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Entscheidung Verg W 11/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Vergabesenat Entscheidungsdatum 20.09.2011
Aktenzeichen Verg W 11/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 15. August 2011 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 1. August 2011 - VK 22/11 - bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen zwei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.

Gründe

I.

Die Auftraggeberin ist Betreiberin eines Krankenhauses in der Rechtsform einer GmbH. Alleiniger Gesellschafter ist der Landkreis …. Die Antragstellerin vertreibt Geräte für endoskopische Diagnostik und Therapie.

In einem Besprechungsvermerk vom 18. März 2011 hielt die Auftraggeberin u. a. fest, dass dringend neue Endoskopiegeräte benötigt werden. Gastroskope, Koloskope, Duodenoskope seien zu ersetzen und ein Enteroskop zu beschaffen. Die Auftraggeberin schätzte die Beschaffungskosten für die Geräte auf netto 500.000 - 700.000 € und die Kosten für auf sieben Jahre laufende Teilwartungsverträge auf 30.000 - 80.000 €. Die Kosten einer Vollwartung schätzte sie auf deutlich über 300.000,00 €. Da der Zuschlag noch im Juni erfolgen sollte, verzichtete die Auftraggeberin aus Dringlichkeitsgründen auf eine öffentliche Bekanntmachung der Vergabemaßnahme. Vielmehr sollte mit drei ausgewählten Bietern ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden.

Die Verdingungsunterlagen wurden den ausgewählten Bietern, unter ihnen die Antragstellerin, am 11. April 2011 übersandt, worin die Auftraggeberin mitteilte, dass sie die Lieferung der Geräte und deren Inbetriebnahme und Wartung im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb beschaffe.

In das Angebotsformular hatten die Bieter u. a. Angaben zur Bezahlung ihrer Mitarbeiter einzutragen. Nr. 9 lautet wie folgt: "Die bei der zu vergebenen Leistung Beschäftigten werden nach folgendem Tarifvertrag bezahlt: .bzw. das niedrigste Stundenentgelt beträgt: ."

Der Ablauf des Vergabeverfahrens und Einzelheiten, die zu beachten waren, wurden insbesondere in den Besonderen Bewerbungsbedingungen für die Ausschreibung mitgeteilt. In deren Nr. 3 behielt sich die Auftraggeberin vor, über den Preis und die Leistung mit den Bietern zu verhandeln. Ein Anspruch auf Verhandlungen bestehe nicht. Ende der Angebotsfrist war der 9. Mai 2011. Die Zuschlagsfrist sollte am 31.7.2011 enden.

Die Angebote sollten einer vorläufigen Prüfung und Wertung zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes anhand der genannten Zuschlagskriterien unterzogen werden; die Bieter, die hiernach am ehesten für den Zuschlag in Betracht kommen, sollten Gelegenheit zur Teilnahme an einer Teststellung bekommen, danach werde die abschließende Prüfung und Wertung der Angebote - ggf. nach Verhandlungen - zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes anhand der genannten Zuschlagskriterien erfolgen.

Nr. 9 der Besonderen Bewerbungsbedingungen bestimmte zu Inhalt und Form der Angebote u. a., dass das Angebot mit allen Anlagen im Original und einer Kopie (Papierform) sowie in elektronischer Fassung auf CD oder DVD eingereicht werden muss. Bei Widersprüchen zwischen der Papierversion und der elektronischen Version gelte die Papierversion. Nr. 10 schrieb vor, dass die Bieter ihren Angeboten sowohl den Entwurf eines Vollwartungsvertrages als auch den Entwurf eines Teilwartungsvertrages zwingend beizufügen hätten. Fehle ein solcher Vertragsentwurf, werde das Angebot aus dem Verfahren ausgeschlossen.

In Nr. 16 der Besonderen Bewerbungsbedingungen wurden die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung mitgeteilt (Kaufpreis 40%; Wartung 20%, unterteilt in die Unterkriterien Wartungskosten 10% und Wartungsbedingungen 10%, Qualität - Erfüllungsgrad der Anforderungen des Leistungsverzeichnisses 20%; Teststellung 20%) sowie die Berechnungsmodi der zu erreichenden Wertungspunkte. In Nr. 25 wies die Auftraggeberin auf die Vorschrift zur Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB hin. Die Frist für eine unverzügliche Rüge nach Nr. 1 setzte sie auf fünf Tage.

Die Leistungsbeschreibung war in einen allgemeinen Teil und das Leistungsverzeichnis unterteilt. Das Leistungsverzeichnis nannte die Art und die Anzahl der zu beschaffenden Geräte. Die Bieter hatten darin deren Preise und deren im Einzelnen abgefragte technischen Eigenschaften einzutragen. Die Bieter hatten dabei u. a. auch ein Ballon - Enteroskop anzubieten. Die Leitungsverzeichnispositionen waren mit der erreichbaren Punktzahl versehen, die im Rahmen der Teststellung zu bewertenden Positionen waren gesondert gekennzeichnet.

Im ersten Bieterrundschreiben vom 20. April 2011 teilte die Auftraggeberin klarstellend mit, dass beim Zuschlagskriterium "Wartung" lediglich der einzureichende Teilwartungsvertrag gewertet werde. Der Vollwartungsvertrag sei optional anzubieten. Mit zweitem Bieterrundschreiben vom 2. Mai 2011 verneinte die Auftraggeberin die Fragen 14 und 15 der Antragstellerin, ob schon absehbar sei, ob es zu Verhandlungen mit den Bietern kommen werde, sowie, ob im Verhandlungsfalle auch über den gesamten Vertragsinhalt verhandelt werde.

Die Angebote der am Vergabeverfahren beteiligten Bieter gingen fristgerecht ein.

Das Angebot der Antragstellerin war in Nr. 9 wie folgt ausgefüllt: "Es besteht kein Tarifvertrag."; Angaben zum niedrigsten Stundenentgelt fehlten. Die elektronische Fassung des Angebots der Antragstellerin enthielt die beiden in Papierform vorgelegten Wartungsvertragsentwürfe nicht. Nach § 2 dieser Vertragsentwürfe übernimmt die Antragstellerin die "Instandhaltung" für die zu liefernden Geräte; das jeweilige Leistungsspektrum ergibt sich aus § 3 und unterscheidet sich bei der Vollwartung nur gering von dem der Teilwartung. Die Antragstellerin forderte für eine Vollwartung für eine Dauer von sieben Jahren rd. 370.000 €, für eine Teilwartung rd. 74.000 € weniger.

Nach vorläufiger Prüfung der Angebote am 9./10. Mai 2011 wurden alle Bieter zur Teststellung eingeladen. Die Geräte wurden in dem Zeitraum 18. bis 25. Mai 2011 getestet.

In der Beratung vom 23. Mai 2011 legte der Geschäftsführer der Auftraggeberin fest, dass weder Verhandlungen geführt noch Unterlagen nachgefordert werden.

Lediglich die Antragstellerin, die nach Auftraggeberauffassung zwei Vollwartungsverträge leicht unterschiedlichen Leistungsumfangs abgegeben habe, sei um Abgabe eines echten Teilwartungsvertrages zu bitten. Mit E-Mail vom 24. Mai 2011 forderte die Auftraggeberin die Antragstellerin auf, einen neuen Teilwartungsvertrag zu übermitteln, der nicht die Kosten für Ersatzteile/Material oder für Reparaturen umfasst, die angebotene Leistung entspreche nicht den Vorstellungen der Auftraggeberin von einer Teilwartung. Mit E-Mail vom 26. Mai 2011 übermittelte die Antragstellerin den "gewünschten Teilwartungsvertrag, nachdem von Ihnen dieser entsprechend definiert worden ist". Beigefügt war ein Vertragsentwurf mit deutlich geringeren Wartungskosten in Höhe von rd. 25.000 € (netto) für einen entsprechend verringerten Leistungsumfang.

Gemäß Vermerk über die Durchführung und die Ergebnisse der Teststellung vom 30. Mai 2011 ist die Technik des Ballon-Enteroskops der Antragstellerin aus Sicht der medizinischen Nutzer bei der Auftraggeberin mangelhaft. Eine Schulung an dem Gerät, das insbesondere nicht unter Sicht eingeführt werde, sei in Anbetracht der daraus folgenden offensichtlichen Gesundheitsgefahren für die untersuchten Patienten entbehrlich, so der Vermerk.

Die Auftraggeberin entschied sich aufgrund der endgültigen Angebotswertung und Auswertung der Ergebnisse der Teststeilung, dass nur das Angebot eines Bieters für den Zuschlag in Betracht komme. Die beiden übrigen Angebote, darunter dasjenige der Antragstellerin, seien auszuschließen. Sie sagte den mit der Antragstellerin vorgesehenen Termin für ein Bietergespräch am 1.6.2011 ab.

Mit Mitteilung nach § 101 a Abs. 1 GWB vom 6. Juni 2011 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin ihre beabsichtigte Zuschlagsentscheidung mit. Das Angebot der Antragstellerin habe nicht berücksichtigt werden können, weil es die in Nr. 9 der Aufforderung zur Angebotsabgabe geforderte Erklärung zur Vergütung ihrer Beschäftigten nicht enthalte. Da bei der Antragstellerin kein Tarifvertrag bestehe, hätte alternativ das niedrigste Stundenentgelt angeben werden müssen. Weiter fehlten auf der eingereichten CD die Wartungsvertragsentwürfe. Die Teststellung habe zudem ergeben, dass das angebotene Ballon-Enteroskop nicht die Anforderungen erfülle. Nach übereinstimmendem Ergebnis der medizinischen Nutzer sei es für den vorgesehenen Verwendungszweck ungeeignet. Von der Möglichkeit, Erklärungen und Nachweise nachzufordern, habe die Auftraggeberin aus Gründen der Bietergleichbehandlung im Rahmen ihres Ermessens keinen Gebrauch gemacht.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 beanstandete die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes. Ihr Angebot leide nicht unter Formfehlern.

Die Angabe des niedrigsten Stundenentgelts für den Fall, dass kein Tarifvertrag bestehe, sei nicht gefordert worden. Aus Nr. 9 des Angebotsformblattes ergebe sich auch nicht, wer mit den "bei der zu vergebenen Leistung Beschäftigten" gemeint sei. Auch sei das Angebot zusätzlich zur unterschriebenen Papierform in elektronischer Form auf CD eingereicht worden. Da gemäß Nr. 9 der Besonderen Bewerbungsbedingungen "bei Widersprüchen zwischen der Papierversion und der elektronischen Version die Papierversion gelte" und auch nach der Rechtsprechung derartige Abweichungen keinen relevanten Formfehler begründeten, könne der Ausschluss auf das Fehlen der Vertragsentwürfe auf der CD nicht gestützt werden. Etwaig fehlende Unterlagen oder Erklärungen hätte die Auftraggeberin aus Gleichbehandlungsgründen nachfordern müssen.

Aus der Aufforderung zur Teststellung ergebe sich, dass die formale Prüfung ohne Feststellung wertungsrelevanter Formfehler bereits abgeschlossen gewesen sei. Das zeige sich in der Abforderung eines überarbeiteten Teilwartungsvertrages mit E-Mail vom 24. Mai 2011, ohne vermeintliche Formfehler der bis dahin durchgeführten vorläufigen Wertung als erheblich angesehen zu haben. Ansonsten hätte der Angebotsausschluss zur Vermeidung unnötiger Aufwendungen vor der Teststellung erfolgen müssen.

Auf die Eigenschaften des Ballon-Enteroskops könne der Angebotsausschluss ebenfalls nicht gestützt werden. Das Gerät erfülle die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses, andere seien nicht mitgeteilt worden. Im Übrigen hätten die medizinischen Nutzer das Gerät, das in einer Vielzahl von Krankenhäusern und Universitätskliniken eingesetzt werde, auch nicht untersucht, sondern nur besichtigt. Den Ausschluss auf die Qualitätswertung des Ballon-Enteroskops zu stützen, sei fehlerhaft, denn die Qualität werde gemäß Ziffer 16.3 der Besonderen Bewerbungsbedingungen beim Zuschlagskriterium "Qualität - Erfüllungsgrad der Anforderungen der Leistungsbeschreibung" berücksichtigt. Abweichungen vom Leistungsverzeichnis seien hiernach ausdrücklich erlaubt, nur so mache dieses Zuschlagskriterium Sinn.

Die Auftraggeberin habe durch ihre Verfahrensführung, insbesondere die Absage eines auf den 6. Juni 2011 verlegten Verhandlungstermins nach Einreichung des überarbeiteten Teilwartungsvertrages gegen das Transparenzgebot und gegen das Willkürverbot verstoßen. Die Antragstellerin müsse davon ausgehen, dass die im Rahmen der Teststellung mit angeforderten Bronchoskopiegeräte, die nicht Teil der Ausschreibung gewesen seien, bei der Angebotswertung mitberücksichtigt worden seien. Auch stehe zu erwarten, dass die Angebotswertung zu Lasten der Antragstellerin auf unzulässig (nach)verhandelten Angeboten anderer Bieter beruhe und so gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen worden sei. Dass ein Verhandlungsverfahren auf der Grundlage des § 3 Abs. 3, 4 VOL/A-EG überhaupt zulässig sei, sei nicht ersichtlich. Die Wertung verhandelter Angebote außerhalb eines zulässigen Verhandlungsverfahrens stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, da einem Bieter die Möglichkeit eröffnet werde, in den Verhandlungen sein Angebot zu verändern und dadurch das Wertungsergebnis zu beeinflussen.

Die Auftraggeberin wies die Rügen mit Schreiben vom 15. Juni 2011 zurück.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom gleichen Tag hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellt. Zur Begründung hat sie ihren Rügevortrag wiederholt und vertieft.

Ergänzend hat sie gemeint, die vermeintlichen Mängel ihres Angebotes seien auch deshalb nicht relevant, weil sie als einer der Bieter, die nach der vorläufigen Prüfung und Wertung anhand der Zuschlagskriterien am ehesten für den Zuschlag in Betracht kommen, zur Teststellung aufgefordert worden sei. Dass die Auftraggeberin keine Unterlagen nachgefordert habe, treffe nicht zu, was aus der Abforderung eines überarbeiteten Teilwartungsvertrages folge. Würden einzelne Unterlagen nachgefordert, andere dagegen nicht, liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip vor.

Wie sie durch das Vorbringen der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren erfahren habe, werde die Wahl des Verhandlungsverfahrens mit Dringlichkeitsgründen gerechtfertigt. Die Vergabeunterlagen hätten keine Begründung für die rechtswidrige Verfahrenswahl enthalten, die von ihr ausdrücklich beanstandet werde. Dringlichkeitsgründe lägen für ein, wie hier, bereits mehrere Monate dauerndes "Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb" nicht vor; die unzulässige Wahl des Verhandlungsverfahrens verletze die Antragstellerin in ihren Rechten und führe dazu, dass im laufenden Verfahren der Zuschlag nicht erteilt werden dürfte.

Ihre Rügeobliegenheit habe sie insoweit nicht verletzt. Aufgrund der Wahl der unzulässigen Verfahrensart sei das Vergabeverfahren zu wiederholen. Die Auftraggeberin beabsichtige eine rechtswidrige de-facto-Vergabe. Eine Dringlichkeit der Beschaffung i. S. d. § 3 Abs. 4 lit. d VOL/A-EG sei vorliegend nicht gegeben. Die Antragstellerin werde durch die Wahl der falschen Verfahrensart und die deswegen drohende de-facto-Vergabe in ihren Rechten verletzt. Bei Neuausschreibung wäre ihr neues Angebot mit Sicherheit wertungsfähig.

Die Antragstellerin hat beantragt,

der Auftraggeberin aufzugeben, das Angebot der Antragstellerin nicht von der Wertung auszuschließen, sondern es unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer auf allen Wertungsstufen zu werten und den durch die Antragstellerin gerügten Vergabefehlern abzuhelfen und die laufende Ausschreibung solange zu unterbrechen, wie dies nicht geschehen ist,

Die Auftraggeberin hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Auftraggeberin hat gemeint, der Nachprüfungsantrag sei mangels Antragsbefugnis unzulässig. Die Antragstellerin könne nicht darlegen, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe, zumal ihr Angebot zwingend auszuschließen sei und keine Zuschlagschance bestehe.

Die erstmals am 10. Juni 2011 erhobene Rüge zur Wahl der mit den Verdingungsunterlagen mitgeteilten Verfahrensart sei nicht unverzüglich. Im Übrigen habe Nr. 25 der Besonderen Bewerbungsbedingungen festgelegt, dass nur eine innerhalb von fünf Kalendertagen erhobene Rüge unverzüglich sei. Damit hätte die Antragstellerin die nach Auffassung der Auftraggeberin gemäß § 3 Abs. 4 lit. d VOL/A-EG erfolgte Verfahrenswahl innerhalb der vom Auftraggeber vorgegebenen fünf Tage rügen müssen. Die Vermutung der Antragstellerin, Bronchoskope seien mitbewertet worden, treffe weder zu, noch sei darin eine Rüge im vergaberechtlichen Sinne, sondern eine unbeachtliche Verdachtsrüge zu sehen. Die Auftraggeberin habe mit keinem Bieter verhandelt, sofern die Nachreichung des Teilwartungsvertrages durch die Antragstellerin nicht als Nachverhandlung angesehen werde.

Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Forderung zur Angabe des niedrigsten Stundenentgelts bei Nichtbestehen eines Tarifvertrages sei, ausgehend vom Wortlaut, unmissverständlich gefordert worden. Die Interpretation der Antragstellerin, wonach Angaben zum Stundenlohn nur bei Bestehen eines Tarifvertrages zu machen seien, sei weder nach dem Wortlaut ("bzw.") noch nach Sinn und Zweck der im Übrigen standardisierten Abfrage nachvollziehbar. Die Erklärung der Antragstellerin, es bestehe kein Tarifvertrag, sei unzureichend. Das Angebot sei deshalb zwingend auszuschließen gewesen. Von der Nachforderungsmöglichkeit habe die Auftraggeberin, wie der Antragstellerin am 6. Juni 2011 mitgeteilt, insgesamt abgesehen. Eine Pflicht zur Nachforderung bestehe nicht. Die Überarbeitung des Teilwartungsvertrages sei im Zuge der Angebotsaufklärung abgefragt worden und nicht als nachgeforderte fehlende Erklärung anzusehen.

Die Ausführungen der Antragstellerin betreffend die unzureichende Angebotsabgabe in elektronischer Form seien unzutreffend. Es gehe vorliegend nicht darum, ob eingereichte Unterlagen widerspruchsfrei waren. Entgegen den klaren Verfahrensregeln der Auftraggeberin sei die elektronische Form des Antragstellerangebotes auf CD unvollständig gewesen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei die Verfahrensgestaltung auch transparent gewesen. Die Auftraggeberin habe sich an ihre Verfahrensfestlegungen gehalten. Sie habe entsprechend den Besonderen Bewerbungsbedingungen die Angebote zunächst einer vorläufigen Prüfung und Wertung unterzogen, bevor die Entscheidung zur Einladung zur Teststellung erfolgte. Im Anschluss seien die Angebote auf den einzelnen Wertungsstufen dann endgültig geprüft und gewertet worden. Ausschlussgründe seien nach Feststellung in jedem Verfahrensstadium berücksichtigungsfähig. Ein Anspruch auf Verhandlung bestehe im Verhandlungsverfahren nicht.

Das Ballon-Enteroskop habe sich im Rahmen der Teststellung als ungeeignet erwiesen. Das von der Antragstellerin angebotene Gerät werde nicht unter Sicht eingeführt. Demgegenüber sichere die Technik der Mitbewerber eine lückenlose Dokumentation und einen vollständigen Befund und reduziere - vor allem in kritischen Situationen - zugleich die Verletzungsmöglichkeiten der Patienten. Damit habe das Gerät beim Zuschlagskriterium Teststellung nicht nur "schlecht" bewertet werden müssen, sondern es habe in Gestalt eines nicht ordnungsgemäß angebotenen Gerätes wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen den Ausschluss des Angebots zur Folge gehabt.

Nachdem der Vorsitzende der Vergabekammer mit Verfügung vom 18. Juli 2011 die Entscheidungsfrist bis zum 5. August 2011 verlängert hat, hat die Vergabekammer durch Beschluss vom 1.8.2011 den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, soweit die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes beanstande. Insoweit habe sie rechtzeitig eine Rüge erhoben. Die weiteren im Rügeschreiben erhobenen Beanstandungen, nämlich der Vorwurf intransparenter Verfahrensführung, die Vermutung, die Auftraggeberin habe zu Lasten der Antragstellerin nachverhandelte Angebote anderer Bieter gewertet und die angebliche Mitbewertung im Rahmen der Teststellung angeforderter Bronchoskopiegeräte, die nicht ausgeschrieben worden seien, genügten nicht den an einen ordnungsgemäßen Rügevortrag zu stellenden Anforderungen. Mit der Beanstandung der gewählten Verfahrensart sei die Antragstellerin entsprechend § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert.

Es könne offen bleiben, ob der Antragstellerin, die sich bewusst auf ein gegen Vergabevorschriften verstoßendes Verfahren eingelassen habe und erst später, als ein anderer Bieter den Zuschlag erhalten soll, Rechtsschutz beanspruche, die Antragsbefugnis fehle. Jedenfalls sei das Angebot der Antragstellerin zwingend von der Wertung auszuschließen, weil es im Hinblick auf die fehlende Angabe des niedrigsten Stundenentgelts für den Fall, dass ein Tarifvertrag nicht gilt, nicht alle in den Verdingungsunterlagen geforderten Angaben und Erklärungen enthalte. Die Unvollständigkeit der elektronischen Fassung des Angebotes sei ebenfalls zu Recht als Ausschlussgrund herangezogen worden. Darüber hinaus sei das Angebot der Antragstellerin auch deshalb zwingend von der Wertung auszuschließen, weil es nicht den in den Verdingungsunterlagen festgelegten Mindestbedingungen einhalte. Denn die Antragstellerin habe mit dem Angebot keinen Teilwartungsvertrag eingereicht. Die ihrem Angebot beigefügten Verträge könnten nur als sich geringfügig unterscheidende Vollwartungsverträge angesehen werden.

Da das Angebot der Antragstellerin aufgrund von Formfehlern auszuschließen sei, könne dahinstehen, ob der Ausschluss auch auf das Ergebnis der Teststellung gestützt werden durfte.

Gegen diesen ihr am 02. August 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die durch den bei Gericht am 15. August 2011 eingegangenen Schriftsatz eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Mit der Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen den Ausschluss ihres Angebots und begehrt die Wertung desselben in allen Wertungsstufen durch die Auftraggeberin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, ferner, Abhilfe in allen gerügten Vergabefehlern und zu diesem Zwecke die Unterbrechung des laufenden Vergabeverfahrens.

Hilfsweise begehrt sie die Untersagung des Zuschlags sowie die Verpflichtung der Auftraggeberin, den Auftrag über die geforderten Leistungen nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens mit vorheriger europaweiter Bekanntmachung zu vergeben, sofern die Auftraggeberin an dem Beschaffungsvorhaben festhalte.

Die Antragstellerin beantragt die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde anzuordnen ( § 118 Abs. 1 S. 3 GWB).

II.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, war zurückzuweisen. Die Beschwerde hat keine Erfolgsaussichten, § 118 Abs. 2 GWB.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist im mit der sofortigen Beschwerde angekündigten Hauptantrag zulässig, aber unbegründet. Der Hilfsantrag kann wegen einer fehlenden rechtzeitigen Rüge der Wahl der falschen Vergabeart nicht zum Erfolg führen.

A. Zutreffend hat die Vergabekammer entschieden, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur teilweise zulässig ist.

I. Unzulässig ist der Nachprüfungsantrag, soweit sich die Antragstellerin gegen die von der Auftraggeberin getroffene Wahl der Verfahrensart wendet.

1.) Zwar mangelt es nicht an der nach § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderlichen Darlegung, dass der Antragstellerin durch die beanstandete Wahl der falschen Verfahrensart ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Einem Bieter, der sich an dem beanstandeten Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Gebots beteiligt hat, droht regelmäßig auch dann im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren aufgrund der Wahl der falschen Verfahrensart nicht durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein drohender Schaden im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB bereits dargetan, wenn der Vortrag des Antragstellers ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen neuen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren (BGHZ 169, 131, 141). Es genügt deshalb, wenn es nach dem Vorbringen des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters möglich erscheint, dass er ohne den behaupteten Vergaberechtsverstoß den Bedarf, dessentwegen die Ausschreibung erfolgt ist, gegen Entgelt befriedigen kann. Das ist regelmäßig auch der Fall, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.

Eine Verschlechterung der Bieterposition kommt insbesondere in Betracht, wenn der Auftraggeber statt des offenen Verfahrens ein Verhandlungsverfahren durchführt. Das Verhandlungsverfahren unterscheidet sich grundsätzlich vom offenen Verfahren, weil der öffentliche Auftraggeber im offenen Verfahren den Auftrag nur gemäß des Inhalts eines der innerhalb der Angebotsfrist abgegebenen Gebote erteilen darf, während im Verhandlungsverfahren der Inhalt der Gebote jeweils verhandelbar ist. Wird das Verhandlungsverfahren zu Unrecht gewählt, ist deshalb jeder Bieter der im offenen Verfahren nicht gegebenen Gefahr ausgesetzt, im Rahmen von Nachverhandlungen von einem Mitbewerber unterboten zu werden. Bereits dies kann seine Zuschlagschancen beeinträchtigen (BGH, Beschluss vom 10.11.2009, X ZB 8/09, - Endoskopiesystem -, NZBau 2010, 124, zitiert nach Juris Rn 31 ff.).

2.) Die Antragstellerin hätte die Wahl der falschen Vergabeart jedoch rechtzeitig rügen müssen. Dies ist unterblieben.

Die gewählte Verfahrensart eines "Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb" war in den Verdingungsunterlagen bekannt gegeben worden. Die Antragstellerin hätte dies bis zum Ablauf der Angebotsfrist am 9. Mai 2011 rügen müssen, sie hat eine entsprechende Rüge jedoch erstmals mit Rügeschreiben vom 10. Juni 2011 erhoben. Dies ist gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB verspätet.

a.) Die Vorschrift des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist auf ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb i. S. von § 3 Abs. 4 EG VOL/A, wie es hier vorliegt, entsprechend anwendbar.

Zwar existiert bei einem Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb weder eine "in der Bekanntmachung benannte Frist zur Angebotsabgabe" noch eine "in der Bekanntmachung benannte Frist zur Bewerbung", weil Charakteristikum dieses Verfahrens ist, dass eine Vergabebekanntmachung unterbleibt. Nach dem Wortlaut von § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB besteht eine Rügeobliegenheit der Bieter, wenn und soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, vorliegen. Dem Gesetzeswortlaut sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Rügeobliegenheit nicht in allen Vergabeverfahren entstehen soll und insbesondere nicht in solchen Verfahren, die ohne eine Vergabebekanntmachung durchgeführt werden dürfen. Es ist offensichtlich, dass bei der Abfassung der Vorschrift planwidrig versäumt worden ist, für diese seltene und nur ausnahmsweise zulässige Vergabeart eine alternative Bestimmung der Rügeausschlussfrist zu formulieren. Insbesondere nach dem Zweck der Norm steht den beiden in § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB genannten Ausschlussfristen in einem Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung diejenige Frist gleich, die als Ausschlussfrist für die Einreichung der - indikativen - Angebote benannt worden ist (so auch OLG Naumburg, Beschluss vom 18.8.2011, 2 Verg 3/11, zitiert nach Juris Rn 50).

b.) Der in der Wahl einer falschen Vergabeart liegende Verstoß gegen Vergabevorschriften war für die Antragstellerin erkennbar.

§ 101 GWB und § 3 VOL/A-EG begründen eine Hierarchie der Verfahrensarten. Die Vergabe von Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen oberhalb der Schwellenwerte des § 2 VgV erfolgt gemäß § 3 Abs. 1 VOL/A-EG grundsätzlich im offenen Verfahren, in begründeten Ausnahmefällen kann ein nicht offenes Verfahren gewählt werden, § 3 Abs. 2 VOL/A-EG. Nur unter besonderen Voraussetzungen dürfen das Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb oder der wettbewerbliche Dialog gewählt werden, § 3 Abs. 3-4, 7 VOL/A-EG. Dabei ist das Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung gegenüber dem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung wiederum nur in engen Ausnahmefällen zulässig. Denn ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb entspricht im Unterschwellenbereich dem Verfahren einer freihändigen Vergabe (Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOL/A, 2. Aufl. 2011, § 3 EG Rn 61).

Die Voraussetzungen für die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung lagen nicht vor. Die Vergabeakte enthält insbesondere keine Dokumentation, aus der sich eine außerordentliche Dringlichkeit der Beschaffung erkennen ließe. Dass die gewählte Vergabeart nicht zulässig war, war der Antragstellerin aus der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes und aus den Umständen erkennbar.

Zwar hat die Auftraggeberin in den Verdingungsunterlagen nicht erläutert, woraus sich die Wahl der Verfahrensart rechtfertigt, sondern die hierfür herangezogene Begründung einer besonderen Dringlichkeit der Antragstellerin erst nach der Abgabe der Angebote und nach ihrem Absageschreiben vom 6. Juni 2011 in ihrem Schreiben vom 15. Juni 2011 zugänglich gemacht. Allerdings war schon die Wahl der Verfahrensart an sich ein Umstand, der jeden Bieter stutzig machen musste. Denn eine freihändige Vergabe im Oberschwellenbereich ist ein außergewöhnlicher Vorgang, so dass ein Bieter schon allein deshalb Zweifel haben muss, ob der Auftraggeber damit nicht das Vergaberecht umgehen will. Dass sich wie hier ein öffentlicher Auftraggeber im Oberschwellenbereich direkt an ausgesuchte Unternehmen wendet und sie zur Angebotsabgabe auffordert, kann auch für die Antragstellerin kein alltäglicher Vorgang sein.

Im Übrigen ist aus der Art des zu vergebenden Auftrages ersichtlich, dass von den Ausnahmefällen des § 3 Abs. 4 VOL/A-EG, die ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulassen, auf den ersten Blick keiner vorlag. Allenfalls wäre das Vorliegen der Voraussetzungen von dessen lit. d) - eine besondere Dringlichkeit - als Rechtfertigungsgrund für eine freihändige Vergabe eines Auftrages oberhalb der Schwellenwerte denkbar gewesen. Dass eine solche besondere Dringlichkeit nicht vorlag, war der Antragstellerin jedoch anhand der Art der zu beschaffenden Waren und Leistungen und anhand der Verfahrensgestaltung erkennbar. Dies musste bei ihr Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der gewählten Verfahrensart wecken.

Die Auftraggeberin, die ein Krankenhaus betreibt, wollte durch die beabsichtigte Vergabe die für Endoskopien benötigten medizinische Geräte und Wartungsleistungen beschaffen. Die Durchführung von Endoskopien sind übliche Krankenhausleistungen; die Beschaffung der dazu erforderlichen Geräte stellt im Rahmen des Krankenhausbetriebes einen normalen Beschaffungsvorgang dar. Diesen Beschaffungsvorgang hat die Auftraggeberin auch mit einem "normalen", für ein offenes Verfahren geeignetem Leistungsverzeichnis durchgeführt. Sie hat die Zuschlags- und Bindefrist zudem bis zum 31. Juli 2011, mithin auf mehrere Monate festgelegt, ein Umstand der deutlich gegen eine besondere Dringlichkeit sprach. Es war mithin schon aus der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zu ersehen, dass die Auftraggeberin sich mit der Wahl der Verfahrensart grob vergaberechtswidrig verhielt.

Für die Antragstellerin war dies auch erkennbar, sie hat sich aber ohne Rüge hierauf eingelassen. Selbst wenn sie ihr Rügeschreiben vom 10. Juni 2011 mit anwaltlicher Hilfe verfasst haben sollte, wie sie mit der sofortigen Beschwerde geltend macht, ist sie ein größeres Unternehmen, das sich regelmäßig an Ausschreibungen beteiligt, mit denen Liefer- und Dienstleistungsaufträge betreffend Endoskopiegeräte vergeben werden.

Dass die Beurteilung der Vergabekammer richtig ist, dass alle an diesem Vergabeverfahren beteiligten Bieter - Hersteller von Endoskopiegeräten - diesen Vergaberechtsverstoß erkennen konnten und mussten, ergibt sich hier insbesondere auch aus dem Umstand, dass ein weiterer Bieter - ebenfalls ein Unternehmen wie die Antragstellerin, das die ausgeschriebenen Geräte herstellt - vor Angebotsabgabe eine Rüge des Inhalts erhoben hat, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nicht gegeben seien und dass aufgrund des abschließenden Leistungsverzeichnisses kein Bedarf bestehe, über Preise und Leistungen zu verhandeln. Was dieser Bieter erkennen konnte, konnte auch die Antragstellerin erkennen.

c.) Die Rüge war entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb der Sache nach eine de-facto-Vergabe darstellen würde.

Zwar sieht § 107 Abs. 3 Satz 2 vor, dass das Rügeerfordernis in Satz 1 der Vorschrift bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nach § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht gilt. Um ein solches Verfahren handelt es sich hier jedoch nicht. Hier liegt vielmehr der Fall so, dass die Auftraggeberin mehrere Unternehmen an dem Vergabeverfahren beteiligt hat, die ein Angebot abgeben durften. In diesem Fall muss sich das Unternehmen, das sich benachteiligt fühlt, die Wahl der Vergabeart rechtzeitig rügen, wenn es mit seinem Nachprüfungsantrag hinsichtlich dieses Vergaberechtsverstoßes nicht präkludiert sein möchte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.4.2010, Verg 60/09, VergabeR 2011, 78-82, zitiert nach Juris Rn 37; Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl. 2011, § 101 Rn 65; vgl. auch Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOL/A, § 3 EG Rn 14).

d.) Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens im Falle der Wahl der falschen Vergabeart auch ohne eine Beanstandung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Eine amtswegige Behebung eines derartigen Vergaberechtsfehlers ist mit dem gesetzlichen Erfordernis einer Rüge nicht zu vereinbaren (offen gelassen von BGH, Beschluss vom 10.11.2009, X ZB 8/09 - Endoskopiesystem -, NZBau 2010, 124, zitiert nach Juris Rn 37).

II. Zulässig ist dagegen der Nachprüfungsantrag, soweit die Antragstellerin sich gegen den Ausschluss ihres Angebotes wendet. Insoweit hat sie rechtzeitig eine Rüge erhoben. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

III. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus Rügen gegen die Verfahrensführung erhoben hat, kann offen bleiben, ob die Vergabekammer die Rügen der Antragstellerin zu Recht als inhaltlich unzulänglich und damit nicht berücksichtigungsfähig angenommen hat oder nicht.

B. Der Erfolg des Nachprüfungsantrages, soweit er sich gegen den Angebotsausschluss und die Verfahrensführung richtet, scheitert jedenfalls daran, dass die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin zu Recht aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen hat.

1.) Die Auftraggeberin hat das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung gewählt und ist damit zwar nur an geringe formale Anforderungen gebunden. Dennoch unterliegt sie auch im Verhandlungsverfahren den wesentlichen Prinzipien des Vergaberechts, insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot, dem Transparenzgebot und der Bindung an Mindestbedingungen. Dies bedeutet, dass die Auftraggeberin im Verhandlungsverfahren nach der Abgabe eines endgültigen Angebots die Angebote wie im offenen und nicht offenen Verfahren bewerten muss (Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 2011, § 101 GWB Rn 84). Damit finden auch die §§ 19 Abs. 3 Satz 1 lit. a, 16 Abs. 3 VOL/A-EG Anwendung.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Bieter bereits bindende Angebote abgegeben haben. Dies ist hier der Fall.

Die Auftraggeberin hatte in den Verdingungsunterlagen und auch auf Nachfrage der Antragstellerin erklärt, dass nicht absehbar sei, ob sie überhaupt in dem von ihr durchgeführten Verhandlungsverfahren mit den Bietern Verhandlungen durchführen werde oder nicht. Damit mussten alle Bieter davon ausgehen, dass sie sich an ihrem ersten Angebot - für das auch bereits eine Bindefrist angegeben war - festhalten lassen würden müssen. Das erste Angebot war mithin kein indikatives Angebot, sondern bereits verbindlich (vgl. Weyand, Vergaberecht, 3. Auflage 2011, § 101 GWB Rn 2494).

2.) Die Antragstellerin hat von der Auftraggeberin geforderte Erklärungen nicht abgegeben.

Die Auftraggeberin hat in Nr. 9. des Angebotsformulars nach der Bezahlung der bei den Bietern Beschäftigten gefragt. Dabei sollten die Bieter entweder den geltenden Tarifvertrag benennen oder aber das niedrigste Stundenentgelt angeben. Diese Frage hat die Antragstellerin unzureichend beantwortet, indem sie lediglich erklärt hat, es bestehe kein Tarifvertrag, ohne den Mindeststundensatz anzugeben.

Eine derartige Abfrage ist in zulässiger Weise von der Auftraggeberin gefordert worden. Hier wurde nicht verdeckt nach Abgabe einer Tariftreueerklärung gefragt. Vielmehr hat sie eine zulässige preisrelevante Frage nach dem Lohn der Beschäftigten des Bieters gestellt (vgl. hierzu Weyand, Vergaberecht, 3. Aufl. 2011, § 101 GWB Rn 2528). Dadurch, dass die Antragstellerin diese Frage nicht beantwortet hat, ist es der Auftraggeberin nicht möglich, sich über die Vergütung der Beschäftigten der Antragstellerin ein Bild zu machen.

Die unterbliebene Beantwortung dieser Frage kann auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil ihr im vorliegenden Vergabeverfahren die Wettbewerbsrelevanz fehlen würde. Die Bezahlung der für die Ausführung des Auftrages vorgesehenen Beschäftigten ist vielmehr ein preisbildender Faktor (vgl. Weyand, Vergaberecht, 3. Auflage 2011, § 101 GWB Rn 2528). Dieser Faktor hat insbesondere für die abzuschließenden Wartungsverträge Bedeutung.

Zutreffend hat die Vergabekammer die entsprechende Passage in dem Angebotsformular ausgelegt. Ein verständiger Bieter konnte die entsprechende Passage "Die … Beschäftigten werden nach folgendem Tarifvertrag bezahlt: bzw. das niedrigste Stundenentgelt beträgt: ." nur als Abfrage einer von zwei Alternativen verstehen. Die Auffassung der Antragstellerin, das niedrigste Stundenentgelt sei nur bei Geltung eines Tarifvertrages anzugeben, ist ein fernliegendes Verständnis. Zutreffend hat die Vergabekammer darauf hingewiesen, dass bei einem derartigen Verständnis der tarifgebundene Bieter zwei Angaben, der nicht tarifgebundene Bieter keine Angaben zu machen hätte. Auf eine solche nicht vertretbare Auslegung kann sich die Antragstellerin deshalb nicht berufen.

Selbst wenn man mit der Antragstellerin davon ausgehen würde, dass ein Bieter die entsprechende Passage in dem Angebotsformular als unklar ansehen darf, hätte sie, um im Falle einer unzutreffenden Auslegung den Ausschluss ihres Angebotes zu verhindern, die Unklarheit der Frage der Auftraggeberin rügen müssen. Dies ist unterblieben.

3.) Die Auftraggeberin war nicht gehalten, die fehlende Erklärung der Antragstellerin nachzufordern.

Zwar führt die Unvollständigkeit eines Angebots nach geltendem Recht nicht mehr unmittelbar zum Ausschluss eines Angebots. § 19 Abs. 2 VOL/A-EG räumt dem Auftraggeber die Möglichkeit ein, fehlende Erklärungen und Nachweise nachzufordern, wobei ein Ausschluss des Angebots erst dann zwingend erfolgen muss, wenn der Bieter die nachgeforderten Unterlagen auch innerhalb der vom Auftraggeber bestimmten Nachfrist nicht vorgelegt hat.

Wie sich aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG ergibt, ist der Auftraggeber nicht verpflichtet fehlende Erklärungen oder Nachweise nachzufordern. Eine Verpflichtung hierzu ergibt sich auch nicht etwa aus dem Umstand, dass die entsprechende Regelung im Bereich der Bauaufträge den Auftraggeber zwingt, fehlende Erklärungen oder Nachweise nachzuverlangen, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (so aber Bulla/Schneider, VergabeR 2011, 664, 674). Dem steht der klare Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG entgegen.

Es ist anerkannt, dass das Wort "kann" im Vergaberecht dem Auftraggeber ein Ermessen einräumt und ihn nicht etwa zur Vornahme der Handlungen verpflichtet, die er vornehmen kann. Der Auftraggeber kann also ein unvollständiges Angebot von der Wertung ausschließen, ohne von der Nachforderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Dies ergibt sich auch aus der sprachlichen Fassung von § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A-EG, wonach ausgeschlossen werden nicht nur Angebote, die die nachgeforderten Erklärungen und Nachweise nicht enthalten, sondern auch schon die, in denen die geforderten Unterlagen fehlen (Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Aufl. 2011, § 19 EG Rn 37). Es besteht demgegenüber kein Bedürfnis, die erst 2009 neu geschaffene Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG gegen ihren Wortlaut auszulegen.

Gegen eine Auslegung dahingehend, dass fehlende Erklärungen und Nachweise zwingend nachzufordern sind, spricht auch der Umstand, dass in der Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen nach Ablauf der Angebotsfrist naturgemäß eine Ungleichbehandlung der Bieter liegt, wenn es Bieter gibt, die fristgerecht alle geforderten Erklärungen und Nachweise vorgelegt haben. In einem solchen Fall steht die Nachforderungsmöglichkeit des § 19 Abs 2 VOL/A-EG in einem Spannungsverhältnis zum Gleichbehandlungsgebot. Dieses Gebot zwingt den Auftraggeber in einem solchen Fall, von der Nachforderungsmöglichkeit zurückhaltend Gebrauch zu machen.

Im vorliegenden Fall steht es mithin im pflichtgemäßen Ermessen der Auftraggeberin, ob sie von der Antragstellerin fehlende Unterlagen nachfordert oder nicht. Dieses Ermessen hat sie in nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, von einer Nachforderung abzusehen. Sie hat auch von den anderen Bietern keine Erklärungen oder Unterlagen nachgefordert.

4.) Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, die Auftraggeberin habe von ihr bereits andere Unterlagen nachgefordert, dies verpflichte sie nunmehr auch, ihr die Gelegenheit einzuräumen, zur Entlohnung ihrer Beschäftigten Angaben zu machen.

Dem steht schon der Umstand entgegen, dass sie selbst diejenige Bieterin ist, die durch diese Nachforderung begünstigt ist. Die Antragstellerin kann nicht verlangen, dass sie nicht nur einmal, sondern mehrfach die Gelegenheit erhält, ihr Angebot zu vervollständigen. Dies würde dem Gleichbehandlungsgebot zuwiderlaufen. Denn von anderen Bietern hat die Auftraggeberin nichts nachgefordert.

Im Übrigen war die Auftraggeberin gehindert, den von ihr als fehlend angesehenen Teilwartungsvertrag bei der Antragstellerin nachzufordern. Denn dabei handelte es sich um einen Teil des Angebotes, dessen Vorlage die Auftraggeberin bereits in den Besonderen Bewerbungsbedingungen bei der Einreichung der Angebote zwingend gefordert hat. Bei solchen Unterlagen ist eine Nachforderung nach § 19 Abs. 2 VOL/EG ausgeschlossen. Denn der Auftraggeber, der in den Verdingungsunterlagen mitteilt, dass fehlende Unterlagen oder Erklärungen zwingend mit dem Angebot einzureichen sind, hat sich in seinem Ermessen hinsichtlich der Nachforderbarkeit von fehlenden Erklärungen und Unterlagen insoweit gebunden, dass eine Nachforderung ausscheidet. Ein Bieter kann die Verdingungsunterlagen bei einer derartigen Sachlage nur dahingehend verstehen, dass fehlende Erklärungen und Unterlagen zwingend zum Angebotsausschluss führen.

5.) Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die formale Angebotswertung bereits positiv abgeschlossen gewesen sei und dass Formfehler aus diesem Grunde nicht berücksichtigt werden könnten. Die Auftraggeberin war nicht gehindert, bereits bei vorläufiger Angebotswertung erkannte Lücken im Angebot der Antragstellerin später zum Anlass für einen Angebotsausschluss zu nehmen.

Es mag sein, dass der Antragstellerin durch den verspäteten Ausschluss Aufwendungen durch die noch durchgeführte Teststellung entstanden sind. Dies mag auch Ansprüche der Antragstellerin gegen die Auftraggeberin begründen. Darin liegt jedoch kein Umstand, der einen Ausschluss wegen Unvollständigkeit des Angebotes hindert.

Ob das Angebot auch unvollständig war, weil es keinen Teilwartungsvertrag enthielt, und ob dies den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin rechtfertigt, wie die Vergabekammer meint, kann offen bleiben. Zwar spricht einiges dafür, dass die Auffassung der Vergabekammer zutreffend ist, dass auch insoweit ein Ausschlussgrund bestanden hat. Allerdings ist dies ein Umstand, den die Auftraggeberin bisher nicht für den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin herangezogen hat.

Es muss auch nicht entschieden werden, ob das Angebot auch deshalb unvollständig war, weil es keine elektronische Fassung der angebotenen Wartungsverträge enthielt.

Im Ergebnis ohne Bedeutung ist auch, ob die Auftraggeberin das Angebot wegen angeblich fehlender Eignung des Ballon-Enteroskop der Antragstellerin ausschließen durfte.

C. Auch der Akteneinsichtsantrag der Antragstellerin war zurückzuweisen.

Bei der Bestimmung des Umfanges des Akteneinsichtsrechtes im Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB ist das Geheimhaltungsinteresse der konkurrierenden Bieter gegenüber dem Rechtsschutzinteresse des um Akteneinsicht nachsuchenden Beteiligten unter Berücksichtigung des Transparenzgebotes im Vergabeverfahren und des Grundrechts der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) abzuwägen.

Diese Abwägung führt dazu, dass Akteneinsicht in dem Umfang gewährt werden muss, in dem sie zur Durchsetzung der subjektiven Rechte der Beteiligten – beschränkt auf den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens – erforderlich ist. Ein Akteneinsichtsrecht besteht mithin lediglich bezüglich entscheidungsrelevanter Aktenbestandteile.

Einer Akteneinsicht bedarf die Antragstellerin danach nicht. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist der Inhalt der Verdingungsunterlagen und derjenige ihres eigenen Angebotes. Diese sind ihr bekannt.

D. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie ergeht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung.