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Entscheidung 8 K 488/09


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 8. Kammer Entscheidungsdatum 13.01.2011
Aktenzeichen 8 K 488/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 4 AusglLeistG, § 51 Abs 1 VwVfG BB, § 51 Abs 5 VwVfG BB, § 48 Abs 1 VwVfG BB

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz aus abgetretenem Recht der Erbengemeinschaft ...-... für den Eigentumsverlust an dem Grundstück in ..., Alte ..., Flur ... der Gemarkung ..., Flurstücke ... und ... geltend. Mit Bescheid vom 27. Mai 2004, berichtigt durch Bescheid vom 4. Juni 2004, stellte der Beklagte fest, dass der Klägerin als Berechtigter für den Verlust eines ¾-Erbteils an dem genannten Grundstück insgesamt ein Ausgleichsleistungsanspruch in Höhe von 21.487,04 Euro einschließlich Zinsen zustehe. Die Gewährung einer Ausgleichsleistung für den ¼-Anteil des Zwischenerben U. ...-... wurde wegen Unwürdigkeit gemäß § 1 Abs. 4 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLG) abgelehnt.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2007 beantragte die Klägerin eine Änderung des Bescheides vom 27. Mai 2004 dahingehend, dass auch eine Ausgleichsleistung für den ¼-Erbanteil des Herrn U. ...-... gewährt werde, hilfsweise, das Verfahren gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bbg wieder aufzugreifen. Das Bundesverwaltungsgericht habe erstmals durch Urteil vom 15. März 2007 – 3 C 37.06 – entschieden, dass die Unwürdigkeit eines Zwischenglieds in der Erbenkette nicht zum Ausschluss von einer Ausgleichsleistung führe. Vor dieser Entscheidung sei es gängige Praxis der Vermögensämter gewesen, auch die Zwischenglieder einer Erbenkette einer Würdigkeitsprüfung zu unterziehen. Durch die Entscheidung habe sich die Rechtslage geändert, da sie Ausdruck einer neuen Rechtsauffassung sei.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 lehnte der Beklagte den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ab und führte im Wesentlichen zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen des § 51 VwVfG Bbg nicht vorlägen. Insbesondere liege keine Änderung der Rechtslage vor, sondern nur eine Änderung der Rechtsprechung. Im Hinblick darauf, dass alle vom Beklagten bis zum 15. März 2007 beendeten Verfahren nach dem Ausgleichsleistungsgesetz unter Beachtung der Gemeinsamen Arbeitshilfe des Bundes und der Länder beschieden und weitere Wiederaufgreifensanträge in vergleichbaren Verfahren nicht gestellt worden seien, werde nach pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens das mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Mai 2007 (gemeint 2004) abgeschlossene Verfahren im Sinne einer gleichmäßigen Rechtsanwendung nicht wiederaufgegriffen.

Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 07. Januar 2008 Widerspruch und führte zur Begründung ergänzend aus, dass durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens kein Präzedenzfall geschaffen werde, da keine weiteren Wiederaufgreifensanträge in anderen Verfahren gestellt worden seien. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass das Ausgleichsleistungsverfahren hinsichtlich des Rittergutes ... und des Gutes ... noch offen sei, so dass nach § 7 Abs. 2 Entschädigungsgesetz eine Gesamtdegression vorzunehmen sei. Die Nichtgewährung einer Ausgleichsleistung für den ¼-Erbanteil des Herrn U. ...-... an dem Grundstück Alte ... in ... werde sich danach auch in diesem Verfahren auswirken. Das pauschale Festhalten an dem rechtswidrigen Bescheid erweise sich vorliegend als schlechthin unerträglich. Jedenfalls sei der Bescheid gemäß §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 VwVfG Bbg zurückzunehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 wies der Widerspruchsausschuss beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg den Widerspruch als unbegründet zurück und führte ergänzend aus, dass die Rechtsprechung die Rechtslage nur feststelle und nicht verändere. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei kein Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung, da das Gericht die Grenze zur Rechtsfortbildung in dem Urteil vom 15. März 2007 nicht überschritten, sondern lediglich die Vorschrift des § 1 Abs. 4 AusglLG ausgelegt und damit das Gesetz rechtskonkretisierend angewandt habe, was aber keine richterliche Rechtssetzung darstelle.

Die Klägerin hat am 16. Mai 2009 die vorliegende Klage erhoben.

Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg vom 21. April 2009 zu verpflichten, das Verfahren wiederaufzugreifen und ihr unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 27. Mai 2004 und des Berichtigungsbescheides vom 04. Juni 2004 eine Ausgleichsleistung von weiteren 6.646,79 Euro nebst 0,5 % Zinsen monatlich seit dem 01. Januar 2004 für den ¼-Erbanteil des U. ... an dem Grundstück Alte ... in ... zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer Ausgleichsleistung von weiteren 6.646,79 Euro nebst Zinsen im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bbg liegen nicht vor. Zutreffend wurde in den angefochtenen Bescheiden, auf die das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verweist, darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 2007 – 3 C 37.06 – keine Änderung der Rechtslage vorliegt. Soweit teilweise in der Literatur vertreten wird, dass auch eine Änderung der allgemeinen Rechtsauffassung einer Rechtsänderung gleichstehen soll (vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, Rdn. 30), lag eine solche allgemeine Rechtsauffassung nicht vor. Insoweit wurde in dem Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 bereits darauf hingewiesen, dass vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung des Ausschlussgrundes nach § 1 Abs. 4 AusglLG bei allen Rechtsvorgängern in der Literatur streitig diskutiert wurde.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 2004 im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens im weiterem Sinne gemäß §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 VwVfG Bbg. Der Beklagte hat darüber entgegen der in der Widerspruchsbegründung vom 7. Januar 2008 geäußerten Auffassung der Klägerin in seinem Bescheid vom 11. Dezember 2007 entschieden, indem er ausführte, dass im Hinblick darauf, dass weitere Wiederaufgreifensanträge in vergleichbaren Verfahren bisher nicht gestellt worden seien, das abgeschlossene Verfahren nach pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht wiederaufgegriffen werde. Damit hat der Beklagte eine Ermessensentscheidung über eine Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 2004 gemäß §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 VwVfG Bbg getroffen, da im Rahmen einer Entscheidung nach § 51 Abs. 1 VwVfG Bbg bei Vorliegen der Voraussetzungen kein Ermessen eröffnet ist. Diese Entscheidung ist ermessensfehlerfrei. Es ist nicht erkennbar, dass der Fortbestand des Bescheides vom 27. Mai 2004 im Hinblick auf einen um 6.646,79 Euro geringeren Ausgleichsleistungsbetrag für die Klägerin schlechthin unerträglich wäre, zumal sie die Ansprüche nur aus abgetretenem Recht geltend macht und gegen den Bescheid keine Rechtsbehelfe eingelegt hat. Dies gilt auch im Hinblick auf die nach Angaben der Klägerin weiteren, noch offenen Ausgleichsleistungsverfahren hinsichtlich einer eventuellen Degression gemäß § 7 Abs. 2 Entschädigungsgesetz, die stufenweise umso höher ausfällt, je höher der errechnete Betrag ist. Der Einwand der Klägerin, im Hinblick darauf, dass in anderen Verfahren keine weiteren Wiederaufgreifensanträge gestellt worden seien, werde durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens kein Präzedenzfall geschaffen, überzeugt nicht. Denn wenn der Beklagte im vorliegenden Verfahren den Ausgangsbescheid zurücknehmen würde, müsste er aus Gründen der Gleichbehandlung auch in weiteren Verfahren in eine Prüfung eintreten bzw. mit gleichgelagerten Anträgen rechnen. Im Hinblick darauf, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte zugunsten der Rechtssicherheit eine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. eine Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 2004 ablehnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.