Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 23.01.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 A 1.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 2 Abs 2 S 1 GG, § 43 VwGO, § 42 Abs 2 VwGO, § 27c Abs 1 LuftVG, § 29 Abs 1 S 1 LuftVG, § 32 Abs 4 S 1 Nr 8 LuftVG, § 32 Abs 4c S 1 LuftVG, § 32 Abs 4c S 2 LuftVG, § 11 LuftVO, § 27a Abs 1 LuftVO, § 27a Abs 2 LuftVO |
1. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bei der Planung von Flugverfahren grundsätzlich auch zu beachten, ob und in welchem Umfang das Flugverfahren unter dem Aspekt eines Flugunfalls oder eines aus der Luft begangenen Terroranschlags zu einer Gefahr für am Boden befindliche Anlagen mit erheblichem Risikopotential führt. Dies gilt nicht nur, wenn ein solcher Bereich in den Blick genommen werden muss, weil er in geringer Entfernung von der Startbahn überflogen wird, sondern auch dann, wenn sich das Erfordernis einer Risikoanalyse für eine nicht mehr im näheren Umfeld des Flughafens gelegene sensible Anlage wie den Forschungsreaktor BER II infolge von Gutachten oder Hinweisen anderer Fachbehörden - hier: der Atomaufsichtsbehörde - im Flugroutenfestsetzungsverfahren aufdrängt.
2. Der vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung für erforderlich und ausreichend erachtete Sicherheitsabstand zwischen der sog. Wannseeroute und dem Forschungsreaktor BER II beruht nicht auf belastbaren Erkenntnissen. Aus dem Ermittlungsdefizit folgt ein Abwägungsmangel.
Es wird festgestellt, dass die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeit gültigen Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 13. November 2012 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, soweit dort bei Benutzung der Startbahn 25 R Abflugverfahren über den Streckenpunkt DB 243 für die Streckenführungen GERGA 1 A, TUVAK 1 A und DEXUG 1 A festgelegt sind.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kläger wenden sich gegen Abflugverfahren für den Flughafen Berlin Brandenburg, die bei Westbetrieb von der Startbahn 25 R zu dem nordwestlich von Ludwigsfelde gelegenen Streckenpunkt DB 241 führen, sodann in nördlicher Richtung zu dem über Berlin liegenden Streckenpunkt DB 243 verlaufen und sich dort in westliche und östliche Destinationen aufteilen (sog. kurzes Verfahren über den Wannsee). Gegenstand ihrer Klage sind die in der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung (Festlegung von Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Berlin Brandenburg) vom 10. Februar 2012 (BAnz S. 1086) in der derzeit gültigen Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 13. November 2012 (BAnz AT 22.11.2012 V2) festgesetzten Abflugverfahren GERGA 1 A, TUVAK 1 A und DEXUG 1 A. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat die der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung zugrunde liegende abschließende Entscheidung über die Festlegung der Flugverfahren in dem Abwägungsvermerk vom 26. Januar 2012 begründet.
Die Abflugverfahren führen in ihrem gemeinsamen Verlauf zwischen den Streckenpunkten DB 241 und DB 243 östlich an dem Gelände des Helmholtz-Zentrum Berlin in Berlin Wannsee vorbei, auf dem sich der Forschungsreaktor BER II (Berliner-Experimentier-Reaktor II), eine Lagerhalle für Brennelemente sowie die Landessammelstelle für klein- und mittelradioaktive Abfälle befinden. Die thermische Leistung des Forschungsreaktors BER II beträgt 10 Megawatt. Er ist ein sogenannter Schwimmbadreaktor, bei dem sich der Reaktorkern in einem oben offenen, mit Wasser gefüllten Becken befindet. Der Reaktorkern besteht aus 24 Brennelementen. Die das offene Wasserbecken umgebende Reaktorhalle ist eine konventionelle Industriehalle in Stahlständerbauweise, die mit einem für eine Schneelast bis 80 kg/m² ausgelegten Flachdach versehen ist. Sie verfügt nicht über eine spezielle Schutzhülle oder Betonabschirmung gegen den Absturz von Flugzeugen, Hubschraubern oder massiveren Teilen. Die auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrum Berlin befindliche Lagerhalle dient der Aufbewahrung von Brennelementen. In der 320 m² großen Halle der Landessammelstelle befinden sich Endlagercontainer sowie Fässer mit radioaktiven Abfällen auf Hochregalen.
Das Betriebsgelände des Helmholtz-Zentrum Berlin ist von dem auf 2000 ft höhenbegrenzten Flugbeschränkungsgebiet ED-R 4 umgeben, dessen Radius im März 2012 von 0,8 NM auf 2 NM ausgeweitet worden ist. Dieses Flugbeschränkungsgebiet gilt für Flüge nach Sichtflugregeln, erfasst die hier in Rede stehenden Flüge nach Instrumentenflugregeln aber nicht.
Die Klägerinnen zu 3. und 4. sind (Mit-)Eigentümerinnen selbstgenutzter Hausgrundstücke, die in den Gemeinden Kleinmachnow (Klägerin zu 1.) und Stahnsdorf (Klägerin zu 2.) liegen; der Kläger zu 5. wohnt in der Gemeinde Stahnsdorf, die Klägerin zu 7. in der Stadt Teltow (Klägerin zu 3.), Ortsteil Ruhlsdorf. Der Kläger zu 8. wohnt in der Gemeinde Kleinmachnow. Die Gemeindegebiete bzw. Wohnorte der Kläger zu 1. bis 6. und des Klägers zu 8. befinden sich im Umkreis von bis zu ca. 8,0 km des Helmholtz-Zentrum Berlin. Die Klägerin zu 7. wohnt ca. 9,7 km von dem Helmholtz-Zentrum Berlin entfernt. Die Klägerin zu 9. ist mit Mitarbeiterin im Helmholtz-Zentrum Berlin.
Zur Begründung ihrer Klagen tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erforderliches Beteiligungsverfahren unterblieben sei. Eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung ergebe sich auch aus den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, da die Wannseeroute bei der im Planfeststellungsverfahren durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung keine Rolle gespielt habe. Ferner sei eine Strategische Umweltprüfung erforderlich gewesen. Hinsichtlich der Lärmverteilung habe die Beklagte unter Verletzung des Vertrauensschutzes die Augen vor vorzugswürdigen Alternativrouten – einem metropolenabgewandten Abflugkonzept über die Südbahn sowie der Flugroute über Potsdam und Werder (Havel) – verschlossen. Auch seien die von den Klägerinnen zu 1. und 2. festgesetzten ruhigen Gebiete nach der Umgebungslärmrichtlinie gegen eine Zunahme des Lärms zu schützen.
Hinsichtlich des Forschungsreaktors bestehe die Gefahr, dass es durch einen Flugzeugabsturz oder einen mittels eines Luftfahrzeugs geführten terroristischen Angriff zu einem Störfall bis hin zu einer Kernschmelze kommen könne, zumal der Forschungsreaktor keinen Aufprallschutz gegen abstürzende Flugkörper besitze. Insoweit beruhe die Festsetzung der Flugrouten auf einem schwerwiegenden Ermittlungsdefizit: Die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit eines Störfalls durch Flugzeugabsturz sei nicht ermittelt worden. Die Beklagte habe es unterlassen, eine aktuelle Risikountersuchung einzuholen, obwohl die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin (zuvor Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz) als zuständige Atomaufsichtsbehörde (im Folgenden: Atomaufsichtsbehörde) sie darauf hingewiesen habe. Die Absturzwahrscheinlichkeit habe sich durch die Festsetzung der Abflugroute über Berlin-Wannsee drastisch erhöht, zumal nach Auskunft der Atomaufsichtsbehörde derzeit keine Flugrouten der Berliner Verkehrsflughäfen über den Forschungsreaktor BER II verliefen. Die für den Forschungsreaktor BER II erstellte Studie des TÜV Süddeutschland zur „Neubewertung der Absturzhäufigkeit von Hubschraubern und Flugzeugen“ vom 26. Juli 2002 sei veraltet. Sie berücksichtige weder die hier angegriffene Abflugstrecke noch die erhebliche Zunahme des Luftverkehrsaufkommens in den letzten zehn Jahren. Nach Auffassung der Atomaufsichtsbehörde sei eine Reduzierung der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit durch bauliche Maßnahmen an dem Forschungsreaktor BER II nicht möglich. Mi Blick auf die auf der Wannseeroute zu erwartenden über 30.000 Überflüge pro Jahr liege die Wahrscheinlichkeit eines Flugunfalls über dem Forschungsreaktor oder auch eines bloßen Verlustes von Flugzeugteilen nicht mehr im Bereich des tolerablen Restrisikos. Durch die streitgegenständliche Abflugstrecke werde die Wahrscheinlichkeit eines terroristischen Anschlags auf den Forschungsreaktor erheblich gesteigert. Je näher eine Route am Forschungsreaktor vorbeiführe, desto später müsse von der Flugroute abgewichen werden, um aus der Luft einen Anschlag auf den Forschungsreaktor zu verüben. Eine adäquate Reaktion der Flugsicherung wäre nicht mehr möglich. Einen Verzicht auf die Wannseeroute habe die Beklagte ausgeblendet.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeit gültigen Fassung der 1. und 2. Änderungsverordnung vom 13. November 2012 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, soweit dort bei Benutzung der Startbahn 25 R Abflugverfahren über den Streckenpunkt DB 243 für die Streckführungen GERGA 1 A, TUVAK 1 A und DEXUG 1 A festgelegt sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Kläger bestehe im Verfahren zur Festsetzung von Flugrouten keine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Auch hätten im Flugroutenfestsetzungsverfahren weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt werden müssen. Die Prognose der An- und Abflugverfahren sei bereits im Planfeststellungsverfahren getroffen worden. Die Lärmschutzbelange der Kläger seien ordnungsgemäß abgewogen worden. Die Lärmbetroffenheit liege unter der Erheblichkeitsschwelle, so dass die Kläger bereits nicht klagebefugt seien. Die Entscheidung für die Wannseeroute sei nicht willkürlich erfolgt. Auch habe sie sich mit den Aspekten der ruhigen Gebiete auseinander gesetzt.
Störfallanlagen am Boden seien weder nach europäischem noch nach nationalem Recht Bestandteil des Abwägungsprozesses für Flugverfahren. Sie habe dennoch die Lage des Forschungsreaktors BER II in ihre Abwägung einbezogen und einen unmittelbaren Überflug vermieden. Die angegriffenen Flugverfahren führten nicht dazu, dass die darunter liegenden Grundstücke einem relevant erhöhten Absturz- oder Anschlagsrisiko ausgesetzt würden. Bei erkennbaren Schwierigkeiten eines Fluges spielten die Standardflugverfahren ohnehin keine Rolle mehr, da in diesen Fällen die Einzelführung durch einen Lotsen übernommen werde. Bei der Planung von Flugverfahren gehe es um die Gewährleistung möglichst großer Sicherheit für den Flug und nicht um die Betrachtung der möglichen Absturzgebiete. Der Ort eines Aufpralls bei einem Absturz werde durch das Flugverfahren nicht determiniert. Auch bei vollständigem Strömungsabriss ohne Segeln würden Flugzeuge jenseits ihres eigentlichen Flugweges fallen. Ein Absturz auf den Reaktor von der Flugroute aus sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Auf die erreichbare Spurtreue bei der Einhaltung eines Flugverfahrens komme es für die Ermittlung eines Absturzrisikos nicht nennenswert an. Im Übrigen sei die Spurtreue moderner Flugzeuge relativ gut und dürfte sich auf wenige 100 m links und rechts von der Flugroute belaufen. Ein vorzeitiges Abbiegen und ein Abweichen in Richtung Osten und damit vom Reaktor weg seien vorliegend realistischer als die Näherung nach Westen. Im Bereich des Helmholtz-Zentrum sowie der Grundstücke der Kläger sei die erste kritische Abflugphase längst verlassen. Die Kläger ließen außer Acht, dass es schon immer Flugverfahren gegeben habe, die an dem Reaktor vorbeigeführt hätten. Der Umgang mit spezifisch atomaren Risiken sei nicht über das Recht der Flugverfahren, sondern atomrechtlich zu regeln. Die Kläger würden außerdem vernachlässigen, dass neben dem Forschungsreaktor auch sonstige Einrichtungen wie Sportanlagen, Bahnstrecken, Bahnhöfe und Autobahnen einer gleichwertigen Betrachtung bedürften. Die Zunahme des Flugverkehrs gegenüber früheren Zuständen indiziere keine Risikoänderung. Der Planfeststellungsbeschluss enthalte keine Beschränkung des Betriebs im Hinblick auf den Forschungsreaktor BER II. Nach dem im Planfeststellungsverfahren eingeholten Sicherheitsgutachten M 21 sei bereits wenige Kilometer hinter dem Ende der Startbahn der Bereich des rechtlich irrelevanten Restrisikos erreicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Die Klage hat Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Sie ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276, <278 ff.>).
2. Die auch für die Feststellungsklage entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis (vgl. dazu BVerwGE 111, 276 <279 f.>) steht den Klägern zur Seite. An der Klagebefugnis würde es den Klägern nur dann fehlen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise ihre subjektiven Rechte durch das festzustellende Rechtsverhältnis verletzt sein könnten (BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 -, BVerwGE 119, 245 <249>). Für die Klagebefugnis ist es ausreichend, dass sich die Kläger auf das aus § 29 Abs. 1 LuftVG folgende Abwägungsgebot berufen können, wonach bei der Planung von Flugverfahren auch die Gefahren abzuwehren sind, die der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt drohen können. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 29 Abs. 1 LuftVG ist im Sinne der geltenden polizeirechtlichen Auffassung auszulegen (vgl. Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Dezember 2002, § 29 Rn. 8) und umfasst damit auch die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG).
a) Die Kläger zu 3. bis 5. sowie 7. und 9. gehören zu dem von einem Störfall in dem Forschungsreaktor potentiell betroffenen Personenkreis, der nach dem Einwirkungsbereich eines derartigen Ereignisses – insbesondere der potentiellen Freisetzung der von dem Forschungsreaktor ausgehenden ionisierenden Strahlung – zu bestimmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39/07 -, BVerwGE 131, 129 Rn. 22). Mit Ausnahme der Klägerin zu 7. wohnen sämtliche Kläger innerhalb einer der durch den Katastrophenschutzplan für die Umgebung des Forschungsreaktors BER II festgelegten Zonen – der Zentralzone (0,5 km), der Mittelzone (4,0 km) und der Außenzone (8,0 km) um den Forschungsreaktor -, für die jeweils bestimmte Katastrophenschutzmaßnahmen vorgesehen sind: Die Klägerin zu 3. ist Miteigentümerin eines innerhalb der Zentralzone liegenden Hausgrundstücks; die Klägerin zu 4. ist Eigentümerin eines in der Außenzone belegenen Hausgrundstücks. Der Kläger zu 5. und der Kläger zu 8. wohnen ebenfalls in der Außenzone. Zwar ist eine Evakuierung von Anwohnern nur für die Zentral- und Mittelzone bis zu 2,5 km von dem Forschungsreaktor entfernt vorgesehen. Der Katastrophenschutzplan sieht jedoch auch vor, Anwohner der Außenzone dazu aufzufordern, im Haus zu verbleiben und Jod-Tabletten einzunehmen. Soweit die Klägerin zu 7. nicht mehr innerhalb der Außenzone wohnt, steht dies ihrer Klagebefugnis nicht entgegen, zumal in dem Katastrophenschutzplan eine potentielle Betroffenheit von Anwohnern in einem Umkreis von bis zu 20 km um den Forschungsreaktor angenommen wird. Es drängt sich daher auf, die vergleichsweise nahe an der Grenze zur 8 -km-Zone lebende Klägerin zu 7. dem Kreis der von einem Störfall im Forschungsreaktor potentiell Betroffenen zuzurechnen. Die Klägerin zu 9. wäre als Mitarbeiterin auf dem in der Zentralzone liegenden Gelände des Forschungsreaktors unmittelbar von einem Störfall betroffen.
b) Die Kläger zu 1., 2. und 6. können sich als Träger kommunaler Selbstverwaltung auf eine mögliche Verletzung ihrer kommunalen Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG berufen, weil ihre Gemeindegebiete oder zumindest Teile davon innerhalb der durch den Katastrophenschutzplan festgesetzten Außenzone und damit innerhalb des Einwirkungsbereichs eines potentiellen Störfalls im Forschungsreaktor liegen. Das Gemeindegebiet der Klägerin zu 1. liegt teilweise in der Mittelzone, im Wesentlichen aber in der Außenzone. Weite Teile des Gemeindegebiets der Klägerin zu 2. liegen in der Außenzone. Das Stadtgebiet der Klägerin zu 6. wird teilweise von der Außenzone erfasst. Die Planungshoheit, die die Befugnis zur eigenverantwortlichen Ordnung und Gestaltung des Gemeindegebiets vor allem im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung umfasst (Nierhaus in: Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 28 Rn. 53.), würde im Falle eines radioaktiven Fallouts über dem Gemeindegebiet die Verwirklichung bestehender und auch die Aufstellung neuer gemeindlicher Planungen beeinträchtigen.
c) Es ist mit Blick auf den für die Darlegung der Klagebefugnis hinreichend substantiierten Vortrag der Kläger nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass ihr Interesse am Schutz vor Störfallen im Forschungsreaktor BER II, die durch Flugunfälle oder gezielte Angriffe verursacht werden könnten, keine abwägungsfehlerfreie Berücksichtigung gefunden hat und damit eine Verletzung subjektiver Rechte vorliegt. Die Kläger haben unter anderem unter Bezugnahme auf die „Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung (RSK-SÜ) deutscher Forschungsreaktoren unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I (Japan)“ der Reaktor-Sicherheitskommission vom 3. Mai 2012 dargelegt, dass ein Kernschmelzen ohne Wasserüberdeckung mit erheblichen radioaktiven Auswirkungen infolge eines Flugzeugabsturzes nicht ausgeschlossen werden könne (vgl. RSK-SÜ S. 42 ff.). Da die Klagebefugnis als Zugangsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts nicht dazu führen soll, dass ernsthaft streitige Fragen über das Bestehen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung die Begründetheit der Klage abhängt, im Rahmen der Zulässigkeit entschieden werden müssen (vgl. BVerwGE 119, 245 <249>), ist die Frage, ob und inwieweit Störfallrisiken am Boden im Rahmen des Flugroutenfestsetzungsverfahrens zu betrachten sind, als Frage der Begründetheit des geltend gemachten Abwägungsanspruchs nicht auf die Zulässigkeitsebene zu verlagern. Dies gilt auch für die Frage, ob der von den Klägern für möglich gehaltene Geschehensablauf, dass ein das kurze Verfahren über den Wannsee nutzendes Luftfahrzeug über dem Forschungsreaktor abstürzt, derart wahrscheinlich ist, dass es nicht mehr dem unentrinnbar hinzunehmenden Restrisiko zugerechnet werden kann (vgl. dazu BVerwGE 131, 129, Rn. 24), sowie für die Frage, ob und inwieweit das Szenario eines gezielten Angriffs aus der Luft in die Sicherheitsüberlegungen einzubeziehen gewesen wäre.
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten müssen sich die Kläger im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht auf ein atomrechtliches Verfahren gegen den Betrieb des Forschungsreaktors BER II verweisen lassen. Der Rechtsordnung lässt sich keine Rangordnung zwischen einer Klage gegen den Betrieb der Störfallanlage einerseits und einer Klage gegen die den Störfallbetrieb tangierenden Flugroute anderseits entnehmen.
3. Die Kläger durften ihre Klage auf die 1. Änderungsverordnung vom 31. Juli 2012 (BAnz AT 09.08.2012 V2) sowie die 2. Änderungsverordnung vom 13. November 2012 zur 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung erstrecken, auch wenn diese erst während des Klageverfahrens erlassen worden sind.
Soweit die Kläger zu 6. bis 9. dem laufenden Verfahren beigetreten sind, ist dies prozessual zulässig. Die Kläger können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen, da der rechtliche und tatsächliche Grund ihrer Klagen ganz oder doch zu wesentlichen Teilen gleichartig im Sinne von § 64 VwGO i. V. m. § 60 ZPO ist. Sämtliche Kläger sehen sich infolge der angegriffenen Flugverfahren unzumutbarem Lärm sowie einem erhöhten Sicherheitsrisiko in Bezug auf den Forschungsreaktor BER II ausgesetzt. Im Übrigen hat sich die Beklagte insoweit rügelos in der Sache eingelassen.
II.
Die Klage ist begründet.
Die in der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeitigen gültigen Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 13. November 2012 festgelegten Abflugverfahren von der Startbahn 25 R über den Streckenpunkt DB 243 für die Streckenführungen GERGA 1 A, TUVAK 1 A und DEXUG 1 A sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.
1. Die Festlegung der angegriffenen Abflugverfahren durch die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung findet, wie in der Verordnung nach § 80 Abs. 1 Satz 3 GG angegeben, in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8, Abs. 4 c Satz 1 und 2 LuftVG in Verbindung mit § 27 a Abs. 1 und 2 Satz 1 LuftVO ihre Rechtsgrundlage. Danach ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rahmen der ihm von dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen übertragenen Zuständigkeit unter anderem ermächtigt, bei An- und Abflügen zu und von Flugplätzen mit Flugverkehrskontrolle und bei Flügen nach Instrumentenflugregeln die Flugverfahren einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte durch Rechtsverordnung festzulegen.
2. Den von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen, dass im Flugroutenfestsetzungsverfahren eine nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie aus rechtsstaatlichen Grundsätzen erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung sowie eine Strategische Umweltprüfung hätte durchgeführt werden müssen, braucht der Senat nicht nachzugehen, da die angegriffene Rechtsverordnung hinsichtlich des dort festgesetzten kurzen Verfahrens über den Wannsee jedenfalls aus den nachfolgenden materiell-rechtlichen Gründen rechtswidrig ist.
3. Die angegriffene Flugroutenfestsetzung ist materiell rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Sie leidet an einem erheblichen Ermittlungsdefizit, weil die Beklagte im Rahmen des Flugroutenfestsetzungsverfahrens keine Risikoanalyse in Bezug auf den Forschungsreaktor BER II vorgenommen hat. Infolge dessen musste auch die Abwägungsentscheidung defizitär bleiben.
a) Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat bei der Festlegung von Abflugstrecken durch eine Flugverfahrensverordnung eine Abwägungsentscheidung zu treffen. In welchem Umfang es dabei einer Abwägungspflicht unterliegt, richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben und im Übrigen nach dem rechtsstaatlich für jede Abwägung unabdingbar Gebotenen. Bei der Festlegung von Flugverfahren handelt es sich nach der gesetzgeberischen Konzeption in erster Linie um ein sicherheitsrechtliches Instrument, das der Verhaltenssteuerung insbesondere bei An- und Abflügen zu und von näher bezeichneten Flugplätzen dient und an den Luftfahrzeugführer adressiert ist. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ist es Aufgabe der Luftfahrtbehörden, zu denen auch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung zählt, betriebsbedingte Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt abzuwehren. Der überragenden Bedeutung dieses Aspekts wird auch in § 27 c Abs. 1 LuftVG Rechnung getragen, wonach die Flugsicherung der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs dient. Dieser im eigentlichen Kern sicherheitsrechtliche Charakter verbietet es, die im Fachplanungsrecht zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätze unbesehen auf die Festlegung von Flugverfahren zu übertragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 -, BVerwGE 121, 152 <159>).
b) Die Festsetzung von Flugverfahren wird allerdings nicht ausschließlich von dem Aspekt der Sicherheit des Luftverkehrs bestimmt, sondern hat im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung auch anderen Belangen Rechnung zu tragen. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG dürfen die Luftfahrtbehörden bei der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs nicht aus den Augen verlieren, dass Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch durch die Luftfahrt drohen können (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hieraus folgt die grundsätzliche Verpflichtung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung, bei der Planung von Flugverfahren auch zu beachten, ob und in welchem Umfang das Flugverfahren unter dem Aspekt eines Flugunfalls oder eines terroristisch motivierten Eingriffs in den Luftverkehr zu einer Gefahr für Anlagen mit erheblichem Risikopotential am Boden führt (vgl. zu Störfallanlagen HessVGH, Urteil vom 24. Oktober 2006 - 12 A 2216/05 -, NVwZ 2007, 597 <603>). Dies gilt nicht nur, wenn ein solcher Bereich in den Blick genommen werden muss, weil er in geringer Entfernung von der Startbahn überflogen wird, sondern auch dann, wenn sich das Erfordernis einer Risikoanalyse für eine nicht mehr im näheren Umfeld des Flughafens gelegene sensible Anlage wie den Forschungsreaktor BER II infolge von Gutachten bzw. Hinweisen anderer Fachbehörden im Festsetzungsverfahren aufdrängen musste. Daher vermag der Einwand der Beklagten, dass das Flugroutenfestsetzungsverfahren nicht der richtige Ort sei, um eine im Planfeststellungsverfahren unterbliebene Sicherheitsanalyse vorzunehmen, mit Blick auf die sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ergebende Verpflichtung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die durch die Luftfahrt drohen können, nicht zu überzeugen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 11 LuftVO, wonach das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Luftsperrgebiete und Gebiete mit Flugbeschränkungen festlegt, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für die Sicherheit des Luftverkehrs, erforderlich ist. Dieser Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass Sachverhalte, die eine Maßnahme nach § 11 LuftVO rechtfertigen, nicht auch in die Flugroutenfestsetzung einfließen können. Insoweit besteht keine Kongruenz der Regelungsgegenstände (vgl. Hess VGH, a.a.O.). Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2012 der nicht näher begründeten Auffassung ist, dass für das Risiko eines Flugzeugabsturzes die Lage des Flughafens unabhängig von den Flugrouten keinen Zwangspunkt darstelle (BVerwG 4 A 5000.10, juris Rn. 90), verhält es sich nicht zu der Frage, inwieweit neben der Möglichkeit, Flugbeschränkungsgebiete zu errichten, auch Flugroutenführungen eine Lösung zum Schutz der Atomanlage vor möglichen Absturzrisiken darstellen können. Dies gilt auch für die von dem Bundesverwaltungsgericht verneinte Frage, ob das Risiko eines terroristischen Anschlags auf den Reaktor aus der Luft von den Flugrouten abhängt (s. dazu unten unter II 4.).
c) Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung geht in seinem die Festlegung von Flugverfahren für den Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg begründenden Abwägungsvermerk vom 26. Januar 2012 davon aus, dass die planerische Gestaltungsfreiheit bei der Flugverfahrensplanung insoweit eingeschränkt sei, als die Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs und die Vermeidung von sonstigen Gefahren für die öffentliche Sicherheit als gesetzliche Rahmenbedingung keiner Abwägung unterliegen (dort S. 20). Mit dem Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrum hat es sich im Rahmen der Bewertung des Gesamtkonzepts unter dem Gliederungspunkt „Keine Entstehung von Gefahren für die Luftverkehrssicherheit bzw. öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ (D.IV.) sowie bei der Einzelabwägung bezüglich des Abflugverfahrens von der nördlichen Piste in Betriebsrichtung (BR) 25 zum Punkt GERGA (E.I.1. (5)) ausdrücklich befasst. Die dortigen Erwägungen sind jedoch unzureichend. Insbesondere fehlt es an einer Risikoanalyse, die die angenommenen Ergebnisse nachvollziehbar belegt (s. dazu nachfolgend aa) – ff)). Soweit die Beklagte, ohne dies im Festsetzungsverfahren auch nur ansatzweise überprüft zu haben, sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf den Standpunkt stellt, dass die angegriffene Flugroute nicht zu einem rechtlich relevanten Risikozuwachs bei dem Forschungsreaktors BER II führen werde, kann der Senat dem nicht folgen (s. dazu e)).
aa) Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung ist unter D.IV. seines Abwägungsvermerks (S. 37) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Einführung der zur Festlegung vorgelegten Flugverfahren keine Gefahren für die Luftverkehrssicherheit bzw. die öffentliche Sicherheit oder Ordnung begründe. Der äußere Rand des Flugbeschränkungsgebietes ED-R 4 um den Forschungsreaktor Wannsee des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (BER II) werde von dem nächstgelegenen Flugverfahren, der hier streitgegenständlichen sog. Wannseeroute, mit einer Entfernung von 3 km seitlich passiert. Damit werde ein ausreichender Sicherheitsabstand auch unter Berücksichtigung denkbarer navigatorischer Ungenauigkeiten beim Führen von Luftfahrzeugen gewährleistet.
Es ist schon nicht feststellbar, dass die Flugroutenfestsetzung dieser Vorgabe entspricht. Das Flugbeschränkungsgebiet ED-R 4 hatte zum Zeitpunkt der Festlegung des streitgegenständlichen Flugverfahrens einen Radius von 0,8 NM (= 1,4816 km). Ein Flugroutenverlauf von 4,48 km östlich des Forschungsreaktors BER II ist anhand des einschlägigen Kartenmaterials jedoch nicht nachvollziehbar. Dieses legt vielmehr einen Abstand von ca. 3 km nahe. Diesen Widerspruch vermochte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht zu erklären. Hiervon abgesehen erschließt sich nicht, weshalb überhaupt an das – für den Instrumentenflugbetrieb nicht verbindliche – Flugbeschränkungsgebiet ED-R 4 angeknüpft wurde, und warum bei der Bemessung des Sicherheitsabstands der später vorgenommenen Vergrößerung des Flugbeschränkungsgebiets auf einen Radius von 2 NM (= 3,704 km), der nunmehr durch das Flugverfahren tangiert werden dürfte, nicht nachträglich Rechnung getragen wurde. Vor allem aber lässt der Abwägungsvermerk nicht erkennen, welche Distanz mindestens einzuhalten ist, um von einem „ausreichenden“ Sicherheitsabstand ausgehen zu können, und welche tatsächlichen Umstände das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hierfür als maßgebend ansieht. Es bleibt auch offen, von welchen denkbaren navigatorischen Ungenauigkeiten beim Führen von Luftfahrzeugen ausgegangen wird. Insoweit hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung auf die Anfrage, woher die Erkenntnisse zu navigatorischen Ungenauigkeiten stammen, geantwortet, dass es zu der gewählten Routenführung weder eine Alternative gebe noch statistische Erfahrungswerte zugrunde gelegt worden seien (vgl. Schreiben vom 23. Februar 2012, S. 3 [Anlage K 103 zu dem Parallelverfahren OVG 11 A 3.13]). Dies macht einerseits deutlich, dass die Feststellungen des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung zu einem ausreichenden Sicherheitsabstand nicht auf belastbaren Erkenntnissen basieren. Der Abwägungsvermerk zeigt andererseits aber eindeutig, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung selbst einen Sicherheitsabstand für erforderlich gehalten hat.
bb) Letzteres wird durch die Darlegungen unter E.I.1. (5) des Abwägungsvermerks (S. 51 f.) nochmals bestätigt, die ausdrücklich feststellen, dass der Forschungsreaktor nicht direkt überflogen werde. Anschließend heißt es, dass ein Vorbeiflug im Osten des Reaktors auf dem kurzen Weg nach GERGA als „weniger kritisch“ angesehen werde als ein Vorbeiflug im Westen. Schließlich ist davon die Rede, dass eine „weitere Risikominimierung“ nicht möglich sei und ein Vorbeifliegen am Reaktor in einer „gewissen Entfernung“ nicht vermieden werden könne. Auch das zeigt deutlich, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rechtssetzungsverfahren von einer rechtlich relevanten Risikoerhöhung in Abhängigkeit von der Distanz der Flugroute zum Reaktor ausgegangen ist.
cc) In dem Abwägungsvermerk fehlt jedoch eine Darlegung, wie hoch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung das Risiko eingeschätzt hat, dass ein Flugzeug oder Teile davon als Folge eines Unfalls das Reaktorgebäude oder störfallanfällige benachbarte Flächen treffen. Entsprechende Feststellungen lassen sich den Verwaltungsvorgängen ebenfalls nicht entnehmen. Auch die Deutsche Flugsicherung, der die fachliche Planung der Flugrouten übertragen ist (vgl. § 27 c LuftVG; § 27 a Abs. 2 Satz 1 LuftVO), hat das Unfallrisiko in Bezug auf den Forschungsreaktor nicht näher untersucht. Sie hat in ihrem Abwägungsvermerk vom 31. Mai 2011 lediglich darauf hingewiesen, dass mit der als Vorzugsvariante ausgewählten Abflugstrecke der Betriebsrichtung 25 (= kurzes Verfahren über den Wannsee) der Forderung der Fluglärmkommission (vgl. § 32 b LuftVG) nachgekommen werde, den Forschungsreaktor nicht zu überfliegen. Um auf der Ideallinie östlich der Autobahn A 115 die Spurtreue möglichst genau einhalten zu können, werde die Geschwindigkeit in der Rechtskurve Richtung Norden bei Erreichen des Abdrehpunktes nordwestlich von Ludwigsfelde auf 230 Knoten begrenzt (vgl. Deutsche Flugsicherung, Verkehrsflughafen Berlin-Brandenburg International, Abwägung für Paket I vom 31. Mai 2011 S. 7-68).
dd) Zu einer Risikoermittlung hätte insbesondere deshalb Anlass bestanden, weil die Atomaufsichtsbehörde des Landes Berlin das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung sowie nachrichtlich die Deutsche Flugsicherung im Laufe des Flugroutenfestsetzungsverfahrens ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass derzeit keine Flugrouten der Verkehrsflughäfen Berlin-Tegel oder Berlin-Schönefeld über den Forschungsreaktor verlaufen und es nur zu einer geringen Zahl von Überflügen kommt und dass der geplante Verlauf der Abflugroute neue Risikountersuchungen nötig machen würde. Eine Minimierung der Absturzwahrscheinlichkeiten kann nach ihrer Auffassung nur dadurch erreicht werden, dass die Flugrouten möglichst weiträumig um den Forschungsreaktor herum geführt werden (vgl. Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 29. September 2010). Nach Einschätzung der Atomaufsichtsbehörde wäre eine größere Eintrittswahrscheinlichkeit als 10-6 pro Jahr für ein Ereignis, das zur unkontrollierten Freisetzung des gesamten im Kern des Forschungsreaktors BER II vorhandenen radioaktiven Inventars führen würde, „kaum akzeptabel“ (vgl. Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz vom 28. März 2011 S. 3 f. [Anlage K 23 in dem Parallelverfahren OVG 11 A 3.13]). Die von der Atomaufsichtsbehörde in Bezug genommene Studie des TÜV Süddeutschland zur „Neubewertung der Absturzhäufigkeit von Hubschraubern und Flugzeugen“ auf den Forschungsreaktor BER II aus dem Jahr 2002, wonach bei den errechneten Werten von 10-8 bis 10-10 pro Jahr ein nennenswertes Risiko nicht bestehe, bezieht sich ausschließlich auf Starts und Landungen am Flughafen Berlin-Tempelhof, da die An- und Abflugrouten der Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld das Gebiet des Forschungsreaktors nicht berührten (vgl. TÜV-Studie S. 10 und 16). Die Kläger bemängeln zu Recht, dass diese Studie veraltet ist und damit keine geeignete Grundlage für eine aktuelle Risikobetrachtung bieten kann. Schließlich unterstellt auch der TÜV Rheinland in seiner Sonderüberprüfung „Stresstest“ für den Forschungsreaktor BER II vom Oktober 2011, dass nach einer Verlagerung des gesamten Flugbetriebs zum Flughafen Berlin Brandenburg eine Veränderung der anzunehmenden Absturzhäufigkeiten eintreten kann. Er weist darauf hin, dass eine Aktualisierung der Daten zu anzunehmenden Absturzhäufigkeiten aus Sicht des Sachverständigen vor dem Hintergrund der vorliegenden Randbedingungen erst dann sinnvoll sei, wenn die endgültigen Flugrouten festliegen und entsprechende Angaben zum Flugbetrieb vorliegen (vgl. „Stresstest“ S. 28). Es liegt nach Auffassung des Senats auf der Hand, dass diese Überlegungen auf die Folgen, die ein Treibstoffbrand auf die Brennelemente-Lagerhalle und die Landessammelstelle für klein- und mittelradioaktive Abfälle haben kann, übertragbar sind.
ee) Auch wenn die potentiellen Schadensfolgen eher von der Atomaufsicht eingeschätzt werden können, dürfte die Beklagte über die notwendige Fachkompetenz verfügen, Ursachen und Risiken möglicher Unfälle und damit deren Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit zu Abstand und Verlauf der Flugrouten einzuschätzen oder ermitteln zu lassen. Da das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung derartige Untersuchungen nicht angestellt hat und auch nicht durch Dritte hat erstellen lassen, fehlt seiner Einschätzung, zwischen Reaktor und Flugroute bestehe ein „ausreichender Sicherheitsabstand“, eine belastbare Grundlage.
ff) Aus dem Ermittlungsdefizit folgt gleichzeitig ein Abwägungsmangel. Denn nur wenn das Risiko eines flugunfallbedingten Störfalls der Atomanlagen bekannt ist, kann es in die Abwägung zu den Vor- und Nachteilen des langen Flugverfahrens um Potsdam und Werder (Havel) und der kurzen Streckenvariante über den Wannsee einfließen. Eine solche Abwägung ist – soweit es Flüge am Tag betrifft – von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nur unter Lärmschutzgesichtspunkten, nicht aber mit Blick auf den Verlauf der Flugroute in der Nähe des Forschungsreaktors BER II vorgenommen worden (vgl. Abwägungsvermerk S. 49 f.). Auch die Deutsche Flugsicherung hat in ihrer Abwägung neben den Lärmgesichtspunkten lediglich auf die Flugweglänge und die Mehrbelastung der Umwelt mit Kohlendioxidemissionen abgestellt, die das lange Flugverfahren zur Folge hätte (vgl. Abwägung für Paket I vom 31. Mai 2011, S. 7-68). Dies macht deutlich, dass das Störfallrisiko im Flugroutenfestsetzungsverfahren weder bemessen noch gewichtet und daher auch nicht abgewogen worden ist.
d) Soweit die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, die Gefahr eines Störfalls im Forschungsreaktor BER II sei durch die Flugroutenfestlegung ohnehin nicht steuerbar, weil bei erkennbaren Schwierigkeiten eines Luftfahrzeuges die Standard-Flugverfahren nicht mehr zur Anwendung kämen, sondern das Luftfahrzeug per Einzelanweisung durch einen Lotsen geführt werde, und weil im Falle eines Flugzeugabsturzes der Ort des Aufpralls infolge der Segeleigenschaften eines Flugzeuges durch das Flugverfahren nicht determiniert werde, ist ihr entgegen zu halten, derartige Annahmen der Festlegung der angegriffenen Flugverfahren erkennbar nicht zugrunde gelegt zu haben. Denn die nach dem Abwägungsvermerk tragende Festlegung eines Sicherheitsabstands wäre nach dem von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingenommenen Rechtsstandpunkt überflüssig.
e) Gleiches gilt für die von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zuletzt vertretene Auffassung, das Risiko eines Flugzeugunfalls im Bereich des Forschungsreaktors sei dem gesellschaftlich zu akzeptierenden Restrisiko zuzuordnen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Unfallrisiken bereits hinreichend im dem hierfür maßgeblichen Planfeststellungsverfahren behandelt worden seien, hat sie im Normsetzungsverfahren hierauf nicht abgestellt. So führt sie im Abwägungsvermerk etwa zu den Abwägungsgesichtspunkten Natur und Landschaft (C. VI. 1) und Gewässerschutz (C. VI. 2) ausdrücklich aus, dass die Auswirkungen des Flugbetriebs auf die jeweiligen Aspekte im Planfeststellungsverfahren geprüft worden seien und angesichts des eindeutigen Bewertungsergebnisses kein Anlass zu einer erneuten Prüfung im Rahmen der Flugverfahrensfestlegung bestehe. Derartige Bezugnahmen finden sich im Abwägungsvermerk im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung des Forschungsreaktors gerade nicht.
aa) Zwar ist in dem Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Berlin Brandenburg eine Sicherheitsanalyse vorgenommen worden, die sich auch mit dem durch die Konzentration des Luftverkehrs am Standort Schönefeld einhergehenden Unfallrisiko für die benachbarten Siedlungsgebiete beschäftigt (vgl. Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004, Teil C Nr. 7.1.5.1 S. 423 ff.). Hierzu wurde bei der Gesellschaft für Luftverkehrsforschung die Studie „M 21 Flugsicherheitsgutachten für den Ausbau des Flughafens Schönefeld“ vom 15. Oktober 1999 eingeholt. Die Sicherheitsanalyse hat ergeben, dass für die Anwohner in der näheren Umgebung des Flughafens das externe Risiko als gering einzustufen sei und in einer vergleichbaren Größenordnung mit anderen allgemein akzeptierten Gesellschaftsrisiken liege (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 428). Die Unfallwahrscheinlichkeit sei in der Nähe der Start- und Landebahnen am größten und nehme mit zunehmendem Abstand von den Bahnen ab. Da in Deutschland standardisierte Berechnungsverfahren und Grenzwerte für das externe Risiko fehlten, hat die Planfeststellungsbehörde die im Gutachten des TÜV Pfalz vom Januar 2004 dargestellten Methoden zur Risikoermittlung herangezogen (Planfeststellungsbeschluss S. 426 f.).
Die ermittelten Risikozonen betreffen aber ausschließlich die nähere Umgebung des Flughafens (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 428). Der Forschungsreaktor BER II ist hingegen nicht mit in den Blick genommen worden (zur Sicherheitsanalyse im Planfeststellungsverfahren s. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 Rn. 241 ff.). Auch der Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 verhält sich hierzu nicht.
Der Umstand, dass nach den im Planfeststellungsverfahren angestellten Risikoermittlungen wenige Kilometer von der Startbahn entfernt bereits der Bereich des sog. Restrisikos erreicht ist, bietet nach Auffassung des Senats noch keine verlässliche Grundlage für den Schluss, dass die Schadenseintrittswahrscheinlich eines durch Flugzeugunfall versursachten Störfalls im Forschungsreaktor BER II erst Recht nicht mehr im Bereich eines rechtlich relevanten Risikos liegen könne. Insoweit lässt die Beklagte außer Acht, dass im Rahmen der auf den Forschungsreaktor bezogenen Risikoeinschätzung neben der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit dem potentiellen Schadensumfang eines Worst-Case-Szenarios ein erhebliches Gewicht zukommt.
bb) Nach Auffassung des Senats liegt es nahe, dass im Falle eines Flugunfalls über dem Forschungsreaktor durch die Freisetzung ionisierender Strahlung mit besonders nachhaltigen Folgewirkungen und umfangreichen Schäden für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu rechnen ist, so dass an die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechend geringere Anforderungen zu stellen sind. Insoweit vermag der Senat die Einschätzung der Beklagten, dass das den Forschungsreaktor BER II betreffende Risiko zwar gravierend, in den Schadensfolgen jedoch mit Abstürzen auf öffentliche Infrastruktureinrichtungen wie Bahnhöfe, Autobahnen oder Veranstaltungsorte vergleichbar sei, nicht zu teilen. Zu den maximalen Folgen eines Flugzeugabsturzes auf den Forschungsreaktor BER II hat die Reaktor-Sicherheitskommission in ihrer „Anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfung (RSK-SÜ) deutscher Forschungsreaktoren unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I (Japan)“ vom 3. Mai 2012 ausgeführt, dass bei einem Absturz eines größeren Flugzeuges auf das Reaktorgebäude ein Verlust der Beckenintegrität nicht ausgeschlossen sei. Freisetzungen aus einer Kernschmelze im trocken gefallenen Reaktorbecken führten zu Auswirkungen, bei denen die Eingreifrichtwerte für die vorübergehenden Katastrophenschutzmaßnahmen deutlich überschritten würden und auch die Eingreifrichtwerte für weitere Katastrophenschutzmaßnahmen (Evakuierung - Eingreifwert 100 mSv, Einnahme von Jodtabletten auch für Erwachsene - Eingreifwert 250 mSv) überschritten würden. Der Einfluss von Treibstoffbränden während der Freisetzungsphase von radioaktiven Stoffen sei bei den Analysen teilweise berücksichtigt worden und führe wegen des thermischen Auftriebs zu größeren Freisetzungshöhen und damit zu einer niedrigen Strahlenexposition für Einzelpersonen. Da infolge eines Flugzeugabsturzes ein Kernschmelzen ohne Wasserüberdeckung mit erheblichen radiologischen Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden könne, sei keiner der von ihr definierten Schutzgrade erfüllbar (vgl. RSK-SÜ S. 41 f.). Es kommt hinzu, dass nach Einschätzung der Atomaufsichtsbehörde das Schadenspotential nicht geändert werden könne, da weder das radioaktive Inventar reduziert werden könne noch der Bau eines gegen Flugzeugabsturz sicheren Containments für die bestehende Anlage möglich sei (vgl. Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin vom 6. Februar 2012).
cc) Auch hieraus wird deutlich, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rahmen der Ermittlung des für seine Abwägungsentscheidung maßgeblichen Sachverhalts hätte prüfen müssen, ob durch den Verlauf der angegriffenen Flugroute in Bezug auf den Forschungsreaktor BER II und die benachbarten sensiblen Anlagen der Bereich des tolerablen Restrisikos verlassen und bereits eine Gefahrenlage eingetreten sein könnte. Darin sehen die Kläger zu Recht ein schwerwiegendes Ermittlungsdefizit.
4. Die Kläger machen darüber hinaus zu Recht geltend, dass die Abwägungsentscheidung an einem vollständigen Ermittlungsdefizit in Bezug auf die Frage leidet, ob und inwieweit das angegriffene Flugverfahren die Wahrscheinlichkeit von gezielten Angriffen auf den Forschungsreaktor BER II und die benachbarten Lagerhallen erhöht. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass mit Hilfe eines Flugzeugs gleichsam im Schutz der Flugroute aus der Luft ein Anschlag auf die Atomanlagen des Helmholtz-Zentrum verübt werden könnte.
a) Da das Risiko gezielter Flugzeugabstürze auf den Forschungsreaktor BER II nicht dem Restrisiko, gegen dessen Verwirklichung keine behördlichen Maßnahmen erforderlich sind, zuzuordnen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39/07 -, BVerwGE 113, 129 Rn. 26 ff.; Urteil vom 22. März 2012 - 7 C 1/11 -, BVerwGE 142, 159 Rn. 28 f.), hätte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung unabhängig von der oben behandelten Frage nach einem flugunfallbedingten Risikozuwachs im Flugroutenfestsetzungsverfahren aufklären müssen, ob der von ihr vorgesehene seitliche Sicherheitsabstand ausreichend bemessen ist, um im Falle eines gezielten Angriffs auf den Forschungsreaktor eine bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge gewährleisten zu können. Mit dieser Frage hat sich das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rechtssetzungsverfahren ausweislich seines Abwägungsvermerks vom 26. Januar 2012 nicht auseinandergesetzt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte nicht zu erkennen gegeben, dass sie das Szenario eines gezielten Flugzeugabsturzes über dem Helmholtz-Zentrum Berlin im Festsetzungsverfahren als vorsorgebedürftig beachtet habe.
b) Soweit die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Auffassung vertritt, dass allein ein Sicherheitsabstand von mindestens 100 km um den Forschungsreaktor effektiven Schutz vor terroristischen Angriffen bieten könne, führt das angesichts der Lage des Forschungsreaktors in einer Entfernung von gut 20 km Luftlinie zu dem Flughafen Berlin Brandenburg nicht weiter. Vorliegend kann es daher allein darum gehen, nach dem Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge (vgl. BVerwGE 131, 129 Rn. 32) die möglichen Folgen eines derartigen – nicht ausschließbaren – Angriffs weitestgehend zu minimieren. Deshalb wäre zu prüfen gewesen, ob der von dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung festgelegte seitliche Sicherheitsabstand ausreichend bemessen ist, um im Falle eines drohenden Anschlags noch rechtzeitig schadensmindernde Schutzmaßnahmen – wie zum Beispiel ein Abschalten des Forschungsreaktors und Warnungen an die Anwohner, Innenräume aufzusuchen bzw. in diesen zu verbleiben – ergreifen zu können. Damit ist auch in Bezug auf das Risiko gezielter Angriffe auf den Forschungsreaktor BER II nicht erkennbar, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die für und gegen die Festlegung der Wannseeroute streitenden Belange ermittelt hat. Es fehlt eine Darlegung, wie hoch das Risiko eines anschlagsbedingten Störfalls in dem Forschungsreaktor BER II ist. Eine Gewichtung und Abwägung der diesbezüglichen Belange konnte daher nicht stattfinden.
5. Die Kläger zu 3. bis 5. und 7. bis 9., die aufgrund ihres Wohnortes bzw. ihrer Arbeitsstelle (Klägerin zu 9.) zu dem potentiell betroffenen Personenkreis gehören, der von einem flugunfallbedingten oder durch gezielten Angriff ausgelösten Austritt ionisierender Strahlung aus dem Forschungsreaktor BER II, der Brennelemente-Lagerhalle oder der Landessammelstelle für klein- und mittelradioaktive Abfälle betroffen sein kann, sind durch die mit der 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung in der derzeit gültigen Fassung der 2. Änderungsverordnung vom 13. November 2012 erfolgten Festsetzung des kurzen Verfahrens über den Wannsee in ihrem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Belange, dem Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), verletzt. Das Interesse der Kläger, von flugunfall- und anschlagsbedingten Störfallen in den genannten sensiblen Anlagen und somit der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung verschont zu bleiben, hat die Beklagte – wie oben dargestellt – im Flugroutenfestsetzungsverfahren in wesentlichen Teilen unberücksichtigt gelassen und damit dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot, das auf einfachgesetzlicher Ebene in § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG geregelt ist, nicht entsprochen. Dies gilt mit Blick auf die kommunale Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) gleichermaßen für die Klägerinnen zu 1., 2. und 6.
6. Ob die von den Klägern erhobene Rüge, dass die Beklagte mit der Festsetzung des kurzen Verfahrens über den Wannsee ihr Interesse am Schutz vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen willkürlich unberücksichtigt gelassen hat, zutrifft, bedarf nach allem keiner Entscheidung. Dies gilt auch für die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Hilfsbeweisanträge.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Insbesondere bedarf die entscheidungserhebliche Frage, inwieweit das Risiko eines flugunfall- oder anschlagsbedingten Absturzes von Flugzeugen oder Flugzeugteilen auf Atomanlagen im Rahmen der Flugverfahrensfestsetzung zu ermitteln ist, noch höchstrichterlicher Klärung.