Die am 29. Dezember 2009 eingelegte Beschwerde gegen den dem Kläger am 30. November 2009 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2009 ist fristgemäß und daher zulässig, aber unbegründet. Denn das Sozialgericht Berlin hat den Antrag des Klägers, den medizinischen Sachverständigen Dr. v, wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zu Recht abgelehnt.
Zutreffend hat das Sozialgericht bereits darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 406 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 118 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verspätet war, soweit er allein darauf gestützt wurde, dass der Gutachter der Ehefrau des Klägers die Anwesenheit bei der Exploration am 28. Januar 2008 nicht gestattet hat.
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Ablehnungsgründe erst aus dem Gutachten selbst ergeben. In diesem Fall muss der Antrag dann unverzüglich nach Kenntnis des Befangenheitsgrundes gestellt werden, wobei der Betroffene aber eine den Umständen angemessene Zeit zur Prüfung und Überlegung hat (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 118 Rdnr. 12 l). Soweit der Antrag allein darauf gestützt werden soll, dass der Gutachter der Ehefrau des Klägers die Anwesenheit bei der Exploration im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 28. Januar 2008 verweigert hat, war der Antrag unverzüglich nach dieser behaupteten Weigerung, die Anwesenheit zu gestatten, zu stellen. Denn dafür brauchte es nicht die Vorlage des Gutachtens. Dieser Grund war mit Nichtgestattung der Anwesenheit am 28. Januar 2008 bekannt. Er ergab sich gerade nicht erst aus dem schriftlichen Gutachten. Der am 16. März 2009 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Antrag war deshalb insoweit bereits verfristet und daher unzulässig.
Soweit der Senat den Antrag als zulässig ansieht, weil im Gutachten niedergelegt ist, dass der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau erschienen sei, die außerhalb des Untersuchungszimmers verblieben sei, und insoweit das Ablehnungsgesuch auch auf die Unrichtigkeit der Beschreibung der Situation gestützt wird, ist er unbegründet.
Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Gutachter mit dem Hinweis, dass die Ehefrau außerhalb des Untersuchungszimmers verblieben sei, den Sachverhalt unrichtig darstellen wollte. Denn Tatsache ist, dass die Ehefrau das Untersuchungszimmer nicht betreten hat, weil der Gutachter die Anwesenheit der Ehefrau des Klägers bei der Exploration abgelehnt hat. Dass es auf diese Ablehnung in irgendeiner Weise später noch einmal ankommen sollte, konnte der Gutachter zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen. Eine Ablehnung der Exploration oder eine Ablehnung des Gutachters durch den Kläger ist nicht erfolgt. Angesichts des Umstandes, dass es den Regeln der psychiatrischen Begutachtung entspricht, die Anwesenheit Dritter bei der Exploration abzulehnen, und es sich insoweit um einen vollkommen normalen Vorgang handelt, war der Gutachter auch nicht gehalten, diesen in das Gutachten aufzunehmen. Der Gutachter hat mit seiner Niederschrift diesen Umstand auch nicht verfälschen wollen, was sich bereits aus seiner Stellungnahme vom 11. April 2009 ergibt, in der er darauf hinweist, dass sein Vorgehen lege artis war und er deshalb wegen dieses völlig normalen Vorganges keinen Grund gesehen hat, etwas zur Ablehnung der Anwesenheit der Ehefrau bei der Exploration niederzulegen. Eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ist insoweit bereits nicht im Ansatz glaubhaft gemacht.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit nicht mit Erfolg auf die Ablehnung der Gestattung der Anwesenheit der Ehefrau bei der Exploration hätte gestützt werden können, auch wenn dieser Antrag fristgemäß gestellt worden wäre. Zwar verpflichten der Grundsatz des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör den Richter wie den Sachverständigen zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. Februar 2006, Az.: L 4 B 33/06 SB, zitiert nach juris mit Hinweis auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 09. April 2003, Az.: B 5 RJ 140/02). Deshalb dürfte ein genereller Ausschluss von Vertrauenspersonen des zu Untersuchenden, hier des Ehepartners, weder mit dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit noch mit dem eines fairen Verfahrens in Einklang zu bringen sein. Denn angesichts der in die Persönlichkeit eingreifenden Beweisaufnahme durch einen gerichtlichen Sachverständigen kann eine Begleitung durch eine Vertrauensperson bei der Untersuchung gerechtfertigt sein.
Trotz dieser schwierigen Situation ist der Sachverständige dem Gericht und den Beteiligten gegenüber unter Wahrung des Grundsatzes der Unparteilichkeit verpflichtet, ein verwertbares Gutachten zu erstatten. Ein solches Gutachten ist aber nur dann verwertbar, wenn es nach den in der Fachwelt anerkannten Regeln erstellt wurde. Insbesondere bei der Erstellung psychiatrischer Gutachten ist die Anwesenheit eines Dritten bei der Exploration außerordentlich problematisch. Denn es liegt auf der Hand, dass der Betroffene gerade durch die Anwesenheit eines nahen Angehörigen in eine schwierige Situation gerät und sich möglicherweise genötigt sieht, dem Gutachter gegenüber unwahre Angaben zu machen, um sein Verhältnis zur dritten Person nicht zu belasten. So ist in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Auflage, 2008, Seite 19 unter Punkt 2.2.3 zur Anwesenheit dritter Personen bei der Exploration ausgeführt:
„Das klinische und therapeutische Gespräch findet in einer ungestörten Zweiersituation statt. Es gibt keinen Grund, warum dies im gutachtlichen Gespräch anders sein sollte. Grundsätzlich ist die Anwesenheit dritter Personen während der Exploration und der Untersuchung kontraproduktiv und kann den Aufbau einer Beziehung zwischen Proband und Gutachter stören (Hausotter 2007). Dabei ist auch zu bedenken, dass bei Anwesenheit von Angehörigen (Partner, Eltern, Kinder) die Mitteilungen des Probanden verfälscht sein können, so dass diese Personen während des gutachtlichen Gesprächs nicht anwesend sein sollten. Selbstverständlich kann vor oder nach der Exploration mit den Angehörigen gesprochen werden, falls dies der Wunsch des Probanden und der Angehörigen ist.“
Vorliegend ist ersichtlich, dass der abgelehnte Sachverständige sich nach diesen allgemein anerkannten Kriterien für die psychiatrische Begutachtung gerichtet hat, so dass sein nicht zu beanstandendes Verhalten schon deshalb nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Es hätte dem Kläger freigestanden, die Exploration durch den Sachverständigen ohne die Anwesenheit seiner Ehefrau nicht zu dulden. Denn es gibt keinen Zwang, sich einer Begutachtung im Sozialgerichtsverfahren zu unterziehen. Allerdings hätte der Kläger im Falle der Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den Regeln der objektiven Feststellungslast die Nachteile aus einer solchen Verhaltensweise zu tragen.
Hätte demgegenüber der Kläger auf der Anwesenheit seiner Ehefrau bestanden, so wäre es zunächst am Gutachter gewesen, zu beurteilen, ob angesichts dieses Umstandes die Erstellung eines verwertbaren Gutachtens überhaupt noch möglich gewesen wäre. Wie das Gericht in einem solchen Fall dann entschieden hätte, ist bei der hier zu treffenden Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit nicht von Bedeutung.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).