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(Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen behaupteten Arbeitsbetrugs)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 13. Kammer Entscheidungsdatum 07.05.2010
Aktenzeichen 13 Sa 196/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 626 BGB, § 15 KSchG

Tenor

I. Die Berufung der Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam - 3 Ca 1549/09 - wird auf ihre Kosten bei einem Streitwert von 31.280,56 Euro in beiden Instanzen zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen der Behauptung eines Arbeitszeitbetruges sowie um die Erstattung von Detektivkosten.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat der gegen die außerordentliche Kündigung vom 03.07.2009 gerichteten Feststellungsklage ebenso stattgegeben wie der Feststellungsklage des Klägers, dass er nicht verpflichtet sei, Detektivkosten in Höhe von 13.524,35 Euro an die Beklagte zu zahlen. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die außerordentliche Kündigung vom 03.07.2009 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe, da es an der Dringlichkeit eines Verdachts einer schweren Pflichtverletzung fehle. Nach der Rechtsprechung müsse bei einer Verdachtskündigung wie der vorliegenden der Verdacht zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung dringend sein, also nach einer wertenden Betrachtung eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Pflichtverletzung tatsächlich begangen habe. Darlegungs- und beweispflichtig für alle den dringenden Verdacht begründenden Umstände sei der kündigende Arbeitgeber. Dies gelte auch für die im Prozess über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung vorgebrachten Entlastungstatsachen, deren behauptetes Vorliegen der Kündigende zu widerlegen habe.

Zwar würden für die Beurteilung von Pflichtverletzungen aus dem Arbeitsverhältnis durch Betriebsratsmitglieder grundsätzlich die gleichen Bewertungsmaßstäbe wie bei anderen Arbeitnehmern gelten, denn ein Betriebsratsmitglied sei – abgesehen von der Arbeitsbefreiung wegen Betriebsratstätigkeit – ebenso zur Arbeitsleistung verpflichtet wie jeder andere Arbeitnehmer. Dies schließe ein, dass ein Betriebsratsmitglied wie andere Arbeitnehmer auch ein vom Arbeitgeber vorgehaltenes Arbeitszeiterfassungssystem zu nutzen hätte und zwar auch dann, wenn es Betriebsratstätigkeit außerhalb des Betriebes wahrnehme. Dennoch unterliege die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes einem strengeren Maßstab insofern, als zu berücksichtigen sei, dass das Risiko, bei der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse mit arbeitsvertraglichen Pflichten in Kollision zu geraten, bei aktiven Betriebsratsmitgliedern größer sei. Der von der Rechtsprechung geforderte „strengere“ Maßstab betreffe also jene Sachverhalte, in denen die besondere Situation zu werten sei, dass die arbeitsvertragliche Pflicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse verletzt worden sei.

Gemessen an diesen Maßstäben fehle es an der Dringlichkeit des Verdachts einer schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung: Zwar habe der Kläger an den streitgegenständlichen elf Arbeitstagen die Zeiterfassungsgeräte beim Verlassen des umfriedeten Betriebsgeländes und beim Wiederbetreten nicht betätig. Der Kläger habe aber unbestritten vorgetragen, dass für den Zeitraum 18.05.2009 bis 05.06.2009 allein 39,5 Stunden für Betriebsratsarbeit in dem von der Beklagten vorgehaltenen SAP-System vom Kläger eingestellt worden seien. Ausweislich der vom Kläger dazu überreichten Übersichten (vgl. dazu die Übersichten in Kopie Bl. 110 – 112 d. A.) seien für alle Tage, an denen die von der Beklagten beauftragte Detektei die Nichtbetätigung des Zeiterfassungssystems und den Aufenthalt außerhalb des Betriebsgeländes festgestellt habe, zwischen 2,5 und 4,5 Stunden Betriebsratstätigkeitszeiten eingestellt worden. Die dem Kläger vorgeworfenen undokumentierten Nichtarbeitszeiten im Anschluss an die Mittagspausen überstiegen in ihrem Umfang jedenfalls nicht die von ihm für die betreffenden Tage hinterlegten Betriebsratszeiten. Der Kläger habe dazu weiterhin erklärt, dass sein Aufenthalt an den elf Arbeitstagen außerhalb des umfriedeten Betriebsgeländes nicht der Wahrnehmung privater Angelegenheiten diente, sondern dass er als Betriebsratsmitglied (mindestens) mit den auf der Liste der Ersatzmitglieder für den Betriebsrat stehende Mitarbeitern D., B. und W. Gespräche geführt habe, die als Betriebstätigkeit zu werten seien und von den im SAP-System eingestellten Betriebsratszeiten auch erfasst seien.

Bereits in der Anhörung am 23.06.2009 habe der Kläger erklärt, dass er betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeiten wahrnehme, wenn er nicht ausstemple. Schließlich habe der Kläger vorgetragen, dass die von ihm geschilderten Bekanntgaben seiner für die verschiedenen Betriebsratstätigkeiten verwendeten Zeiten den Vereinbarungen mit den Vorgesetzten aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 entsprochen hätten, nachdem nicht nur sämtliche Betriebsratszeiten täglich im SAP-System zu dokumentieren seien, sondern parallel dazu sowohl die Betriebsratssitzungen als auch die Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten durch E-Mails dem Vorgesetzten anzuzeigen seien, ohne dass eine weitere Detaillierung der Betriebsratszeiten erwünscht worden wäre. Daher seien die im Zeitraum 18.05.2009 bis 05.06.2009 insgesamt gebuchten 39,5 Stunden für Betriebsratsarbeit die Summe der streitgegenständlichen 7,5 Stunden und der dem Vorgesetzten schriftlich mitgeteilten Zeiten. Dem sei die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten, sondern habe sich darauf beschränkt, die aus ihrer Sicht fehlende Plausibilität der vom Kläger vorgetragenen Gesprächsinhalte als Betriebsratstätigkeit zu begründen. Das bloße Bestreiten, „dass sich der Kläger entsprechend den Vereinbarungen aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 verhalten“ habe, genüge nicht. Weder habe die Beklagte den vom Kläger beschriebenen praktischen Vollzug als Umsetzung der „Vereinbarungen“ konkret in Abrede gestellt noch einen anderen Vereinbarungsinhalt vorgetragen, von dem der Kläger abgewichen sein soll. Die Beklagte sei darlegungs- und im Bestreitensfall beweispflichtig dafür, dass der Kläger von den getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der arbeitszeitrelevanten Erfassung von Betriebsratstätigkeit abgewichen sein soll. Wenn daher der Kläger entsprechend der getroffenen Abreden seine für Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mitgeteilt und im SAP-System verbucht habe und die Beklagte weiterhin moniere, dass die im System hinterlegten Zeiten nur Stunden und Minuten, nicht aber die konkreten Zeiträume erfassen könne, sowie die Eingabezeit nicht erkennbar sein, dann könnten diese Umstände zumindest ohne weitere erläuternde Anhaltspunkte nicht dem Kläger angelastet werden. Das SAP-System werde von der Beklagten vorgehalten und den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt; dessen technische Ausstattung und die sich daraus ergebenen Möglichkeiten seien vorgegeben. Die Beklagte habe nicht behauptet, der Kläger habe konkrete Möglichkeiten eine differenzierteren Zeiterfassung ungenutzt gelassen.

Vor diesem konkreten Hintergrund und den sich aus § 37 Abs. 2 BetrVG ergebenen Rechten und Pflichten eines Betriebsratsmitglieds kann auch die Nichtbetätigung der Zeiterfassungsgeräte in der streitgegenständlichen Zeit auch angesichts der von der Beklagten als unplausibel bewerteten Gesprächsinhalte, die der Kläger mitgeteilt habe, keine für eine Verdachtskündigung erforderliche Dringlichkeit des Verdachts schwerwiegender Verstöße gegen die Gesamtbetriebsvereinbarungen zur Arbeitsordnung und zur Arbeitszeit begründen.

Dem Kläger stehe für die negative Feststellungsklage hinsichtlich der Detektivkosten ein Feststellungsinteresse zu, da die Kosten bereits konkret geltend gemacht worden seien, zum Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage eine Leistungsklage seitens der Beklagten aber noch nicht erhoben worden sei und diese zusätzlich einseitig nicht mehr zurückgenommen werden könnte. Die Feststellungsklage sei auch begründet, da die vom Arbeitgeber aufgewendeten Detektivkosten nur dann als Schadensersatz vom Arbeitnehmer zu erstatten seien, wenn der Arbeitnehmer die Überwachungsmaßnahme veranlasst habe, durch die Maßnahme einer vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt werde und wenn die in Rechnung gestellten Beträge zu den Aufwendungen gehörten, die eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Person nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als Zweckmäßig, sondern als erforderlich ergriffen hätte. Die Beklagte habe zur Begründung ihrer gegenüber dem Kläger geltend gemachten Forderung lediglich angeführt, der Kläger habe „einen Grund zur streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung gesetzt“ und sei deshalb verpflichtet die aufgewendeten Detektivkosten zu tragen. Unabhängig davon, dass die außerordentliche Kündigung vom 03.07.2009 einer gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten habe und damit der von der Beklagten angegebene Haftungsgrund nicht bestehe, fehle es an Anhaltspunkten, die die Erforderlichkeit einer Observation des Klägers über elf Arbeitstage rechtfertigen könnte, zumal die Observation zunächst nur für zwei bis drei Tage vorgesehen gewesen sei (vgl. das Sitzungsprotokoll Bl. 177 d. A.).

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Potsdam und des Parteivortrags I. Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 187 – 201 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 21.01.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.02.2010 im Original beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am Montag, den 22.03.2010, begründete Berufung der Beklagten. Sie verdächtigt den Kläger nach wie vor einer strafbaren Handlung zu Lasten der Beklagten durch einen Arbeitszeitbetrug. Aufgrund der Detekteibeobachtungen (vgl. dazu den Bericht der Detektei in Ablichtung Bl. 259 – 269 d. A.) sei bei der Beklagten der Verdacht entstanden, dass der Kläger regelmäßig im streitgegenständlichen Zeitraum seine Pausenzeiten überzogen hätte, ohne dies der Beklagten kenntlich zu machen, so dass er über den Umfang der erbrachten Arbeitszeiten getäuscht habe. Der Kläger habe sich im Prinzip durchgängig darauf berufen, dass es sich bei den Gängen außerhalb des umfriedeten Betriebsgeländes nicht um Pausennahmen gehandelt hätte, sondern er in dieser Zeit Tätigkeiten aufgrund seines Betriebsratsamtes nachgegangen sei. Er hätte nach seiner Behauptung die Betriebsratsersatzmitglieder W., B. und D. über Betriebsratsthemen informiert und Anfragen der Mitarbeiter B. und W. zu ihrer Eingruppierung erörtert. Im Übrigen seien die täglich angefallenen Zeiten der Betriebsratstätigkeit im SAP-System hinterlegt worden. Schließlich habe er auch dienstlich veranlasst das Betriebsgelände verlassen. Zu Recht seien diese Aufführungen des Klägers von der Beklagten als Schutzbehauptung bewertet worden, die den objektiv begründeten Verdacht des Arbeitszeitbetruges nicht ausräumen könnten.

Der zum Maßstab der Beurteilung heranzuziehende verständige und gerecht abwägende Arbeitgeber, der erkenne, dass eine immer gleiche Personengruppe tagtäglich nach dem Mittagessen das umfriedete Betriebsgelände verlasse, ohne auszustempeln und ohne sich bei dem jeweiligen betrieblichen Vorgesetzten abzumelden und der dann auf Nachfrage von zwei der Beteiligten die spontane Antwort bekomme, dass man sich täglich zur Erholung zu einem Spaziergang treffe und dabei das Gelände ohne auszustempeln verlasse, könne hieraus nur den Schluss ziehen, dass Pausenzeiten als Arbeitszeit dargestellt würden. Dieser Eindruck werde noch verstärkt, wenn im Nachhinein Betriebsratstätigkeiten behauptet werden, obwohl drei der vier Beteiligten Personen kein aktuelles Betriebsratsmandat hätten und auch die Themen keinen aktuellen Bezug zu Betriebsratssitzungen hätten und überdies das Verlassen des Betriebsgeländes weder erforderlich noch erklärlich sei, zumal Räumlichkeiten für den Betriebsrat vorhanden seien. Der verständig und gerecht abwägende Arbeitgeber könne dieses Vorbringen nur als Schutzbehauptung zur Vermeidung der angezeigten arbeitsrechtlichen Konsequenzen werten. Insoweit sei die rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht Potsdam unzutreffend und der Berufung stattzugeben.

Die negative Feststellungsklage des Klägers sei abzuweisen. Mittlerweile habe die Beklagte Zahlungsklage bei dem Arbeitsgericht Potsdam zum Aktenzeichen 3 Ca 2706/09 erhoben.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 01.12.2009 – 3 Ca 1549/09 – die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er meint, dass die vorliegenden Vorwürfe nur dazu dienten, ein missliebiges Mitglied der Minderheitsliste 1 aus dem Betriebsrat zu entfernen. Dies ergäbe sich bereits aus dem Schreiben der Detektei vom 11.06.2009, aus dem sich ein von der Beklagten zugrunde gelegtes Bewegungsprofil hinsichtlich des Klägers ergebe. Die Beklagte habe bereits vor dem Detektiveinsatz sämtliche Informationen über die Bewegung des Klägers gehabt einschließlich minutengenauer Feststellungen über das Betreten des Betriebsgeländes nach der Besprechung von Betriebsratsthemen. Dann aber hätte sie spätestens zwei Wochen nach Beauftragung der Detektei gem. § 626 Abs. 2 BGB kündigen können, also spätestens am 01.06.2009, so dass vorliegend die Kündigung vom 03.07.2009 verfristet sei.

Im Übrigen liege weder ein Verstoß des Klägers gegen Pflichten aus der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitsordnung noch der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit vor, da diese widersprüchliche Regelungen zum Verlassen und Betreten des „Betriebsinnengeländes“ beinhalteten. Der Kläger habe niemals heimlich das Gebäude verlassen. Er habe unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum betriebsverfassungsrechtlich veranlasste Tätigkeiten mit 39,5 Stunden im SAP-System hinterlegt. Ausweislich der vom Kläger dazu überreichten Übersichten seien für alle Tage, an den die von der Beklagten beauftragte Detektei die nicht Betätigung des Zeiterfassungssystems und den Aufenthalt außerhalb des Betriebsgeländes festgestellt habe, zwischen 2,5 und 4,5 Stunden Betriebsratstätigkeit eingestellt worden. Dies sei im gesamten erstinstanzlichen Verfahren unstreitig geblieben. Hinzukomme, dass die ganztägigen Observationen im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich 7,5 Stunden Abwesenheit vom Arbeitsplatz dokumentierten, während die SAP-Aufzeichnungen des Klägers 39,5 Stunden Betriebsratstätigkeit aufwiesen.

Diese sowohl für die Geschäftsleitung wie auch die Personalführung und die Zeiterfassungsbeauftragte vollkommen offen gelegte Dokumentation seiner Betriebsratstätigkeit schließe einen Arbeitszeitbetrugsversuch aus, da dem Kläger schon kein diesbezüglicher Vorsatz nachgewiesen werden könne. Der Kläger habe damit nachprüfbar seine für die betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeit Zeiten dokumentiert.

Der Versuch der Beklagten, die Beweislast für den Inhalt der Gespräche dem Kläger aufzubürgen, indem sie die Prima-Facie durch die SAP-Hinterlegung belegte Betriebsratstätigkeit als „Vermutung“ des Arbeitsgerichts darstelle, müsse bereits deshalb scheitern, weil die Beklagte die Kündigung rechtfertigen müsse. Da der Kündigungsschutzklage stattgegeben werden müsse, führe dies auch zum Erfolg der negativen Feststellungsklage hinsichtlich der Detektivkosten. Hinzukomme, dass die Beklagte unproblematischen Zugriff auf sämtliche von den Detektiven „ermittelten“ Daten gehabt habe. Denn die Detektive selbst hätten auf die der Beklagten zur Verfügung stehenden Beobachtungsmittel (Bergschutz) zurückgegriffen um ihre angeblichen „Ermittlungen“ durchzuführen. Darüber hinaus sei jedes Passieren des Drehkreuzes durch den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum belegt und die Beklagte verfüge über die schriftlichen Drehkreuzauswertungen, habe sie diese doch auch bezüglich der Zeiten des Klägers im Verfahren gegen den Zeugen B. eingereicht. Auch hieraus ergebe sich, dass der Beklagten die von den Detektiven ermittelten Daten schon vor deren Einschaltung ohne weiteres selbst zur Verfügung gestanden hätten.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.03.2010 (Bl. 214 ff d. A.) und 06.05.2010 (Bl. 334 ff d. A.) sowie des Klägers vom 30.04.2010 (Bl. 280 ff d. A.) verwiesen.

Das Gericht hat den Kläger zu Einzelheiten aus dem Detektivbericht befragt, die er nach Durchlesen des Berichts beantwortet hat (zum konkreten Inhalt vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2010, Bl. 341 – 342 d. A.).

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstaben b und c, Abs. 6; 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG; §§ 222 Abs. 2; 519; 520 Abs. 1 und 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der ausführlichen Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Potsdam den Feststellungsklagen des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Potsdam und sieht von einer nur wiederholenden Begründung gem. § 69 Abs. 2 ArbGG ab. Nur im Hinblick auf den zweitinstanzlichen Vortrag der Parteien und die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 07.05.2009 wird auf folgendes hingewiesen:

1. Wie die Beklagte nochmals in der Berufungsbegründung deutlich gemacht und in der mündlichen Erörterung bestätigt hat, hat sie den Kläger nicht die fehlende An- und Abmeldung zum Vorwurf gemacht, sondern verdächtigt ihn nach wie vor einer strafbaren Handlung durch einen Arbeitszeitbetrug. Wie das Arbeitsgericht Potsdam zu Recht ausgeführt hat, hat der Kündigende für alle Umstände des wichtigen Grundes gem. § 626 Abs. 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 1 KSchG die Darlegungs- und Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast kann nicht zwischen dem Kündigenden und dem Gekündigten derart aufgeteilt werden, dass der Kündigende nur die objektiven Merkmale für einen Kündigungsgrund und der Gekündigte seinerseits Rechtsfertigungsgründe und für ihn entlastende Umstände vorzutragen und zu beweisen hat. Zu den die Kündigung begründenden Tatsachen, die der Kündigende vortragen und ggf. beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe ausschließen (vgl. nur BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 109; KR – Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB, Rz. 380 – 381 mwN). Durch diese Regelung der Darlegungs- und Beweislast wird der Kündigende nicht überfordert. Ihr Umfang richtet sich danach, wie substantiiert sich der Gekündigte auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende braucht nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungsgründe zu widerlegen. Es genügt nicht, wenn der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe anführt oder sich auf sonstige ihn entlastende Umstände beruft. Er ist vielmehr im Kündigungsschutzprozess nach § 138 Abs. 2 ZPO z. B. gehalten, den Vorwurf, unberechtigt gefehlt zu haben, unter genauer Angabe der Gründe zu bestreiten, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. nur KR – Fischermeier, aaO, Rz. 382 mwN).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der dringende Verdacht eines Arbeitszeitbetruges durch den Kläger nicht gegeben. So hat die Beklagte Verdachtsmomente in ihrer Zusammenfassung und konkreten Ausführung der Berufungsbegründung wie oben im Tatbestand wiedergeben vorgetragen. Der Kläger hat dies jedoch durchgängig unter Hinweis auf seine Betriebsratstätigkeit von der ersten Anhörung bis zum letzten mündlichen Tatsachenvortrag vor dem Landesarbeitsgericht am 07.05.2010 bestritten:

a) Bereits in der ersten Anhörung am 23.06.2009 hat der Kläger nach der Befragung der Beklagten bereits angegeben, dass er grundsätzlich betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeiten ausgeführt habe, wenn er nicht ausgestempelt hätte (Schriftsatz vom 25.09.2009 der Beklagten, S. 8, Bl. 26 d. A.). Dabei blieb er auch beim Vorhalt der Aussagen der anderen observierten Mitglieder der Betriebsratsliste 1.

b) In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 29.06.2009 (vgl. die Stellungnahme in Kopie, Bl. 58 d. A.) bekräftigt der Kläger diese Einlassung und bezieht sich auf die Betriebsratstätigkeiten unter Hinweis auf die Aussagen mehrerer Zeugen und bittet, die Audio- und Videodokumente der Detektei zu verwenden. Dabei bezieht er sich auch auf die in das SAP-System gestellten Zeiten der Betriebsratstätigkeit. Auch wenn diese nicht die exakten Beginn- und Endzeiten wiedergeben, sondern nur den Stundenumfang pro Tag, der wiederum aber die nach Auffassung der Beklagten nicht entschuldigten Pausenzeiten bei weitem übersteigt, ist auch dies ein konkretes Bestreiten nach Tag und Stunden, die dem Verdacht des Arbeitszeitbetruges entgegensteht (vgl. die konkreten Zeiten in der Anlage K 3 zum Schriftsatz des Klägers vom 30.10.2009, Bl. 110 – 112 d. A.).

c) Auch im Prozess hat sich der Kläger durchgängig auf seine konkreten Betriebsratstätigkeiten bezogen und konkrete Themen mit konkreten Personen verknüpft (vgl. die Schriftsätze vom 30.10.2009, S. 6 ff, Bl. 100 ff d. A., das Protokoll der mündlichen Verhandlung I. Instanz vom 01.12.2009, S. 2, Bl. 177 d. A. und den zweitinstanzlichen Schriftsatz vom 30.04.2010, S. 10, Bl. 289 d. A.).

d) Dazu kommt, dass der Kläger sich auf die Frage der Kammer, welche Papiere er nach den Detekteibeobachtungen am 26.05.2009 und 04.06.2009 bei sich gehabt habe, nach Durchlesen des Detektivberichts genaue Angaben über die Betriebsvereinbarung, die der Betriebsrat der Beklagten mit dieser abgeschlossen hat, um die Tariflohnerhöhung zu verschieben, und die Korrespondenz über die Eingruppierung des Zeugen B. gemacht hat. Da die Beklagten zwar diesen Detektivbericht zweitinstanzlich in den Prozess eingeführt hatte, weder Kläger noch Beklagte aber auf die Mitführung der Papiere eingingen, die äußerst untypisch für eine „überzogene Mittagspause“ sind, sondern den Vortrag des Klägers stützen, trägt gerade dieser Umstand zur Glaubhaftigkeit des Tatsachenvortrags des Klägers bei.

e) Dem gegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf beschränken, die Einlassungen des Klägers als Schutzbehauptungen darzustellen und darüber Vermutungen anzustellen. Es wäre nach den oben dargestellten Gründen nun an ihr gewesen, beispielsweise durch Beweisangebote der Zeugen D., B., W. und andere vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen, dass der Kläger nicht mit diesen über betriebsverfassungsrechtlichen Themen gesprochen hat. Dies hat sie unterlassen.

f) Es kommt daher nicht auf eine Verfristung der Kündigung vom 03.07.2009 gem. § 626 Abs. 2 BGB an, weil nach der Behauptung des Klägers in Wirklichkeit alle Beobachtungen über die Pausenzeiten des Klägers bereits vor dem Detektivbericht vorlagen.

3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Potsdam auch der negativen Feststellungsklage hinsichtlich der Detektivkosten stattgegeben.

a) Auch wenn die Beklagte mittlerweile Zahlungsklage erhoben hat, entfällt nicht das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO, da dies so lange fortbesteht, bis die Leistungsklage gem. § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (vgl. BGH 22.01.1987 – I ZR 230/85 – BHGZ 99, 340; BGH 07.07.1994 – I ZR 30/92 – NJW 1994, 3107, 3108) also bis zum Stellen der Anträge im Kammertermin (vgl. Germelmann / Mattes / Prütting / Müller – Glöge, ArbGG, 7. Aufl., § 55 Rz. 6). Dies war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im hiesigen Rechtstreit noch nicht geschehen.

b) Die negative Feststellungsklage ist auch begründet, da Voraussetzung für eine Erstattung der Detektivkosten nicht nur die Beauftragung des Detektivs mit der Überwachung des Arbeitnehmer anlässlich eines konkreten Tatverdachts ist, sondern auch die Überführung des Arbeitsnehmers einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt BAG 28.05.2009 – 8 AZR 226/08 – NZA 2009, 1300, 1301 f.). Daran fehlt es hier gerade.

III.

Die Berufung der Beklagten war daher auf ihre Kosten zurückzuweisen gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.