Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 20.04.2015 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 120/14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 6. Juni 2014 abgeändert.
Der Antragstellerin wird die Entscheidung über die Beantragung einer Änderung des Nachnamens von A… S… in A… L… übertragen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Eltern jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
A… wurde am ….7.2010 außerhalb einer Ehe in D… geboren. Die Eltern lernten sich in Tunesien kennen. Im Juni 2010, kurz vor A…s Geburt, zog der Vater aus Tunesien zur Mutter nach D…. Im Oktober 2011 trennten sich die Eltern. Die Mutter zog mit A… zunächst nach B… und später nach E…, wo auch die Großeltern von A… leben. Die elterliche Sorge für A… üben die Eltern aufgrund einer Sorgeerklärung vom 10.5.2010 gemeinsam aus. Sie haben am 5.7.2013 vor dem Amtsgericht Eisenhüttenstadt – 3 F 152/12 – eine gerichtlich gebilligte Vereinbarung geschlossen, wonach die Mutter die elterliche Sorge in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Passangelegenheiten allein ausübt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 10.10.2013 forderte die Mutter den Vater auf, der Beantragung einer Namensänderung von A… S… in A… L… zuzustimmen. Der Vater reagierte auf diese Aufforderung nicht.
Mit ihrem am 25.11.2013 beim Amtsgericht eingereichten Antrag hat die Mutter vorgetragen: Es stelle für A… eine Belastung dar, den Namen des Vaters zu tragen, da dieser kein Interesse an seinem Sohn zeige. Vielmehr stände für ihn seine eigene aufenthaltsrechtliche Situation im Vordergrund. Der Vater beabsichtige, A… nach Tunesien zu entführen und beschneiden zu lassen. Die Änderung des Namens entspreche dem Willen des Kindes, schütze es vor Nachfragen anderer Kinder und wirke sich günstig auf das Verhältnis von Mutter und Kind aus. Zudem werde eine Entführung von A… erheblich erschwert, weil Grenzkontrollen bei einer Namensverschiedenheit von Elternteil und Kind aufmerksamer durchgeführt würden.
Die Mutter hat beantragt,
1. sie zu ermächtigen, einen Namensänderungsantrag beim Ordnungsamt des Landkreises … für A… allein stellen zu dürfen;
2. hilfsweise, ihr das Sorgerecht für A… allein zu übertragen.
Der Vater hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen: Es sei nicht ersichtlich, warum es für A… eine Belastung darstelle, seinen Nachnamen zu tragen, zumal Kinder sich untereinander mit dem Vornamen anredeten. Es treffe auch nicht zu, dass er sich nicht für A… interessiere. Vielmehr unterbinde die Mutter den Kontakt. Sie habe ihre Telefonnummer geändert und ihm nicht bekannt gegeben. Er habe weder die Absicht, A… zu entführen, noch beabsichtige er, die Beschneidung des Jungen gegen den Willen der Mutter durchzusetzen.
Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 6.6.2014 den Hauptantrag der Mutter abgewiesen und über den Hilfsantrag nicht entschieden.
Gegen die Entscheidung wendet sich die Mutter mit ihrer Beschwerde und führt zur Begründung aus: Aufgrund der Verschiedenheit der Familiennamen von A… und ihr ergäben sich Nachteile bei der Abfertigung zu Urlaubsreisen. Diese Nachteile wirkten sich auch auf A… aus, da er erleben müsse, dass ihre Position als Sorgeberechtigte in Frage gestellt werde. Der Vater habe diese Wirkung in der Vergangenheit noch forciert, indem er A… ein Foto einer anderen Frau gezeigt und behauptet habe, dies sei A…s Mutter. Er wolle A… nach Tunesien bringen und ihn enger an seine Familie binden. Auch beabsichtige er, A… beschneiden zu lassen. Der Vater habe dies während des Zusammenlebens insbesondere im Jahr 2011 häufig, auch vor Zeugen, erklärt und in der Auseinandersetzung mit ihr kompromisslos darauf beharrt. Die Namensänderung sei für A… wegen der sich daraus ergebenden Verbindung zu ihr wichtig. Zudem könne A… seinen Nachnamen bisher nicht einmal aussprechen.
Die Mutter beantragt, den Beschluss vom 6.6.2014 abzuändern und
1. sie zu ermächtigen, den Antrag auf Namensänderung beim Landkreis … für A… allein stellen zu dürfen;
2. hilfsweise, ihr das Sorgerecht für A… allein zu übertragen.
Der Vater beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor, dass er A… weder entführen, noch seine Beschneidung herbeiführen oder ihm eine dem muslimischen Glauben entsprechende Ernährung vorschreiben wolle. Notwendige, am Kindeswohl orientierte Gründe, die für eine Namensänderung sprechen würden, lägen nicht vor. Die Mutter versuche, jeglichen Kontakt zwischen ihm und dem Kind zu unterbinden.
Der Senat hat einen Bericht des Verfahrensbeistandes und der Jugendämter des Landkreises … und der Stadt D… eingeholt. Auf die Stellungnahmen vom 2.10.2014, vom 28.1.2015 und vom 11.2.2015 wird verwiesen.
Der Senat hat ferner Eltern und den Verfahrensbeistand persönlich angehört. Insoweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 19.3.2015 Bezug genommen. Von der Anhörung des Kindes hat der Senat im Hinblick auf die im Verfahren 10 UF 226/14 durchgeführte Anhörung am selben Tag mit Einvernehmen der Beteiligten abgesehen.
II.
Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter ist begründet und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Antrag der Mutter, sie zur Beantragung einer Namensänderung zu ermächtigen, zurückgewiesen.
Entgegen den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung findet § 1618 BGB auf die hier beabsichtigte Antragstellung der Mutter unmittelbar keine Anwendung. Die in § 1618 BGB geregelte Einbenennung eines Kindes betrifft den Fall, dass ein Elternteil nach Eheschließung mit einem Stiefelternteil einen Ehenamen angenommen hat, der auch dem im gemeinsamen Haushalt lebenden Kind aus einer früheren Beziehung erteilt werden soll. Die hier in Frage stehende Änderung des Familiennamens eines außerhalb einer Ehe geborenen Kindes richtet sich nach § 1 ff. des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (Namensänderungsgesetz, im Folgenden: NÄG). Nach § 2 Abs. 1 NÄG werden beschränkt geschäftsfähige Personen bei der Antragstellung, die nach § 5 Abs. 1 NÄG bei der unteren Verwaltungsbehörde zu stellen ist, durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten.
Können die Eltern sich in einer einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen, § 1628 Abs. 1 BGB. Maßstab dafür, ob eine Übertragung erfolgen soll und welchem Elternteil die Entscheidung übertragen wird, ist das Wohl des Kindes, § 1697a BGB. Das Familiengericht hat inhaltlich keine eigene Sachentscheidung zu treffen, sondern lediglich zu entscheiden, welchem Elternteil die Sachentscheidung überlassen werden soll. Es hat dabei die jeweiligen Vorstellungen der Eltern am Maßstab des Kindeswohls zu messen und entsprechend zu berücksichtigen, darf aber nicht seine eigene Auffassung über die beste Lösung im Wege einer eigenen Sachentscheidung durchsetzen (BVerfG, FamRZ 2003, 511).
Die Beteiligten konnten weder außergerichtlich noch im Verfahren eine Einigung über die Beantragung einer Namensänderung erzielen, die eine der Personensorge unterliegende einzelne Angelegenheit und von erheblicher Bedeutung für ein Kind ist (vgl. Münchener Kommentar/Huber, BGB, 6.Aufl., § 1628 Rn. 14; juris-PK BGB/Hamdan, 7. Aufl. 2014, Stand 30.1.2015, § 1628 Rn. 18.1; Palandt/Götz, BGB, 74.Aufl., § 1628 Rn. 7).
Im Ergebnis der Anhörung der Beteiligten und der eingeholten Stellungnahmen ist der Mutter die Entscheidung über die Beantragung einer Namensänderung nach § 4 NÄG zu übertragen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Namensänderung nach § 3 NÄG selbst dem Wohl des Kindes entspricht (so OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 305; wohl auch OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 2005), da diese Prüfung der Verwaltungsbehörde obliegt. Diese führt eine am Maßstab von § 1618 Satz 4 BGB orientierte Prüfung durch, wonach die Namensänderung zum Wohl des Kindes „erforderlich“ sein muss. Es müssen schwerwiegende Nachteile zu gewärtigen sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, nicht zumutbar erscheint (vgl. BVerwG, FamRZ 2002, 1104 Rn. 44).
Gegenstand der familiengerichtlichen Entscheidung ist demgegenüber die Frage, ob die Antragstellung nach § 2 NÄG dem Kindeswohl entspricht, weil nachvollziehbare Gründe vorliegen, die unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls eine Namensänderung als möglich erscheinen lassen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.1.2015 – 5 UF 202/14 -, juris, Rn. 35 ff., OLG Oldenburg, FamRZ 2014, 333). Eine zusätzliche inhaltliche Prüfung durch das Familiengericht bei fehlender Zustimmung des anderen Elternteils zur Namensänderung würde demgegenüber die Beschreitung des für die Prüfung der Namensänderung vorgesehenen Verwaltungsrechtsweges unverhältnismäßig erschweren und das für die Beteiligten belastende Risiko divergierender inhaltlicher Entscheidungen bergen, da eine Bindung der Verwaltungsbehörde an ein positives Ergebnis der familiengerichtlichen Prüfung nicht gegeben wäre. In das Elternrecht des dem Antrag entgegentretenden Elternteils wird im Rahmen der Entscheidung nach § 1628 BGB über die Befugnis zur Antragstellung nur insoweit eingegriffen, als ihm die Möglichkeit genommen wird, die Einleitung des Verfahrens zu verhindern.Die gebotene sachliche Prüfung seiner Interessen und der Interessen des Kindes im Hinblick auf die Namensänderung erfolgt hingegen im behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.1.2015, a.a.O.).
Die eingeschränkte Prüfungskompetenz des Familiengerichts bei der Frage der Ermächtigung eines Elternteils zur Beantragung der Namensänderung steht zudem im Einklang mit der Rechtsprechung zur Genehmigung eines von einem Vormund oder Pfleger zu stellenden Antrages auf Namensänderung, § 2 NÄG (vgl. OLG Köln, FamRZ 2013, 1317; OLG Hamm, FamRZ 2013, 987; FamRZ 2012, 72; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2012, 461).
Die Antragstellung entspricht hier dem Kindeswohl, da durch die Namensänderung die Verbindung von A… zu seiner Mutter gestärkt werden kann, was sich für das Kind in seinem ständigen sozialen Umfeld stabilisierend auswirken kann. Mit dieser Überlegung haben sich das Jugendamt … in seinem Bericht vom 28.1.2015 sowie der Verfahrensbeistand in seinen Stellungnahmen vom 15.5.2014, 2.10.2014 und 4.3.2015 für die Übertragung der Entscheidungszuständigkeit ausgesprochen. Für eine Namensänderung zum gegenwärtigen Zeitpunkt günstig ist auch, dass das Bewusstsein für den Nachnamen bei einem erst vier Jahre alten Kind noch weniger gefestigt ist, als bei einem Kind nach der Einschulung.
Der von der Mutter angeführte Grund des Risikos einer Entführung des Kindes ist bei der Übertragung der Entscheidungszuständigkeit indes nicht maßgeblich. Der Senat betrachtet ein solches Risiko gegenwärtig als gering. Im Ergebnis des Anhörungstermins vom 19.3.2015 und der eingeholten Stellungnahme des Jugendamtes D… vom 11.2.2015 hat der Antragsgegner sich ein eigenes Umfeld in Deutschland aufgebaut und möchte unabhängig von seiner Beziehung zur Mutter hier leben. Durch seine Zustimmung zur Ausübung der Sorgerechtsbereiche des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Passangelegenheiten durch die Mutter hat er dies weiter bekräftigt. Die von der Mutter vorgetragene Schilderung, dass der Vater gegenüber dem Kind eine andere Frau als A…s Mutter bezeichnet haben soll, erachtet der Senat, wie im Beschluss vom 16.4.2015 – 10 UF 226/14 – ausgeführt, nicht für glaubhaft. Die von ihr geschilderten Probleme bei der Abfertigung vor Urlaubsreisen schließlich sind als Unannehmlichkeiten einzuschätzen, die für eine Namensänderung nicht ausreichen.
Im Ergebnis der dargestellten Erwägungen ist die Entscheidungszuständigkeit für die Antragstellung der Mutter, bei der A… lebt und die ihn in seinem Umfeld ständig erlebt, zu übertragen.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 81 Abs. 1 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart (FamRZ 2011, 305) zu, wonach abweichend von der vom Senat vertretenen Auffassung bei der familiengerichtlichen Entscheidung nach § 1628 BGB inzident die Voraussetzungen des § 3 NÄG geprüft werden müssen.