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Arbeitslosengeld - Rahmenfrist - Versicherungspflichtverhältnis - abhängige Beschäftigung - Beweislast


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 26.09.2012
Aktenzeichen L 18 AL 156/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 118 Abs 1 SGB 3, § 119 Abs 1 SGB 3, § 123 SGB 3, § 124 SGB 3

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 16. Januar 2007 bis 31. März 2007.

Der 1958 geborene Kläger war seit dem 1. August 2004 selbstständig im Bereich der Vermittlung von Bauleistungen tätig, in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis mindestens 31. Dezember 2005 für die A Z B Ltd. & Co. KG (A). Streitig ist, ob der Kläger anschließend bereits ab 1. Januar 2006 oder erst ab 1. Februar 2006 bei der A versicherungspflichtig beschäftigt war.

Zwischen der A und dem Kläger wurden Anstellungsverträge als Oberbauleiter vom 28. November 2005 – nebst „Vereinbarung als Anlage zum Anstellungsvertrag“- „mit Wirkung vom 01.01.2006“, vom 31. Januar 2006 „mit Wirkung vom 01.02.2006“ und vom 31. Juli 2006 „mit Wirkung vom 01.08.2006“ geschlossen; wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen. Die Anmeldung des Klägers gegenüber der Einzugsstelle erfolgte zum 1. Februar 2006. Darüber hinaus haben die Beteiligten am 31. Juli 2006 einen Aufhebungsvertrag geschlossen, wonach der am 31. Januar 2006 zwischen der A und dem Kläger geschlossene Anstellungsvertrag mit Wirkung zum 31. Juli 2006 im beiderseitigen Einvernehmen aufgehoben wurde.

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zum 15. November 2006, da er seit August 2006 kein Entgelt mehr erhalten hatte. Da diese Kündigung der A jedoch nicht zugegangen war, kündigte der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A (Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 30. November 2006 – 36a IN 5055/06 –) eingesetzte Insolvenzverwalter Rechtsanwalt W das Arbeitsverhältnis zum 15. Januar 2007 ordentlich.

Der Kläger, dem die Beklagte für die Zeit vom 30. August 2006 bis 29. November 2006 Insolvenzgeld (Insg) gewährte, meldete sich am 13. Dezember 2006 zum 16. Januar 2007 arbeitslos. Er legte Lohnabrechnungen für die Monate Juni 2006 bis August 2006 vor, in denen als Eintrittsdatum der „1. Februar 2006“ vermerkt ist. Die Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 weist einen am 3. Januar 2006 eingetragenen Wechsel von der Steuerklasse 5 zur Steuerklasse 3 zum 1. Februar 2006 aus. Der Kläger machte geltend, er sei ab 1. Januar 2006 bei der A angestellt gewesen.

Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens legte der Kläger bzw die mit der Abwicklung der Geschäftsunterlagen der A betraute G T GmbH (G) verschiedene Arbeitsbescheinigungen vor, und zwar vom 30. Januar 2007 (Beschäftigungsverhältnis vom 1. Januar 2006 bis 15. November 2006), vom 26. Februar 2007 (Beschäftigungsverhältnis vom 1. Februar 2006 bis 15. November 2006), vom 5. März 2007 (Beschäftigungsverhältnis vom 1. Februar 2006 bis 29. November 2006 bzw vom 1. Januar 2006 bis 29. November 2006) und vom 26. April 2007 (vom 1. Januar 2006 bis 31. Januar 2006 „freiberuflich“; Beschäftigungsverhältnis vom 1. Februar 2006 bis 29. November 2006).

Mit Bescheid vom 9. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg ab und führte zur Begründung aus, der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 16. Januar 2007 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Im Klageverfahren bei dem Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger geltend gemacht, dass das Arbeitsverhältnis mit der A bereits am 1. Januar 2006 begonnen habe und durch Kündigung des Insolvenzverwalters mit Ablauf des 15. Januar 2007 gekündigt worden sei. Die Behauptung der Beklagten, die Arbeitsbescheinigung vom 26. April 2007 würde zweifelsfrei aufweisen, dass er bis zum 31. Januar 2006 freiberuflich und erst ab dem 1. Februar 2006 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, sei falsch. Der Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Januar 2006 sei als Abrechnungszeitraum des Beschäftigungsverhältnisses und damit als Vertragszeitraum aufgeführt. Auch der damalige Geschäftsführer, Herr P (P), habe bestätigt, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2006 in einer Festanstellung als Arbeitnehmer bei der A beschäftigt gewesen sei (Schreiben vom 18. September 2007). Auch die Lohnsteuerbescheinigung 2006 bestätige, dass das Beschäftigungsverhältnis schon am 1. Januar 2006 begonnen habe. P habe ihm – dem Kläger – mitgeteilt, dass die Firma erst im Januar 2006 in das Register eingetragen worden sei und daher ein neuer Vertrag abgeschlossen werden müsse. Dies sei nur "eine Formalie“ gewesen. Deshalb sei der Anstellungsvertrag am 31. Januar 2006 unterzeichnet und die Zeit bis zum 31. Januar 2006 unzutreffend als "freiberufliche Tätigkeit" bezeichnet worden. In diesem Vertrag sei das Bruttoentgelt mit 4.684,- € angegeben worden, was genau dem vereinbarten und für Januar 2006 bar ausgezahlten Nettobetrag von 3.000,- € ergebe. Auch andere Arbeitnehmer hätten zum 1. Februar 2006 einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung bei dem SG vom 4. November 2010 hat der Kläger schriftliche Einlassungen der Zeugen L und R überreicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch und L; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlagen I und II zur Sitzungsniederschrift vom 28. April 2011 wird verwiesen.

Mit Urteil vom selben Tag hat das SG antragsgemäß den Bescheid vom 9. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2007 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alg „vom 16. Januar 2007 an“ verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Alg seien gegeben, da der Kläger mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis vom 1. Januar 2006 bis 15. Januar 2007 gestanden habe. Aufgrund der Zeugenaussagen sei davon auszugehen, dass der Kläger bereits seit dem 1. Januar 2006 abhängig beschäftigt gewesen sei und nicht freiberuflich.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Die Zeugen hätten zwar bestätigt, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2006 bei der A tätig gewesen sei, es sei aber zweifelhaft, ob die Zeugen beurteilen könnten, dass der Kläger bereits ab dem 1. Januar 2006 abhängig beschäftigt gewesen sei. Nach den Arbeitsverträgen, der Anmeldung zur Krankenversicherung sowie den eingereichten Kopien der Lohnbescheinigungen sei vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger erst ab 1. Februar 2006 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Das Gericht hat die Akte der G in Kopie beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Insg-, die Betriebs-, die Gründungszuschuss- und Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg für den – in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingegrenzten – Zeitraum vom 16. Januar 2007 bis 31. März 2007.

Nach § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) in der hier anwendbaren Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S 2848) haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Arbeitslos ist gemäß § 119 Abs. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Die Anspruchsdauer richtet sich nach § 127 Abs. 2 SGB III.

Der Kläger war zwar in dem geltend gemachten Leistungszeitraum arbeitslos iSv § 119 Abs. 1 SGB III, da er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand und eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchte. Der Kläger hatte sich ferner zum 16. Januar 2007 auch persönlich arbeitslos gemeldet. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Alg, weil er die Anwartschaftszeit gemäß § 123 SGB III nicht erfüllt hatte. Die Rahmenfrist nach § 124 Abs. 1 SGB III beginnt vorliegend am 15. Januar 2007 und läuft bis 16. Januar 2005. In diesem Zeitraum stand der Kläger nicht mindestens zwölf Monate (360 Tage) in einem Versicherungspflichtverhältnis.

Gemäß § 24 Abs. 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob für den Kläger auch tatsächlich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sind.

Nach § 25 Abs. 1 SGB III sind ua solche Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung – (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausübung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Das Weisungsrecht kann zwar, insbesondere bei Diensten höherer Art, erheblich eingeschränkt sein, vollständig entfallen darf es jedoch nicht. Es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung bleiben. Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden oder wird von ihm tatsächlich keinerlei Gebrauch gemacht, kann der Betreffende also seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbstständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st Rspr des BSG, zB BSG NZA 1990, 950; NZA 2008, 806).

Dabei ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgeblich. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag (st Rspr, ua BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 KR 28/03 R – juris). Dabei ist die arbeitsvertragliche Gestaltung im Zweifelsfalle unerheblich, denn maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, sofern diese von den vertraglichen Vereinbarungen abweichen. Entscheidend ist somit das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht ist daher erforderlich, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt. Weitere Abgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt und als Betriebsausgabe verbucht wurde. Bei alledem gehen Zweifel, die auch nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten letztlich nicht ausgeräumt werden können, zu Lasten desjenigen, der sich auf Versicherungspflicht beruft; er trägt dafür die Feststellungslast (vgl BSG, Urteil vom 7. Dezember 1989 – 2 RK 7/88 = SozR 2200 § 165 RVO Nr 98). Während leistungsrechtlich die tatsächliche Nichterbringung der Arbeitsleistung zum Ende der Beschäftigung führt, kann die versicherungsrechtliche Beschäftigung ungeachtet der tatsächlichen Einstellung der Arbeit bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestehen, sofern die Vertragsparteien den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und vertragliche oder gesetzliche Ansprüche auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestehen. Insoweit ist grundsätzlich der rechtliche Fortbestand des Arbeitsverhältnisses maßgeblich für die Dauer der versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl BSGE 52, 152, 156; 59,183, 186 = SozR 4-4300 § 123 Nr 2 Rn 16; BSG SozR 3-4100 § 101 Nrn 4 und 5, § 104 Nr 6).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist ein – hier nur nach Maßgabe von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III in Betracht kommendes – Versicherungspflichtverhältnis des Klägers innerhalb der Rahmenfrist vom 15. Januar 2007 bis 16. Januar 2005 im erforderlichen Vollbeweis zur Überzeugung des Senats für die Zeit vor dem 1. Februar 2006 nicht feststellbar. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger nach seiner zunächst ausgesprochenen Eigenkündigung zum 15. November 2006 das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich noch fortgesetzt bzw dies überhaupt gewollt hatte, wogegen sein Vorbringen im Insg-Verfahren spricht. Denn jedenfalls sind die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit vor dem 1. Februar 2006 mit der zu fordernden zweifelsfreien Gewissheit nicht dargetan. Dem Kläger war daher die in der mündlichen Verhandlung beantragte Erklärungsfrist zu der Frage, ob er nach dem 15. November 2006 noch bei der A beschäftigt war, ungeachtet dessen, dass er sich hierzu auf Befragen des Gerichts eingehend geäußert hat, mangels Entscheidungserheblichkeit nicht einzuräumen.

Bereits die vorliegenden schriftlichen Dokumente, insbesondere die ermittelten Anstellungsverträge und die erstellten Arbeitsbescheinigungen, geben keine hinreichenden Hinweise auf ein tatsächlich „gelebtes“ abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der A bereits ab 1. Januar 2006. Nach den Vereinbarungen des Klägers mit der A bzw P spricht vielmehr Einiges dafür, dass diese erst ab 1. Februar 2006 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vereinbaren wollten. Zwar hatte der Kläger mit seinem Arbeitgeber am 28. November 2005 einen Anstellungsvertrag zum 1. Januar 2006 als Oberbauleiter abgeschlossen. In dem Vertrag war eine monatliche Bruttovergütung von 4.800,- € vereinbart. Ferner waren eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum jeweiligen Quartalsende, eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden sowie ein Urlaubsanspruch von 24 Werktagen geregelt. Zudem enthielt der Vertrag die Klausel, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, dem Arbeitnehmer eine andere angemessene Tätigkeit zuzuweisen, wenn es das Geschäftsinteresse erfordere. Während der Dauer des Anstellungsverhältnisses war jede Nebenbeschäftigung untersagt und der Arbeitnehmer war verpflichtet, im Falle einer Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder aus sonstigen Gründen der Firma unverzüglich Mitteilung zu machen. Mit dem weiteren Anstellungsvertrag vom 31. Januar 2006, der besagt, dass der Kläger (erst) mit Wirkung vom 1. Februar 2006 als Oberbauleiter zu einer Bruttovergütung von 4.684, - € eingestellt werde, ist der Arbeitsvertrag vom 28. November 2005 hinsichtlich des Beginns der abhängigen Beschäftigung indes geändert worden. Bezüglich der weiteren Vereinbarungen ist dieser Vertrag bis auf die Probezeit, welche vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 gegolten haben soll und als freiberufliche Tätigkeit ausgewiesen wurde, identisch. Auch in dem – zeitgleich mit dem Aufhebungsvertrag geschlossenen – Anstellungsvertrag vom 31. Juli 2007 ist davon die Rede, dass die Probezeit mit der „Tätigkeit“ des Klägers vom 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006 abgegolten sei. Eine insgesamt plausible Erklärung für die Vertragsänderungen bzw Neuverträge ist der Kläger schuldig geblieben. Ob – wie von ihm vorgetragen – tatsächlich lediglich aus Gründen des nach Auskunft des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 11. Oktober 2006 erst zum 22. Januar 2006 angemeldeten Betriebsbeginns der A ein neuer Anstellungsvertrag ab 1. Februar 2006 formuliert wurde, war für das Gericht im Hinblick auf die bereits am 3. Januar 2006 für die Zeit ab 1. Februar 2006 gewechselte Steuerklasse nicht nachvollziehbar. Insoweit hätte es einer – dem Senat nicht möglichen – Vernehmung des P als Zeuge bedurft.

Soweit der Kläger, der sich zum streitigen Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses umfassend schriftsätzlich und auch im Termin zur mündlichen Verhandlung eingelassen hat, hierzu weiter vorgetragen hat, er sei zunächst von Oktober bis Dezember 2005 für P stundenweise tätig gewesen, mit dem Vertrag vom 28. November 2005 sei eine Festanstellung vereinbart worden und er habe dann ab 1. Januar 2006 in Vollzeit auf der Grundlage dieses Vertrages für die A gearbeitet, wird zwar die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung bereits im Januar 2006 durch die vom SG gehörten Zeugen und auch die insoweit glaubhaften Ausführungen des Klägers gestützt. So hat der Zeuge Sch etwa bestätigt, dass der Kläger ab Januar 2006 fast täglich im Büro gewesen sei. Von dem Kläger selbst habe er – der Zeuge – erfahren, dass er – der Kläger – nur bereit sei, in der Firma anzufangen, wenn er einen Vertrag erhalte. Er selbst habe einen Anstellungsvertrag Ende Dezember 2005 erhalten, mit Beginn des Vertragsverhältnisses am 1. Januar 2006. Auch der Zeuge L hat bekundet, am 10. Dezember 2005 einen Anstellungsvertrag erhalten zu haben, ohne dass sich die Art der Tätigkeit geändert habe. Auch der Kläger habe einen Anstellungsvertrag gehabt. Durch den Anstellungsvertrag habe sich dessen Tätigkeit als Bauleiter nicht geändert. Mit den Angaben der Zeugen lässt sich daher allenfalls belegen, dass der Kläger bereits bzw auch im Januar 2006 – wie im Übrigen auch unstreitig davor – für P bzw die A arbeitete. Zu den Einzelheiten der vertraglichen Abreden des Klägers mit P bzw der A wie auch zu den tatsächlichen Merkmalen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses haben die insoweit unkonkret gebliebenen Angaben der Zeugen jedoch nichts Sachdienliches beitragen können, zumal die Art der Bauleitertätigkeit, die der Kläger selbst für die Zeit bis 31. Dezember 2005 als selbständige Tätigkeit geschildert hat, sich nach der Aussage des Zeugen L durch den Anstellungsvertrag gerade nicht geändert haben soll. Eine hier zur abschließenden Sachverhaltsaufklärung unumgängliche Vernehmung des P wie auch des Zeugen R war angesichts ihres nicht zu ermittelnden Aufenthaltsortes jedoch ausgeschlossen. Somit lassen sich auch weder die Authentizität des mit dem Namenszug des P unterzeichneten Schreibens vom 18. September 2007 noch die Tragweite bzw die Einzelheiten der dort in Bezug genommenen „Festanstellung“ überprüfen.

Auch die sich teilweise erheblich widersprechenden Arbeitsbescheinigungen lassen keine sicheren Rückschlüsse über den Beginn des hier in Rede stehenden Beschäftigungsverhältnisses bereits am 1. Januar 2006 zu, zumal diese, wie aus den beigezogenen Akten der G erhellt, auf Betreiben des Klägers mehrfach geändert wurden. Aus der am 23. April 2007 erstellten besonderen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2006, die der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegt hat, ist zwar der Eintritt des Dienstverhältnisses mit dem 1. Januar 2006 angegeben. Diesbezüglich ergibt sich jedoch aus den Akten der G, dass insoweit erst auf Wunsch des Klägers die besondere Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2006 geändert wurde. In der – ersten und vom Kläger nicht vorgelegten – besonderen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2006 vom 14. Februar 2007 war die Dauer des Dienstverhältnisses noch vom 1. Februar 2006 bis 15. November 2006 (Kündigungstermin des Klägers) angegeben. Auf Wunsch des Klägers wurde diese Bescheinigung dann am 23. April 2007 dahingehend geändert, dass das Dienstverhältnis vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2006 andauerte. Die besondere Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2006 vom 1. März 2007 weist schließlich ein weiteres Beschäftigungsverhältnis vom 1. August 2006 bis 29. November 2006 aus. Demgegenüber steht fest, dass der Arbeitgeber den Kläger erst zum 1. Februar 2006 bei der Krankenkasse angemeldet hatte. Auf der Lohnsteuerkarte ist zudem ein am 3. Januar 2006 eingetragener Steuerklassenwechsel zum 1. Februar 2006 verzeichnet. Letzteres machte nur Sinn, wenn auch die versicherungspflichtige Beschäftigung erst zum 1. Februar 2006 begann. Damit übereinstimmend ergibt sich auch aus den Lohnbescheinigungen des Klägers von Februar bis August 2006 als Eintrittsdatum der 1. Februar 2006.

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Indizien und Widersprüche hat der umfassende Vortrag des Klägers zu Inhalt, Art und Umfang seiner Tätigkeit im Januar 2006 den Senat nicht davon zu überzeugen vermocht, dass tatsächlich eine abhängige Beschäftigung des Klägers bereits ab 1. Januar 2006 vorgelegen hat. Der Hinweis auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit reicht hierfür gerade nicht aus, zumal der Kläger bereits vor dem hier streitigen Zeitraum Aufträge des P als Selbständiger im Baubereich abgewickelt hatte. Allein P könnte im Einzelnen Auskunft darüber geben, in welcher Weise sich Art, Inhalt und Umfang der Tätigkeit des Klägers ab Jahresbeginn 2006 dergestalt änderten, dass nunmehr von einer Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen werden könnte. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten hat der Senat insoweit nicht gesehen. Dem Kläger war diesbezüglich auch keine weitere Erklärungsfrist – wie im Verhandlungstermin beantragt – einzuräumen. Denn er hat zu den insoweit streiterheblichen Tatsachen erstinstanzlich und auch im Berufungsverfahren ausführlich vorgetragen und hatte – persönlich anwesend – auch in der Verhandlung hierzu ausführlich das Wort. Dass der Senat an eine von der (früheren) Berichterstatterin in dem Schreiben vom 27. Dezember 2011 geäußerte etwaige – vorläufige und im Konjunktiv dargelegte – Rechtsauffassung nicht gebunden ist und dies in dem umfassenden Rechtsgespräch mit den Verfahrensbeteiligten auch deutlich gemacht hat, war ebenfalls keine Grund, die Sache zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör zu vertagen. Denn es bedarf idR zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schon nicht des – hier sogar erfolgten – Hinweises, dass der Senat möglicherweise eine Rechtsansicht vertrete, die von einer schriftlich oder auch in einem Erörterungstermin geäußerten Auffassung der Berichterstatterin bzw des Berichterstatters abweicht (vgl BSG, Beschluss vom 18. Juli 2011 – B 14 AS 86/11 B – juris). Nur wenn das Gericht nach Durchführung einer förmlichen Beratung seine Rechtsauffassung zu einer entscheidungserheblichen Frage zu Protokoll gibt und hieran Vorschläge für eine sachgerechte Lösung und prozessuale Behandlung des Falles knüpft, beinhaltet dies zumindest eine vorläufige rechtliche Festlegung, die den Beteiligten als Grundlage für ihre weiteren Dispositionen dient (vgl aaO). In dem im Verhandlungstermin geführten Rechtsgespräch hatte der Kläger zudem die Gelegenheit – und hat diese auch wahrgenommen – seine Rechtsauffassung umfänglich darzulegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.