er also auch nicht nur mitschuldig ist (BVerfG I BvR 1464/91 I BvR 1623/91, BGHZ 145, 362 VI ZR 198/99). Hieran fehlt es. Die Zustellung der Klageschrift erfolgte nicht demnächst. So befanden sich Beklagte in England bzw. eine Gesellschaft hat ihren Sitz in der Schweiz, ebenso die Beklagte ….. . Die Zustellung an die Beklagte …. kam zunächst als unzustellbar zurück. Erst nach Mitteilung einer neuen Adresse konnte die Klage an sie am 14.02.2013 zugestellt werden. Die Zustellung an die im Ausland ansässigen Wohnungseigentümer erfolgte nach Aktenlage erst durch Zustellung an den gerichtlich bestellten Ersatzzustellungsvertreter am 25.02.2013.
Wäre ein Ersatzzustellungsvertreter vorhanden gewesen, wäre es nicht zu diesen Verzögerungen gekommen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Wohnungseigentümer einen Ersatzzustellungsvertreter im Ausland benannt hätten. Zwar schließt das Gesetz dies nicht aus, es widerspräche jedoch im Zweifel ordnungsgemäßer Verwaltung, einen im Ausland ansässigen Ersatzzustellungsvertreter zu benennen, da hierdurch erhebliche Verzögerungen zu erwarten wären.
Auch wäre bei Benennung eines Ersatzzustellungsvertreters eine Zustellung an die Beklagte ….. früher erfolgt.
b.) Die Klägerin hat diese verzögerte Zustellung jedenfalls in erheblicher Weise mit zu vertreten, und muss sich diese anlasten lassen. Denn als Verwalterin, gerade als professionelle Verwalterin, war sie verpflichtet, auf eine ordnungsgemäße Verwaltung der WEG hinzuwirken. Hierzu gehört gemäß § 45 Abs. 2 WEG, dass die Wohnungseigentümer für den Fall, dass der Verwalter als Zustellungsvertreter ausgeschlossen ist, durch Beschluss mit Stimmenmehrheit einen Ersatzzustellungsvertreter sowie dessen Vertreter bestellen, auch wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist.
Auch, wenn noch kein Rechtsstreit absehbar ist, besteht die Pflicht, einen Ersatzzustellungsvertreter zu bestellen (s. Nur BT-Drucksache 16/887 S. 37). Deshalb war es Pflicht der Klägerin, auf die Bestellung eines Zustellungsvertreters hinzuwirken. Dies musste sich ihr geradezu Aufdrängen, da sie die Ankündigung erhalten hatte, dass über ihre eigene Abberufung entschieden werden sollte. Sie musste konkret damit rechnen, gegebenenfalls als Vertreterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in einem Prozess nicht auftreten zu können. Zwar ist es originäre Pflicht der Wohnungseigentümer selbst und damit auch der Beklagten, einen Ersatzzustellungsvertreter zu bestellen. Dies lässt jedoch ein Verschulden der Verwalterin nicht entfallen.
Dabei übersieht das Amtsgericht nicht, dass umstritten ist, ob eine Anhörung der Wohnungseigentümer durch das Gericht zur Frage, ob und welcher Ersatzzustellungsvertreter bestellt wird, notwendig ist (dafür, dass stets rechtliches Gehör zu gewähren ist: Landgericht Hamburg 318 S 88/08, ZMR 2009, S. 795, Bärmann WEG, § 45 Rdn. 39, a.A. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 45 Rdn. 25).
Dies kann hier dahinstehen. Denn ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass gemäß Art. 103 Abs.1 GG rechtliches Gehör vor der Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters zu gewähren ist, ist allenfalls bei einer „normalen“ Anfechtungsklage gerechtfertigt, in deren Rahmen Wohnungseigentümer gegen die übrigen Wohnungseigentümer prozessieren, und beide Seiten gleichermaßen Verschulden daran trifft, dass kein Ersatzzustellungsvertreter bestellt ist.
Klagt aber eine professionelle Hausverwaltung, die von der Mehrheit der Wohnungseigentümer abberufen, deren Verwaltervertrag gekündigt worden ist, ist es nicht gerechtfertigt, hier den grundrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör zu missachten. Eine professionelle Hausverwaltung muss als Garant darauf hinwirken, dass ein Ersatzzustellungsvertreter bestellt wird. Dies ist für Rechtsklarheit und -sicherheit erforderlich. Gerade, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft aus nicht nur zwei oder drei Parteien besteht, von denen zudem welche einen dauernden Aufenthalt/Sitz außerhalb Deutschlands haben, ist es Aufgabe einer Verwaltung, dringend auf die Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters hinzuwirken. Tut sie dies nicht, begründet dies ein Verschulden, welches zur Versäumung der Anfechtungsfrist führen kann
Da die Klägerin gegen diese Pflicht verstieß, ist ihr die verzögerte Klagezustellung anzulasten. Dass sie die Wohnungseigentümer auf die Pflicht zur Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters hingewiesen habe, behauptet sie bereits nicht.
Eine ausreichende Klageerhebung binnen einer Frist von einem Monat ab Beschlussfassung nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG lag hier durch demnächstige Zustellung nicht mehr vor.
3.) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs.1, 101 Abs.2, 69, 100, 709 S. 2 ZPO.
Streitwert: 7.140,00 EUR