Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.01.2020 | |
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Aktenzeichen | 5 K 1960/18.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0109.5K1960.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG 1992, Art 3 MRK |
International Schutzberechtigten droht in Ungarn kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Der zur Person nicht ausgewiesene, eigenen Angaben zufolge 1997 geborene afghanische Staatsangehörige wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und erstrebt ein Asylverfahren im Bundesgebiet.
Der Kläger stellte am 16. Juni 2018 einen Asylantrag. Am 3. September 2018 wurde er angehört. Unter dem 17. September 2018 teilten die ungarischen Behörden mit, dass der Kläger am 10. April 2018 in Ungarn Asyl beantragt und am 8. Mai 2018 subsidiären Schutz erhalten hatte.
Mit Bescheid vom 27. September 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab, verneinte Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes, drohte eine Abschiebung nach Ungarn an, stellte ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans fest und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Wegen der Begründung wird auf Blatt 14 – 19 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Oktober 2018 beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben, die an das erkennende Gericht verwiesen worden ist.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass ihm in Ungarn eine Verletzung von Artikel 3 EMRK drohe. Ungarn habe seine staatlichen Integrationsprogramme eingestellt. Für die erste Zeit nach der Ankunft fehle es an einer auch nur übergangsweisen Absicherung. Bei der Wohnungssuche seien anerkannte Schutzberechtigte faktisch auf sich alleine gestellt. Die Mieten seien hoch. Vermieter würden sich in weiten Teilen des Landes weigern, ihren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Nichtregierungsorganisationen verfügten nicht über jene Mittel, um international Schutzberechtigten in Ungarn in ausreichendem Maße beistehen zu können. Zugang zur Gesundheitsversorgung setze eine gültige Meldeadresse voraus.
Schriftsätzlich beantragt der Kläger,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. September 2018 zu verurteilen, das Asylverfahren fortzuführen,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, Abschiebungs verbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG hinsichtlich Ungarns festzustellen.
Schriftsätzlich beantragt die Beklage,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Die Klage des Vaters (5 K 1961/18.A) sowie der Mutter und seines 2006 geborenen Bruders (5 K 1962/18.A) wurden durch Urteile vom 14. November 2019 abgewiesen. Das vom Kläger anhängig gemachte Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (5 L 656/18.A) blieb erfolglos.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, die Akten einzusehen.
Das Gericht kann gem. § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entscheiden.
Das festgestellte Abschiebungsverbot für die Islamische Republik Afghanistan ist bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens nicht streitgegenständlich.
I. Die Leistungsklage auf Durchführung des Asylverfahrens ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A – Juris Rn. 23).
II. Die mit der Leistungsklage zugleich erhobene Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung und die Abschiebungsandrohung ist ebenso wie die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Feststellung von Abschiebungsverboten unbegründet.
Der Bescheid vom 27. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Asylantrag ist unzulässig. Das ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Fall, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Laut Mitteilung der ungarischen Behörden vom 17. September 2018 erhielt der Kläger in Ungarn mit Entscheidung vom 8. Mai 2018 subsidiären Schutz.
Dem Unzulässigkeitsverdikt steht auch kein höherrangiges Recht entgegen. Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU verbietet es einem Mitgliedstaat nur dann, die durch diese Bestimmung eingeräumte Befugnis auszuüben, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig abzulehnen, wenn der Antragsteller einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-GR-Charta zu erfahren (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 – C-540/17 u.a. – und Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. -).
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich Ungarns nicht vor.
Dagegen streitet bereits die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85) und dessen Umsetzung ins nationale Recht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient.
Die zur Widerlegung der im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltenden Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 88).
Dem Gericht liegen keine objektiven Erkenntnisse vor, dass infolge Gleichgültigkeit ungarischer Behörden eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, so dass die unionsrechtliche Vermutung im vorliegenden Falle eingreift (so auch das VG Ansbach, Urteil vom 12. September 2019 – AN 17 K 18.50204 – Juris; VG Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 23 L 708.18 A – Juris).
Die individuellen Erlebnisse eines Betroffenen stellen in diesem Zusammenhang keine Grundlage für die Widerlegung der Vermutung dar. Sie stellen schon keine objektiven Angaben im oben genannten Sinne dar. Ferner kommt ihnen, zumal wenn sie, wie hier, mehrere Jahre zurückliegen, nur in begrenztem Umfang Erkenntniswert zu, keinesfalls führen sie zu einer Beweislastumkehr (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2).
Soweit mangelnde Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/05/EU) zur Widerlegung der unionsrechtlichen Vermutung im Falle Ungarns angeführt wird, geht dies fehl. Ob der Betroffene eine Situation vorfindet, die auch den sekundärrechtlichen Vorgaben des Unionsrechts entspricht, insbesondere ihn dort Integrationsprogramme erwarten, ist rechtlich irrelevant. Verstöße gegen Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und damit etwa gegen Art. 27 (Zugang zu Bildung) oder Art. 34 (Zugang zu Integrationsmaßnahmen) der Anerkennungsrichtlinie, die nicht zu einer Verletzung von Art. 4 der Charta führen, hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, ihre durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie eingeräumte Befugnis auszuüben (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 92; vgl. zur Abschiebung auf Grund der VO (EU) Nr. 604/2013 BVerwG, Beschluss vom 20. September 2018 – 1 B 69/18, 1 PKH 58/18 – Juris Rn. 3).
Unabhängig von der unionsrechtlichen Vermutung steht auf Grund der von Amts wegen ermittelten Erkenntnisse positiv fest, dass im Falle des Klägers nicht zu besorgen ist, dass er extremer materieller Not anheimfiele, die es ihm verwehrte, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, er also gezwungen sein würde, ohne Zugang zu sanitären Einrichtungen oder Nahrungsmitteln auf der Straße zu leben. Denn extreme Not begründet nur dann eine Verletzung von Art. 4 EU-GR-Charta, wenn der Betroffene ihr unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90).
Rückkehrer haben in Ungarn indes die Möglichkeit, extreme Not durch eigene Erwerbstätigkeit abzuwenden. Die Beschäftigungsquote in Ungarn hat inzwischen den höchsten Stand seit Anfang der 90iger Jahre erreicht. Gleichzeitig liegt die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wende. Laut Aussage der Nichtregierungsorganisation Menedek haben alle anerkannt subsidiär Schutzberechtigten, die sich um eine Beschäftigung in Ungarn bemühen, große Chancen eine Anstellung zu finden (vgl. zu alldem: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest Auskunft an das BAMF vom 5. Juni 2019). Die Nichtregierungsorganisation Kalunba Social Services Nonprofit Ltd. ermutigt in ihrem Bericht Schutzberechtigte sogar ausdrücklich, in Ungarn zu bleiben und sich dort auf eigene Füße zu stellen. Arbeitsstellen – so die NGO – seien gerade leicht zu finden (https://www.reformiert-info.de/Wir_ermutigen_die_Menschen_zu_bleiben-23060-0-12-2.html Stand: 13.11.2019). Angesichts der nach wie vor anhaltenden Sekundärmigration im Zusammenspiel mit der niedrigen Rückführungsquote nach Ungarn ist auch perspektivisch nicht mit einer Überlastung des Arbeitsmarktes zu rechnen (Liaisonbeamter Ungarn, Auskunft vom 2. August 2018). Arbeitgeber stellen in der Regel über dem Mindestlohn ein und leisten zum Teil Integrationshilfe. Aus dem hieraus erzielten Lohn kann sowohl ein angemessener Unterhalt als auch eine Unterkunft für den subsidiär Schutzberechtigten und seine Familie finanziert werden (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest a.a.O.) Arbeitsstellen werden von der staatlichen Arbeitsvermittlung auch ohne eine Adresse vermittelt. (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Üben anerkannte Schutzberechtigte eine Erwerbstätigkeit aus, finden sie auch eine angemessene Wohnung für sich und ihre Familie (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger arbeitsfähig ist. Gegenteiliges hat er weder selbst vorgetragen, noch ist derartiges sonst ersichtlich.
Eine auskömmliche wirtschaftliche Situation hängt zudem auch gar nicht allein von einer Erwerbstätigkeit des Klägers ab. Anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten werden in Ungarn die gleichen sozialen Leistungen wie einem ungarischen Staatsangehörigen gewährt. Die Kommunalverwaltung gewährt Wohngeld (max. 8.000 Forint, ca. 26 €) (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Anerkannt subsidiär Schutzberechtigte werden u.a. von Sozialarbeitern dabei unterstützt, eine Sozialversicherungskarte zu beantragen. Bereits nach Erteilung der sog. MIR-Nummer sind sie berechtigt, Sozialleistungen zu beziehen. Das ungarische Sozialsystem bietet grundsätzlich Versicherungsschutz in den Bereichen Krankheit, Mutterschaft, Alter, Invalidität, Berufskrankheiten und –unfälle, Hinterbliebene, Kindererziehung und Arbeitslosigkeit. Zum Bezug von Sozialhilfe ist man allerdings nicht berechtigt, wenn man arbeitsfähig ist und zuvor nicht mindestens ein Jahr lang eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018).
Darüber hinaus ist auch die Versorgung im Krankheitsfall gesichert (VG Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 23 L 708.18 A – Juris Rn. 16). Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen wie ungarische Staatsbürger (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Arbeitssuchende und Sozialhilfeberechtigte haben Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Schutzberechtigte, die nicht per Gesetz Mitglied der Krankenversicherung sind, können ebenfalls Anspruch gegenüber der Kommune auf kostenlosen Krankenversicherungsschutz haben. Voraussetzung für die Gewährung ist die Bedürftigkeit, die für eine alleinstehende Person beispielsweise dann vorliegt, wenn das monatliche Einkommen umgerechnet circa 100 € unterschreitet. Lebensrettende Versorgung und Notfallversorgung werden in Ungarn ungeachtet des Schutzstatus und Staatsangehörigkeit ggf. auch ohne Nachweis der Identität geleistet. Bei Problemen erteilt die ungarische Rechtshilfe in medizinischen Angelegenheiten eine kostenlose Beratung (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest, Auskunft an das BAMF vom 5. Juni 2019; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018).
Auch unmittelbar nach Ankunft, also noch vor Aufnahme eigener Erwerbstätigkeit, droht keine extreme materielle Not. Rückkehrer erhalten keine staatliche Unterstützung bei der Wohnungssuche. Allerdings haben Rückkehrer die Möglichkeit, Obdachlosigkeit durch eigene und durch von Nichtregierungsorganisationen unterstützte Wohnungssuche abzuwenden. Auch wenn die staatliche Unterstützung einschließlich der Unterstützung aus dem AMIF-Programm an Nichtregierungsorganisationen zum Juli 2018 ausgelaufen ist, so haben diese ihre Unterstützung nicht eingestellt. Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Vereinigungen helfen weiterhin bei der Arbeits- und Wohnungssuche (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018, Frage 1). Dies bestätigt ausdrücklich auch die Kalunba Social Services Nonprofit Ltd. für ihre Organisation. Eine öffentliche Finanzierung der NGOs durch den UNHCR besteht fort (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Budapest a.a.O., Frage 5). Personen, die in Ungarn internationalen Schutz erhalten haben und die auf Grund des Rückübernahmeabkommens aus Deutschland überstellt werden, können sich bereits vorab telefonisch oder per E-Mail oder unmittelbar nach der Überstellung in Budapest mit Nichtregierungsorganisationen in Verbindung setzen, die eine Wohnung vermitteln oder zur Verfügung stellen. Die Vermittlung kann auch kurzfristig erfolgen und wurde in der Vergangenheit auch bereits für mehrere rücküberstellte Familien erfolgreich praktiziert. Anerkannte Schutzberechtigte können zwischen einem Monat und einem Jahr in von diesen Nichtregierungsorganisationen angemieteten Wohnungen untergebracht werden (Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Trier vom 29. Mai 2018). Diese Hilfe wird etwa durch die Organisationen „Menedek“ und Kalunba Social Services Nonprofit Ltd trotz Fortfalls von Fördergeldern fortgesetzt (Liaisonbeamter Ungarn, Auskunft vom 2. August 2018; VG Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 23 L 708.18 A – Juris Rn. 15). Die ungarischen Gesetzänderungen, mit denen Mitte 2018 eine Sondersteuer für Organisationen eingeführt wurde, die Migration befördern, und außerdem eine Unterstützung illegaler Einwanderung unter Strafe gestellt wurde – wobei darunter Hilfeleistungen für anerkannt Schutzberechtigte, die gerade keine illegalen Einwanderer sind, wohl kaum fallen dürften -, behindern die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen in hier beachtlicher Weise nicht. Die Kalunba Social Services Nonprofit Ltd erklärt in dem zuvor zitierten Bericht vielmehr, dass dort kein Flüchtlingshelfer bekannt sei, der auf der Basis des neuen Gesetzes verfolgt worden wäre. Grundsätzlich habe sich an der Arbeit der Organisation nicht viel geändert. Vorsorglich habe man die Namen der Helfer von der Webseite gelöscht. Von Problemen wegen der Sondersteuer ist in dem Bericht noch nicht einmal die Rede, obwohl Finanzierungsfragen durchaus zur Sprache kommen. Auch dem Bericht des Commissioners for Human Rights oft he Council of Europe vom 21. Mai 2019, der sich ausdrücklich auch mit der Sondersteuer beschäftigt, ist nichts dazu zu entnehmen, dass die Sondersteuer negative Auswirkungen auf die Arbeit der hier in Rede stehenden Nichtregierungsorganisationen (Menedek, Kalunba und Evangelikus Diakonia) hat.
Aber selbst wenn die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen durch die fraglichen Gesetzesänderungen durchgreifend in Frage gestellt wäre, ergibt sich nichts dem Kläger Günstigeres. Denn wenn die Nichtregierungsorganisationen tatsächlich nicht mehr in der Lage sind, für eine unmittelbare Anschlussversorgung – namentlich mit Wohnraum - rückkehrender Schutzberechtigter zu sorgen und diesen deshalb ernsthaft eine Verletzung der Gewährleistungen des Art. 4 EU-GR-Charta droht, ist schon die Abschiebung nicht zulässig. Für die Abschiebung sind nach der Kompetenzverteilung im Asylsystem die Ausländerbehörden zuständig; sie haben die Zulässigkeit einer Abschiebung unter dem Blickwinkel inlandsbezogener Abschiebungshindernisse zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 12. September 1999 – 9 C 12.99 – juris, Rn. 14). Diese Verantwortung der Ausländerbehörden endet jedoch nicht bereits mit der Ankunft des Betroffenen im Zielstaat, sondern vielmehr erst nach Übergabe der Betroffenen an die dortigen Behörden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 – juris). Dabei liegt es der Ausländerbehörde ob, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann. Sie kann zeitlich bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung im Zielstaat fortdauern (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. November 2015 – OVG 12 S 63.15 -). Beispielhaft kommt dieser Gedanke in § 58a Abs. 1a AufenthG zum Ausdruck, wonach sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers die Behörde zu vergewissern hat, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Gerade für – wie hier – andere schutzbedürftige Personengruppen kann nichts anderes gelten. Werden aber in einem Land wie Ungarn einreisende Schutzberechtigte (über die bloße Einreisegestattung hinaus) nicht von den dortigen Behörden in Empfang genommen (vgl. hierzu Liaisonbeamter a.a.O., Antwort 3), sondern wird diese Aufgabe de facto von Nichtregierungsorganisationen übernommen, endet die Verantwortung der Ausländerbehörde unter dem Gesichtspunkt eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses auch erst dann, wenn der Ausländer an eine versorgungsbereite und –fähige Nichtregierungsorganisation übergeben wurde. Erkenntnisse dazu, dass die Nichtregierungsorganisationen ihnen solchermaßen überantwortete Schutzberechtigte wieder in Obdachlosigkeit entlassen, bevor diese eine Wohnung auf dem Wohnungsmarkt gefunden haben, fehlen. Solches liegt auch fern.
Erweist sich nach alledem das Unzulässigkeitsverdikt gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als rechtmäßig, gilt dies auch für die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG getroffene Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen, weshalb auch die hilfsweise erhobene, auf Feststellung von Abschiebungsverboten gerichtete Verpflichtungsklage unbegründet ist.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im Falle einer Abschiebung nach Ungarn droht keine konventionswidrige Behandlung. Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85). Diese Vermutung wird nach dem Vorstehenden vorliegend nicht widerlegt.
Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Ungarn als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186).
Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes ist nicht zu beanstanden. Gem. § 11 Abs. 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, das gem. § 11 Abs. 2 AufenthG zu befristen ist. Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots entscheidet das Bundesamt nach Ermessen, § 11 Abs. 3 AufenthG. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten, § 11 Abs. 3 S. 2 AufenthG. Die Ermessensentscheidung über die Länge der Frist lässt keine Ermessensfehler erkennen, § 114 S. 1 VwGO. Die Klagen der übrigen Familienmitglieder und ihre Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz blieben erfolglos, so dass bleibeberechtigte Angehörige im Inland fehlen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.