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Beschwerde; Recht auf Mitwirkung einer Naturschutzvereinigung an einem Verfahren zur Erteilung einer Befreiung; Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle; Europäisches Vogelschutzgebiet; Beschränkung der maximalen Flughöhe und des Flugsektors; Befreiung von Zugriffsverboten; Darlegungspflichten


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 20.01.2015
Aktenzeichen OVG 6 S 56.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 31 GG, Art 72 Abs 3 S 1 Nr 2 GG, § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 80a Abs 3 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 44 Abs 1 BNatSchG, § 63 Abs 2 BNatSchG, § 67 BNatSchG, § 36 Nr 3 NatSchAG BB, § 37 Abs 1 NatSchAG BB

Leitsatz

Die Einräumung eines durchsetzungsfähigen Mitwirkungsrechts für Naturschutzvereinigungen durch das Brandenburgische Landesrecht in § 36 Nr. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 BbgNatSchAG verstößt nach summarischer Prüfung nicht gegen Bundesrecht (im Anschluss an OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juli 2013 - OVG 11 S 26.13 - LKV 2013, 425).

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein im Land Brandenburg anerkannter Naturschutzverband, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle vom 28. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014. Mit dem Widerspruchsbescheid wurden die Ausdehnung des Flugsektors von 500 m auf 300 m um den Fluggeländebezugspunkt und die maximale Flughöhe von 750 m auf 300 m über Grund begrenzt sowie die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet.

Der Beigeladene betreibt auf der Grundlage der Aufstiegserlaubnis auf einem Grundstück der Gemarkung W... Modellflugbetrieb. Das Gelände liegt in der Nähe des Europäischen Vogelschutzgebiets (SPA) M.... Der Antragsteller macht geltend, dass es durch den Modellflugbetrieb zu erheblichen Störungen wild lebender Vogelarten komme. Es hätte daher – unter seiner Beteiligung – der Durchführung eines naturschutzrechtlichen Befreiungsverfahrens bedurft.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller nicht antragsbefugt sei. Hiergegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das nach § 146 Abs. 4 VwGO allein maßgebende Beschwerdevorbringen rechtfertigt im Ergebnis keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle vom 28. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 ist zwar zulässig (1.), jedoch unbegründet (2.).

1. Soweit das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mangels Antragsbefugnis für unzulässig gehalten hat, kann dem nicht gefolgt werden.

a) Zwar ergibt sich eine Antragsbefugnis nicht aus den von dem Antragsteller genannten Vorschriften des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes vom 26. Mai 2004 (GVBl. I./2004, Nr. 16 S. 350). Auf den vorliegenden Fall ist das seit dem 1. Juni 2013 geltende Brandenburgische Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz - BbgNatSchAG - vom 21. Januar 2013 (GVBl. I/2013, Nr. 3, ber. Nr. 21), das das Brandenburgische Naturschutzgesetz ersetzt hat, anwendbar, da die angegriffene Aufstiegsgenehmigung in der durch den Widerspruchsbescheid geänderten Fassung vom 18. Juni 2014 datiert.

b) Dem Antragsteller steht aber nach § 36 Nr. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 BbgNatSchAG ein durchsetzungsfähiges Mitwirkungsrecht zur Seite, soweit die dem Beigeladenen erteilte Aufstiegserlaubnis für Flugmodelle gegen die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoßen sollte und deshalb eine Befreiung nach § 67 BNatSchG erforderlich wäre. Nach § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG ist einer vom Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, über § 63 Abs. 2 BNatSchG hinaus auch Gelegenheit zur Stellungnahme und Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben vor der Erteilung von Befreiungen nach § 67 BNatSchG mit Ausnahme des § 39 Abs. 5 BNatSchG und § 19 dieses Gesetzes. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt die Einräumung eines Mitwirkungsrechtes durch das Brandenburgische Landesrecht in § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht gegen Bundesrecht. Nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG haben die Länder die Möglichkeit, in dem Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege eigene Regelungen abweichend von der Bundesgesetzgebung zu treffen. Es geht dann nach Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG – abweichend von Art. 31 GG – das jeweils spätere Gesetz in der Anwendung vor. Soweit Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG die Befugnis der Länder zur abweichenden Gesetzgebung einschränkt, steht dies der Regelung von Mitwirkungsrechten für Naturschutzverbände in § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG nicht entgegen (so für das Berliner Landesrecht OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juli 2013 - OVG 11 S 26.13 -, LKV 2013, 425, zitiert nach juris Rn. 7).

Das Mitwirkungsrecht des § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG berührt nicht die nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG verbindlichen allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, für die die Länder keine abweichenden Regelungen treffen können. Dies geht bereits aus der Gesetzesbegründung zu Art. 72 Abs. 3 GG hervor (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 8 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/813 S. 11 sowie Degenhart in Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 74 Rn. 123). Die in § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG vorgesehene Regelung über Mitwirkungsrechte für Naturschutzvereinigungen ist auch nicht durch das nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG abweichungsfeste Artenschutzrecht gesperrt. Der Artenschutz umfasst die Erhaltung der Vielfalt wildlebender Tiere und Pflanzen, nicht aber die hier in Rede stehende allgemeine verfahrensrechtliche Regelung für das Verwaltungsverfahren bei der Erteilung von Befreiungen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 9). Die Regelung des § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG steht auch mit den verfassungsrechtlichen Regelungen über die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder in Einklang (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 10).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Inhaltlicher Maßstab der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine umfassende Interessenabwägung, deren Gegenstand das Aufschubinteresse des Antragstellers, das öffentliche Interesse sowie das private Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte.

Davon ausgehend fällt die zu treffende Interessenabwägung zuungunsten des Antragstellers aus, da dieser nicht hinreichend substantiiert dargetan hat, dass die Aufstiegserlaubnis gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoße und deshalb eine Befreiung nach § 67 BNatSchG erforderlich wäre.

a) Zwar ist zutreffend, dass die Aufstiegserlaubnis vor der durch den Widerspruchsbescheid verfügten Begrenzung des Flugsektors und der maximalen Flughöhe auf jeweils 300 m gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen haben dürfte. Dies ergibt sich aus den von der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde vom 27. Mai 2014 und 10. Juni 2014 (Verwaltungsvorgang Bl. 26 und 59), wonach eine größere Flughöhe als maximal 300 m sowie eine Ausweitung des Flugsektors auf über 300 m das Erfordernis eines naturschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens generieren würden. Dies stellt sich nach der Beschränkung des Flugradius jedoch anders dar: Den Angaben der Unteren Naturschutzbehörde zufolge befinden sich vogelschutzrelevante Strukturen in einer Entfernung von ca. 650 m und der Naturpark M... sowie das gleichnamige Vogelschutzgebiet in einer Entfernung von ca. 700 m Entfernung zu dem Fluggeländebezugspunkt. Daraus folgt, dass bei Einhaltung einer Flughöhe und eines Flugsektors von jeweils 300 m davon ausgegangen werden kann, dass das in Rede stehende Vogelschutzgebiet außerhalb des Wirkradius des Flugbetriebes liegt (vgl. Stellungnahme vom 10. Juni 2014 S. 1). Diesen in den genannten behördlichen Stellungnahmen näher erläuterten Annahmen ist der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. Hierzu genügt es nicht, dass in der Beschwerdeschrift entlang des R... lebende, nach der Bundesartenschutzverordnung geschützte Vogelarten aufgezählt werden, die auch auf der Roten Liste stehen. Soweit der Antragsteller auf die Ausführungen der Fachgruppe Ornithologie und Vogelschutz M... e.V. zu den betroffenen Brutvogelarten verweist, hat er diese weder der Beschwerdebegründung beigefügt noch durch den Hinweis auf die Homepage des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (dort Rubrik „Publikationen“) hinreichend konkret bezeichnet. Dessen ungeachtet genügt die bloße Bezugnahme auf eine fachliche Stellungnahme nicht den Darlegungsanforderungen im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Es hätte darüber hinaus einer fallbezogenen Auseinandersetzung mit den in Bezug genommenen Ausführungen bedurft. Auch aus der – erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) in Bezug genommenen und schon daher unbeachtlichen – Begründung des Widerspruchs vom 5. Mai 2014 ergibt sich nicht, dass durch den derzeitigen Modellflugbetrieb erhebliche Beeinträchtigungen der Vögel im SPA M... zu befürchten sind. Die Beobachtungen des Vorkommens einzelner Vorgelarten, auf die sich der Antragsteller beruft, wurden nach seinem eigenen Vortrag durchgeführt, bevor die Antragsgegnerin Mitte des Jahres 2014 die Beschränkung der maximalen Flughöhe und des Flugradius auf jeweils 300 m verfügt hat. Soweit es in der Zeit vor dieser Beschränkung zu einem Fernbleiben einzelner Vogelarten gekommen sein mag, ist dies für die Beurteilung der naturschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit des Modellflugbetriebs in dem derzeit genehmigten (erheblich reduzierten) räumlichen Umfang nicht hinreichend aussagekräftig. Dem Antragsteller ist es jedoch unbenommen, im Rahmen des Hauptsacheverfahrens seinen Vortrag insoweit zu aktualisieren.

b) Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf die von ihm behaupteten Flugbereichsüberschreitungen berufen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dieser erst nach Ablauf der Begründungsfrist vorgebrachte Aspekt berücksichtigt werden kann. Die Frage, ob sich der Beigeladene an die Vorgaben der Aufstiegserlaubnis hält, ist im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls rechtlich unerheblich. Etwaige Verstöße gegen die Auflage zum zulässigen Flugraum (vgl. Aufstiegserlaubnis Teil A IV Nr. 5) berühren nicht die Rechtmäßigkeit der Erlaubnis, sondern stellen Zuwiderhandlungen dar, die gegebenenfalls mit Bußgeldern geahndet werden können (vgl. Aufstiegserlaubnis Hinweise unter Teil B Nr. 3). Soweit sich der Antragsteller zudem auf eine sachwidrige Nutzung des Modellflugplatzes als Fest- und Campingplatz, die Entfernung eines Rotmilianhorstes und die Verunstaltung eines Naturparkschildes beruft, ist auch dies im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich, weil und solange diese Vorkommnisse nicht auf die erteilte Aufstiegserlaubnis zurückzuführen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und berücksichtigt die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die im Rahmen der Verbandsklage vertretenen Interessen mit dem hälftigen Betrag von 15.000 EUR (vgl. Ziffer 1.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs, NVwZ-Beilage 2013, 58).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).