Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 21.05.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 N 3.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 86 Abs 1 VwGO, § 86 Abs 2 VwGO, § 108 Abs 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 11 Abs 1 S 1 LFGB, § 11 Abs 1 S 2 Nr 1 LFGB, § 15 LFGB, Art 16 EGV 178/2002, Art 2 Abs 1 Buchst a EGRL 13/2000, Art 2 Abs 1 Buchst i EGRL 13/2000, Art 1 Nr 2 Buchst d EGV 543/2008 |
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Januar 2012 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,- € festgesetzt.
I.
Die Klägerin ist Herstellerin des streitgegenständlichen Erzeugnisses „Delikatess Truthahnbrust fein gebraten“. Bei der Herstellung dieses Produktes werden Putenbrüste nach Injizierung von Pökellake einem sog. Tumbelvorgang unterzogen, in einen Kunstdarm gefüllt und gegart, wobei das ausgetretene Eiweiß koaguliert und die einzelnen Fleischstücke miteinander verbunden werden. Die so hergestellte Stangenware wird nach der Entnahme aus dem Kunstdarm in einheitliche Scheiben aufgeschnitten und zum Vertrieb in Selbstbedienung im Einzelhandel verpackt.
Anlässlich einer Probenentnahme stellte das Landeslabor Berlin-Brandenburg fest, dass die ca 0,2 cm dünnen Scheiben aus einer pökelartigen, brüh-wurstbrätartigen, fein- bis mittelporigen Grundmasse mit überwiegend reiskorn- bis kirschkorngroßen, vereinzelt auch walnussgroßen Einlagen hellrosafarbener Skelettmuskulatur bestünden. Auf den histologischen Dünnschnitten seien unterschiedlich große Skelettmuskelfleischstücke, z.T. mit körnigem Zerfall und konfluierenden Muskelfasern mit unterschiedlichen Faserrichtungen zu sehen. Zwischen dem im natürlichen Zusammenhang belassenen Skelettmuskelfleisch mit physiologischem und funktionellem Begleitgewebe befinde sich eine großflächige, in Strängen vorliegende, nahezu strukturlose und z.T. vakuolig durchsetzte Masse sowie zerkleinerte Skelettmuskel- und Bindegewebsfaserteile. Die Produktbezeichnung suggeriere jedoch, dass das Erzeugnis aus einem zusammenhängenden Stück Brustmuskulatur bestehe und im Enderzeugnis der Gewebeverband der Truthahnbrust erhalten geblieben sei. Aufgrund dieser Beurteilung erstattete das Bezirksamt Pankow Strafanzeige gegen den damaligen Geschäftsführer der Klägerin. Deren daraufhin erhobene Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass die von ihr gewählte Verkehrsbezeichnung nicht irreführend sei, hat das Verwaltungsgericht mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das streitgegenständliche Produkt sei in einer gegen § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 - EG-Lebensmittel-Basisverordnung - verstoßenden Weise irreführend bezeichnet. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, auf dessen Auffassung es ankomme, erwarte bei der Bezeichnung eines gegarten Fleischerzeugnisses, die mit der zwingend vorgeschriebenen und dem Verbraucher daher geläufigen Bezeichnung eines rohen Fleischstückes übereinstimme und keinerlei Hinweis auf eine über das Garen, Pökeln und Würzen hinausgehende Verarbeitung aufweise, eine Identität von Rohware und Endprodukt hinsichtlich ihrer strukturellen Beschaffenheit. Der Begriff der „Brust“ im Zusammenhang mit rohem Geflügelfleisch werde nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 sowie nach Nr. 1.13 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuchs (DLMB) näher umschrieben mit in natürlichem Zusammenhang belassenem Skelettmuskelfleisch. Diese bestehenden Wertungen schlügen auf die Vorstellungen des Durchschnittsverbrauchers, die er sich von einem als „Putenbrust gegart und gepökelt“ bezeichneten Produkt mache, durch. Er könne anhand der Bezeichnung nicht erkennen, dass es sich tatsächlich um ein Erzeugnis handele, das aus einer Vielzahl von zusammengefügten Fleischstücken bestehe. Letztlich sei eine Irreführung des Verbrauchers jenseits jeder rechtlichen Argumentation offensichtlich. Der Begriff der Brust wecke die Assoziation, das Produkt würde wie im traditionellen Fleischerhandwerk aus einem Stück wie gewachsen geschnitten, weshalb der Verbraucher mit ihm ein anderes als das tatsächlich offerierte Produkt verbinde und sich deshalb falsche Vorstellungen über die Herstellungsweise und das Endprodukt mache. Die im DLMB niedergelegte Verbrauchererwartung zu Kochschinken könne nicht auf andere Erzeugnisse übertragen werden, da insofern keine dementsprechende Verbrauchererwartung in dem hierfür vorgesehenen Verfahren habe festgestellt werden können. Eine Leitsatzänderung, aus der sich eine Änderung der Verbrauchererwartung entnehmen ließe, könne keineswegs schon jetzt als sicher angenommen werden.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Klägerin, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlichen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe.
1. Auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht gegeben. Mit dem Zulassungsantrag werden schlüssige Gegenargumente, die einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung in Frage stellen würden, nicht vorgetragen (hierzu vgl. etwa Beschluss des Senats vom 31. August 2012 - OVG 5 N 1.10 -, juris Rn. 7; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15).
Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht ziehe „falsche Schlüsse aus zum Teil nicht anwendbaren Quellen und [gehe] daher von einer nicht bestehenden Verkehrsauffassung aus“, verfängt nicht. Abgesehen davon, dass diese Rüge das selbstständig tragende Argument des Verwaltungsgerichts nicht erfasst, es sei jenseits aller Rechtsargumente schon aufgrund des anatomischen Begriffs der Brust „im Grunde offensichtlich“, dass der Verbraucher ein Produkt aus einem Stück wie gewachsen geschnitten erwarte und durch die zusatzlose Bezeichnung eines Kochpökelerzeugnisses als „Truthahnbrust“ in die Irre geführt werde, vermag die Klägerin mit ihren Ausführungen zur „Geflügelfleischvermarktungsnormenverordnung“ und zu den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse des DLMB ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht aufzuzeigen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zur Feststellung einer Verkehrsauffassung u.a. die Verordnung (EG) Nr. 543/2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch (im Folgenden GeflVermNV) herangezogen hat. Diese gilt zwar nur für rohes Geflügelfleisch. In ihr sind jedoch die konkreten Bezeichnungen für jedes Geflügelfleisch-Teilstück definiert, die dem Verbraucher, aus dessen Sicht es keine Unterschiede in der Definition von Roh- und Koch-/Bratware gibt, im täglichen Umgang geläufig sind und die als Auslegungshilfen für die mutmaßliche Erwartungshaltung eines Durchschnittsverbrauchers herangezogen werden können (so auch Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 30. Juni 2010 - 13 LB 9/08 -, juris Rn. 43, bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. April 2011 - BVerwG 3 B 79.10 -, juris Rn. 4 ff.). Insoweit nimmt die erstinstanzliche Entscheidung bean-standungsfrei Bezug auf Art. 1 Nr. 2 Buchst. d GeflVermNV, wonach die Brust definiert wird als „Brustbein und beidseitige Rippen oder Teile davon, einschließlich anhaftendem Muskelfleisch, angeboten als ganze Brust oder als Brusthälfte“.
Ebenso wenig begegnet die Heranziehung von Ziff. 1.131 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse des DLMB als Indiz für die Vorstellung des Durchschnittsverbrauchers Bedenken.
Die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschlossenen und im Deutschen Lebensmittelbuch (vgl. § 15 LFGB) niedergelegten Leitsätze sind wesentliche Hilfen zur Feststellung einer Verkehrsauffassung und damit auch einer Verbrauchererwartung. Sie begründen als „Sachverständigengutachten von besonderer Qualität“ eine Vermutungswirkung dafür, was der Verbraucher von einem nach Beschaffenheit, Herstellung und sonstigen Merkmalen in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel erwartet (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. September 2012 - BVerwG 3 C 17.12 -, juris Rn. 22, sowie Urteil vom 10. Dezember 1987 - BVerwG 3 C 18.87 -, juris Rn. 34). Einschlägig sind vorliegend die Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse vom 27./28. November 1974 (Beilage zum BAnz. Nr. 134 vom 25. Juli 1975), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 8. Januar 2010 (BAnz. Nr. 16 vom 29. Januar 2010). Hierin findet sich in Ziff. 1.131 die Bezeichnung der Brust als Beispiel („z.B. Brust“) für „Skelettmuskulatur (Geflügelfleisch ohne Haut) von Geflügel, die von Natur aus nur wenig Bindegewebe oder Fettgewebe enthält“. Dies verdeutlicht, dass Skelettmuskelfleisch in natürlichem Zusammenhang belassen sein muss und dass es sich bei dem Begriff der „Brust“ um die im Zusammenhang belassene Brustmuskulatur handelt.
Vor diesem Hintergrund und bei natürlicher Betrachtungsweise geht der Durchschnittsverbraucher, der erwarten kann, dass auch für verarbeitete Produkte die anatomisch korrekten Begriffe verwendet werden, davon aus, dass ein als „Truthahnbrust fein gebraten“ bezeichnetes Produkt aus einem Stück wie gewachsen geschnitten ist (so auch für Hähnchenbrustfilet VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 9 S 1353/11 -, juris Rn 8 sowie für Hähnchen- und Putenfiletstreifen und Putenbrust OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juni 2010, a.a.O., juris Rn. 50, bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. April 2011, a.a.O., juris). Keineswegs muss er ernsthaft damit rechnen, dass das streitgegenständliche Produkt aus einer erkalteten Masse gewonnen wird, die entsteht, nachdem mit Kochsalzlake versehene Putenbrüste durch Tumbeln eine weiche Struktur erhalten haben und teilweise zerrissen und dann mit einem nicht unerheblichen Anteil an brätartig fein zerkleinerter Fleischmasse in einen Kunstdarm gefüllt und gekocht worden sind, mit der Folge, dass das Produkt aus einer Vielzahl zerkleinerter und sodann wieder zusammengefügter Geflügelfleischstücken besteht (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. April 2011, a.a.O., juris Rn. 5; OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juni 2010, a.a.O., juris Rn. 50; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Oktober 2012, a.a.O., juris Rn. 8).
Eine hiervon abweichende etablierte Verbrauchererwartung und damit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung vermochte die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht aufzuzeigen. Ihr Hinweis, die Leitsätze sähen in Ziff. 2.19 ausdrücklich vor, dass Fleischstücke zu einer größeren Einheit zusammengefügt und als „Formfleisch-Hähnchen-Brustfilet“ bezeichnet werden könnten, negiert, dass sie ihr Produkt gerade nicht als „Formfleisch“ gekennzeichnet hat. Ziff. 2.341.6 Abs. 1 der Leitsätze wiederum, wonach Muskeln und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang gelöst worden sind und auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, ohne besonderen Hinweis zu größeren Schinken zusammengefügt sein können, ist vom Wortlaut nur für Schinken anwendbar und kann entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend auch nicht deshalb herangezogen werden, weil die Bezeichnung „Schinken“ gemäß Ziff. 2.341 nur für „Kochpökelwaren von gehobener Qualität“ Verwendung findet und es sich, so die Klägerin, bei Geflügelbrust ebenfalls um ein hochwertiges Teilstück handelt. Aus der genannten Formulierung lässt sich keinesfalls schließen, dass die in Ziff. 2.341.6 beschriebene Verkehrsauffassung „für die jeweiligen Qualitätsprodukte“ gilt bzw. insoweit nicht die Verwendung von Schinken, sondern allein die Verwendung eines „hochwertigen Teilstücks“ maßgeblich ist. Im Übrigen beschreibt Ziff. 2.341.6 eine von der natürlichen Betrachtungsweise abweichende Verbrauchererwartung, die u.a. deshalb nicht auf andere Produkte übertragen werden kann, weil insofern keine dementsprechende Verbrauchererwartung in dem hierfür vorgesehenen Verfahren festgestellt werden konnte. Mit ihrem Hinweis auf einen Antrag des Fachausschusses „Fleisch- und Fleischerzeugnisse“ der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission zur Änderung der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse (Stand März 2011), wonach beabsichtigt sei, die für Schweinefleisch- Kochpökelerzeugnisse bereits geltende Beschreibung (Ziff. 2.341.6 Abs. 1 der Leitsätze) auf alle Fleischerzeugnisse zu übertragen (als Abs. 4 der Leitziffer 2.19) (vgl. Sachstandsbericht des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über die Tätigkeit des Fachausschusses Nr. 1 „Fleisch- und Fleischerzeugnisse“ der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission, ), verkennt die Klägerin, dass allein die Einbringung eines Änderungsentwurfs bzw. das Tätigwerden eines Ausschusses noch keinen Wandel in der Verkehrsauffassung bestätigt. Im Gegenteil ist eine Änderung der Leitsätze im Sinne der Auffassung der Klägerin bis zum heutigen Tag nicht erfolgt.
Die in Bezug auf Putenbrust-Produkte beschriebene Verbrauchererwartung ist auch nicht aus anderen Gründen überholt.
Eine Änderung der Verkehrsauffassung kann nicht schon dann angenommen werden, wenn „egalisierte Massenware“ nur in dem von der fleischverarbeitenden Industrie gewählten Herstellungsprozess mit der Notwendigkeit eines Verfestigungsstoffes (homogene feinst- bis wabigschaumige Strukturen sowie zerkleinerte Skelettmuskel- und Bindegewebsfaserteile) zwischen Fleischstücken gefertigt werden kann. Da die DLMB-Leitsätze nicht zwischen der traditionellen handwerklichen Herstellung von Putenbrust-Bratenaufschnitt und industriell gefertigter Massenware unterscheiden und dem Durchschnittsverbraucher die Einzelheiten des industriellen Herstellungsprozesses der in Rede stehenden Fleischware auch nicht bekannt sein dürften, bleibt es dabei, dass sich der Verbraucher nach wie vor unter einer „Truthahnbrust, fein gebraten“ ein naturgewachsenes Stück Brustfleisch und nicht ein aus Brustfleischstücken zusammengesetztes und mit brätähnlichem Bindemittel verbundenes Produkt vorstellt. Dem Einwand der Klägerin, entsprechend handwerklich hergestellte Produkte seien zu keinem Zeitpunkt als egalisierte Massenware in Fertigpackungen an die Verbraucher abgegeben worden, ist entgegenzuhalten, dass es nicht darauf ankommt, ob ein verwechselbares Erzeugnis tatsächlich am Markt angeboten wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob es für den Verbraucher überhaupt ein nach seiner Erwartung oder nach allgemeiner Verkehrsauffassung der Bezeichnung entsprechendes Erzeugnis gibt oder geben kann, so dass eine Verwechslung wahrscheinlich ist. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend unter Hinweis auf die Assoziation des Verbrauchers, das Produkt würde im traditionellen Fleischerhandwerk aus einem Stück wie gewachsen geschnitten, weshalb er sich falsche Vorstellungen über die Herstellungsweise und das Endprodukt mache, bejaht. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob in handwerklich strukturierten Betrieben (noch) Kochpökelerzeugnisse aus Geflügelfleisch hergestellt werden, indem ganze Geflügelbrüste ohne Vorgänge des Zusammenfügens filetiert, gepökelt und gegart werden.
Die dauerhafte Verwendung einer Verkehrsbezeichnung kann zwar einen objektiven Faktor darstellen, der sich auf die Verbrauchererwartung auswirken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 10. September 2009 - RS C-446/07 -, Entscheidungsgründe Ziff. 62, juris). Da - wie ausgeführt - die Verbrauchererwartung von der Vorstellung bestimmt wird, dass Scheiben von „Truthahnbrust fein gebraten“ aus einem naturgewachsenen Stück Brustfleisch des Truthahns geschnitten worden sind, könnte eine Änderung der Verbraucherwartung allenfalls daraus hergeleitet werden, dass die Behörden längere Zeit gegen Produktbezeichnungen wie die in Rede stehende nicht vorgegangen sind. Abgesehen davon, dass der Beklagte eine entsprechende auf das streitgegenständliche Produkt bezogene Behauptung der Klägerin bestritten hat, besagt dieser Umstand nichts darüber, ob sich die Verbraucher aufgrund der Produktbezeichnung (möglicherweise über einen längeren Zeitraum) fehlerhafte Vorstellungen von dem Produkt machen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. April 2011, a.a.O., Rn. 8). Solange Truthahnbrust aber als kalter Bratenaufschnitt aus einem naturgewachsenen Stück Fleisch im Handwerk oder im Haushalt hergestellt wird, ist unabhängig von behördlichem Einschreiten weiterhin nicht die Vorstellung des Verbrauchers, die er sich von einem als “Truthahnbrust fein gebraten” in Scheiben bezeichneten Produkt macht, fehlerhaft, sondern ist die Bezeichnung eines Produkts aus gepökelten, getumbelten und gegarten Truthahnbrust-Fleischstücken, verbunden durch eine Masse aus koaguliertem Eiweiß mit zerkleinerten Skelettmuskel- und Bindegewebsfaseranteilen als “Truthahnbrust fein gebraten” in Scheiben unzutreffend.
2. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, weil die Rechtssache keinen besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, die einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen. Bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens kann unter Würdigung des Zulassungsvorbringens sicher beurteilt werden, dass - auch im Hinblick auf die Maßgeblichkeit Europäischen Rechts - das Verwaltungsgericht richtig entschieden hat. Mit dem Hinweis der Klägerin auf die „besondere Produktionsweise“, die „tatsächlich besonders schwierig zu erfassen“ sei, verkennt sie, dass es im vorliegenden Zusammenhang auf die Erwartungen des verständigen Referenzverbrauchers in Ansehung des Endproduktes ankommt und nicht darauf, wie sich die Herstellung des streitgegenständlichen Erzeugnisses mit ihren technologischen Notwendigkeiten für einen Fachmann darstellt.
3. Die weiterhin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO läge nur dann vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwürfe, die sich auch in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte. Demgemäß fordert die Darlegung dieses Zulassungsgrundes prinzipiell die Formulierung einer konkreten, entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und im obergerichtlichen Verfahren klärungsfähigen Rechts- oder Tatfrage von fallübergreifender Bedeutung (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 20. September 2011 - OVG 5 N 25.08 -).
Diesen Anforderungen entspricht der Antrag nicht. Mit der Frage, ob ein Erzeugnis, das seit Jahren unter der Bezeichnung „Truthahnbrust“ vertrieben und - wie von allen Anbietern vergleichbarer Produkte - auf die dargestellte Weise produziert wird, irreführend gekennzeichnet sein kann, zeigt die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung nicht auf. Der Maßstab für die Beurteilung der irreführenden Wirkung einer bestimmten Angabe ist insbesondere in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Den genannten Einzelfragen der Klägerin zur Berücksichtigung der Besonderheiten der industriellen Fertigung und zur (angeblich) jahrelangen Verwendung der Bezeichnung hat das Verwaltungsgericht in Anwendung des o.g. Maßstabes im Einzelfall keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen, ohne dass dies vom beschließenden Senat im Ergebnis zu beanstanden wäre. Die desweiteren von der Klägerin unter Bezugnahme auf den Änderungsantrag des Fachausschusses „Fleisch und Fleischerzeugnisse“ der Deutschen LebensmittelbuchKommission als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob ein Wandel der allgemeinen Verkehrsauffassung, der während des laufenden Verfahrens erfolgt, dazu führt, dass der Klage stattzugeben ist, lässt schon keine Entscheidungserheblichkeit erkennen, weil das Verwaltungsgericht dieser Frage keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat, ohne dass dies vom beschließenden Senat im Ergebnis beanstandet werden könnte.
4. Die Divergenzrüge der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Eine die Berufung eröffnende Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (vgl. zum Revisionsrecht etwa Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 -, juris Rn. 15 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, mit dem die Klägerin eine Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von einem durch den Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. September 2009 (a.a.O., juris) aufgestellten Rechtssatz rügt, nicht gerecht. Der Europäische Gerichtshof zählt nicht zu den in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführten Gerichten. Einer „europarechtskonformen Auslegung“ bedarf es nicht, weil § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nur ein Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung ist, eine Abweichung von einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aber per se grundsätzliche Bedeutung hätte. Weder das Verwaltungsgericht noch der erkennende Senat sind allerdings vorliegend von dem o.g. Urteil des Europäischen Gerichtshofs abgewichen. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht keineswegs den Rechtssatz aufgestellt, dass „bei der Frage, ob eine bestimmte Bezeichnung irreführend ist, […] die Dauer der Verwendung und die tatsächliche Marktbezeichnung nicht relevant“ seien. Vielmehr hat es sich hierzu nicht geäußert bzw. vermochte es eine maßgebliche Veränderung der Verbrauchererwartung nicht festzustellen. Damit rügt die Klägerin in der Sache eine aus ihrer Sicht unterbliebene bzw. im Ergebnis fehlerhafte Umsetzung der o.g. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, was jedoch zur Begründung einer Divergenzrüge nicht ausreicht. In diesem Zusammenhang sei - erneut - angeführt, dass der Europäische Gerichtshof in der von der Klägerin wiederholt erwähnten Entscheidung vom 10. September 2009 (a.a.O., Ziff. 62 der Gründe, juris) - lediglich - darauf hingewiesen hat, dass bei der Beurteilung der Frage der möglichen Irreführung „die Dauer der Verwendung einer Bezeichnung ein objektiver Faktor ist, der sich auf die Erwartungen des vernünftigen Verbrauchers auswirken könnte“ (Hervorhebung durch den beschließenden Senat). Dies haben weder das Verwaltungsgericht noch, wie an anderer Stelle von der Klägerin behauptet, das Bundesverwaltungsgericht in seinem der EuGH-Entscheidung zeitlich nachfolgenden Beschluss vom 5. April 2011 (a.a.O., juris Rn. 8) verkannt.
5. Die Klägerin zeigt auch nicht mit Erfolg auf, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Soweit sie geltend macht, das Verwaltungsgericht habe seinen Gerichtsbescheid nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gestützt und damit § 108 Abs. 1 VwGO verletzt, da es sich nicht mit der Dauer der Verwendung der Produktbezeichnung und den tatsächlichen Marktgegebenheiten befasst habe, rügt sie der Sache nach einen Begründungsmangel, d.h. nicht den äußeren Verfahrensgang, sondern die - ihrer Ansicht nach fehlerhafte - Anwendung materiellen Rechts. Zwar können etwaige Unzulänglichkeiten in der Begründung einer gerichtlichen Entscheidung ein Indiz für Mängel bei der äußeren Überzeugungsbildung (nach § 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sein. Aber aus dem Schweigen von Entscheidungsgründen zu Einzelheiten des Parteivortrags kann nicht der Schluss der fehlenden Kenntnisnahme und Erwägung von Parteivortrag gezogen werden (vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27. März 2013 - BVerwG 6 B 50.12 -, juris Rn. 10 f. zum Revisionsrecht).
Soweit die Klägerin mit ihrem Einwand, der angefochtene Gerichtsbescheid stelle eine Überraschungsentscheidung dar, weil er auf eine „gänzlich andere Verkehrsauffassung abgestellt“ habe als von der Klägerin dargestellt, der Sache nach eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend macht, greift diese Rüge schon deshalb nicht durch, weil die Gehörsrüge als Zulassungsgrund im Verfahren auf Zulassung der Berufung ausgeschlossen ist. Das der Klägerin nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eingeräumte Wahlrecht zwischen dem Antrag auf Zulassung der Berufung oder einer mündlichen Verhandlung beschränkt sich bei der Rüge, das Verwaltungsgericht haben den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, auf den Antrag auf mündliche Verhandlung. Verzichtet die Klägerin - wie hier - auf diesen ihr nach der Prozessordnung zustehenden Rechtsbehelf, ist sie im Zulassungsverfahren mit ihrer Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ausgeschlossen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Juli 2003 - BVerwG 7 B 62.03 -, juris Rn. 13 ff. zu § 84 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Dessen ungeachtet ist dem Verwaltungsgericht der vermeintliche Verfahrensfehler nicht unterlaufen. Da ein möglicher Wandel der Verkehrsauffassung bzw. die Bedeutung der jahrelangen Verwendung eines bestimmten Herstellungsverfahrens zwischen den Beteiligten streitig war, konnte und musste die Klägerin ihren Vortrag und ihre Antragstellung hierauf einstellen. Davor, dass das Gericht sich der Sichtweise der anderen Partei anschließt, schützt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht.
Auch die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei gehalten gewesen, ein Sachverständigengutachten einzuholen „zum Beweis dafür, dass keine vergleichbaren Produkte auf dem Markt existieren, die auf andere Weise hergestellt werden als das Produkt der Klägerin“ (vgl. Klageschrift vom 5. September 2011, S. 11), legt die Klägerin eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht dar. Zum einen hat sie es, obwohl anwaltlich vertreten, unterlassen, einen entsprechenden förmlichen Beweisantrag zu stellen; sie hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens lediglich angeregt. Zum anderen musste sich dem Verwaltungsgericht die von der Klägerin vermisste Beweiserhebung auch nicht aufdrängen. Wie ausgeführt haben für das Verwaltungsgericht - auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung - angesichts dessen, dass die Dauer der Verwendung der von dem Beklagten beanstandeten Produktbezeichnung nichts darüber aussagt, ob sich der Verbraucher aufgrund der Bezeichnung fehlerhafte Vorstellungen über das Produkt macht, keine durchgreifenden Anhaltspunkte bestanden, die es zum Ausgangspunkt von eigenen Nachforschungen hätte machen müssen.
Die weitere Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe das Verfahren zu Unrecht nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, geht schon deshalb ins Leere, weil für ein Gericht, dessen Entscheidung - wie hier - mit einem Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV keine Vorlagepflicht besteht (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 1992 - BVerwG 5 B 72.92 -, juris Rn. 2). Im Übrigen liegt der bemängelte Verfahrensfehler auch deshalb nicht vor, weil das Verwaltungsgericht nicht europäisches Recht ausgelegt, sondern lediglich eine Begrifflichkeit aus der GeflVermNV als Auslegungshilfe für die mutmaßliche Erwartungshaltung eines Durchschnittsverbrauchers herangezogen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).